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Bibliotheken in Böhmen

Vom Beginn bis zur Zeit Karls IV.

Der Beginn der Bibliotheken in Böhmen ist eng mit der Einführung des Christentums verbunden, das sich seit dem 9. Jahrhundert sowohl in katholischer als auch in slawischer Konfession etablieren konnte. Die römisch-katholische Kirche wurde schließlich zur verbreitetsten Konfession im Lande. Die sogenannten Wenzelslegenden [Svatováclavské legendy] aus dem 10. und 11. Jahrhundert berichten bereits über die Herstellung und die Benutzung von liturgischen Büchern. Bemerkenswerte Arbeit für Christianisierung und Bildung leistete die Kirchenschule in Budec, in der Nähe von Prag, in der die Monarchen und hohe Geistliche erzogen wurden. Berichten zufolge geschah die Erziehung zweisprachig, so daß wahrscheinlich lateinische und altkirchenslawische Bücher, die aus dem Ausland importiert werden mußten, parallel benutzt wurden. Auch in anderen kirchlichen Institutionen und im Besitz vor allem ausländischer Priester, die hier tätig waren, müssen einige Handschriften dieser Art vorhanden gewesen sein. Zu den wichtigsten Lieferanten lateinischer Bücher gehörte das Skriptorium des Regensburger Klosters St. Emmeram. Im Laufe der Zeit wurden nicht nur liturgische Werke, sondern auch Werke anderer Wissensgebiete nach Böhmen importiert.

Einen großen Einfluß auf die Entwicklung der Bibliotheken hatte die Gründung von Klöstern seit dem 10. Jahrhundert. Zunächst wurde 993 ein Benediktinerkloster in Brevnov in Prag und 999 ein weiteres südlich von Prag am Zusammenfluß der Vltava [Moldau] mit der Sázava [Sasau], genannt Kloster des Heiligen Kilians auf der Insel, durch Fürst Boleslav II. (972-999) begründet. Gefördert durch seinen Sohn und Nachfolger, berief das Kloster Mönche aus dem bayerischen Niederaltaich mit ihrem Abt Lambert und erhielt Ländereien sowie eine Kirchenausstattung als Geschenk. Beide Klöster standen in enger Verbindung zu Rom und den bayerischen Klöstern.

Die Klöster entwickelten sich zu wirtschaftlichen und kulturellen Zentren in Böhmen. Die Tradierung von Kulturgut und Literatur wurde intensiv gepflegt. So galten bekanntlich für die Mitglieder des Benediktinerordens strenge Regeln für die Lektüre nicht nur liturgischer Bücher, sondern auch von Büchern aus anderen Wissensbereichen der Theologie und Philosophie. Voraussetzung für die Einhaltung der Lektürepflicht waren gut ausgestattete Klosterbibliotheken.

Im Laufe des 11. Jahrhunderts kam es zu weiteren Klostergründungen in Böhmen, darunter 1032 in Sázava [Sasau] am gleichnamigen Fluß. Mit seinen slawischen Mönchen wurde es für mehr als 70 Jahre zu einem wichtigen Stützpunkt der slawischen Liturgie in Böhmen mit Ausnahme der Regierungsjahre des Landesfürsten Spytihnev II. (1055-1061), als die Mönche nach Ungarn vertrieben wurden. Unter Vratislav II. (1061-1092) konnten sie zurückkehren, doch der Landesfürst bemühte sich vergeblich beim Papst um die Zulassung des Altslawischen in der Liturgie. In der für das Kloster günstigen Zeit entstanden Werke der altslawischen Literatur, die später vernichtet wurden oder verloren gingen. Aus diesem Kloster soll auch das prachtvolle Sasauer Evangelium [Sázavské evangelium] stammen, das auch Reims-Evangelium [Remešské evangelium] genannt wird. Das erste Kapitel wird dem Heiligen Prokop als Klostergründer und erstem Abt des Sasauer Klosters zugeschrieben, den zweiten Teil schrieben 1395 die Mönche des Prager Emaus-Klosters, dem die Handschrift von Kaiser Karl IV. übergeben wurde. Dieses prachtvoll eingebundene Werk gelangte 1451 nach Konstantinopel, von dort einhundert Jahre später über den Bischof von Lothringen in die Kathedrale von Reims, wo die französischen Könige bis zur Großen Revolution auf diesem texte du sacre den Krönungseid ablegten.

Im Jahre 1096 wurden die slawischen Mönche endgültig aus dem Sasauer Kloster vertrieben. In der Folgezeit wurde es von den lateinisch geschulten Benediktinermönchen aus Brevnov weitergeführt, deren Toleranz die Bewahrung einiger Bruchstücke der altslawischen Literatur ermöglichte, bis 1785 die Säkularisierung die Tätigkeit des Sasauer Klosters beendete. Auch das Emaus-Kloster konnte für eine kurze Zeit die Tradition der glagolitischen Schrift bewahren, doch die Dominanz der lateinischen Liturgie und Sprache sowie der westlichen Kultur in Böhmen nicht aufhalten. Die überwiegend westliche Orientierung durchzog alle kirchlichen Einrichtungen, das Prager Bistum, die Klöster, die Kirchenschulen mit ihren zum Teil ausländischen Priestern und Mönchen, aber auch die Wirtschaft und den Handel sowie die Verbindungen zwischen europäischen Adelshäusern und die Beziehungen zwischen den Gelehrten. Kirche, Verwaltung, Schulen und Literatur waren lateinisch geprägt.

Mit der zunehmenden Zahl der Klöster und Kirchenschulen sowie der in- und ausländischen Geistlichen stieg der Bedarf an Büchern und zugleich die Zahl der Buchbesitzer. Kleinere Büchersammlungen, institutionell oder privat, bestanden bereits zu dieser Zeit, obwohl ihre Existenz nicht durch zeitgenössische Quellen, Bücherverzeichnisse oder Kataloge belegt ist. Mit dem 12. Jahrhundert begann in Europa allgemein ein großer Aufschwung der Ordensbewegung mit verschiedenen Reformen, aus denen wiederum neue Orden hervorgingen. In Böhmen entstanden in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts vor allem Klöster der Zisterzienser und Prämonstratenser sowie 1115 das Benediktinerkloster Kladruby u Stríbra [Kladrau] durch eine Herrschergründung und unter starkem Einfluß des süddeutschen Konvents Zwiefalten in Schwaben.

Zum wichtigsten und größten Prämonstratenserkloster wurde das Kloster Strahov in Prag, dessen erste Mönche aus dem Kloster Steinfeld gekommen waren. Bald schon produzierte es selbst Bücher und entwickelte sich zu einem der vornehmsten Klöster in Böhmen. Zu den größten Zisterzienserklöstern zählte Plasy [Plass] in Westböhmen, das 1144 gegründet und durch Mönche aus dem oberpfälzischen Kloster Langheim besiedelt wurde. Die Buchbestände seiner Bibliothek sind zwar erst durch einen Bücherkatalog aus dem Jahre 1441 belegt, doch sind darin auch einige Werke aus dem ursprünglichen Kloster, darunter nicht nur theologische Werke, sondern auch Werke anderer Wissensgebiete wie Philosophie, Geschichte und Recht. Das Zisterzienserkloster in Nepomuk in Südböhmen verfügte, wie Quellen belegen, über eine Büchersammlung aus der Zeit, in der die Klosterbrüder in den Hussitenkriegen im fränkischen Mutterkloster Ebrach Zuflucht suchen mußten.

Die Verbreitung des Christentums und die Ausbreitung der Klöster und Kirchenorden setzte sich im 12. Jahrhundert zügig fort. Bis zum Tode des Landesfürsten Sobeslav I. (1140) existierten in Böhmen 11 Benediktinerklöster. Bis 1200 entstanden weitere 23 Zisterzienser- und Prämonstratenserklöster in Böhmen und Mähren. Die bekanntesten Prämonstratenserklöster in Böhmen waren neben dem größten am Strahov in Prag die in Rokycany [Rokitzan], Zeliv [Selau], Litomyšl [Leitomischl], Milevsko [Mühlhausen] und Teplá [Tepl]. Die Zisterzienser ließen sich nieder in Sedlec u Kutné Hory [Sedletz bei Kuttenberg], Plasy [Plass], Mnichovo Hradište [Münchengrätz] und Nepomuk.

Im 13. Jahrhundert entstanden in Böhmen zahlreiche sogenannte städtische Klöster der Bettelorden, darunter viele Minoriten- und Dominikanerklöster, die kulturell tätig waren. Im 13. Jahrhundert kam es zu drei Neugründungen von Zisterzienserklöstern an der Moldau: in Südböhmen Vyšší Brod [Hohenfurth] im Jahre 1259 und Zlatá Koruna [Goldenkron], ursprünglich Trnová Koruna [Dornenkorn] genannt, im Jahre 1263 sowie Zbraslav [Königssaal] bei Prag im Jahre 1292. Vyšší Brod wurde durch die Adelsfamilie z Rozmberka (von Rosenberg) gegründet, die seit 1250 die Burg gleichen Namens im Grenzgebiet Südböhmens bewohnte. Die bis heute erhaltene Klosterbibliothek Vyšší Brod mit ihrer großzügigen Ausstattung und umfassenden Katalogisierung entstand aus einer kleinen Büchersammlung, die auf die aus dem Mutterkloster Wilhering bei Linz im Jahre 1259 von den Mönchen mitgebrachten Bücher zurückgeht. Das Bücherverzeichnis ist in einer Pergamenthandschrift erhalten und nennt 45 Handschriften, von denen viele bis heute erhalten geblieben sind. Derzeit zählt die Hohenfurther Klosterbibliothek mit ihren 70.000 Bänden, 400 Inkunabeln sowie 205 Pergament- und 1000 Papierhandschriften zu den umfangreichsten und schönsten Klosterbibliotheken in Böhmen. Ihre aufwendig gestalteten Bibliotheksräume stammen aus dem 18. und 19. Jahrhundert.

Das Schicksal der beiden anderen Klöster war weniger günstig. Zlatá Koruna wurde von König Otakar II. Premysl (1253-1278) zum Andenken an seine siegreiche Schlacht gegen die Ungarn bei Kressenbrunn am 12. Juli 1260 im Kampf um Kärnten gegründet, jedoch später wieder vollständig zerstört. Das Kloster in Zbraslav war der bedeutendste Konvent der Zisterzienser in Böhmen, gegründet vom böhmischen König (1278-1305), einem bedeutenden Mäzen der Künste und der Literatur. beschenkte und förderte das Kloster großzügig. Ihm verdankte es auch seine umfangreiche Bibliothek, deren Bücher er unter anderem sogar in Paris einkaufen ließ. Im Kloster arbeitete ein Skriptorium, in dem zum Beispiel die bekannte Chronik von Königssaal [Kronika zbraslavská] von dem späteren Abt Petr Zitavský (Peter der Zittauer) und seinem Nachfolger Otto geschrieben wurde. Sie wurde im 14. Jahrhundert in der Regierungszeit des Königs Jan Lucemburský (Johann von Luxemburg, 1310-1346) beendet und gilt als eines der bedeutendsten historiographischen Werke des 14. Jahrhunderts in Mittel- europa.

Aus einigen böhmischen Klöstern gingen bedeutende Werke der mittelalterlichen Buchkunst hervor, so aus dem ostböhmischen Benediktinerkloster Podlazice [Podlaschitz] der bekannte Codex Gigas, auch Liber giganteus, Liber pergrandis, Gigas librorum, Teufelscodex oder Podlaschitzer Codex genannt. Dieses großformatige Buch enthält neben theologischen Texten die Kosmas-Chronik von Böhmen und zahlreiche andere Werke. Als Eigentum des Kaisers Rudolf II. (1576-1611) kam es als Kriegsbeute am Ende des Dreißigjährigen Krieges nach Schweden, wo es heute in der Königlichen Bibliothek in Stockholm aufbewahrt wird. Das Benediktinerkloster in Opatovice [Opatowitz] bei Pardubice [Pardubitz] wird als Ursprungsort der berühmten acht reich illuminierten, liturgischen Handschriften betrachtet, die für die kunstliebende Witwe des Königs , Eliška Rejcka (1286-1335), im Skriptorium des Klosters angefertigt wurden. Bereits unter den Königen der Premysliden existierten Büchersammlungen kirchlicher Repräsentanten mit vorwiegend liturgischen Texten. Aber auch die weltlichen Herrscher, allen voran die Könige von Böhmen, waren für ihre Büchersammlungen bekannt. König (1230-1253) und sein Enkel förderten den Minnesang. König Otakar II. Premysl besaß eine königliche Bibliothek, die bereits wissenschaftliche Literatur enthielt, vor allem astronomische und astrologische Werke. Die Luxemburger in Böhmen, Kaiser Karl IV. und die Gründung der Prager Universität Die Besteigung des böhmischen Throns durch die Luxemburger bedeutete einen großen Aufschwung für die Buchkultur und das Bibliothekswesen, denn durch sie vertieften sich die Beziehungen Böhmens zur romanischen Welt. Karl IV., seit 1346 König von Böhmen und seit 1355 Kaiser des Römischen Reiches, residierte in Prag. Er brachte nicht nur die hohe Buchkunst Frankreichs nach Böhmen, sondern trug vor allem Sorge für die Gründung von Bildungsinstitutionen. Ein Höhepunkt war die Gründung der Prager Universität am 7. April 1348. Diese öffnete sich für ausländische Literatur aller Wissensgebiete. Der gesteigerte Buchbedarf zog eine erhöhte Buchproduktion nach sich, deren Voraussetzung wichtige technische Neuerungen wie die Papierherstellung waren. Böhmische Papiermühlen entstanden jedoch erst um 1500, zuvor mußte das Papier importiert werden (vor allem aus Nürnberg). Durch die Arbeit von Schreibern konnten Handschriften und handschriftliche Abschriften in größerer Zahl hergestellt werden. In der Nationalsprache verfaßte Bildungs- und Erzählliteratur förderte zudem das Leseinteresse in den breiteren Schichten.

Der Kaiser selbst stattete die Universität mit einer bedeutenden Büchersammlung aus und förderte die Buchkultur bei den Mitgliedern seines Hofes und bei kirchlichen und weltlichen Repräsentanten des Staates. Viele von ihnen waren Bibliophile und Sammler, so Arnošt z Pardubic (Ernst von Pardubitz, 1364), Prager Erzbischof und erster Kanzler der Prager Universität, aus dessen Bibliothek als wertvolle Werke der böhmischen Buchkunst unter anderem die illuminierten Handschriften Orationale Arnesti und Mariale Arnesti erhalten sind. Arnošt z Pardubic machte es sich zur Aufgabe, die kirchlichen Institutionen mit Literatur zu versorgen. Als Sammler und Donator wertvoller illuminierter Handschriften war Jan ze Stredy (Johannes von Neumarkt, ca. 1310-1380) bekannt, Hofkanzler Karls IV. und späterer Bischof von Litomyšl [Leitomischl] und Breslau. Sein Liber viaticus Domini Ioannis Episcopi Lutomyszlensis zählt zu den bedeutendsten Produkten der böhmischen gotischen Buchkunst.

Der Aufschwung der Klosterbibliotheken in den böhmischen Ländern setzte sich fort, so beispielsweise 1333 in dem vom Prager Bischof Jan z Drazic (Johann von Drazice, 1301-1343) begründeten Augustinerkloster in Roudnice nad Labem [Raudnitz]. Nach einem elfjährigen Aufenthalt in Avignon (etwa 1319-1329) schenkte der Bischof dem Kloster eine Sammlung wertvoller Handschriften. Er und seine Nachfolger förderten das Kloster großzügig, so daß es sich zu einem wichtigen Zentrum für die Buchkultur entwickelte. Auch die südböhmischen Klöster erlebten eine Blütezeit, gefördert hauptsächlich durch die Mitglieder der Familie z Rozmberka. Petr z Rozmberka (1384), Kaplan und Kanonikus, vermachte 1380 seine umfangreiche Büchersammlung dem Minoritenkloster in Ceský Krumlov [Krumau], von der heute allerdings nur noch Bruchstücke erhalten sind.

Im ganzen Land weit verbreitet waren kleinere Pfarrbibliotheken. Die Zahl der Pfarreien im Prager Erzbistum lag zu dieser Zeit schätzungsweise bei 3000 mit durchschnittlich 5 bis 10 Bänden vornehmlich liturgischer Literatur. Insgesamt kann so von etwa 20.000 Bänden in Pfarrbibliotheken ausgegangen werden. Von diesen Buchbeständen sind heute nur vereinzelte Exemplare erhalten. Von den Hussiten bis zur Gegenreformation (1400-1620) und der Beginn des Buchdrucks Die hussitische Bewegung bedeutete einen großen Einschnitt in der Entwicklung der Buchkultur und des Bibliothekswesens in Böhmen. Die Angriffe der Hussiten gegen die Kirche trafen die Klöster, die Mönche und auch die Klosterbibliotheken. Den Plünderungen fielen Menschen und Bücher zum Opfer. Umso beachtlicher ist es, daß doch zahlreiche Bücher diese Zeiten unbeschadet überstanden, da sie rechtzeitig im In- oder Ausland versteckt wurden. Dies bezeugen Bestände wie die des Augustinerklosters in Klosterneuburg bei Wien, wohin die Bücher des Zisterzienserklosters in Sedlec u Kutné Hory [Sedletz bei Kuttenberg] über Jihlava [Iglau] gelangten, oder die Bestände des Zisterzienserklosters in Nepomuk, die ins Mutterkloster nach Ebrach in Franken gebracht wurden. Die Bibliothek des Augustinerklosters in Roudnice nad Labem [Raudnitz] wurde rechtzeitig durch die Mönche nach Breslau überführt. Sie gelangte später zurück nach Böhmen, zuerst nach Breznice [Breznitz] und durch eine Schenkung in den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts in das Prager Nationalmuseum. Viele der erhaltenen Klosterbestände wurden zerstreut und fanden neue Besitzer. Dies geschah hauptsächlich in den Fällen, in denen die ursprünglichen kirchlichen Eigentümer ihre Tätigkeit nach Kriegsende nicht wieder aufnahmen. Von unschätzbarem Wert ist, daß einige wertvolle Klosterbibliotheken, wie die in Vyšší Brod [Hohenfurth], diese Zeit an ihrem ursprünglichen Aufstellungsort unbeschadet überstanden.

Unter den Hussiten gab es auch Gegner der Bücherverbrennungen und Verwüstungen, vor allem Professoren der Prager Karls-Universität, wie Jan Šindel (1370-1443) oder Prokop z Plzne (1465?). Sie protestierten schriftlich, daß es sinnlos sei, Bücher über Logik, Philosophie, Ethik oder Mathematik zu verbrennen, die keinen Bezug zur Kirchenlehre hatten. Ihre Proteste waren jedoch vergebens. Aeneas Silvio Piccolomini (1405-1464), der spätere Papst Pius II., berichtete, daß allein am 16. Juli 1410 etwa 200 wertvolle Codices verbrannt wurden. Unter den gemäßigten Vertretern der Hussiten waren auch einige Bibliophile und Besitzer von privaten Büchersammlungen, besonders mit theologischer Literatur und Predigten für den persönlichen Gebrauch. Bekannt sind neben Prokop z Plzne auch Petr Payne (ca. 1385-1456) und Petr Chelcický (ca. 1390-1460), der spätere Repräsentant der Unität der Böhmischen Brüder. Der Hussitenkönig Jirí z Podebrad (1458-1471) kennzeichnete seine Bücher mit einem farbigen Exlibris, das den gekrönten böhmischen Löwen darstellt. Zugleich bedeutete die Zeit der Hussiten eine Etablierung der tschechischen Sprache in verschiedenen Bereichen des öffentlichen Lebens. Erwartungsgemäß liegt die hussitische Literatur vorwiegend in tschechischer Sprache vor.

Obwohl das xylographische Druckverfahren im 15. Jahrhundert in Böhmen bekannt war, ist kein Blockbuch aus dieser Zeit erhalten geblieben. Der genaue Zeitpunkt für den Beginn des Buchdrucks mit beweglichen Lettern in Böhmen ist nicht mit vollkommener Sicherheit nachweisbar. Unter dem Hussitenkönig Jirí z Podebrad siedelte das Prager Kapitel nach seiner Vertreibung nach Plzen [Pilsen] um. Sein Administrator Hilarius Litomerický (Hilarius von Leitmeritz, 1413-1469) und Václav z Krumlova (Wenzel von Krumau, 1498) waren Büchersammler und Förderer der Kapitelsbibliothek. Das Prager Kapitel spielte in seiner Pilsner Zeit eine große Rolle bei der Einführung des Buchdrucks in Böhmen. Zweifellos der erste Druck in tschechischer Sprache ist die auf das Jahr 1468 datierte Kronika Trojánská [Trojanische Chronik] von Guido de la Colonna aus Pilsner Produktion, deren Datierung wahrscheinlich jedoch nicht mit dem Jahr des Drucks übereinstimmt. Als erstes gedrucktes Werk in Böhmen überhaupt wird nach neueren Forschungen die lateinische Ausgabe der Statuta synodalia Arnesti (Pilsen 1476) angesehen. Zusammen mit fünf weiteren lateinischen theologischen Drucken bilden sie das Konvolut der ältesten Gruppe böhmischer Inkunabeln aus Pilsen, die für das Prager Kapitel hergestellt wurden und deren anonym gebliebener Drucker gemeinhin als Drucker der Statuta bezeichnet wird. Die Trojanische Chronik in tschechischer Sprache dürfte aus kommerziellen Gründen zusätzlich in die Produktion aufgenommen worden sein, da sie große Absatzmöglichkeiten versprach. Dies bestätigt auch eine zweite, im Jahre 1487 erschienene Ausgabe, die in die zweite Epoche böhmischer Inkunabeln nach 1484 fiel.

Im Jahre 1484 gab der Wanderdrucker Johannes Alacraw in der südböhmischen Stadt Vimperk [Winterberg] zwei lateinische theologische Drucke in größerer Auflage heraus sowie einen tschechischen Kalender für das Jahr 1485. Nach 1500 erlebte Prag eine Blütezeit des Buchdrucks, aber auch in der mittelböhmischen Stadt Kutná Hora [Kuttenberg] arbeiteten mit Martin z Tišnova (1520) und von 1498 bis 1513 in Plzen [Pilsen] mit Mikuláš Štetina Bakalár (* um 1450, vor 1520) bedeutende Werkstätten. Bakalárs Produktion war ausschließlich tschechischsprachig. Ferner ist durch Quellen belegt, daß in Cheb [Eger] in den siebziger Jahren des 15. Jahrhunderts ein Familienzweig der Nürnberger Drucker- und Buchhändlerfamilie Koberger ansässig war. Insgesamt 44 bibliographisch nachgewiesene Inkunabeln aus Böhmen zeugen von der ausgeprägten frühen Buchdruckerkunst und Bedeutung der Buchkultur in diesem Land.

Die handwerklichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für eine positive Entwicklung des Buchdrucks waren im 16. Jahrhundert in Böhmen gegeben. Die schwarze Kunst verbreitete sich als ein Handwerk, das nicht durch Zunftregeln organisiert oder beschränkt war. Nach 1500 druckte Pavel Olivetský (1534) in seiner Offizin im ostböhmischen Litomyšl [Leitomischl] vor allem Kalender-Einblattdrucke und religiöse Werke der Unität der Böhmischen Brüder. Fortgesetzt wurde seine Arbeit von seinem Nachfolger Alexandr Oujezdský (1577). Zur selben Zeit existierten in Mladá Boleslav [Jung-Bunzlau] und in Pilsen noch bis 1533/34 bei Tomáš Bakalár Druckwerkstätten, während in Cheb [Eger] die drei deutschen Drucker Johann Burger, Michael Mühlmarkt und Johann Preu an der Produktion deutschsprachiger Werke arbeiteten. Kleinere böhmische Orte, für die ebenfalls eine kurzzeitige Druckproduktion nachgewiesen ist, sind Belá pod Bezdezem [Weißwasser], Hradec Králové [Königgrätz] und Litomerice [Leitmeritz]. Bemerkenswert ist die Kooperation zwischen Pilsner und Nürnberger Buchdruckern und Buchhändlern in dieser Zeit. Mit der Senkung der Produktionskosten und damit der Buchpreise durch den Buchdruck waren die Voraussetzungen für eine weite Verbreitung der Buchkultur gegeben. Die bürgerlichen Schichten erhielten einen Zugang zu Büchern, so daß eine Reihe von berühmten Büchersammlungen in Böhmen entstehen konnte, die inhaltlich zunächst von hussitischen Ideen geprägt waren.

Bereits die Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert bedeutete eine Blütezeit des Humanismus in Böhmen, der als neue ästhetische und gelehrte Geistesströmung das Denken, die Bildung und die Kultur in adeligen und bürgerlichen Kreisen sowie letztlich auch die Bibliotheken dieser Zeit stark prägte. Bedauerlicherweise wurden die bedeutenden Bibliotheken der böhmischen Humanisten in den nachfolgenden Jahrhunderten großenteils vernichtet, so daß heute nur noch erhaltene Bruchstücke ihrer Sammlungen, Archivdokumente oder Nachlaßverzeichnisse Aufschluß über ihren ursprünglichen Bestand erlauben. Der bekannteste Büchersammler der Zeit, Bohuslav Hasištejnský z Lobkowicz (1461-1510), der auch ein humanistischer Dichter war, bezog nach italienischem Vorbild Bücher über seinen Agenten Bernhard Adelmann (1457-1523) in Deutschland. Darüber hinaus beschäftigte er einen Schreiber namens Aristobol, der für ihn griechische Handschriften abschrieb. Hasištejnskýs Bibliothek war seinerzeit eine der größten und berühmtesten in Mitteleuropa, ist aber lediglich in einigen Bruchstücken in der fürstlichen Raudnitzer Lobkowicz'schen Bibliothek in Nelahozeves [Mühlhausen an der Moldau] erhalten geblieben. Berühmt waren auch die Krumauer Bibliothek des Rosenberger Kanzlers Václav z Rovného (1449-1531) und die des Propstes Jan z Rabštejna ( 1473), die durch ihren Verkauf an die Bibliothek des Prämonstratenserklosters Schlägl in Österreich dort bis heute erhalten geblieben ist. Im Gegensatz dazu wurde die humanistische Bibliothek von Jan Hodejovský z Hodejova d. Ä. (1566) mit ihren humanistischen Prägung und zahlreichen Inkunabeln 1541 bei einem großen Brand in Prag vollkommen vernichtet.

Als die katholischen kirchlichen Institutionen im 16. Jahrhundert ihre Tätigkeit in Böhmen wieder aufnahmen, kam es zu einem Aufschwung des Bibliothekswesens. Von den städtischen Bibliotheken des 15. Jahrhunderts ist die bekannteste die Bibliothek der Lateinschule aus Jáchymov [St. Joachimsthal], die damals zu den umfangreichsten ihrer Art zählte. Sie wurde vom Joachimsthaler Pfarrer Johann Mathesius (1504-1565) seit 1540 dank großzügiger finanzieller Spenden von wohlhabenden Bürgern der Stadt aufgebaut. Sie ist inhaltlich profiliert und besitzt Drucke von der Inkunabelzeit bis 1629, vorwiegend aus dem Bereich Theologie, humanistische Literatur und Werke aus verschiedenen naturwissenschaftlichen Disziplinen einschließlich Physik und Astronomie sowie zur Mathematik. Berühmt ist sie durch ihren Bestand an Kettenbüchern (libri catenati), die etwa ein Drittel des Gesamtbestandes ausmachen. Heute sind 353 Titel erhalten, darunter die größte Sammlung von Kettenbüchern in Böhmen. Sie wurde vor der Vernichtung bewahrt, da sie seit Schließung der Lateinschule zu Beginn der Gegenreformation (um 1629) in ihrem Versteck auf dem Dachboden des Joachimsthaler Rathauses bis 1871 unentdeckt blieb.

Die Bücherzensur hat in Böhmen eine sehr lange Geschichte. Ihren Beginn nahm sie unter König Ferdinand I. (1526-1564) nach dem gescheiterten Ständeaufstand 1547, als der König alle Druckereien bis auf die des privilegierten Hofdruckers Bartolomej Netolický in Prag schließen ließ. Vorgeworfen wurden den Buchdruckern blasphemische und monarchiefeindliche Publikationen. Netolický mußte fortan sämtliche Manuskripte vor Drucklegung den Administratoren des katholischen und des utraquistischen Konsistoriums sowie dem Hauptmann der Prager Burg vorlegen. 1547 wurde ein vollständiges Druckverbot erlassen. Ab 1549 wurden von den geistlichen und weltlichen Zensurstellen auch ausländische Drucke sowie die Bestände in Bibliotheken kontrolliert und nicht genehmigte Werke konfisziert. Eine vollständige Kontrolle der Druckproduktion gelang trotz ständig neuer Zensurgesetze und drohender Todesstrafe jedoch nicht, da Drucker weiterhin als Buchhändler tätig waren und heimlich Werke neu herausgaben, deren Erscheinungsjahr rückdatiert wurde, oder Bücher aus dem Ausland geschmuggelt wurden. Ferdinand I. änderte später seine Zensurpolitik und genehmigte auch anderen Druckereien in seiner Gnade zu produzieren, woraufhin sich die Buchdruckerkunst im Laufe des 16. Jahrhunderts weiterentwickeln konnte. Die Zeit der Gegenreformation Der böhmische Ständeaufstand in den Jahren 1618 bis 1620 und dessen Scheitern mit der Schlacht auf dem Weißen Berg in der Nähe von Prag bedeutete einen Wendepunkt der böhmischen Geschichte. Das Ziel des Aufstandes, eine protestantische mitteleuropäische Großmacht aufzubauen, scheiterte. Das Königreich Böhmen unterstand fortan der streng katholischen Monarchie des Hauses Habsburg, in der die legislative Macht in der Hand des Herrschers konzentriert war und die Macht des Landtages abgeschafft wurde. Die neue Landesverfassung kodifizierte den Katholizismus als einzige Konfession. Auf den gescheiterten Ständeaufstand folgten mehrere Wellen von Konfiskationen mit bisher ungekannter Härte: enteignet wurde vor allem der protestantische Adel, die königlichen Städte wurden wirtschaftlich ruiniert und politisch entmachtet, ihre Stimmenzahl in den Landtagssitzungen auf eine Stimme reduziert. Etwa drei Viertel der Ländereien in Böhmen wechselten den Besitzer. Zuvor überwiegend protestantische Regionen wurden in der Folgezeit einer langen und strengen Rekatholisierung unterzogen. Hinzu kamen in den darauffolgenden Jahrzehnten die weitreichenden Verwüstungen des Dreißigjährigen Krieges.

Diese Ereignisse spiegeln sich auch in den Schicksalen der böhmischen Bibliotheken wider. Viele wurden vollkommen vernichtet oder so zerstreut, daß heute nur noch Bruchstücke von ihnen erhalten sind oder einzelne Bände nach Eigentumsvermerken, Exlibris oder Supralibros ermittelt werden können. Dies trifft beispielsweise für die Bücher aus dem Eigentum der im Jahre 1621 hingerichteten 27 böhmischen Teilnehmer am Ständeaufstand zu. Noch gravierender trafen die Verluste während des Dreißigjährigen Krieges, insbesondere durch die umfangreiche Kriegsbeute der Schweden, die Bibliothekslandschaft in Böhmen. Am Kriegsende (1648) besetzten sie das linke Ufer der Moldau in Prag und konfiszierten Kunstsammlungen und Bücher bei Plünderungen der Prager Burg, um sie nach Schweden zu bringen. Der größte Bücherverlust in der böhmischen Geschichte traf 1648 die berühmte Rosenberger Bibliothek aus Trebon [Wittingau], die von Petr Vok z Rozmberka (1539-1611) im Schloß Bechyne [Bechin] in Südböhmen gegründet und später mit der Krumauer Familienbibliothek in Trebon vereinigt wurde. Sie zählte ungefähr 11.000 Bände. Durch das Aussterben des Stammes war sie zunächst an die Familie Schwamberg gegangen und später an Kaiser Ferdinand III. (1637-1657), der sie 1647 nach Prag überführen ließ. Der erhaltene vierbändige Bibliothekskatalog des Bibliothekars Václav Brezan (1580-1618) bezeugt den außerordentlichen Wert dieser verlorenen Bibliothek. Ebenfalls einen großen Verlust hatte die Strahover Klosterbibliothek zu verzeichnen, deren Bücher im Wert von schätzungsweise 20.000 Gulden die Schweden in 19 großen Kisten verschleppten. Die Klosterbibliothek mußte wieder neu aufgebaut werden.

Die regierenden Habsburger stützten sich in der Zeit der Gegenreformation vor allem auf den Jesuitenorden. Nach der Schlacht auf dem Weißen Berg (1620) konnten die zuvor vertriebenen Jesuiten in das Land zurückkehren und wichtige Positionen bekleiden. Mit ihrer strengen Organisationsstruktur verstanden sie es, das gesamte öffentliche wie auch das private geistige Leben zu strukturieren. In 75 Kollegien in Böhmen, Mähren und Schlesien wirkten schließlich mehr als 1000 Jesuitenpriester, Professoren, Koadjutoren und Prediger für die Ausbildung und Erziehung von jährlich 11.000 Studenten. In den Händen der Jesuiten war neben den Kanzeln und Schulen auch die Druckproduktion, deren Inhalte sie bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts durch Zensur kontrollierten. In der Zeit der Gegenreformation waren ausschließlich vereidigte katholische Druckereien mit streng kontrollierter, katholischer Druckproduktion zugelassen. Die Tätigkeit der seit 1626 eingesetzten Kontrollkommission wurde auf sämtliche Buchhändler, Büchermärkte und Straßenhändler ausgeweitet; die Aufsicht über importierte Bücher führte der Prager Erzbischof. Drucker, die außerhalb der Hauptstadt produzierten, mußten ihre Werke den örtlichen kirchlichen Repräsentanten zur Zensur vorlegen. Nicht-katholische oder als ketzerisch eingestufte Bücher wurden verbrannt oder in Bibliotheken als libri prohibiti unter Verschluß genommen. Bedeutende Vertreter der tschechischen Kultur waren durch die Zensurbestimmungen gezwungen, ihre Werke im Exil zu publizieren, so auch Jan Amos Komenský (Comenius, 1592-1670).

Ein typischer Repräsentant des radikalen Jesuitentums in Böhmen war der Prediger und Missionar Antonín Koniáš (1691-1760), der nach eigenen Angaben persönlich 30.000 ketzerische Bücher verbrannt oder Seiten herausgerissen und die so verbesserten Bücher wieder zurückgegeben hat. Er verfaßte den Index Clavis haeresim in claudens et aperiens (Hradec Králové 1729, 2. Auflage 1749-1750). Wer ohne geistige Bewilligung ketzerische Bücher privat aufbewahrte, wenn auch nur für sein eigenes Vergnügen oder aus Rücksicht auf seinen Stamm, seinen Stand oder sein Amt, fiel unter den Kirchenbann. Ein vorbildlicher Katholik sollte seine Bibliothek seinem Beichtvater zur sorgfältigen Besichtigung zur Verfügung stellen. Dies galt vor allem für die Nachkommen der alten einheimischen Geschlechter, die viele sogenannte alttschechische Ketzerbücher besaßen. So kam es auch zu beträchtlichen Schäden in den alten privaten Büchersammlungen in Böhmen.

Auf der anderen Seite war die Gegenreformation zugleich eine Periode großen Aufschwungs für die Klosterbibliotheken. Neben den Jesuiten kam es zur Einführung weiterer Kirchenorden, wie dem der Kapuziner und dem der Piaristen. Alle Kirchenorden und Klöster erweiterten ihren Buchbestand oder gründeten neue Bibliotheken. Die Bibliotheksräume aus dieser Zeit waren aufwendig im Barockstil gestaltet und bezeugen das Niveau der böhmischen Bibliotheksarchitektur. Erwähnt seien hier die berühmten Prager Bibliotheken im Kloster Strahov, im Klementinum und in Brevnov; außerhalb von Prag die Bibliotheksräume im Kloster Vyšší Brod [Hohenfurth] aus dem Jahre 1757 mit reich verzierten, vergoldeten Rokokoschränken im Theologischen Saal und das Zisterzienserkloster in Osek [Osseg] mit seinem Bibliothekssaal aus dem Jahre 1725. Später entstanden Bibliothekseinrichtungen im klassizistischen Stil und historisierenden Stilen, wie beispielsweise der neobarocke Saal in der Tepler Klosterbibliothek aus den Jahren 1902 bis 1910.

Inhaltlich waren alle Klosterbibliotheken ähnlich strukturiert, mit einem deutlichen Schwerpunkt bei der Theologie, gefolgt von anderen Disziplinen wie Philosophie, Geschichte und Recht. Vor allem in den Klosterbibliotheken der Benediktiner, Prämonstratenser, Zisterzienser und Augustiner fand sich zudem meist ein breites Spektrum von weltlicher Literatur zu den Naturwissenschaften, der Mathematik, der Astronomie wie auch zu speziellen Interessengebieten der Ordensmitglieder. Die jesuitischen Bibliotheken waren ebenfalls thematisch einheitlich gestaltet; in ihren Beständen spiegeln sich die pädagogischen und missionarischen Tätigkeiten des Ordens wider. Den großen Einfluß der Jesuiten im Bildungssystem bezeugt die hohe Zahl der von ihnen betriebenen schulischen Einrichtungen, von Elementarschulen bis hin zur Universität. Neben dem Klementinum als Hauptsitz der Jesuiten in Böhmen und dem Seminar des Heiligen Wenzel [Svatováclavský seminár] in Prag hatten sie weitere 30 Sitze, Residenzen, Kollegien, Gymnasien und Schulen in Böhmen, die das geistige Leben bedeutend prägten. Die zugehörigen Bibliotheken mit ihrem spezifischen Gepräge spielten dabei eine wichtige Rolle. Pädagogische Literatur war neben Theologie auch stark in den Bibliotheken der Piaristen vertreten. Dieser Orden hatte in Böhmen im 17. Jahrhundert aufgrund seiner religiösen Toleranz an Beliebtheit gewonnen.

Die Burg- und Schloßbibliotheken erlebten in der Zeit der Gegenreformation einen Aufschwung, als sich der neue Adel im Laufe des Dreißigjährigen Krieges und danach auf seinen neuen Landsitzen ansiedelte. Die Ausstattung der Adelsbibliotheken erfolgte in dieser Zeit ebenfalls aufwendig im Barockstil, später im klassizistischen oder historisierenden Stil. Viele dieser Bibliotheken sind heute jedoch nicht mehr am ursprünglichen Ort erhalten; einige wurden in andere Schlösser überführt, wieder andere verkauft oder zerstreut. Der böhmische Adel stand durch verwandtschaftliche oder freundschaftliche Verbindungen in ständiger Verbindung zu ausländischen Adelshäusern und war deutlich international orientiert. Dies schlug sich selbstverständlich im Charakter seiner Bibliotheken und Büchersammlungen nieder. Inhaltlich und sprachlich waren die Schloßbibliotheken breit gefächert, beherbergten aber zudem einige spezialisierte Sammelgebiete, die den privaten Interessen der Eigentümer entsprachen.

Durch die Abwanderung der Protestanten ins Ausland nach 1620 verschwanden die größeren bürgerlichen und städtischen Bibliotheken. Von ihnen sind nur noch Bruchstücke oder einzelne Exemplare vorhanden, die an ihren Eigentumsvermerken zu erkennen sind. In der Fürstlichen Raudnitzer Lobkowicz'schen Bibliothek finden sich aus der Provenienz abgewanderter Protestanten von Ladislav Zejdlic ze Šenfeldu (Ladislaus Seydlitz von Schönfeld, 1566-1632) Pergamenteinbände mit seinem Monogramm und überdies Bücher und Tagebücher des Arztes und Dichters Dr. Matyáš Borbonius z Borbenheimu (Matthias Borbonius von Borbenheim, 1560-1629). Solche Restbestände sind selbstverständlich auch in vielen anderen wissenschaftlichen und öffentlichen Bibliotheken Böhmens sowie in einigen ausländischen Bibliotheken anzutreffen. Zeitalter der Aufklärung und Aufhebung des Jesuitenordens

Im Laufe des 18. Jahrhunderts breitete sich in Böhmen das Gedankengut der Aufklärung von Westeuropa her aus. Der Adel öffnete sich dem freien Geist, las entsprechende Literatur und sprach sich gegen Unterdrückung und die herrschende Zensur aus. Es kam in Mode, französische und italienische Literatur zu sammeln und die Bibliotheken nach persönlicher Vorliebe mit Werken zur Kunst, Musik und anderer Bildungsliteratur zu erweitern.

Einen Einschnitt in die Entwicklung des Bibliothekswesens bedeutete die Aufhebung des Jesuitenordens im Jahre 1773 und die Säkularisation der Klöster unter Kaiser Joseph II. in den Jahren 1781 bis 1790, die die Konfiszierung vieler kirchlicher Bibliotheksbestände bedeutete. Die Zeit der Gegenreformation mit all ihren Härten war vorüber, die strenge Zensur wurde gemildert und breitere Kreise der Bevölkerung erhielten Zugang zu Büchern in den damals neu begründeten öffentlichen Bibliotheken, die umfangreiche Bestände aus säkularisierten Klosterbibliotheken übernommen hatten. Bei den raschen und nicht immer gut organisierten Übernahmen von Klosterbibliotheken kam es zu Schäden. Die Hofbibliothek in Wien verfügte über ein Auswahlprivileg für die säkularisierten Bestände, weshalb sich viele wertvolle tschechische Handschriften und Drucke heute in Wien befinden.

Die Aufhebung der jesuitischen Klöster und die Konfiszierung der Bestände verliefen erwartungsgemäß nicht reibungslos. Am 16. August 1773 fielen offiziell alle jesuitischen Bibliotheken an den Staat, ebenso das gesamte Vermögen der Societas Iesu. Alle Jesuitenbibliotheken sollten die Kataloge ihrer Buchbestände nach Wien übersenden. Falls keine Kataloge oder Verzeichnisse existierten, sollten sie unverzüglich ausgearbeitet werden. Die früheren Ordensmitglieder verzögerten die Durchführung dieser Verordnungen, und noch 1777 wurden sie und vor allem die ehemaligen Professoren zur Abgabe der noch immer nicht abgelieferten Bücher aufgefordert. Bis heute ist nicht geklärt, wieviele Bücher in den Jesuitenbibliotheken ursprünglich vorhanden waren und wieviele zum Beispiel im Prager Klementinum erhalten blieben. Zweifellos wurden Teile der Buchbestände in den Orten belassen, in denen es weiterhin Gymnasien gab. Reste von Jesuitenbibliotheken blieben erhalten in Kutná Hora [Kuttenberg] im dortigen Heimatmuseum, in Jindrichv Hradec [Neuhaus] in der Gymnasialbibliothek sowie in Hradec Králové [Königgrätz] in der Bischöflichen Bibliothek.

Viele Bücher, vor allem die in Jesuitenbibliotheken vorhandenen Duplikate, wurden an Antiquariate oder an Papiermühlen verkauft. Andere Bücher wurden gestohlen oder beim Transport beschädigt, besonders bei der Überführung in das Klementinum nach Prag, das als Sammelstelle fungierte. Man rechnet, daß die heutige Nationalbibliothek als Nachfolgerin der Jesuitenbibliothek im Klementinum 5860 Bände aus dieser Provenienz besitzt und mindestens 4230 Bände aus anderen böhmischen Jesuitenbibliotheken.

In der Zeit der Französischen Revolution wurden die Zensurmaßnahmen innerhalb der Habsburgermonarchie noch einmal verschärft, besonders zur Regierungszeit Franz II. (1792-1835). Aus Angst vor der Verbreitung revolutionärer Ideen trat 1795 ein strenges Zensurgesetz in Kraft, das unter anderem die Ausleihe der Schriften Voltaires, Rousseaus und Helvetius' in der Prager Universitätsbibliothek verbot und bei Zuwiderhandlung Strafen und eine sofortige Entlassung des Bibliothekars vorsah.

Die Einführung eines Pflichtexemplarrechts in Böhmen steht in enger Beziehung zur Geschichte der Prager Universitätsbibliothek. Als die ehemalige jesuitische Bibliothek im Klementinum mit der Carolinischen Bibliothek durch das Hofdekret vom 6. Februar 1777 vereinigt wurde, kam es zur Gründung der öffentlichen k.u.k. Universitätsbibliothek. Laut Instruktion war eine ihrer Hauptaufgaben das Zusammentragen einer bibliotheca nationalis. Daher erhielt die Prager Universitätsbibliothek 1782 zunächst das Recht auf ein Pflichtexemplar jedes in Prag gedruckten Werkes, 1807 dann das Recht auf jedes in Böhmen gedruckte Werk. Doch war es schwierig, die gesetzlich zugestandenen Pflichtexemplare von den Druckereien einzutreiben. Wirkungsvoller zeigte sich das sogenannte freiwillige Pflichtexemplar von Buchdruckern, Herausgebern und Autoren. Von der Wende ins 19. Jahrhundert bis zum Zweiten Weltkrieg

Nach dem Vorbild der öffentlichen Prager Universitätsbibliothek entstanden zu Beginn des 19. Jahrhunderts weitere öffentliche Bibliotheken, die meisten in Prag. Für das öffentliche Bibliothekswesen in Böhmen war es von Bedeutung, daß diese Bibliotheken häufig von adeligen Mäzenen gefördert wurden. Der böhmische Adel war in dieser Zeit stark patriotisch gesinnt und legte großen Wert auf die Ständerechte des Königreichs Böhmen, die durch die Reformen Kaiser Josephs II. seit den achtziger Jahren des 18. Jahrhunderts bedroht waren. Der Adel unterstützte die Einrichtung von gelehrten Gesellschaften, Museen, öffentlichen Bibliotheken, Galerien und anderen kulturellen Institutionen, die das böhmische Nationalbewußtsein in der Bevölkerung festigen sollten. Viele seiner Sammlungen, vor allem Büchersammlungen, wurden an die neuen Institutionen übergeben. Beispielsweise schenkte die Grafenfamilie Kinský in patriotischer Gesinnung 1777 ihre Majoratsbibliothek aus dem Schloß Matzen in Niederösterreich der Prager Universitätsbibliothek. Diese wertvolle Büchersammlung befindet sich in der heutigen Nationalbibliothek.

Von herausragender gesellschaftlicher und historischer Bedeutung war das Nationalmuseum in Prag, gegründet von adeligen Mäzenen im Jahre 1818. Seine Bibliothek wurde bald die zweitgrößte in Böhmen dank umfangreicher Schenkungen und Nachlässe von Angehörigen des Adels, tschechischen Patrioten aus dem Bürgertum und einer patriotisch gesinnten Öffentlichkeit. Zu den wichtigsten Gründungsgeschenken zählte Graf Caspar Maria von Sternbergs (1761-1838) Bibliothek aus Brezina in Westböhmen mit 7500 Bänden. Graf Joseph Maria Kolowrat-Krakowský (1746-1824) schenkte bald nach der Gründung Bücher aus seiner Bibliothek auf Schloß Breznice [Breznitz] in Südböhmen mit wertvollen illuminierten Handschriften und Inkunabeln. Aus ganz Böhmen gingen fortan Buchgeschenke im Nationalmuseum ein. Dadurch daß die Zensurbestimmungen für Presse, Bücher und Bibliotheken im gesamten 19. Jahrhundert fortbestanden, konnte in den fünfziger Jahren der Bibliothek des Nationalmuseums weiterhin eine beachtliche Sammlung mit Zensurexemplaren der Prager Polizeibehörden übergeben werden. Sie dokumentiert mitsamt ihren Zensurvermerken die Geschichte der böhmischen Zensur. Hinzu kamen freiwillige Pflichtexemplare von Druckern, Herausgebern und Autoren. Bohemica aus dieser Zeit sind daher in der Bibliothek des Nationalmuseums sowie in bedeutenden regionalen Bibliotheken sehr umfangreich vertreten.

Das wachsende Nationalbewußtsein der Tschechen in dieser Zeit, das auch Nationale Wiedergeburt genannt wird, führte zur Gründung von kulturellen Einrichtungen mit einem breiten Bildungsauftrag. Darunter spielten Bibliotheken verschiedener Art eine große Rolle. Zunächst waren es tschechische patriotische Literaten, unter ihnen oft Priester, die einige Bücher in ihrem Umfeld verliehen oder öffentliche Lesungen veranstalteten. Seit Beginn des 19. Jahrhunderts und speziell nach dem neuen österreichischen Bibliotheksgesetz von 1811 entstanden in ganz Böhmen Lesevereine und Lesegesellschaften sowie private Leihbibliotheken, die bemüht waren, ihren Mitgliedern ein breites Spektrum an Literatur und Zeitschriften zur Verfügung zu stellen. In den tschechischen Sprachgebieten Böhmens lag der Schwerpunkt auf Literatur mit national geprägten Inhalten in tschechischer Sprache. Die erste Idee zur Gründung einer Lesegesellschaft in Böhmen kam 1780 in den Priesterkreisen der Königgrätzer Diözese auf; sie wollten Fachliteratur zu Philosophie, Philologie, Geschichte und anderen Schönen Wissenschaften einstellen. Das Vorhaben wurde jedoch nicht realisiert, und die ältesten deutschen Lesegesellschaften entstanden in Brünn [Brno], bestanden jedoch nicht lange fort. Die zwei ältesten tschechischen Lesegesellschaften entstanden 1818 in Radnice [Radnitz] und 1819 in Cervené Porící [Rothporitsch]. Sie hatten bei ihrer Gründung zwischen 40 und 60 Mitglieder und verfügten über etwa 400 Bände. Die Radnitzer Lesegesellschaft setzte ihre Tätigkeit bemerkenswerterweise bis in das 20. Jahrhundert fort.

Kommerziell erfolgreicher als die Lesegesellschaften arbeiteten zuvor die Leihstellen und Lesekabinette für Zeitungen und Zeitschriften (in Prag bei Wolfgang Gerle bereits seit 1772). Öffentliche Leihbibliotheken eröffneten in Plzen [Pilsen] 1790 der Buchdrucker und Buchhändler Josef Johann Morgensäuler und ein Jahr später Josef Kavka. Nur spärlich dokumentiert sind die Versuche, Leihbibliotheken in den Kurorten Karlovy Vary [Karlsbad] und Teplice [Teplitz] einzurichten, während in Ceské Budejovice [Budweis] der Buchhändler Johann Josef Diesbach ohne offizielle Genehmigung verlieh. Die Leihstellen durften nur unter direkter Aufsicht der Hofzensurbehörden in Wien arbeiten, die jedoch per Hofdekret vom 2. August 1798 zunächst die Aufhebung aller Lesekabinette und später auch der Leihbibliotheken verfügten. Zugelassen wurden sie wieder ab 1810, wobei die Kontrolle dem Polizeiministerium oblag, strenge Richtlinien vorgegeben und Indices verbotener Bücher zu beachten waren. In Cheb [Eger] nahm der Buchhändler Kobitsch und in Plzen [Pilsen] der Nachfolger von Morgensäuler, Leopold Reiner, einen Lesekabinett-Betrieb auf. In den böhmischen Kurorten waren ebenfalls in der Saison Bücher zu leihen.

Seit den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts milderte sich der Zugriff der Behörden auf die Lesegesellschaften, die sich zu einem bedeutenden Faktor in der Entwicklug der Nationalen Wiedergeburt, besonders in den ländlichen Regionen, herauskristallisierten. Ihre patriotische und nationale Ausrichtung förderte aber auch den Anstieg der Intoleranz unter den beiden Nationalitäten. So kam es 1810/11 in Jindrichv Hradec [Neuhaus] zur Gründung einer deutschen Lesegesellschaft mit ausschließlich deutschsprachigem Buchbestand durch den Gymnasialprofessor Alois Alexander Uhle, der folglich auch als Antibohemarius bezeichnet wurde. Sammlungen dieser Lesegesellschaften sind nur als Restbestände in öffentlichen Bbliotheken erhalten geblieben. Dies erklärt sich vor allem aus der großen Abnutzung, Beschädigungs- und Verlustrate durch die intensive Nutzung.

Eine der patriotischen Organisationen, die ebenfalls zur Entwicklung des böhmischen Bibliothekswesens bedeutend beitrug, war die 1884 gegründete Böhmerwalder Nationalunität [Národní jednota pošumavská]. Zugleich förderten Lehrer und Priester im 19. Jahrhundert die Entstehung von Schulbibliotheken, waren dabei aber staatlichen Eingriffen ausgesetzt. Mit der Aufsicht über die Buchbestände wurden Kirchenämter betraut. Im Jahre 1816 ordnete die Hofstudienkommission in Wien an, daß in allen Gymnasien Bibliotheken einzurichten seien, die zunächst jedoch nur für die Professoren bestimmt waren. 1820 wurde der sogenannte Plan von Hradec Králové [Königgrätz] eingeführt, der vorsah, regionale Bibliotheken für Schulbezirke bei Vikariatsämtern einzurichten, wiederum ausschließlich zum Gebrauch der Lehrenden. In den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts entstanden die ersten Bibliotheken an Elementarschulen. Ein Gubernialdekret im Jahre 1838 wies die Konsistoren an, Schulbibliotheken in Schulen und Konsistorialämtern zu gründen und zu fördern. Von 1838 bis 1847 entstanden daraufhin 486 Schulbibliotheken, die in der Regel auch Schülern zur Verfügung standen. Gleichzeitig kam es auch zur Gründung von Vereinen mit den verschiedensten Zielsetzungen, die ihren Mitgliedern Literatur zur Verfügung stellten und vereinseigene Bibliotheken einrichteten. Die Buchbestände der Vereine für Handwerker und Gewerbetreibende enthielten vor allem Fachliteratur.

Öffentliche Volksbüchereien entstanden ebenfalls in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, zumeist auf Initiative von Vertretern der Ortsverwaltungen, Priestern, Lehrern sowie gebildeten Bürgern. In der Regel stellte die Ortsverwaltung die benötigten Räume zur Verfügung, und private Förderer, Mäzene und lokale Vereine sorgten für die Geldmittel zum Ankauf der Bücher. Die erste dieser Bibliotheken entstand 1834 in Zebrák, die später bekannteste 1837 in Beroun [Beraun]. Weitere Ortsbibliotheken wurden in Roudnice nad Labem [Raudnitz], Litomyšl [Leitomischl], Nymburk [Nimburg] und anderen Orten gegründet, so daß bis 1848 bereits mehr als 60 solcher Bibliotheken tätig waren. Am Ende des 19. Jahrhunderts gab es 267 öffentliche Bibliotheken, verwaltet von Gemeinden, Bezirken oder Landesbehörden, mit einem Buchbestand von etwa 193.000 Bänden. Bis 1905 stieg die Zahl auf 465 Bibliotheken.

Eine besondere Rolle in der Entwicklung des böhmischen Bibliothekswesens spielten die Bibliotheken regionaler Museen, von denen die Mehrzahl in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gegründet wurde. So entstanden zwischen 1860 und 1890 49 Museen und Museumsgesellschaften (davon 37 tschechische) in Städten mit einer längeren kulturellen Tradition. Sie entstanden zumeist auf Anregung patriotisch gesinnter gesellschaftlicher Kreise, darunter zahlreiche Lehrer, Ärzte und Beamte. Die Sammelgebiete der Museen waren auf die Heimatkunde der jeweiligen Region ausgerichtet, und ihre Bestände sollten zugleich wissenschaftlichen Forschungen dienen sowie volksbildende Funktionen übernehmen. Demgemäß setzten sich auch ihre Bibliotheken zusammen: zum einen aus Fachliteratur, zum anderen aus Regionalliteratur aus dem jeweiligen Gebiet oder mit Bezug auf das Gebiet. Im Zuge der fortschreitenden fachlichen Spezialisierung entstanden am Ende des 19. Jahrhunderts weitere spezialisierte Museen, beispielsweise zu Bereichen der Technik und Industrie, dem Kunstgewerbe oder der Ethnographie mit zugehörigen Bibliotheken. Heute repräsentieren die Bibliotheken regionaler Museen einen umfangreichen historischen Buchbestand mit weit mehr als nur regionaler Bedeutung, der das kulturelle Erbe auf dem Gebiet der Buchkultur zusätzlich dokumentiert.

Nach Angaben der Statistischen Kanzlei des Königreichs Böhmen existierten 1910 im Lande 3865 tschechische Bibliotheken mit etwa 1.279.000 Bänden und 551 deutsche mit 297.157 Bänden Buchbestand. Davon wurden 1353 Bibliotheken mit einem Gesamtbestand von 713.997 tschechischen und 157.674 deutschen Büchern durch selbstverwaltete Vereine gefördert oder unterstützt. Zu den wichtigsten Bibliotheken zählten die in Litomyšl mit 23.143 Bänden, Liberec [Reichenberg] mit 10.954, Chrudim mit 10.665, Ústí nad Labem [Aussig] mit 8679, Policka mit 6628, Kraslice [Graslitz] mit 6406, Teplice-Šanov [Teplitz-Schönau] mit 6202, Slaný [Schlan] mit 5750, Louny [Laun] mit 5714, Cheb [Eger] mit 5500, Domazlice [Taus] mit 5407, Karlovy Vary [Karlsbad] mit 5120 und Pardubice [Pardubitz] mit 5100 Bänden.

Das offizielle Pflichtexemplarrecht in der österreichischen Monarchie regelte das Pressegesetz Nr. 6 von 1863 neu, nach dem der jeweiligen Landes- oder Universitätsbibliothek ein Exemplar zustand. Für Drucke aus Prag oder Böhmen war es die Prager Universitätsbibliothek, deren Pflichtexemplarrecht bis 1919 fortbestand. Dann wurde es dahingehend abgeändert, daß zuvor für die Wiener Hofbibliothek bestimmte Exemplare der politischen Landesverwaltung zur Aufbewahrung übergeben werden sollten.

Die Gründung der ersten Tschechoslowakischen Republik im Jahre 1918 bedeutete auch eine Veränderung im Bibliothekswesen. Das Gesetz Nr. 430 von 1919 (Bibliotheksgesetz genannt) regelte das öffentliche Bibliothekswesen und führte zu seiner raschen Weiterentwicklung. Die Gemeinden wurden angewiesen, öffentliche Büchereien zu errichten, zu fördern und die nötigen Finanzmittel als regelmäßige Gemeindeausgaben im Etat zu berücksichtigen. Das bestehende Mißtrauen auf seiten der deutschen Bevölkerung gegenüber dem Bibliotheksgesetz konnte bald überwunden werden. Statistiken für das Jahr 1920 belegen in der CSR 458 öffentliche deutsche Büchereien mit 282.255 Bänden Buchbestand und einem staatlichen Etat von 490.385 Kronen. 1929 gab es bereits 3266 deutsche Büchereien mit 1.543.380 Bänden und einem Etat von 4.677.980 Kronen. Bücher konnten günstig in Deutschland angekauft werden. Organisatorisch waren die deutschen Büchereien durch die sogenannte staatliche Zentralwanderbibliothek verwaltet, die ausgewählte Bücher aus staatlichen Dotationen an örtliche Bibliotheken verteilte und zudem Bücherverzeichnisse für besondere Leserkreise als Hilfsmittel für Bibliothekare und Benutzer herausgab. Als nationale Bibliothek der Deutschen in der Tschechoslowakischen Republik fungierte die Bücherei der Deutschen in Liberec [Reichenberg]. Die Bemühungen, eine allgemeine Nationalbibliothek in Prag zu gründen, scheiterten jedoch vor allem daran, daß die Prager Universitätsbibliothek und die Bibliothek des Nationalmuseums nicht vereinigt werden konnten. So entstand zunächst nur eine sogenannte Konservationsabteilung mit entsprechenden Aufgaben an der damaligen Öffentlichen und Universitätsbibliothek in Prag. Vom internationalen Ruf des tschechoslowakischen Bibliothekswesens zeugt auch der vom 28. Juni bis 3. Juli 1926 in Prag abgehaltene internationale Bibliothekskongreß.

Erhebungen des Statistischen Amtes der Tschechoslowakischen Republik ergaben für das Jahr 1930 in Böhmen 18.157 öffentliche Fachbibliotheken mit einem Bestand von 11.674.413 Bänden (Stand des Jahres 1927). Darin inbegriffen waren Lehrer-, Professoren- und Universitätsbibliotheken sowie Bibliotheken von wissenschaftlichen Instituten, von Vereinen, Archiven, Museen, Klöstern, Ämtern und anderen Institutionen. Die größten Stadtbüchereien im Lande waren im Jahre 1929 die in Ústí nad Labem [Aussig] (22.446 Bände), Podmokly [Bodenbach] (20.324 Bände), Teplice [Teplitz] (19.344 Bände), Liberec [Reichenberg] (17.493 Bände), Cheb [Eger] (14.323 Bände), Karlovy Vary [Karlsbad] (9600 Bände), Chomutov [Komotau] (9905 Bände) und Kraslice [Graslitz] (9490 Bände). Weiterhin verzeichneten die Büchereien von Volks-, Bürger-, Mittel- und Fachschulen in den Jahren 1927 bis 1928 insgesamt 4.095.885 Bände. Statistisch nicht erfaßbar war eine größere Zahl von Büchereien von Vereinen, Clubs, Sport-, Freizeit- und Gewerkschaftsorganisationen.

Nach langjährigen Verhandlungen konnte 1935 eine neue Regierungsverordnung über Pflichtexemplare durchgesetzt werden. Jeweils ein Pflichtexemplar erhielten die National- und Universitätsbibliothek in Prag, die Bibliothek der Nationalversammlung und die Bibliothek der Presseabteilung beim Vorstand des Ministerialrats. Einige weitere große Bibliotheken erhielten eingeschränkte Pflichtexemplarrechte. Seit 1947 erhielt auch die Bibliothek des Nationalmuseums gesetzliche Pflichtexemplare.

Von 1918 bis 1938 waren in der Tschechoslowakischen Republik in einem von der Staatspolizei herausgegebenen Verzeichnis verbotener Bücher und Lieder in der Tschechoslowakei 500 Titel in tschechischer und slowakischer Sprache, 1500 in deutscher, 180 in ungarischer, 60 in polnischer und 100 weitere in verschiedenen Sprachen als verboten indiziert. Es handelte sich in erster Linie um faschistische Literatur aus Deutschland, um pornographische Literatur sowie um kommunistische Propaganda-Literatur. In der Zeit des nationalsozialistischen Protektorats in Böhmen wurden antifaschistische Werke aus den Bibliotheken entfernt und eine entsprechende strenge Kontrolle des Buchmarktes eingeführt.

Nach dem Münchner Abkommen resultierte 1938 die Besetzung der Grenzgebiete in größeren Bestandsverlusten und der Zerstörung des bestehenden Bibliothekssystems. Nahezu 20 Prozent des Buchbestandes gingen durch die Abtrennung der Grenzgebiete verloren, darunter Bibliotheken mit wertvollen historischen Beständen wie die in Ceský Krumlov [Krumau], Kynzvart [Königswart], Planá [Plan], Teplá [Tepl], Teplice [Teplitz] und Vyšší Brod [Hohenfurth]. Insgesamt waren 5906 öffentliche Bibliotheken mit einem Gesamtbestand von mehr als 3 Millionen Büchern verloren. Die tschechischen Bestände wurden in der Folgezeit häufig von den Behörden vernichtet; die Auslagerung von Beständen lähmte zudem die Studienmöglichkeiten. Im Protektorat Böhmen und Mähren unterlag die Arbeit der Bibliotheken einer strengen Kontrolle; Bibliothekare mit antifaschistischer Gesinnung oder jüdischer Abstimmung wurden ihrer Ämter enthoben oder verhaftet. In wissenschaftlichen Bibliotheken wurden reichsdeutsche Kommissare eingesetzt und mit der Aufsicht über die Institutionen beauftragt. Einige tschechische Bibliotheken mußten schließen. Durch den mutigen Einsatz einiger Bibliothekare überstanden von den Nationalsozialisten unerwünschte Werke die Zeit in geheimen Depots oder in Verstecken außerhalb der Bibliotheken. Gegenwart Nach 1948 wurde das tschechoslowakische Bibliothekswesen wesentlich durch die sozialistische Staatspolitik beeinflußt. Die Organisationsstruktur und die Grundsätze wurden nach sowjetischem Muster umgestaltet. Das Bibliotheksgesetz Nr. 53 regelte schließlich 1959 das einheitliche Bibliothekssystem, und das Pflichtexemplarrecht wurde auf alle großen Regional- und Kreisbibliotheken ausgeweitet. Die Bibliotheken sollten als Bildungsstätten für das Volk nach marxistisch-leninistischer Ideologie in allen gesellschaftlichen, kulturellen und wissenschaftlichen Bereichen wirken. Als wichtige Propagandazentren wurden sie materiell gefördert. Ein staatliches Bibliotheksnetz wurde aufgebaut aus Volksbüchereien, Orts- und Stadtbibliotheken, Kreis- und Bezirksbibliotheken, wissenschaftlichen Bibliotheken, Hochschul-, Schul- und pädagogischen Bibliotheken, Bibliotheken der Akademie der Wissenschaften, technischen, landwirtschaftlichen und medizinischen Bibliotheken, Bibliotheken von Museen, Galerien, Archiven, Denkmalpflege- und Naturschutzinstitutionen sowie administrativ-ökonomischen Bibliotheken aus dem Verwaltungsbereich und Gewerkschaftsbibliotheken. So arbeiteten in den achtziger Jahren etwa 9000 öffentliche Bibliotheken, die einer staatlichen Kontrolle unterstanden und in denen politisch unerwünschte Literatur aus den öffentlich zugänglichen Beständen ausgesondert werden mußte. Diese Bestände der libri prohibiti wurden in Sonderdepots der größeren Zentralbibliotheken zusammengeführt und durften bis zur Aufhebung der Zensur 1989 nur in Sonderfällen für wissenschaftliche Forschungen benutzt werden.

Die politischen Veränderungen nach dem Zweiten Weltkrieg hatten zugleich gravierende Auswirkungen auf die historischen Buchbestände der böhmischen Klöster und der Schloßbibliotheken des Adels. Die Enteignung des Adels wurde nach 1945 in mehreren Etappen umgesetzt: zuerst wurde das Vermögen des deutschen Adels konfisziert, nach 1948 auch das des tschechischen Adels. Glücklicherweise wurde die Verwaltung der Schloßbibliotheken zunächst von Institutionen der Denkmalpflege und im Jahre 1954 von der Bibliothek des Nationalmuseums in Prag übernommen, die die Erhaltung, Verwaltung und Bearbeitung der Bestände übernahm (s. Band 2, Schloßbibliotheken unter der Verwaltung des Nationalmuseums in Prag).

Die böhmischen Klöster wurden am 14. April 1950 offiziell aufgehoben, das gesamte Klostervermögen konfisziert und die Ordensmitglieder inhaftiert. Die Klosterbibliotheken wurden zusammengeführt und dem Museum für böhmische Literatur [Památník národního písemnictví] im Prager Kloster Strahov zur Verwaltung übergeben. Leider war es bei der Schnelligkeit der Konfiszierung nicht möglich, die Provenienz der Bestände festzuhalten oder historisch gewachsene Sammlungen zusammenzuhalten. Viele Bücher aus Klosterbibliotheken trugen keine Besitz- oder Provenienzvermerke. Die wichtigsten und bedeutendsten Klosterbibliotheken mit ihren wertvollen Buchbeständen sowie historisch und künstlerisch wertvollen Innenausstattungen blieben jedoch an ihren ursprünglichen Aufstellungsorten erhalten und waren als Museen für die Öffentlichkeit zur Besichtigung und für Wissenschaftler zur Benutzung zugänglich. Dazu gehörten die Bibliothek des Strahover Prämonstratenserklosters in Prag, die Tepler Klosterbibliothek, die Hohenfurther Zisterzienserbibliothek, die Klosterbibliothek in Osek [Osseg] und weitere Prager Klosterbibliotheken wie die der Malteserritter, der Kreuzritter mit dem Roten Stern, der Franziskaner, Dominikaner, Benediktiner und Augustiner. Verwaltet wurden die Prager Klosterbibliotheken von der damaligen Staatsbibliothek in Prag (heute Nationalbibliothek), die Strahover Bibliothek vom Museum für böhmische Literatur, die Malteserbibliothek vom Nationalmuseum und die anderen von den zuständigen regionalen Zentren für Denkmalpflege.

Nach 1989 wurden diese und auch andere Klosterbibliotheken an die Orden zurückgegeben, so daß sie ihre Funktion als Klostereinrichtungen wieder aufnehmen konnten. Auch die Schloßbibliotheken wurden zum Teil restituiert und ihren ursprünglichen Besitzern zurückgegeben. Das Bibliotheksgesetz Nr. 53 von 1959 verlor 1990 seine Gültigkeit. Die neue Situation in der Tschechischen Republik eröffnete den Bibliotheken viele Möglichkeiten zur Ausweitung ihrer Tätigkeit auf internationaler Ebene und zur Modernisierung ihres Betriebes einschließlich des Einsatzes neuester elektronischer Technologien. Zwei Verbände vertreten heute die Interessen der Bibliotheken und Bibliothekare: Svaz knihovník a informacních pracovník Ceské republiky [Verband der Bibliothekare und Informationsmitarbeiter der Tschechischen Republik] und Sdruzení knihoven Ceské republiky [Vereinigung der Bibliotheken der Tschechischen Republik]. Das Pflichtexemplarrecht wurde für die Tschechische und die Slowakische Republik getrennt geregelt. Eine neue funktionale Gesetzesgrundlage für öffentliche Bibliotheken wird derzeit ausgearbeitet. Archivwesen

Die Geschichte der Archive auf dem Gebiet der Tschechischen Republik hat ihren Ursprung im Mittelalter, als schriftliche Urkunden Beweiskraft in Rechtsverfahren erhielten. Die älteste einheimische Urkunde stammt aus der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts. Zumeist wurden die Urkunden in den Domschatzkammern aufbewahrt; so entstand in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts das Archiv der böhmischen Herren [Archiv ceských Pán] im Sankt-Veits-Dom in Prag. Unter Karl IV. (Regierungszeit 1346-1378) wurde das Amt eines staatlichen Archivars eingerichtet, und neben dem Kronarchiv [Archiv Koruny ceské] existierte das Ständearchiv [Archiv ceských stav]. Bereits für 1418 ist ein Inventarium der Schatzkammer im Zisterzienserkloster Vyšší Brod [Hohenfurth] belegt, in der die Urkunden südböhmischer Magnaten aufbewahrt wurden. Seit Beginn des 13. Jahrhunderts entstanden Stadtarchive für Stadtprivilegien und Zunfturkunden. Archive bedeutender Adelshäuser sind vornehmlich vom Ende des 15. Jahrhunderts bekannt, so auch das der Rosenberger, das 1601 nach Trebon [Wittingau] verlegt und durch die Tätigkeit des Archivars Václav Brezan bekannt wurde. Nach 1620 wurden zahlreiche Adelsarchive zerstreut oder bei der Auswanderung der Eigentümer ins Ausland verbracht. Andere wurden bei den Feldzügen der Schweden geraubt. Im Zuge der Zentralisierungsbestrebungen in der Habsburgermonarchie wurden 1750 alle Urkunden, die die tschechische Krone oder das Königreich Böhmen betrafen, nach Wien überführt. Die Josephinische Säkularisation führte zu gravierenden Schäden an den Klosterarchiven. Mehr als 2000 Urkunden wurden 1782 per Hofdekret an die Prager Universitätsbibliothek übergeben und nach 1811 ebenfalls nach Wien überführt.

Bis zum Ende des 18. Jhs dienten die Archive ausschließlich Verwaltungszwecken. Erst mit der Gründung des Nationalmuseums in Prag gewann der Aspekt der historischen Dokumentation mehr Bedeutung. 1846 wurde die Stelle eines Museumsarchivars eingerichtet und 1851 die eines Archivars der Hauptstadt Prag. Zusammen mit dem Zentralen Landesarchiv [Ústrední zemský archiv] wurden in der Provinz regionale und Stadtarchive gegründet zu administrativen Zwecken und zur systematischen historischen Dokumentation. Nach der Gründung der ersten Tschechoslowakischen Republik entstanden 1919 zahlreiche zentrale staatliche Archive, vornehmlich in Prag. Das Netz der Archive arbeitete weiterhin auf den Ebenen der Landes- archive, Stadt-, Kirchen-, Vereins- und Privatarchive. Während des Protektorats Böhmen und Mähren existierte in Prag seit 1939 ein Referat für das Archivwesen, das alle Archivalien mit Bezug auf die besetzten Grenzgebiete sowie die 1920 nach der Archivtrennung zurückgewonnenen Dokumente abtransportieren ließ. Das Archiv der Hauptstadt Prag erlitt bei der Zerstörung des Prager Rathauses im Mai 1945 erhebliche Verluste; das Archiv der Karls-Universität wurde gegen Kriegsende mit unbekanntem Verbleib verschleppt.

Nach 1945 wurde eine Reorganisation des tschechoslowakischen Archivwesens unter gesamtstaatlicher Leitung vorgenommen, an dessen Spitze die Archivverwaltung beim Innenministerium [Archivní správa ministerstva vnitra] und ein Zentrales Staatsarchiv [Státní ústrední archiv] standen. Die letzte Neuordnung geschah nach der Teilung des Staates 1993 und dem Entstehen der Tschechischen Republik, auf deren Gebiet heute insgesamt mehr als 1000 Archive arbeiten, darunter fünf staatliche Archive für die Kreise und zahlreiche Universitäts-, Museums-, Kirchen-, Literatur-, Vereins- und Adelsarchive. Sie besitzen neben ihren charakteristischen Archivdokumenten umfangreiche Buchbestände, sowohl in ihren der Verwaltungsarbeit dienenden Handbibliotheken als auch in bedeutenden historischen Büchersammlungen, die oft durch Nachlässe oder Schenkungen in die Archive gelangten.

Der Historiker kann mit einer gewissen Zufriedenheit auf eine lange Geschichte des böhmischen Bibliotheks- und Archivwesens zurückblicken. Die Buchbestände des Landes haben relativ unbeschadet sogar Zeiten großer Kriege oder ideologischer Unterdrückung überstanden. Selbstverständlich waren die Zeiten geistiger Repressionen charakterisiert durch ein beschränktes Literaturangebot in den Bibliotheken. Gleichwohl verfügt das böhmische Bibliothekswesen über einen umfangreichen, inhaltlich vielfältigen und wertvollen historischen Buchbestand, der im internationalen Vergleich einen bemerkenswerten Platz einnimmt.

Jaroslav Vrchotka


Quelle:Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.