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Bibliothek des Gleim-Hauses

Adresse. Domplatz 31, 38820 Halberstadt [Karte]
Telefon. (03941) 68 71 30
Telefax. (03941) 68 71 40
e-mail. [gleimhaus@t-online.de]
Bibliothekssigel. <Hs 2>

Unterhaltsträger. Stadt Halberstadt, Land Sachsen-Anhalt, Förderkreis Gleimhaus e. V.
Funktion. Öffentlich zugängliche Spezialbibliothek des Literaturmuseums der deutschen Spätaufklärung.
Sammelgebiete. Historische abgeschlossene Sammlung von Literatur der zweiten Hälfte des 18. Jhs (Nachlaß Johann Wilhelm Ludwig Gleims). Literatur- und Kunstgeschich te, Wirt schafts-, Sozial-, Kultur- und Politikgeschichte vorzugsweise des 18. Jhs; Buchgeschichte.

Benutzungsmöglichkeiten. Historische Bibliothek: ausschließlich Präsenzbenutzung. Arbeitsbibliothek: Ausleihe möglich. Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 7-16 Uhr, in Ausnahmefällen auch am Wochenende. Leihverkehr: DLV (beschränkt).
Technische Einrichtungen für den Benutzer. Kopiergerät, Mikrofiche-Lesegerät.
Hinweise für anreisende Benutzer. Schriftliche oder telefonische Anmeldung erwünscht. Vom Hauptbahnhof Fußwegnähe (ca. 25 Minuten). Straßenbahnverbindung (Linie 2) oder Busverbindung (Linie 11) bis Haltestelle Holzmarkt. B 79 (von Braunschweig); A2 (E 30), Ausfahrt Helmstedt, B 245 (von Hannover); Ausfahrt Magdeburg, B 81 (von Berlin) Parkmöglichkeiten am Domplatz.

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Der Dichter und Domsekretär Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719-1803) lebte von 1747 bis zu seinem Tode im Hause am Domplatz in Halberstadt. Hier legte er in den folgenden Jahrzehnten eine umfangreiche Büchersammlung mit etwa 12.000 Bdn an. Da er seine Bibliothek auch Freunden und anderen zur Verfügung stellen wollte, sammelte er Literatur zu den verschiedensten Themenkreisen. Zeitgenössische und historische Werke, naturwissenschaftliches und belletristisches Schrifttum ging in den Bestand ein. Die meisten Bücher kaufte Gleim; etliche bekam er auch von Verfassern geschenkt.

1.2 Schon frühzeitig plante Gleim Verbleib und Verwendung seiner Sammlungen (Bücher, Briefe, Bilder) nach seinem Tode. Gemeinsam mit zweien seiner Brüder rief er 1781 die Gleimsche Familienstiftung ins Leben. Sie zielte auf die Gründung einer " Schule der Humanität", für welche die Sammlungen als Anschauungsmaterial und die Bibliothek als Arbeitsgrundlage dienen sollten. Verwirklicht wurde der Plan nicht.

1.3 Nach Gleims Tod (1803) übernahm sein Großneffe Wilhelm Körte im Auftrag der Familienstiftung die Verwaltung des Nachlasses. Er sorgte für den Zusammenhalt der Sammlungen und die Nutzungsmöglichkeit. Eine 1804 in Halberstadt durchgeführte Auktion diente lediglich zur Versteigerung von Dubletten und unvollständigen Werken.

1.4 Da Gleims Sammlungen nicht in seinem Wohnhaus am Domplatz, der Dienstwohnung des Domsekretärs, bleiben konnten, brachte Körte sie in seinem eigenen Hause unter. Hier ermöglichte er Interessierten den Zugang zu den Sammlungen. Nach Körtes Tod (1846) gelangten die Sammlungen in das Gebäude des Halberstädter Domgymnasiums. Hier waren sie der Öffentlichkeit nicht zugänglich.

1.5 Die Gleimsche Familienstiftung war sich ihrer Aufgabe als Verwalterin von Gleims Nachlaß und als Hüterin seines Erbes wohl bewußt. Es gelang ihr, 1862 das ehemalige Wohnhaus des Dichters zu erwerben. Die Sammlungen kehrten somit an ihren ursprünglichen Ort zurück und waren, zu festen Öffnungszeiten, wieder nutzbar. Das Haus wurde mit den Sammlungen zu dem heutigen Museum ausgebaut. Ein Kustos wurde angestellt, der die Sammlungen in einem handschriftlichen Bandkatalog erstmals verzeichnete.

1.6 1898 erwarb die Stadt Halberstadt das Gleim-Haus mit seinen Sammlungen. Es ist heute das älteste Museum der Stadt. Verschiedene Personen bekleideten in der Folgezeit das Amt des Kustos und arbeiteten selbst wissenschaftlich mit den Sammlungen. Etwa 1920 wurde ein Alphabetischer Katalog angelegt.

1.7 Während der letzten Jahre des Zweiten Weltkrieges waren die Sammlungen ausgelagert. Zum größten Teil konnten sie unversehrt zurückgebracht werden. Etwa 1900 Bde gingen verloren. Seit 1957 wurde die im Haus aufbewahrte Briefsammlung Gleims durch eine Mitarbeiterin erschlossen. Doch erst 1976 erfolgte die Besetzung einer Bibliothekarstelle zur Bearbeitung der Gleim-Bibliothek. Mit der Überarbeitung des Alphabetischen Kataloges begann auch die inhaltliche Erschließung in Form eines Schlagwortkataloges.

1.8 Einen größeren Bestandszugang stellte die Sammlung Augustin dar. Christian Friedrich Bernhard Augustin (1771-1856) war Oberdomprediger in Halberstadt. Als leidenschaftlicher Sammler trug er bemerkenswert viele Lutheriana zusammen. Diese befinden sich seit 1880 in der Lutherhalle Wittenberg. Auch die Augustinsche Bibliothek war beachtenswert. Ihre Halberstadensia sind 1980 als Ergänzung der Gleim-Bibliothek zugeordnet worden. Der Verbleib großer Teile der Sammlung Augustin ist allerdings unbekannt.

1.9 Die Bibliothek des Gleim-Hauses erhielt im März 1997 aus Georgien 759 Bde zurück, darunter auch Teile der Sammlung Augustin. Im Mai 1998 kehrten dann ca. 100 Druckschriften der Gleim-Bibliothek und der Augustinischen Sammlung aus Armenien zurück.

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

2.1 Der Gesamtbestand von heute etwa 10.500 Titeln der historischen Gleim-Bibliothek setzt sich aus ca. 50 Inkunabeln, ca. 800 Titeln des 16. Jhs, 1200 des 17. Jhs und 8500 des 18. Jhs zusammen (geschätzte Zahlen).

2.2 Die Bibliothek enthält zum größten Teil deutschsprachige Druckwerke, daneben in relativ großer Zahl lateinischsprachige Titel; englische, griechische und italienische sind nur in geringerem Umfang vorhanden.

2.3 Eine systematische Erschließung des Bibliotheksbestandes existiert in Form eines handschriftlichen Bandkataloges von 1866, dem " Wissenschaftlich geordneten Verzeichnis der Gleim'schen Familien-Bibliothek". 1979 begann eine aktuelle inhaltliche Erschließung in Form eines Schlagwortkataloges nach hauseigenen Regeln.

2.4 Der Bestand wurde am Katalog von 1866 in den dort verwendeten Sachgruppen ausgezählt. Er setzt sich wie folgt zusammen: Deutsche Literatur 1300 Bde; Biographien 450 Bde; Journalistik und Bibliographie 1100 Bde; Geschichte, historische Hilfswissenschaften, Staatswissenschaften, Genealogie, Kriegswissenschaften 1000 Bde; Geographie und Reisebeschreibungen 500 Bde; Theologie, Religionsgeschichte, Predigten und Erbauungsschriften 200 Bde; Kirchengeschichte 100 Bde; Philosophie und Pädagogik 350 Bde; Ästhetik und Literaturgeschichte 550 Bde; Antiquitäten, Kunst, Archäologie, Mythologie 200 Bde; Sprachwissenschaft 50 Bde; Griechische Schriftsteller, Übersetzungen und Erläuterungsschriften 300 Bde; Lateinische Schriftsteller 350 Bde; " Neuere Lateiner" 240 Bde; Französische Literatur 1300 Bde; Englische Literatur 350 Bde; Italienische Literatur 300 Bde; Naturwissenschaften, Medizin, Mathematik, Astronomie 200 Bde; Rechtswissenschaft 30 Bde; Vermischte Schriften 160 Bde.

2.5 Gleims vielseitige Beziehungen zu zahlreichen Zeitgenossen, die in den Aufbau und die Nutzung seiner Bibliothek einbezogen waren, brachten die thematische Vielfalt und Breite seiner Sammlung zustande. Neben den Werken seiner Freunde und Bekannten, darunter Lessing, Herder, Wieland, Klopstock, Seume und Jean Paul, findet sich eine Fülle von Literatur der verschiedensten Wissensgebiete. Naturwissenschaftliche Werke, z. B. der Medizin, der Mathematik, Physik, Biologie, Geographie und Astronomie sind vorhanden, aber auch Werke der Pädagogik sowie Lexika und Enzyklopädien. Beim Bestandsaufbau wird heute vor allem bei Gleims eigenen Werken Vollständigkeit angestrebt.

2.6 Der Bestand an Gleims eigenen Werken enthält u. a. seinen Versuch in scherzhaften Liedern (Berlin [1744]) in einem Exemplar, das mit zahlreichen Korrekturen des Autors versehen ist. Charakteristische Beispiele für die von Gleim gesammelten zeitgenössischen Publikationen sind neben Zedlers Universal-Lexicon (Leizig und Halle 1732-1751), Diderots Encyclopédie (Paris 1751-1777) oder der von Friedrich Nicolai herausgegebenen Allgemeine(n) deutsche(n) Bibliothek (Berlin und Stettin 1765-1793) vor allem Schriften wie Magnus Gottfried Lichtwer, Das Recht der Vernunft (Leipzig 1758) oder Karl Wilhelm Ramler, Einleitung in die Schönen Wissenschaften: nach dem Französischen des Herrn Batteux (Leizig 1762-1763), aber auch Lessings Philotas (Berlin 1759) oder Anna Louisa Karschs Auserlesene Gedichte (Berlin 1764 [1763]). Für Gleims eigene Lyrik ist Johann Jakob Bodmers Sammlung von Minnesingern aus dem schwaebischen Zeitpuncte (Zürich 1758-1759) von besonderer Bedeutung. Gleims weitgespannte Interessen werden auch dokumentiert durch Titel wie Christian Wilhelm Dohm, Ueber die bürgerliche Verbesserung der Juden (Berlin und Stettin 1783), Karl Philipp Moritz, Gnothi Sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde (Berlin 1783-1793) oder Friedrich Eberhard von Rochow, Urtheile über nachstehenden Plan eines Volksbuches (Dessau und Leipzig 1785).

2.7 Aufschlußreich für den Geist der von " Vater Gleim" gepflegten Freundschaften sind die Widmungstexte in den Büchern, die ihm geschenkt wurden. So dedizierte Johann Nepomuk Cosmas Michael Denis seine Bardenfeyer am Tage Theresiens (Wien 1770) " dem Bardenführer der brennenherrn [sic] Seinem alten Freunde Gleim", und Christoph August Tiedge versah den ersten Band seiner Schriften (Göttingen 1796) mit den Zeilen, " Geh hin mein Büchlein voll Reime zum Edlen, der dich erzog, der deiner harret! Von deinen Musen trägt jeder Reim Ein Herz im Busen für meinen Gleim!" Widmungen enthalten u. a. auch die Briefe von Herrn Johann Georg Jacobi (Berlin 1768), Moritz August von Thümmels Erzählung Die Inoculation der Liebe (Leipzig 1771), Christian August Clodius' Phocion (Leipzig 1780), Christoph Martin Wielands Auserlesene Gedichte (Jena 1784-1787), Jean Pauls Geschichte meiner Vorrede zur zweiten Auflage des Quintus Fixlein (Bayreuth 1797) und Johann Gottfried Seumes Gedichte (o. O. 1801).

2.8 Außer an zeitgenössischer Literatur war Gleim auch stets am Erwerb antiquarischer Drucke interessiert. Darunter finden sich einige wertvolle, auch buchkünstlerisch beachtliche Werke. Nennenswert sind u. a. Laurentius Valla, Elegantiae linguae Latinae (Venedig: Nicolaus Jenson, 1471), eine Ausgabe des Narrenschiffs von Sebastian Brant (1497, mit zahlreichen Holzschnitten), der Theuerdanck des Kaisers Maximilian I. (1517), die niederdeutsche Halberstädter Bibel (1522) aus der Druckerei Ludwig Trutebuls sowie die Weltchronik von Hartmann Schedel (1493). Von Matthaeus Merian liegt die Topographie ... Der vornembsten Stäte ... in denen Hertzogthümern Braunschweig und Lüneburg ... (Frankfurt a. M. 1654) vor. Sondersammlungen

2.9 Karten und Graphiksammlung. Sie beinhaltet ca. 10.000 Blatt Landkarten, Holzschnitte, Kupferstiche und Aquarelle mit verschiedensten Motiven, hauptsächlich jedoch Darstellungen von Persönlichkeiten. Der zeitliche Schwerpunkt der Sammlung liegt im 18. Jh, nur weniges stammt aus dem 19. und 20. Jh.

2.10 Bildnissammlung. Aus Gleims Nachlaß stammt die Sammlung von 130 Öl-Porträts bekannter Freunde und Zeitgenossen, sein sogenannter " Freundschaftstempel". Die Porträts malten verschiedenste Künstler des 18. Jhs.

2.11 Handschriftensammlung. Sie umfaßt 10.000 Originalbriefe aus Gleims Freundes- und Bekanntenkreis, insgesamt von ca. 400 Persönlichkeiten.

3. KATALOGE

3.1 Moderne Kataloge

Alphabetischer Katalog [in Zettelform, nach PI, um 1920]

Schlagwortkatalog

[in Zettelform; hauseigenes Regelwerk]

s. a. unten 5

Die Bestände sind im Zentralkatalog Sachsen-Anhalt nachgewiesen.

3.2 Historische Kataloge

Inventarium der zum Canonicus Gleim'schen Nachlasse gehörigen Buecher, Hss., Gemälde und Kupferstiche. Angefertigt im Jahre 1865 von Eduard Jaenicke

Wissenschaftlich geordnetes Verzeichnis der Gleim'schen Familien-Bibliothek. Revidirt im Jahre 1866 [hschr. Bandkatalog]

4. DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

Schulz, Karl-Otto: Die Memorialbibliothek des Gleimhauses in Halberstadt. In: Magdeburger Blätter. Jahresschrift für Heimat- und Kulturgeschichte im Bezirk Magdeburg 3 (1982) S. 78-81

Scholke, Horst; Wappler, Gerlinde: Zur Geschichte des Gleimhauses in Halberstadt. In: Neue Museumskunde 30 (1987) S. 33-38

5. VERÖFFENTLICHUNGEN ZU DEN BESTÄNDEN

Das Gleimhaus aus Halberstadt. Bibliothek. In: Karin Tietz; Rolf-Jürgen Wegener: Kostbarkeiten in Bibliotheken Sachsen-Anhalts. Magdeburg 1994, S. 17-20 (Mitteilungsblatt der Bibliotheken in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt 92; Sonderheft)

Scholke, Horst; Schulz, Karl-Otto: Bücher und Grafiken aus den Sammlungen des Gleimhauses. Halberstadt 1980

Schulz, Karl-Otto: Bestandsverzeichnis der Gleimbibliothek (Verfasserkatalog). 1.-7. Lieferung A-Z. Halberstadt 1985-93

Verzeichniß eines Theils der Kupferstich- und Büchersammlung Johann Wilhelm Ludwig Gleim's, welcher den 22sten October d. J. und folgende Tage, in den gewöhnlichen Nacttagsstunden, im sogenannten großen Juden-Hause öffentlich versteigert werden soll. Nebst einigen Anhängen. Halberstadt 1804 [repr. Leipzig 1987]

Stand: Februar 1999

Annegret Loose


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.