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Bibliothek der evangelischen Marienstiftsgemeinde

Adresse. Fröbelstr. 4, 6302 Lich [Karte]
Telefon. (06404) 3666

Unterhaltsträger. Ev. Marienstiftsgemeinde
Funktion. Pfarrbibliothek.
Sammelgebiete. Der Altbestand wird nicht vermehrt.

Benutzungsmöglichkeiten. Präsenzbibliothek. Benutzung nach Rücksprache mit dem Pfarramt. Leihverkehr: nicht angeschlossen.
Technische Einrichtungen für den Benutzer. Kopiergerät im Pfarramt.
Hinweise für anreisende Benutzer. Fußwegnähe vom Bahnhof. - A 5, Ausfahrt Fernwald, B 457; A 485, Ausfahrt Gießen-Licher Str., B 457.

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Das Marienstift wurde im Jahre 1316 durch Philipp III. von Falkenstein als ein Kollegiatsstift gegründet. Am 16. Juli 1317 bestätigte Erzbischof Peter von Mainz die Errichtung des Stifts. Es wurde der Jungfrau Maria geweiht und trägt deren Namen. Dem Kollegiatsstift gehörten 10 Kanoniker an: der Vorsteher (Dechant), ein Kantor, ein Scholaster und sieben weitere Kanoniker. Dem Scholaster, der im Rang hinter dem Dechant stand, oblag das Schulwesen des Stiftes, er bildete den Nachwuchs der Geistlichkeit aus. Diese Schule erhielt das Stift gleich bei der Gründung, und in diesen Zusammenhang gehört vermutlich auch die Entstehung der Bibliothek. Bücher wurden im Leben des Stiftes zur Lektüre für die Stiftsherren und zu Unterrichtszwecken in der Schule benötigt.

1.2 Ein großer Teil der heute von der evangelischen Marienstiftsgemeinde betreuten Bücher ist ursprüngliches Eigentum des Stiftes. Daneben gelangten weitere Werke durch Erbschaft und Schenkung in die Bibliothek. Um 1730 schenkte Graf Friedrich Wilhelm eine Reihe von Büchern; sie tragen entsprechende handschriftliche Vermerke, und im Katalog wird darauf durch " Schenkung Solms" hingewiesen. Möglicherweise kam der Bibliothek bereits im frühen 16. Jh die Gönnerschaft des Grafen Philipp des Älteren von Solms (1468-1544) zustatten. Die Aufgeschlossenheit der Solmser Grafen für die in Wittenberg neu entstehende Lehre scheint auch zu erklären, weshalb er der Anschaffung frühreformatorischen Schrifttums und der Förderung einer Humanistenbibliothek durchaus positiv gegenüberstand.

1.3 Seit dem 18. Jh ist die Bibliothek Eigentum der Evangelischen Marienstiftsgemeinde, sie wird von der Gemeinde unterhalten und durch die jeweiligen Pfarrer betreut. Im Jahre 1863 hat der damals in Lich amtierende Pfarramts-Kandidat Carl Anthes eine Bestandsliste der Bibliothek angelegt. Sie umfaßt 253 Seiten und versuchte, den Bestand systematisch in acht Gruppen einzuteilen. Seit dem Umzug der Bibliothek in ein neues Haus (1977) können die nötigsten Arbeiten zur Erhaltung der teilweise desolaten Bestände vorgenommen werden.

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

2.1 Die Bestandsbeschreibung folgt dem Verzeichnis von Carl Anthes und dessen Einteilung des Bestandes in acht Gruppen. Chronologische Übersicht und Übersicht nach Sprachen

2.2 Dieses Verzeichnis nennt 456 Titel: Fast zwei Drittel des Bestandes stammt aus dem 15. und 16. Jh (21 Inkunabeln und ca. 260 Titel des 16. Jhs). Ca. 160 Titel sind dem 17. Jh zuzuordnen und 20 dem 18. Jh. Neben den Werken in lateinischer und deutscher Sprache besitzt die Bibliothek einige wenige in Griechisch und Hebräisch. Im ältesten, dem Hauptbestand (15. und 16. Jh), sind Latein und Deutsch etwa gleichrangig vertreten, hinzu kommen 4 griechische und ein hebräisches Werk. Systematische Übersicht

2.3 Inhaltlich dominiert naturgemäß die Theologie. Die Bibliothek verwahrt 16 alte Bibelausgaben. Deren älteste ist eine Biblia Sacra von 1477. Weiterhin sind erwähnenswert: eine vorlutherische deutsche Bibel, gedruckt von Anton Koberger (Nürnberg 1483); eine zweispaltig, 48zeilig gedruckte Vulgata von 1486; eine Vulgata, gedruckt von Anton Koberger (1515); eine zweibändige Bibel auf der Grundlage der Lutherbibel von 1545, gedruckt von Hans Luft (Wittenberg 1556); eine Frankfurter Bilderbibel oder Vollbibel, gedruckt von Georg Raben, Siegmund Feierabend und Weigand Hanen Erben (Frankfurt 1564).

2.4 Weiterhin besitzt die Bibliothek 34 Titel " Patres bis auf Luther", darunter Irenäus, Tertullian, Clemens von Alexandrien, Origines, Hieronymus, Ambrosius und eine Augustinus-Ausgabe, ediert von Erasmus von Rotterdam. Die folgende theologische Untergruppe ist Luther und der Reformation gewidmet: 25 Werke Luther, 20 Werke " Von Luther bis Spener", darunter Luthers Auslegung des LXXXII. Psalms (1530), überdies diverse Schriften von Melanchthon und Calvin. Die Erstausgaben sind zahlreich.

2.5 Im Sachgebiet Theologie finden sich außerdem: Dogmatik und Ethik (19 Titel), Einleitung und Exegese (36), Katholische Theologie von der Reformation an (12), Erbauliche Literatur (23), Hymnologie (16); Predigten und theologische Miszellen vervollständigen den Bestand. Erwähnenswert ist ein Licher Druck (1604) der Psalmen Davids nach französischer Melodey sampt etlichen anderen Psalmen und geistlichen Liedern, so in den Kirchen und Gemeinden zu singen gebräuchlich.

2.6 Die zweitgrößte Bestandsgruppe ist die Jurisprudenz mit insgesamt 98 Werken, darunter 14 Inkunabeln (von 1486 bis 1496). Es handelt sich fast ausschließlich um lateinische Werke zum kanonischen Recht (mit Schwerpunkt Kirchenrecht des 15. Jhs) und um juristische Disputationen. Die Gruppe Philologie enthält 5 Lexika (zwischen 1522 und 1690), 8 Grammatiken, darunter die hebräische von Reuchlin (1513) und 23 Ausgaben antiker Autoren, u. a. Aristophanes, Sokrates, Demosthenes, Herodot, Thukydides, Cicero, Sallust und Ovid. Der Philosophie und Pädagogik sind 23 Werke zugeordnet, der Geschichte 39, der Geographie 11. In der Sachgruppe Naturwissenschaften und Medizin (insgesamt 35 Titel) sind erwähnenswert eine Euklid-Ausgabe (Elementarum libri) von 1607 und Paracelsus' Philosophia ad Athenienses (1564). Handgeschriebene Notenbücher runden den Bestand der Bibliothek ab.

3. KATALOGE

Systematische Bestandsliste

[1863; hschr., von Carl Anthes]

Die Bestände sind nicht im Hessischen Zentralkatalog nachgewiesen.

4. DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

Küther, Waldemar: Das Marienstift im Mittelalter. Lich 1977

5. VERÖFFENTLICHUNGEN ZU DEN BESTÄNDEN

Schnorr, Hans: Luther und seine Zeit in Werken der Licher Marienstiftsbibliothek [Typoskript 1983]

Stand: September 1990

Reinhard Schlamp


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.