FABIAN HANDBUCH: HANDBUCH DER HISTORISCHEN BUCHBESTÄNDE IN DEUTSCHLAND, ÖSTERREICH UND EUROPA SUB Logo
 
Home
HomeRegionen:Stadtregister:Abkürzungen
Volltextsuche:

trunkiert

BenutzerprofilLogin

Impressum
     Home > Deutschland > Sachsen-Anhalt > Halle (Saale)

Bibliothek der Franckeschen Stiftungen

Adresse. Franckeplatz 1, Haus 22-23, 06110 Halle (Saale) [Karte]
Telefon. (0345) 21 27-412
Telefax. (0345) 21 27-479
e-mail. [[mailto: bibliothek@francke-halle.de bibliothek@francke-halle.de]]
Internet. http://www.francke-halle.de
Bibliothekssigel. <Ha 33>

Unterhaltsträger. Franckesche Stiftungen
Funktion. Öffentlich zugängliche Forschungsbibliothek.
Sammelgebiete. Kirchengeschichte, Theologie, Bibel- und Missionswissenschaft, Schulwesen.

Benutzungsmöglichkeiten. Präsenzbibliothek. Öffnungszeiten: Lesesaal: Montag bis Freitag 8-18 Uhr, Samstag 9-13 Uhr; Kulissenbibliothek: Dienstag bis Sonntag 10-12 Uhr, 14-16 Uhr Leihverkehr: DLV.
Technische Einrichtungen für den Benutzer. Kopiergerät; Mikrofilm- und Mikrofiche-Lesegerät; Reader-Printer; Herstellung von Mikrofilmen in der Fotostelle der Universitäts- und Landesbibliothek Halle möglich; PC (OPAC). Hinweise für anreisende Benutzer. Straßenbahnverbindung vom Hauptbahnhof (Linie 6) bis Haltestelle Franckeplatz. Fußwegnähe vom Hauptbahnhof (ca. 15 Minuten). Z. Zt. begrenzte Parkmöglichkeiten auf dem Stiftungsgelände, ab 2001 Parkdecknutzung möglich.

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Die erste offizielle Erwähnung der Bibliothek findet sich in einer Schrift des Begründers der halleschen Waisenanstalten und Schulen, des pietistischen Pastors und Universitätsprofessors August Hermann Francke (1663-1727), über die " Anstalten die zu Verpflegung der Armen zu Glaucha an Halle gemachet sind", nach der am 10. März 1698 zehn Bücher der " anzulegenden Bibliothek verehret" wurden. In seinem Rechenschaftsbericht über sein pietistisches Erziehungswerk, den Segenvolle(n) Fußstapfen des noch lebenden und waltenden liebreichen und getreuen Gottes, vermeldet Francke für das Jahr 1707 große Bücherspenden und verbindet damit die Hoffnung: " ... daß mit der Zeit verhoffentlich eine gute Bibliothek daraus werden kan / die denen Studirenden wohl zu statten kommen wird ...". Zugleich ließ er einen " Catalogus" anlegen " ... in welchem nebst den Namen der Geber die Titel der geschenckten Bücher ... eingeschrieben werden" und welcher noch heute erhalten ist ( s. u. 3.4). Im Jahre 1708 wurde die Bibliothek, die ursprünglich in erster Linie für " die im Waysen-Haus Studirenden" gedacht war, auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

1.2 Da für die Belange der Bibliothek keine Gelder verfügbar waren, erfolgte der Bestandsaufbau bis in das 19. Jh vorwiegend auf der Grundlage der eigenen Verlagsproduktion des 1701 gegründeten Waisenhaus-Verlages und durch Schriftentausch sowie Schenkungen und Nachlässe. Die Bibliothek entwickelte sich zu einer Sammlung universalen Charakters, die neben theologischen Werken auch historische, geographische, juristische, philologische und medizinische Werke umfaßte. Von dem guten Ruf, den die Bibliothek bereits im ersten Jahrzehnt ihres Bestehens hatte, zeugt noch heute die Epistola de bibliotheca Halensi (Halle 1710), in der ein gewisser Georg Friedrich Neumann aus Stolberg dem Leipziger Bibliographen Heinrich August Groschuff über die Bestände und Zimelien der Bibliothek des Waisenhauses berichtet.

1.3 Die erste bedeutende Erweiterung erfuhr die Bibliothek 1704/05 durch die Büchersammlung des in den Niederlanden lebenden Theologen Johann Friedrich Breckling (1629-1711), der in Verbindung zu August Hermann Francke stand. Ebenfalls Beziehungen zu Francke und dem hallischen Waisenhaus hatten Johann Friedrich Ruopp (1672-1708), Adjunkt der Theologischen Fakultät und Inspektor der Freitische des Waisenhauses, und der pietistischen Kreisen verbundene Halberstädter Superintendent Justus Lüders († 1708). Auch sie vermachten der Waisenhausbibliothek im Jahre 1708 Teile ihrer großen Büchersammlungen. Die bedeutende Bibliothek des von Philipp Jakob Spener und August Hermann Francke für den Pietismus gewonnenen Freiherrn Carl Hildebrand von Canstein (1667-1719), des Begründers der nach ihm benannten Bibelanstalt ( s. u. 2.18), gelangte 1719 durch Cansteins großzügige testamentarische Schenkung in die Bibliothek des Waisenhauses. Zwei Jahre später kam die Sammlung des Magisters Andreas Achilles (1656-1721), eines Weggefährten Franckes seit seiner Leipziger Zeit, in die Stiftungen. Auf diese Weise war der Bestand bis zum Jahre 1721 auf 18.000 Bde angewachsen.

1.4 Aufgrund zunehmenden Raummangels im

Hauptgebäude der Stiftungen entschloß sich Francke im Jahre 1725 zur Errichtung eines Bibliotheksgebäudes. Es wurde 1728 fertiggestellt und ist heute der älteste noch existierende Bibliothekszweckbau Deutschlands. Hier wird auch der größte Teil der insgesamt etwa 110.000 Bde aufbewahrt. Die großen barocken Regale mit ihrer marmorimitierenden Bemalung stehen theaterkulissenartig hintereinander und lassen einen breiten Mittelgang frei. Eine solche " Kulissenbibliothek" stellte für die Zeitgenossen Franckes eine Besonderheit dar, denn verbreitet war der Typus der herrschaftlichen barocken Saalbibliothek. Ursprünglich waren die Bücher thematisch aufgestellt. In den Regalen rechts vom Mittelgang befanden sich die theologischen Bücher, links die historischen, geographischen, juristischen, philologischen sowie einige medizinische Bücher. Aus Platzmangel wurden die Bücher im 19. Jh aus ihrer thematischen Aufstellung herausgelöst und nach Formaten neu geordnet.

1.5 Trotz des weiterhin fehlenden Etats wuchs die Bibliothek stetig an, u. a. durch die Sammlungen des hallischen Juristen Johann Samuel Stryk (1668-1715), der seit 1695 Professor an der neu errichteten Universität Halle war, und des Orientalisten und Hallenser Universitätsprofessors Christian Benedikt Michaelis (1680-1764). Der Theologe, Slawist und langjährige enge Mitarbeiter Franckes Heinrich Milde (1676-1739) vermachte seine Sammlung mit wertvollen slawischen Drucken, die er z. T. mit ausgiebigen Kommentaren versah, der Waisenhausbibliothek, weil er " ... viele Wohlthat auf dem gedachten Waysenhausen genossen". Im Jahre 1756 schenkte der Inspektor der Waisenhausbuchhandlung Jacob Gottfried Bötticher (1692-1762) der Bibliothek seine Porträtsammlung mit 13.000 Kupferstichen und Holzschnitten von Gelehrten, weltlichen und geistlichen Würdenträgern und einigen Damen vornehmlich aus dem 16. bis 18. Jh ( s. u. 2.25).

1.6 Im Jahre 1792 wurde die Bibliothek des 1727 von dem Orientalisten Johann Heinrich Callenberg (1694-1760) gegründeten Institutum Judaicum et Muhamedicum mit der Bibliothek des Waisenhauses vereinigt. Dieses der Verbreitung des protestantischen Christentums unter Juden und Muslimen dienende Institut pflegte enge Beziehungen zu den Franckeschen Stiftungen. Das traf auch auf die Äbte des Klosters Berge bei Magdeburg und auf die dort nach Halleschem Vorbild geführten Schulanstalten zu. Deshalb kamen nach Aufhebung des Klosters im Jahre 1811 Teilbestände insbesondere Dubletten der 11.000 Bde umfassenden Bibliothek des Klosters teils in die Bibliothek des Waisenhauses, teils in die Schulbibliothek des Pädagogium Regium.

1.7 Im Jahre 1834 wurde neben dem umfangreichen Buchbestand der Gymnasialbibliothek der Latina auch deren Etat mit in die Bibliothek übernommen. Dadurch war erstmals eine planmäßige Bestandserweiterung möglich, die nun vor allem auf eine moderne Schüler- und Lehrerausbildung ausgerichtet war. Im 19. Jh kamen in erster Linie Werke zur deutschen Literatur und Philologie in die Bibliothek. Durch Schriftentausch zwischen den Stiftungsschulen und anderen hallischen sowie auswärtigen Bibliotheken und Lehranstalten gelangten zahlreiche Schulprogramme in die Bibliothek. Einen bedeutenden Zugang aus Privatbesitz stellte mit 2041 Bdn und einigen Handschriften die 1853 den Franckeschen Stiftungen vermachte Bibliothek des hallischen Geologen und Mineralogen Christian Keferstein (1784-1866) dar.

1.8 Die Leitung der Bibliothek erfolgte bis 1948 nur nebenamtlich. In den zwanziger und dreißiger Jahren des 18. Jhs machte sich vor allem der Theologe Johann Heinrich Callenberg ( s. o. 1.6) um die Betreuung der Büchersammlung verdient. Von seinen Nachfolgern seien Prof. Georg Alexander Weiske (1824-1900, für die Bibliothek tätig von 1867 bis 1895) und dessen Sohn Prof. Karl Weiske (1863-1944, für die Bibliothek tätig von 1895 bis 1944) genannt, die beide an der Lateinischen Hauptschule der Stiftungen unterrichteten und jeweils einen mehrere Foliobände umfassenden Autoren- und Sachtitelkatalog erstellten. Die Bestände, die vor Ende des Zweiten Weltkrieges in ehemalige Salzbergwerksstollen bei Bösenburg ausgelagert wurden, konnten ohne nennenswerte Verluste in den ersten Nachkriegsjahren zurückgebracht werden.

1.9 Aufgrund einer Verordnung der Provinzialverwaltung von 1946 wurden die Franckeschen Stiftungen nach Ende des Zweiten Weltkrieges in die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg eingegliedert; die Bibliothek wurde der Pädagogischen Fakultät zugeordnet und schließlich 1952 der Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt als Zweigbibliothek unterstellt. Die bis dahin selbständig in den Stiftungen bestehenden Sondersammlungen, wie die Bibliothek der Ostindischen Missionsanstalt ( s. u. 2.19-2.20), die Archivbibliothek des Waisenhaus-Verlages ( s. u. 2.22-2.23), die Lehrerbibliothek ( s. u. 2.24) und die Cansteinsche Bibelsammlung ( s. u. 2.18), wurden der Bibliothek des Waisenhauses zugeordnet. Der schon seit 1955 als Leiter des Archivs der Franckeschen Stiftungen tätige Theologe Jürgen Storz (*1927) übernahm 1961 zusätzlich für drei Jahrzehnte die Leitung der Bibliothek, die bis 1948 nur nebenamtlich verwaltet worden war. Unterstützt wurde er durch die Bibliothekarin Eva Mühl (1914-1996), die die Büchersammlungen bereits seit 1945 betreute. Der von ihnen unter Mitwirkung von Hilfskräften erstellte alphabetische Zettelkatalog ( s. u. 3.1) erfaßte neben dem Hauptbestand auch die hinzugekommenen Sondersammlungen der Bibliothek. Außerdem erarbeitete Jürgen Storz einen Katalog der im Bestand befindlichen Leichenpredigten ( s. u. 3.3). Aufgrund fehlender finanzieller Mittel kamen bis 1992 nur wenige Neuerwerbungen in den Bestand.

1.10 Eine sichtbare Förderung der dreihundertjährigen Bibliothek erfolgte mit der Wiederherstellung der Franckeschen Stiftungen als Gesellschaft des öffentlichen Rechts Ende November 1991 und dem Inkrafttreten der neuen Satzung zum 1. April 1992. Die Bibliothek ist heute wieder Teil der Franckeschen Stiftungen. Gegenwärtig wird mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft eine Handbibliothek mit moderner Forschungsliteratur aufgebaut. Darüber hinaus wird eine Altbestandsergänzung angestrebt, vor allem um Pietistica, Drucke des Waisenhaus-Verlages, Ausgaben der Schriften Franckes sowie Bibelausgaben. 1994/95 erwarb die Bibliothek eine Gesangbuchsammlung ( s. u. 2.27). Des weiteren wird die Sammlung des Theologen Friedrich August Tholuck (1799-1877) als Dauerleihgabe aufbewahrt ( s. u. 2.26). Das Katalogsystem zum Altbestand wurde mittlerweile um einen Druckort- und einen Sprachenkatalog erweitert. Seit August 1997 katalogisiert die Bibliothek ihre Bestände in den überregionalen Gemeinsamen Bibliotheksverbund (GBV). Mittlerweile ist die Literatur ab Erscheinungsjahr 1945 vollständig im Online-Katalog erfaßt, und es wurde mit der Retrokonversion des Altbestandes begonnen.

1.11 Das historische Bibliotheksgebäude ist nach denkmalpflegerischen Gesichtspunkten und nach originalen Plänen aus dem 18. Jh von 1996 bis 1998 restauriert worden. Im Kulissenmagazin wurden die Einbauten Kamine, Außentreppe, etc. und die Regalaufbauten des 19. und 20. Jhs entfernt, so daß der originale Raum aus dem 18. Jh wieder zum Vorschein gekommen ist, wie er auf dem Exlibris der Bibliothek aus der Mitte des 18. Jhs dargestellt ist. Im Erdgeschoß des restaurierten Bibliotheksgebäudes befinden sich der Lesesaal zur Benutzung der Bestände der Bibliothek und des Archivs der Franckeschen Stiftungen und die seit 1992 im Aufbau befindliche moderne Forschungsbibliothek. In dem durch einen Glasanbau zu erreichenden Nachbargebäude sind die Kataloge für die Benutzer, Bibliotheks- und Archivverwaltung sowie die Magazine der Sondersammlungen untergebracht.

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

2.1 Die Bestandsangaben für die chronologische Übersicht und die Übersicht nach Sprachen beruhen auf Auszählung des Alphabetischen Kataloges. Chronologische Übersicht und Übersicht nach Sprachen

2.2 Der Gesamtbestand der Bibliothek umfaßt ca. 110.000 Bde. Etwa 93.000 Titel sind vor 1900 erschienen. 333 Titel sind Inkunabeln, 8300 Titel stammen aus dem 16. Jh, 45.000 aus dem 17. Jh, 24.000 aus dem 18. Jh und 15.300 aus dem 19. Jh.

2.3 Sprachlich überwiegt bei den Inkunabeln Latein. Hinzu kommen je ein Titel in Niederdeutsch und Italienisch, 5 Titel in Niederländisch sowie 3 in Deutsch. Von den 8300 Titeln des 16. Jhs sind ca. 5200 (63 Prozent) in Latein, 2300 (28 Prozent) in Deutsch sowie je 200 (2,5 Prozent) in Französisch und Niederländisch. Von den 45.000 Titeln des 17. Jhs sind 27.000 (60 Prozent) in Latein, 11.100 (25 Prozent) in Deutsch, 2700 (6 Prozent) in Französisch sowie je 1300 (3 Prozent) in Niederländisch und Englisch. Von den 24.000 Titeln des 18. Jhs sind 11.400 (48 Prozent) in Deutsch, 10.000 (42 Prozent) in Latein sowie je 700 (3 Prozent) in Französisch, Englisch und Niederländisch. Die 15.300 Titel des 19. Jhs enthalten 11.500 Titel (75 Prozent) in Deutsch, 2200 (14 Prozent) in Latein sowie je 450 (3 Prozent) in Französisch, Englisch und Niederländisch.

2.4 Der Anteil anderer Sprachen, darunter z. B. arabische, armenische, dänische, jiddische, estnische, finnische, griechische, hebräische, italienische, kroatische, lettische, litauische, malabarische, malaiische, norwegische, persische, polnische, portugiesische, russische, schwedische, slawonische, slowenische, spanische, tamilische, tschechische, türkische und ungarische Drucke, ist vergleichsweise gering. Systematische Übersicht

2.5 Ursprünglich waren die Bücher im Hauptmagazin thematisch geordnet aufgestellt. Diese Ordnung wurde aus Platzgründen aufgegeben. Die systematische Übersicht war nur anhand eines wenig differenzierten Sachkataloges aus dem vergangenen Jahrhundert möglich. Aufgrund zu erwartender Ungenauigkeiten wurde auf eine Auszählung dieses Kataloges ganz verzichtet. Inkunabeln

2.6 Zum Bestand gehören 333 Inkunabeln. Der älteste Druck ist Rainerius de Pisis' († 1351) Pantheologia (Nürnberg: Johann Sensenscdt und Heinrich Kefer 1473). Vorhanden sind ferner ein Exemplar der ersten in Deutschland gedruckten Vulgata-Ausgabe (Nürnberg 1475), eine niederdeutsche Bibel (Lübeck 1494), die z. T. auf Nicolaus de Lyras Postillae Perpetuae fußt und bereits im Jahre 1706 im Bestand der Bibliothek des Waisenhauses gewesen ist, sowie eine lateinische Bibel (Nürnberg: Anton Koberger 1478), die ebenfalls 1706 mit der Widmung " Weil diese Bibel lang als Way'ß erhalten worden / So wird sie überreicht dem Glaucher Waysen-Orden" in die Bibliothek gelangte. Erwähnenswert sind außerdem das Breviarium secundum ritum Romanum 1495 (Venedig: Andreas Torrensanus de Asula 1495) und Scrutinium Scripturarum des Paulus von Santa Maria (Mantua: Johannes Schall 1475). Theologie und Philosophie

2.7 Den weitaus größten Anteil an der Sammlung haben mit ca. 54 Prozent theologische Werke. Darunter sind etwa 2600 Predigten oder Predigtsammlungen und etwa 2500 Leichenpredigten, ein Großteil davon in dicken Sammelbänden eingebunden. Sie stammen aus Nachlässen oder wurden gezielt für die Bibliothek angekauft, da sie ein wichtiges Hilfsmittel zur Vorbereitung von Predigten waren. Umfangreich ist auch der Bestand an Drucken der Reformationszeit, darunter z. B. die erste griechisch-lateinische Ausgabe des Neuen Testaments von Erasmus von Rotterdam (Novum instrumentum omne, Basel 1516). Im Katalog lassen sich mehr als 600 Lutherdrucke nachweisen, u. a. eine Ausgabe des Septembertestaments (Wittenberg 1522) sowie die erste Ausgabe seiner vollständigen Bibelübersetzung (Wittenberg: Hans Lufft 1534).

2.8 Zum Pietismus, einem für Halle wichtigen Gebiet innerhalb der Theologie, sind ungefähr 1500 Drucke vorhanden. Philipp Jacob Spener (1635-1705), der Begründer des deutschen lutherischen Pietismus, ist mit 412 Drucken vertreten, u. a. mit mehreren Ausgaben seiner Programmschrift Pia Desideria oder Herzliches Verlangen nach gottgefälliger Besserung der wahren Ev. Kirchen (Frankfurt a. M. 1675 u. ö.). Vom Begründer des hallischen Pietismus, August Hermann Francke, finden sich 686 Titel im Katalog, ein Großteil davon Predigten, Vorlesungen und pädagogische Schriften. Auch Werke von Vertretern anderer pietistischer Strömungen finden sich im Bestand, so z. B. von Friedrich Christoph Oetinger (1702-1782; 10 Titel), Johann Albrecht Bengel (1687-1752; 14 Titel), Gottfried Arnold (1666-1714; 74 Titel), Johann Friedrich Breckling (1629-1711; 82 Titel), Johann Wilhelm Petersen (1649-1727; 127 Titel) und Nicolaus Ludwig Graf von Zinzendorf (1700-1760; 56 Titel).

2.9 Die Gründung der lutherischen Reformuniversität durch Kurfürst Friedrich III. zog zahlreiche Gelehrte nach Halle, wie z. B. den Francke nahestehenden Theologen Joachim Lange (1670-1744), der mit 250 Titeln vertreten ist, und Joachim Justus Breithaupt (1658-1732), von dem 314 Titel vorliegen. Die Vorherrschaft der Theologie als Wissenschaftsdisziplin und die Lehren des Pietismus wurden durch den Philosophen Christian Wolff (1679-1754), der seit 1707 als Professor für Mathematik und Physik an der Universität Halle lehrte, in Frage gestellt; von seinem umfangreichen OEuvre sind 83 Titel in der Bibliothek vorhanden. Rechts-, Staatswissenschaften und Geschichte

2.10 Den Schwerpunkt des juristischen Bestandes der Bibliothek bildet, neben den vorwiegend aus dem 17. Jh stammenden Dissertationen, Literatur zum Straf- und Erbrecht sowie zum Staats- und Völkerrecht. Vorhanden sind neben Grundlagenwerken zur Staatstheorie ( u. a. von Tommaso Campanella, Thomas Hobbes, Niccolò Machiavelli, Thomas Morus u. a.) auch Titel zum modernen Völkerrecht von Hugo Grotius und Samuel Pufendorf. Von Christian Thomasius (1655-1728), einem der wichtigsten Vertreter der deutschen Frühaufklärung, der an der hallischen Universität lehrte, finden sich 320 Titel im Katalog, darunter neben zahlreichen Streitschriften verschiedene Ausgaben der Monats-Gespräche (1688) sowie das Grundlagenwerk Fundamenta juris naturae (Halle und Leipzig 1705). Vorhanden sind auch Schriften anderer hallischer Juraprofessoren, wie Samuel Stryk (1640-1710) und Justus Henning Boehmer (1674-1749). Die historische Literatur umfaßt neben Werken zur deutschen, europäischen und außereuropäischen Geschichte auch Titel zur brandenburgisch-preußischen Geschichte. Hervorzuheben sind neben Werken der bekannten Vertreter der deutschen Reformation vor allem die Quellen zum Dreißigjährigen Krieg und Westfälischen Frieden. Geographie

2.11 Im Bestand der Bibliothek finden sich mehrere Sammelmappen mit geographischen Darstellungen, darunter 1247 gedruckte Einzelkarten (ca. 1000 davon aus dem 17. Jh), 10 handgezeichnete Karten und 54 Kartenwerke (20 davon aus dem 17. Jh sowie 24 aus der zweiten Hälfte des 19. Jhs). Als Druckort ist Amsterdam mit 570 Einzelkarten und 11 Kartenwerken an erster Stelle zu nennen. Besonders häufig vertreten sind die Offizinen des Frederick de Wit (125 Karten, ein Atlas), der Familie Visscher (123 Karten), des Joannes Janssonius (78 Karten, 9 Atlanten) sowie der Familien Danckerts (62 Karten) und Blaeu (53 Karten, ein Atlas). Der regionale Schwerpunkt der Darstellungen liegt auf Deutschland, den Niederlanden, Belgien und Frankreich und wird ergänzt durch Stadtpläne, Festungs-, Himmels- und Sternkarten sowie Meilenzeiger, Schlachtpläne und Phantasiekarten. Genannt seien z. B. Das Königl. Dänische Castel Dansburg und die Stadt Trankebar auf der Custe Coromandel in Ost-Indien ( o. O., o. J.), Joseph Friedrich Leopolds Grundriß der glorieusen Action, welche in der Gegend Pultawa in d'Veraine zwischen der Armee seiner czarischen Maijt Petri dess Ersten ... und seiner Königln. Majt. in Schweden Caroli XII. ... Anno 1709 vorgegangen (Augsburg 1709) oder ein Meilenzeiger zu Böhmen (1664) von Johann Jaroslaw Cibobor. Besondere Erwähnung unter den Atlanten verdienen vor allem Joannes Janssonius' kolorierter Novus Atlas, sive Theatrum orbis terrarum (Amsterdam 1658-1659) sowie Johann Baptist Homanns Himmels- und andere Karten (Nürnberg um 1700). Die Atlanten des 19. Jhs beziehen sich hauptsächlich auf Mission und Kolonien.

2.12 Zu den Einzelkarten und Kartenwerken kommen noch zahlreiche topographische Werke, wie Matthaeus Merians (1593-1650) Topographie (Frankfurt a. M., ab 1644). Einen erheblichen Raum im Bereich der geographischen Literatur nehmen die Reisebeschreibungen (ca. 400 Titel) mit Schwerpunkt im 17. und 18. Jh ein. Es handelt sich in erster Linie um Reiseberichte aus Europa, Kleinasien und dem Vorderen Orient. Vor allem Indien und die " Niederländische Ostindische Kompanie" spielen eine wichtige Rolle. Medizin und Naturwissenschaften

2.13 Aus der Geschichte der Franckeschen Stiftungen erklärt sich der umfangreiche Bestand an medizinischer Literatur. Ab 1708 verfügten die immer größer werdenden Anstalten über ein eigenes Krankenhaus, an dem auch klinischer Unterricht für Medizinstudenten durchgeführt wurde. Christian Friedrich Richter (1676-1711) und Johann Juncker (1679-1759) praktizierten hier. Der Theologe und Mediziner Christian Friedrich Richter, Verfasser der ersten deutschen medizinischen Volksschrift Die höchst-nöthige Erkenntniß des Menschen, sonderlich nach dem Leibe und natürlichen Leben oder ein deutlicher Unterricht von der Gesundheit und deren Erhaltung, die in einer Ausgabe von 1710 vorliegt, war der Begründer der Medikamenten-Expedition der Franckeschen Stiftungen. Er entwickelte die dem Waisenhaus von einem Dr. Vischer und einem Herrn Burgstaller geschenkten Rezepte und Vorschriften, u. a. für die Herstellung der sogenannten Essentia dulcis und Essentia amara, labortechnisch derart weiter, daß eine Großproduktion dieser Arzneien möglich wurde, und bezeichnete sich schließlich selbst als deren Erfinder.

2.14 Das Geheimnis dieser Rezepturen blieb streng gewahrt, doch verfaßte Richter eine allgemeine 1708 im Waisenhausverlag verlegte Fabrikationsdarstellung, Ausführlicher Bericht von der Essentia Dulci, darinnen von ihrer Zubereitung und Unterscheid von andern gemeinen Gold-Tinkturen gehandelt. Im gleichen Jahr erschien seine Schrift Merckwürdige Exempel sonderbahrer durch die essentiam dulcem 1701 biss 1708 geschehener Curen (Halle 1708), in denen er ausführlich über die scheinbar große Heilwirkung der von ihm entwickelten Goldtinktur berichtete, aufgrund derer die Essentia dulcis zum wesentlichen Präparat der Medikamenten-Expedition wurde. Mit zahlreichen Schriften vertreten sind auch die beiden Gründungsprofessoren der hallischen Medizinischen Fakultät, Friedrich Hoffmann (1660-1742) und Georg Ernst Stahl (1659-1734), die in enger Verbindung zu den Franckeschen Stiftungen standen.

2.15 Den Medizinbestand ergänzt eine Sammlung naturwissenschaftlicher Werke aus den Bereichen Astronomie ( z. B. Kopernikus, Tycho Brahe, Johannes Kepler und Galilei), Chemie, Mathematik und Naturkunde. Einen kleinen, aber beachtenswerten Bestand bilden vor allem die reich illustrierten naturkundlichen Bücher (43 Titel), die 1771 aus dem Naturalienkabinett der Franckeschen Stiftungen in die Bibliothek gegeben wurden, darunter Carl von Linnés (1707-1778) Systema naturae (Halle 1740), Georg Christoph Petri von Hartenfels' (1633-1718) Elephantographia (Leipzig und Erfurt 1723) und Johann Christian Kundmanns (1684-1751) Rariora naturae et artis (Breslau und Leipzig 1737). Orientalia und Werke zur Judenmission

2.16 Mit der Callenbergischen Institutsbibliothek kamen im Jahre 1792 etwa 500 Orientalia, sprachkundliche Werke sowie Werke zur Judenmission (darunter zahlreiche arabische, türkische, persische, hebräische und jiddische Schriften) in den Bestand der Bibliothek, wo sie sich mit weiteren Orientalia und Turcica ergänzen. Hervorzuheben ist z. B. die in Türkisch verfaßte Lebensbeschreibung Timurs des arabischen Geschichtsschreibers Ibn-cArébschéh, Ta'rikh-i Timur-i Gurkhén (Konstantinopel 1730), der fünfte Titel (Auflagenhöhe 500) in der 1727 gegründeten ersten osmanisch-moslemischen Druckerei. Ihre Urfassung war in Europa bereits durch die arabische Ausgabe von Jacob Golius (1636) bekannt und in deutscher Übersetzung in Köthen (1639) erschienen. Bemerkenswert ist auch die in Türkisch verfaßte Historie des alten und neuen Ägypten von Suhaili Efendi, Schreiber am Höchsten Gerichtshof in Kairo, Ta'rikh-i Midsr al-Djadid, Ta'rikh-i Midsr al-Kadim (Konstantinopel 1730). Angebunden an dieses Buch sind die Kopie eines Begleitschreibens und eine Widmung von Herzog Christian Ernst von Sachsen (Saalfeld), der es 1731 Gotthilf August Francke, dem Sohn des Stiftungsgründers, für die Bibliothek des Waisenhauses schenkte. Insgesamt besitzt die Bibliothek 5 Bücher aus den Anfangsjahren dieser Druckerei des Ibrahim Müteferrika (1670/74?-1745) in Konstantinopel. Verschiedenes

2.17 Weitere Schwerpunkte der Sammlung sind Werke zur griechischen und römischen Klassik sowie zur Literatur- und Sprachwissenschaft. Vorhanden sind auch einige belletristische Werke, darunter z. B. ein von Kaiser Maximilian I. (1459-1519) verfaßter Ritterroman über Brautfahrt und Werbung um Maria von Burgund, Theuerdank (Augsburg: Schönsperger 1519). Sondersammlungen Cansteinsche Bibelsammlung

2.18 Im Jahre 1710 stiftete Freiherr Carl Hildebrand von Canstein (1667-1719) die erste deutsche Bibelanstalt, in der vor allem für die mittellose Bevölkerung preiswerte Bibeln und Ausgaben des Neuen Testaments gedruckt wurden, zunächst vom stehenden Satz, später in Stereotypie. Zwischen 1713 und 1931 konnten ca. 8 Millionen Bibeln verkauft werden. Bereits 1712 wurde die erste Auflage des Neuen Testaments gedruckt. Aufgrund des großen Erfolges folgten allein im Jahre 1713 drei weitere Auflagen (deren letztere vom stehenden Satz) sowie die erste Handbibel im Großoktavformat. Fortan erschienen Jahr für Jahr verschiedene Ausgaben und Formate. Alle Ausgaben sind, unabhängig vom Format, im Druckspiegel seitengleich. Als Grundlage für die Herstellung des ersten Bibeltextes dienten die 1703 von Johannes Dieckmann herausgegebene Stadische Bibel und deren Vorbild, die Lüneburger Bibel von 1650. Von 1733 bis 1779 wurde in der Bibelanstalt auch das sogenannte Garnison-Gesangbuch in ca. 105.000 Exemplaren gedruckt. Die Belegexemplare der verschiedenen Bibelausgaben bilden den Grundstock der Sammlung. Hinzu kommen Bibelübersetzungen, die der Bibelanstalt von verschiedenen Bibelgesellschaften geschenkt wurden, in erster Linie von der Englischen Bibelgesellschaft. Insgesamt sind heute 2183 Bibeln in 100 Sprachen in der Cansteinschen Bibelsammlung enthalten, so z. B. in Äthiopisch, Japanisch, Kalmückisch, Koptisch, Mandarin, Swahili, Sanskrit, Walisisch und Zulu. Bibliothek der Ostindischen Missionsanstalt

2.19 Die Franckeschen Stiftungen unterstützten die Dänische Mission in Tranquebar/Ostindien von Beginn an. Ihr ideelles Zentrum bildete Halle durch die Aussendung von Missionaren, die von den hiesigen Pietisten unter August Hermann Francke geprägt waren. Der intensive Kontakt zwischen Halle und Indien führte dazu, daß sich nach und nach immer mehr gedruckte Literatur zur Indien-Mission in den Stiftungen ansammelte, die sich heute z. T. im Hauptbestand der Bibliothek, z. T. im Bestand der Missionsbibliothek befindet. Kernstück sind die z. T. in gedruckter Form unter dem Titel Der Königlich Dänischen Missionarien aus Ost-Indien eingesandter ausführlichen Berichten erster Theil ... bis siebenter Theil (Halle 1710-1760) regelmäßig veröffentlichten Diarien, Briefe und Aufzeichnungen der Missionare über ihre Tätigkeit in Indien. An diese Berichte schloß die in der Folge erschienene Neuere Geschichte der Evangelischen Missions-Anstalt zur Bekehrung der Heiden in Ostindien (Halle 1776-1848) an, fortgesetzt als Missionsnachrichten der ostindischen Missionsanstalt zu Halle (1849-1880). Diese drei Folgen von Berichten stellten lange Zeit den einzigen Träger des Missionsinteresses in Deutschland dar. Die Themen der Berichte reichen von Religion und Philosophie, Gesellschaftsstruktur, Literatur und Sprachen, über Moral, Sitten und Gebräuche bis hin zu Ackerbau und Handwerkskunst sowie Mathematik, Botanik, Medizin und Astronomie. Erwähnung unter den zahlreich vorhandenen Schriften des ersten hallischen Missionars Bartholomäus Ziegenbalg (1682-1719) verdient vor allem seine Grammatica Damulica (Halle 1716), die erste in Halle gedruckte Tamil-Grammatik.

2.20 Die Missionsbibliothek umfaßt heute 5957 Bde. Sie ist in 18 Abteilungen untergliedert, die den Bestand nach sachlichen und formalen Gesichtspunkten ordnen. Dazu gehören u. a. Biographien, Missionszeitschriften, Literatur zur Missionsgeschichte, linguistische Werke, Reiseliteratur, Geographisches und Völkerkundliches. Den größten Teil nehmen die Werke zur indischen Mission ein. Es gibt aber auch Abteilungen zu Amerika und Australien, zu Afrika, Asien und zur Judenmission. Eine eigene Abteilung enthält Werke in den jeweiligen Landessprachen. Bibliothek Keferstein

2.21 Um die Mitte des 19. Jhs erhielten die Stiftungen die fast vollständige Privatbibliothek des Geologen und Mineralogen Hofrat Christian Keferstein (1784-1866). Sie enthält 2041 Werke zur Geographie, Geologie und Mineralogie sowie eine geringe Anzahl an naturwissenschaftlichen und geschichtlichen Werken. Kefersteins wissenschaftliche Leistung beruht insbesondere auf der Herausgabe des ersten geognostischen Atlasses von Deutschland, Teutschland geognostisch-geologisch dargestellt, mit Charten und Durchschnittszeichnungen, welche einen geognostischen Atlas bilden (7 Bde, Weimar 1821-1831). Den ersten Band widmete er Goethe, mit dem er sich über die Farbgebung der Karten beriet. Entsprechend enthält die Bibliothek Kefersteins die zeitgenössische Forschungsliteratur zur Geologie, Mineralogie und Paläontologie, z. B. von Leopold von Buch (1774-1852), Alexander von Humboldt (1769-1859), Johann Karl Wilhelm Voigt (1752-1821), Johann Karl Freiesleben (1774-1846) und Friedrich Hoffmann (1797-1836). Verlagsbibliothek

2.22 Von 1698 an bis in das 20. Jh hinein publizierten die Franckeschen Stiftungen Bücher im Verlag der Buchhandlung des Waisenhauses. Von dieser Verlagsproduktion wurde eine Archivbibliothek mit 4279 Belegexemplaren angelegt, die jedoch nicht vollständig ist. Der Prozentsatz der fehlenden Werke konnte bislang nicht ermittelt werden. Schwerpunkte des Verlagsprogramms bildeten theologische Werke, Schul- und Studienbücher und wissenschaftliche Literatur von Gelehrten der hallischen Universität, insbesondere der juristischen und medizinischen Fakultät. In der zweiten Hälfte des 18. Jhs ergänzten Schulausgaben griechischer und lateinischer Klassiker das Verlagsprogramm.

2.23 Unter den theologischen Werken überwiegen in der Frühzeit der Verlagsgeschichte die Schriften August Hermann Franckes und seiner pietistisch gesinnten Weggefährten in Halle wie Paul Anton (1661-1730), Joachim Justus Breithaupt (1658-1732), Joachim Lange (1670-1744) und Johann Anastasius Freylinghausen (1670-1739), der das erste pietistische Gesangbuch (Geist-reicher Gesang, Halle 1704) veröffentlichte. Darüber hinaus wurden Klassiker der Theologie wieder aufgelegt, wie z. B. Johann Arndts (1555-1621) Vier Bücher vom Wahren Christentum (Halle 1704). Schul- und Studienbücher, die zu Franckes Zeiten im Verlag des Waisenhauses erschienen, entwickelten sich zu Klassikern der Schulbuchliteratur, allen voran Joachim Langes 1703 zum ersten Mal veröffentlichte Lateinische Grammatik, die bis 1819 sechzigmal aufgelegt wurde, und Hieronymus Freyers (1645-1747) Anweisung zur Teutschen Orthographie (Halle 1722). Im 19. Jh wurde das Schulbuchprogramm erfolgreich wiederbelebt. Besonders erwähnenswert sind Hermann Adalbert Daniels (1812-1871) Leitfaden der Geographie, ein Schulbuch, das 1850 erstmals erschien und bis 1898 in 1,4 Millionen Exemplaren abgesetzt wurde, und Theodor Echtermeyers (1805-1844) Auswahl deutscher Gedichte, die 1836 in erster Auflage erschien und bis in das 20. Jh hinein über vierzigmal im Verlag der Buchhandlung des Waisenhauses aufgelegt wurde. Lehrerbibliothek

2.24 Die Büchersammlungen der drei stiftischen Oberschulen und des ehemaligen Seminarium praeceptorum wurden durch die Einführung der Einheitsschule in der Gründungsphase der DDR zu einer einzigen Lehrerbibliothek von 11.781 Bdn zusammengefaßt. Ältere wissenschaftliche Werke aus der Handbibliothek der Lateinschule (Latina) gelangten in den Hauptbestand. Aktuellere Werke, besonders zu Geschichte, Kunst und den neueren Sprachen kamen in die Lehrerbibliothek, die in folgende Abteilungen untergliedert ist: Pädagogik und Philosophie, Naturwissenschaften, Erdkunde, deutsche Literatur, Weltliteratur, Mathematik, Musik, Theologie, Sport und Kunst. Die meisten Drucke stammen aus der zweiten Hälfte des 19. Jhs und der ersten Hälfte des 20. Jhs. Schwerpunkte der Sammlung sind die deutsche Literatur (ca. 25 Prozent), Werke der Weltliteratur (16 Prozent) sowie pädagogische und philosophische Schriften (15 Prozent). Böttichersche Porträtsammlung

2.25 Die im Jahre 1756 vom Inspektor der Waisenhaus-Buchhandlung Jacob Gottfried Bötticher (1692-1762) der Bibliothek des Waisenhauses geschenkte Porträtsammlung umfaßt ca. 13.000 Blätter. Sie enthält Abbildungen von etwa 7000 Persönlichkeiten des 16. bis 18. Jhs. Dabei handelt es sich hauptsächlich um Kupferstiche, aber es finden sich auch Holzschnitte (ca. 7 Prozent). Den überwiegenden Teil seiner Sammlung hat Bötticher durch Ausschneiden von Porträts aus Büchern zusammengetragen, hinzu kamen auf dem Markt erhältliche Einzeldrucke sowie solche von den im Auftrag der Druckerei des Waisenhaus-Verlages arbeitenden Kupferstechern. Einen Großteil der Porträts klebte Bötticher auf Papierbogen auf und versah sie mit Lebensdaten und weiteren Angaben zur Person, oft in Versform, wobei er auf Namen, Verdienste, aber auch auf die körperliche Verfassung und besondere Lebensumstände anspielte. Tholuck-Bibliothek

2.26 Im Jahre 1993 wurde den Stiftungen die Büchersammlung und das Archiv des Orientalisten, evangelischen Erweckungs-Theologen und Universitätspredigers Friedrich August Tholuck (1799-1877) als Dauerleihgabe des hallischen Tholuck-Konvikts übergeben. Die ca. 15.000 Bde sind sachlich gegliedert aufgestellt und umfassen schwerpunktmäßig die Bereiche Theologie, Kirchengeschichte, Palästinakunde und Judaistik. Tholuck, der 1825 an die hallische Universität kam, war u. a. Begründer und Herausgeber verschiedener theologisch-wissenschaftlicher Zeitschriften sowie von 1821 bis 1825 Präsident der Preußischen Hauptbibelgesellschaft. Seine Frau stiftete Tholuck 1871 anläßlich seines fünfzigjährigen Dienstjubiläums ein Konvikt in Halle. Martin Kähler (1835-1912), Professor für Systematische Theologie und Verfasser einer Biographie Tholucks, sowie Otto Gerlach (1801-1849), u. a. Konsistorialrat und Hofprediger, wurden stark durch Tholuck beeinflußt. Auch Teile ihrer Büchersammlungen und schriftlichen Nachlässe, so das Briefarchiv Kählers, sind im Tholuck-Bestand enthalten, der bis 1993 im Naumburger Katechetischen Oberseminar aufbewahrt wurde. Ebenfalls im Nachlaß Tholucks befinden sich Buchbestände des Schlesischen Konvikts, das kurz vor der Erschaffung des Tholuck-Konvikts durch Graf Karl von Harrach gestiftet worden war und dessen Kuratorium auch Tholuck angehörte. Gesangbuchsammlung

2.27 1994/95 erwarb die Bibliothek aus Privathand eine Sammlung von 718 Gesangbüchern. Unter den Druckorten der überwiegend im 19. Jh verlegten Gesangbücher ragen Kassel (55 Titel), Leipzig (27), Magdeburg (27), Berlin (26) und Hannover (25) hervor. Insgesamt liegt der Schwerpunkt auf dem mitteldeutschen Raum, doch wird die Sammlung um einige ausländische Gesangbücher ergänzt, z. B. aus Boston (1904) und St. Petersburg (1855).

3. KATALOGE

3.1 Moderne allgemeine Kataloge

Alphabetischer Katalog für den gesamten Bestand außer Cansteinsche Bibelsammlung

[bis 1945; in Zettelform; nach PI; liegt auch als Mikrofiche-Ausgabe vor]

Alphabetischer Katalog für den Handbestand

[ab Erwerbungsjahr 1992; in Zettelform und online]

Systematischer Katalog für den Hauptbestand

[in Kapselform]

Systematischer Katalog für den Handbestand

[in Zettelform und online]

Standortkatalog

[in Zettelform]

Katalog nach Sprachen

[in Zettelform]

Katalog nach Druckorten

[in Zettelform]

Zentrale Nachweise:

Die Bestände sind im Zentralkatalog Sachsen-Anhalt nachgewiesen. Seit August 1997 nimmt die Bibliothek am Gemeinsamen Bibliotheksverbund (GBV) teil.

3.2 Moderne Sonderkataloge

Alphabetischer Katalog der Missionsbibliothek

Alphabetischer Katalog der Sonderdrucke und Zeitschriftenaufsätze

Alphabetischer Katalog der Tholuck-Bibliothek

Alphabetischer Katalog der Verlagsbibliothek

Standortkatalog der Cansteinschen Bibelsammlung

Standortkatalog der systematisch aufgestellten Lehrerbibliothek

Standortkatalog der systematisch aufgestellten Missionsbibliothek

Standortkatalog der systematisch aufgestellten Bibliothek Keferstein

[alle Kataloge in Zettelform]

3.3 Gedruckte Kataloge

Cansteinsche Bibelanstalt: Übersicht der Bibeldrucke von Mai 1712 bis August 1821. Halle 1821

Katalog der Bibliothek der Ostindischen Missionsanstalt in den Franckeschen Stiftungen zu Halle a. S. Halle 1893

Langer, Gottfried: Inkunabelkatalog der Hauptbibliothek der Franckeschen Stiftungen in Halle/Saale. Halle 1976 [mschr.]

Storz, Jürgen: Leichenpredigten in der Hauptbibliothek der Franckeschen Stiftungen zu Halle (Saale). Ein Verzeichnis. Halle 1975

3.4 Historische Kataloge

Alphabetischer Katalog. 5 Bde [1. Hälfte 19. Jh]

Bibliothekskatalog [1704-09, nach Stiftern geordnet]

Bibliothekskatalog [Anfang 18. Jh]

Catalogus librorum Bibliothecae Orphanotrophei Halensis. Tom. 2 [Anfang 18. Jh]

Ein Catalog theologischer Bücher der Waisenhausbibliothek [Anfang 18. Jh]

Katalog der Bildnissammlung [2. Hälfte 18. Jh]

Katalog B der Kunst- und Naturalienkammer

[um 1741]

Standortkatalog. 14 Bde [2. Hälfte 18. Jh]

[alle Kataloge in Bandform]

4. DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

4.1 Archivalien

Im Archiv der Franckeschen Stiftungen befinden sich teils im Hauptarchiv, teils im Wirtschafts- und Verwaltungsarchiv zahlreiche Quellen zur Bibliotheksgeschichte, die jedoch bisher nur zu einem kleinen Teil erforscht sind.

4.2 Darstellungen

Francke, August H.: Anstalten / die zu Verpflegung der Armen zu Glaucha an Halle gemacht sind: Wie sich solche befinden. Anno 1698 / im Monat

Julio Francke, August H.: Segensvolle Fußstapfen des noch lebenden und waltenden liebreichen und getreuen Gottes. Halle (Saale) 1709

Francke, August H.: Segensvolle Fußstapfen. Bearb. und hrsg. von Michael Welte. Gießen 1994

Neumann, Georg F.: Epistola de bibliotheca Halensi ad virum clar. Henricum Augustinum Groschupfium. Halle (Saale) und Magdeburg 1710

Dreyhaupt, Johann Christoph von: Pagus Neletici et Nudzici oder ausführliche diplomatisch-historische Beschreibung des zum ehemaligen Primat und Ertz-Stiffte ...

Hertzogthum Magdeburg gehörigen Saal-Creyses und aller darinnen befindlichen Städte ... 2 Bde. Halle (Saale) 1755 [hier: Bd 2, S. 221-222]

Frankens Stiftungen. Eine Zeitschrift zum Besten vaterloser Kinder 2 (Halle 1794), bes. S. 277-279 und 3 (Halle 1796), bes. S. 326-329

Eckstein, Friedrich A.: Die öffentliche Bibliothek. In: Die Stiftungen August Hermann Francke's in Halle. Festschrift zur zweiten Säcularfeier seines Geburtstages. Halle (Saale) 1863, S. 216-220

Weiske, Georg A.: Bericht über die Bibliothek des Waisenhauses. In: Theodor Adler (Hrsg.): Programm der Lateinischen Hauptschule in Halle für das Schuljahr 1876-1877. Halle (Saale) 1877, S. 1-16

Fries, Wilhelm: Die Cansteinsche Bibelanstalt und ihr Stifter Carl Hildebrand Freiherr von Canstein. Festschrift zur zweihundertjährigen Jubelfeier der Anstalt am 21. Oktober 1910. Halle (Saale) 1910

Fries, Wilhelm: Die öffentliche Bibliothek. In: Die Stiftungen August Hermann Franckes. Festschrift zur zweiten Säkularfeier seines Geburtstages. Hrsg. vom Direktorium der Franckeschen Stiftungen ... 1863. Zum 250. Geburtstage ... neu hrsg. ... Halle (Saale) 1913, S. 187-196

Zimmermann, Franz: Die Bibliotheken der Franckeschen Stiftungen. In: Zentralblatt für Bibliothekswesen 63 (1949) S. 457-460

Storz, Jürgen: Hauptbibliothek, Archiv und Naturalienkabinett der Franckeschen Stiftungen. In: August Hermann Francke. Das humanistische Erbe des großen Erziehers. Halle (Saale) 1965, S. 96-108

Zimmermann, Franz: Die Hauptbibliothek der Franckeschen Stiftungen zu Halle an der Saale. In: Das Antiquariat 17 (1966) S. 217-220

Storz, Jürgen: Schatzkammer für die Wissenschaft: Hauptbibliothek und Archiv der Franckeschen Stiftungen zu Halle. In: Börsenblatt für den deutschen Buchhandel 149 (1982) S. 484-486

Etzold, Sabine; Richters, Christian: Dornröschens Erwachen. In: Zeit Magazin 35 (1990) S. 8-14

Zimmermann, Rhea: Die Hauptbibliothek der Franckeschen Stiftungen zu Halle. In: Mitteilungsblatt der Bibliotheken in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt 84/85 (1992) S. 62-66

Pierard, Richard V.: The Francke Institution in Halle: New life for an eighteenth century German library. In: The Convenant Quarterly 51 (1993) pp. 38-47

Pierard, Richard V.: The renewal of the Francke Foundation Libraries in Halle, Germany. In: Libraries and Culture 30 (1995) pp. 69-81

Klosterberg, Brigitte: Eine Bibliothek der Barmherzigkeit. In: buch & bild. Magazin für Buch- und Graphiksammler 2 (1998) S. 24-27

Klosterberg, Brigitte: Ein Blick hinter die Kulissen. Bibliothek der Franckeschen Stiftungen wiedereröffnet. In: Buch und Bibliothek 50 (1998) S. 728-729

Klosterberg, Brigitte: Wiedereröffnung der Bibliothek der Franckeschen Stiftung in Halle. In: Mitteilungsblatt der Bibliotheken in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt 109 (1998) S. 8-11

Knopf, Sabine: Die Franckeschen Stiftungen und ihre Bibliothek. In: Börsenblatt des Deutschen Buchhandels Nr. 52 vom 30. Juni 1998, Wissenschafts- und Bildungsgeschichte, S. A405-A410

5. VERÖFFENTLICHUNGEN ZU DEN BESTÄNDEN

Bertram, Oswald: Geschichte der Cansteinschen Bibelanstalt in Halle. Halle (Saale) 1863 Druckerschwärze & Goldtinktur. Zum 300jährigen Doppeljubiläum der Apotheke und der Buchhandlung des Waisenhauses zu Halle. Sonderausstellung anläßlich der Festtage zum Doppeljubiläum 300 Jahre Apotheke und Buchhandlung des Waisenhauses zu Halle, 16. April bis 1. Juni 1998. Heft 2: Waisenhausbuchhandlung. Bearb. von Brigitte Klosterberg. Halle 1998

Fundaminski, Michail: Die Russica-Sammlung der " Franckeschen Stiftungen" in Halle. In: Lew Kopelew u. a. (Hrsg.): Deutsch-russische Begegnungen im Zeitalter der Aufklärung (18. Jahrhundert). Wanderausstellung durch Deutschland und Russland. Dokumentation. Köln 1997, S. 187-194

Fundaminski, Michail: Die Russica-Sammlung der Franckeschen Stiftungen zu Halle. Aus der Geschichte der deutsch-russischen kulturellen Beziehungen im 18. Jahrhundert. Katalog. Tübingen 1998 (Hallesche Quellenpublikationen und Repertorien 2)

Langer, Gottfried: Von Art und Form der Neukatalogisierung der Inkunabeldrucke aus der Hauptbibliothek der Franckeschen Stiftungen. In: Wissenschaftliche Zeitschrift Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Gesellschafts- und sprachwissenschaftliche Reihe 25 (1976) S. 125-136

Langer, Gottfried: Von den niederländischen Wiegendrucken in der Hauptbibliothek der Franckeschen Stiftungen zu Halle/Saale. In: Quaerendo 4 (1974) S. 55-63

Matschke, Rhea: Die Böttichersche Porträtsammlung der Hauptbibliothek der Franckeschen Stiftungen. In: Zeitschrift für Heimatforschung 3 (1994) S. 35-37 Mietzschke, Alfred: Die slavischen Bestände der Bibliothek Mildes. In: ders.: Heinrich Milde. Ein Beitrag zur Geschichte der slavistischen Studien in Halle. Leipzig 1941, S. 86-98

Moennig, Ulrich: Zwei Bände mit Neograeca der Hallenser Waisenhausbibliothek. In: Thesaurismata 24 (1994) S. 274-281

Müller, Thomas J.: Die Archivalien zu J. H. Callenberg und dem Institutum Judaicum. In: Eveline Goodman-Thau; Walter Beltz (Hrsg.): Von Halle nach Jerusalem. Halle (Saale) 1994, S. 24-44 [zur Bibliothek bes. S. 40-42]

Paschek, Werner: Vor 1800 erschienene Polonica in der Hauptbibliothek der Franckeschen Stiftungen. In: Wissenschaftliche Zeitschrift der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Gesellschafts- und sprachwissenschaftliche Reihe 10 (1961) S. 667-672

Weiske, Karl: Die Cimelien der hallischen Waisenhausbibliothek. In: Heimatkalender für Halle und den Saalkreis 14 (1933) S. 49-54

Weiske, Karl: Familiengeschichtliche Quellen in der Hauptbibliothek und den Archiven der Franckeschen Stiftungen zu Halle a. S. In: Familiengeschichtliche Blätter 22 (1924) Heft 3/4, Sp. 49-56

Weiske, Karl: Sippenkundliche Quellen der in den Franckeschen Stiftungen in Halle a. S. liegenden Leichenpredigten. In: Ekkehard 1 (1925) S. 2, 13-14, 19-20, 25-26, 31-32; 2 (1926) S. 5, 7-8, 15-16, 25-26, 35-36, 43-44

Stand: März 1999

Michael Hübner

Anke Müller

Brigitte Klosterberg


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.