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Bibliothek des Prämonstratenser-Chorherrenstiftes

Adresse. Hauptstr. 1, 2093 Geras [Karte]
Telefon. (02912) 345-93

Unterhaltsträger. Stift Geras
Funktionen. Stiftsbibliothek für die Literaturversorgung der Stiftsmitglieder; für wissenschaftliche Zwecke allgemein zugängliche Bibliothek.
Sammelgebiete. 1. Allgemeine Sammelgebiete: Theologie und angrenzende Wissenschaften. - 2. Besonderes Sammelgebiet: Prämonstratensia.

Benutzungsmöglichkeiten. Präsenzbibliothek. - Benützung nach Vereinbarung und gegen Voranmeldung. - Leihverkehr: nicht angeschlossen.
Technische Einrichtungen für Benutzer. Kopiergerät im Haus.
Hinweise für anreisende Benutzer. A 4 ab Wien bis Horn, von dort über Pernegg nach Geras.

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Das Prämonstratenser-Chorherrenstift wurde um 1153 von den Grafen von Pernegg gegründet. Die Geschichte seiner Bibliothek - des heute vorhandenen Bestandes - beginnt erst im Jahr 1620 nach der letzten Zerstörung des Klosters im Zuge des Dreißigjährigen Krieges. Schon in den Jahrhunderten zuvor war die Bibliothek durch die ständigen Kämpfe gegen die Böhmen arg in Mitleidenschaft gezogen worden, 1620 wurde sie ein Raub der Flammen. Das Stiftsarchiv war kurz zuvor in die befestigte Stadt Drosendorf gerettet worden. So sind wohl bis ins Jahr 1188 zurückreichende Urkunden erhalten geblieben, aber nicht ein einziges Buch der Bibliothek.

1.2 Neben einem kontinuierlichen Bücherankauf in den Jahren des Wiederaufbaus erfuhr die Bibliothek Zuwachs durch die Inkorporierung der Bestände zweier durch Josef II. aufgehobener Klöster, nämlich der Stifte Pernegg und Klosterbruck bei Znaim (Chorherren). Die Bücher aus dem Stift Klosterbruck wurden 1790 von dem gelehrten Prior Johann Nepomuk Markus ersteigert. Der Katalog dieser Versteigerung ist noch vorhanden (s. u. 3.2 ). Hinzu kamen Bücher aus dem Familienbesitz der Freiherren von Putzen und - als letzte große Erwerbung - die sogenannte Alfons-Bibliothek, der Nachlaß des Ordenshistorikers und Chorherrn in Geras Alfons Zák ( 1932, s. u. 2.9).

1.3 Als die Nationalsozialisten 1940 das Stift zwecks Errichtung eines Umsiedlerlagers beschlagnahmten, wurde die Tür der Bibliothek versiegelt; der 1836 vom Prior und Bibliothekar Wenzel Johann Heyer zusammengestellte Hauptkatalog mußte dem Ortsgruppenleiter ausgefolgt werden, wurde aber rückerstattet. 1945 diente das Stift einige Wochen als Kaserne. Nach Kriegsende wurde eine Revision vorgenommen, die zahlreiche Fehlbestände - besonders bei wertvollen Werken und Inkunabeln - registrierte.

1.4 Die Bibliothek ist heute in einem Erweiterungsbau von 1805 an der Ostflanke des Konventsgebäudes untergebracht und mit einem Deckenfresko von Joseph Winterhalder ausgestattet. Bis 1836 kamen wertvolle Werke aus dem Nachlaß verstorbener Mitbrüder in die Stiftsbibliothek, alle übrigen Bücher dienten dem Aufbau der im Parterre des Konventtrakts untergebrachten Handbibliothek. 1950 wurden die Hss., Inkunabeln und Frühdrucke in Spezialkatalogen erfaßt und in neuen Pultschränken der Großen Bibliothek aufgestellt. In unmittelbarer Zukunft soll der wertvolle Nachlaß des Bibelwissenschaftlers und Stiftskapitulars Ernest Dormeyer katalogisiert und getrennt vom übrigen Bestand in Pultschränken aufgestellt werden.

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

Chronologische Übersicht und Übersicht nach Sprachen

2.1 Die Bibliothek umfaßt insgesamt ca. 18.000 Bde. Mangels eines neueren Kataloges werden im folgenden nur die im Hauptkatalog verzeichneten Titel (Bestand bis 1836) berücksichtigt. Bis 1836 sind ca. 4800 Werke erschienen, darunter 65 Inkunabeln (s. u. 2.7) und 265 Frühdrucke (bis 1560, s. u. 2.8). Hinzu kommen 1248 Prämonstratensia (inklusive 20. Jh, s. u. 2.9), für die ein eigener Katalog existiert. Die Zahlen wurden gerundet.

2.2 Bei den Sprachen dominiert Latein. Die Werke zur Theologie, Philosophie, Medizin, zum Recht, zu Numismatik und Heraldik, zur Geographie und Physik sind vorwiegend in Latein verfaßt. Die zweite Stelle nimmt Deutsch ein (in der Gruppe Naturgeschichte/Ökonomie sind allerdings rund 80 Prozent der Titel deutschsprachig). Der Rest verteilt sich vor allem auf Französisch und Italienisch.

Systematische Übersicht

2.3 Die Bücher der Stiftsbibliothek sind nach Sachgebieten geordnet. Der Katalog unterteilt den Bestand in zwei Abteilungen, Scientiae und Artes. Den größten Anteil sowohl am historischen Buchgut als auch an der Gruppe Scientiae hat die Theologie mit 2570 Titeln. Diese verteilen sich auf 7 Bestandseinheiten: Theologia Universalis cum competente exegesi (280 Titel), Theologia Scholastica et polemica (230), Theologia Moralis in genere bzw. Theologia Moralis preces et meditationes (340 bzw. 230), Dogmatica (220), Jus ecclesiasticum (200) und Historia sacra (270). Unter den 160 Titeln der Gruppe Theologia Pastoralis in genere sind die 1569 bei Johann Wolff in Frankfurt am Main gedruckten Evangelischen Kirchengesänge. Der Band, der sich durch einen schönen Mensuralnotendruck und Holzschnitte auszeichnet, stammt - laut der auf dem Vorsatzblatt befindlichen eigenhändigen Widmung des Grafen Sigismund von Hardegg - aus der protestantischen Pfarrkirche von Hardegg an der Thaya. 640 Titel entfallen auf conciones sacrae. Von den theologischen Werken sind 90 Prozent lateinisch und 10 Prozent deutsch.

2.4 Zum Bestand der Stiftsbibliothek zählt ferner eine gebundene Sammlung juridischer Thesenzettel - Assertiones und Conclusiones iuridicae - von Disputationen in collegio Iureconsultorum facultatis in Archigymnasio Viennensis collegio. Sie stammen aus den Jahren 1591 bis 1595 und wurden bei Leonhard Winter in Wien - in Bursa Agni - gedruckt. Beigebunden sind 2 Disputationes in Publico Pandectarum Collegio zu Jena (Jena: Tobias Steinmann 1593/1594).

2.5 Die Abteilung Scientiae umfaßt 11 Gruppen: Philosophia (240 Titel, 90 Prozent lateinisch, 10 Prozent deutsch), Medicina (80, 90 Prozent lateinisch, der Rest deutsch bzw. italienisch), Jus excepto canonico (580, 90 Prozent lateinisch, 10 Prozent deutsch), Philologia (130), Numismatica et Heraldica (20), Geographia (110, 70 Prozent lateinisch, der Rest deutsch, französisch, italienisch), Historia profana (480, 50 Prozent lateinisch, Rest deutsch, italienisch, französisch), Mathesis (20), Historia naturalis et Oeconomia (50, 80 Prozent deutsch), Physica (50, 90 Prozent lateinisch), Libri politici et critici (260, 10 Prozent lateinisch, Rest deutsch, italienisch, französisch).

2.6 Die Abteilung Artes besteht aus drei Gruppen: 200 Titel umfaßt der Bereich Poesis, in welcher die Werke in lateinischer Sprache dominieren, gefolgt von Italienisch (60) und Deutsch (40). Unter Oratorica una cum Rhetorica sind 90 größtenteils lateinische Titel verzeichnet. Auch der Bereich Architectura, Musica etc. weist nur einen kleineren Bestand auf.

Sondersammlungen

2.7 Inkunabeln. Unter insgesamt 65 Inkunabeln - sie entstammen ausnahmslos den Bibliotheken von Pernegg und Klosterbruck - finden sich zwei seltene Ausgaben von Werken des Albertus Magnus und, als weiteres Rarum, die zweite Gesamtausgabe der Opera des Ovid (Bologna: B. Azzoguidis 1480). Die Drucke kommen aus Offizinen in Augsburg (Erhard Ratdolt, Anton Sorg, Günther Zainer), Basel (Johann von Amerbach, Nikolaus Kesler, Michael Wenssler, Jakob Wolff de Pfortzen), Bologna (Franc. Plato de Benedictis, Balthasar Azzoguidis), Heidelberg (Drucker des Lindenbach), Köln (Arnold Therhoerner, Ulrich Zell), Mantua (Johann Schall), Nürnberg (Anton Koberger, Johann Sensenschmidt), Straßburg (Drucker des Jordan v. Quedlinburg, Georg Husner, Johann Mentelin), Ulm (Johann Zainer) und Venedig (Vincentius Benalius, Erhard Ratdolt).

2.8 Frühdrucke. Von den zwischen 1501 und 1560 erschienenen Werken (265) verdienen insbesondere zwei Meßbücher Erwähnung: ein Missale Pataviense, gedruckt 1503 in Wien bei Johann Winterburger (handkoloriert und mit Holzschnitten ausgestattet, versehen mit einem gepreßten Ledereinband aus der Zeit um 1730), und ein Missale Olomucense, ebenfalls ein Druck aus der Wiener Offizin Winterburger. Vorhanden sind auch die Bände 1-3 der Werke Martin Luthers in der Jenenser Ausgabe von 1557/1558.

2.9 Alfons-Bibliothek. Der Nachlaß des Chorherrn Alfons Zák umfaßt ausschließlich Prämonstratensia (1138), die in einem eigenen Katalog verzeichnet sind. Neu hinzukommende Prämonstratensia werden ebenfalls hier aufgestellt.

3. KATALOGE

3.1 Allgemeiner Katalog

Hauptkatalog

[angelegt 1836 vom Prior und Bibliothekar Wenzel Johann Heyer]

3.2 Sonderkataloge

Katalog der Frühdrucke

Katalog der Inkunabeln

[beide 1950 angelegt von Dr. Ambros Josef Pfiffig]

Katalog der Prämonstratensia

[erfaßt z. Z. 1248 Prämonstratensia, darunter 1138 der Alfons-Bibliothek]

Katalog der 1790 ersteigerten Bücher des Stiftes Klosterbruck

4. DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

Pfiffig, Ambros Josef (O.Praem): Die Bibliothek des Stiftes Geras. In: Biblos 7 (1959) Heft 3, S. 10-12

Stand: Dezember 1994

Ambros Josef Pfiffig


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.