FABIAN HANDBUCH: HANDBUCH DER HISTORISCHEN BUCHBESTÄNDE IN DEUTSCHLAND, ÖSTERREICH UND EUROPA SUB Logo
 
Home
HomeRegionen:Stadtregister:Abkürzungen
Volltextsuche:

trunkiert

BenutzerprofilLogin
Impressum
 Home > Oesterreich > Oberoesterreich > Reichersberg (Inn)

Bibliothek des Augustiner-Chorherrenstiftes

Adresse. Stift Reichersberg, 4981 Reichersberg (Inn)
Telefon. (07758) 2313 oder 2314
Telefax. (07758) 2313-32

Unterhaltsträger. Augustiner-Chorherrenstift Reichersberg
Funktion. Stiftsbibliothek.
Sammelgebiete. Theologie, Rechtswissenschaften, Geschichte, Geographie, Philosophie, Philologie, Klassische Literatur, Mathematik, Naturwissenschaften, Medizin.
Benutzungsmöglichkeiten. Nach Voranmeldung. - Leihverkehr: nicht angeschlossen.
Hinweise für anreisende Benützer. Bahnlinie Ried-Schärding bis Station Antiesenhofen (ab hier 4 km). Busverbindung ab Bahnhof. - Autobahn Passau-Wels, Abfahrt Ort im Innkreis.

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Das Stift Reichersberg, ein Salzburger Eigenkloster, wurde im Jahr 1084 gegründet. Gleichzeitig wurde eine Bibliothek angelegt, welcher Propst Gerhoch (1132-1169), von Erzbischof Konrad I. von Salzburg in dieses Amt berufen, besonderes Interesse entgegenbrachte. Die stetig anwachsende Sammlung thielt viele wertvolle Hss. und Inkunabeln, die jedoch fast zur Gänze dem großen Brand von 1624 zum Opfer fielen. Von Propst Gerhoch blieben 8 Bde seiner eigenhändig geschriebenen Werke erhalten (davon werden 7 im Stiftsarchiv, einer in der Bayerischen Staatsbibliothek in München aufbewahrt).

1.2 Einem glücklichen Umstand ist es zu verdanken, daß Umfang und Zusammensetzung des verbrannten Bibliotheksbestandes bekannt sind. Im Auftrag des Kurfürsten Maximilian mußten 1595 und 1610 zwei Bibliothekskataloge nach München gesandt werden, die in der Bayerischen Staatsbibliothek noch erhalten sind. Der Katalog von 1595 nennt insgesamt 172 Hss., wobei der Schwerpunkt bei der Theologie lag (141 Nummern). Der Katalog von 1610 verzeichnet hingegen 250 Nummern. Die 78 in der Hs. von 1595 nicht erwähnten Codices mögen wohl nur z. T. Neuzugänge gewesen sein. Wahrscheinlicher ist, daß das Verzeichnis von 1595 nur die tatsächlich in der Bibliothek aufgestellten Bücher aufnahm, nicht aber jene, die sich in Kirche, Refektorium oder in privatem Gebrauch befanden. Bei den theologischen Schriftstellern hält mit 39 Werken Augustinus die Spitze. Beide Kataloge sind von derselben Hand geschrieben. Der Schreiber, er war Schulmeister des Stiftes, nennt sich Ludwig Schlachius.

1.3 Nach der Brandkatastrophe galt die Hauptsorge der Prälaten des 17. Jhs dem Neubau der Stiftsgebäude, aber schon von Propst Anton Ernst (1675-1685) wird berichtet, daß er den bereits wieder vorhandenen Buchbestand der Bibliothek vermehrte. Die nur allmählich anwachsende Sammlung war in einem Raum des Konventes untergebracht, nach Fertigstellung des Südtraktes bezog sie den heutigen Carlonesaal. Die Prälaten des 18. Jhs verwendeten - je nach der Finanzlage des Stiftes - z. T. bedeutende Summen zur Anschaffung vor allem theologischer Werke. Dies führte bald zu Raumknappheit, sodaß Propst Ambros Kreuzmayr (1770-1810) die Bibliothek an die Südseite des Kreuzganges verlegte. Durch Entfernung der Zwischenwände des Krankentraktes und der Marienkapelle entstand ein langgestreckter Saal, den der Münchner Maler Nepomuk Schöpf mit Fresken schmückte.

1.4 Die Veränderung der Landeshoheit (das Innviertel wurde im Frieden von Teschen 1779 an die Habsburger abgetreten) führte zur Stillegung der Buchdruckerei des Stiftes. Ihre Betreibung war nun von einer landesherrlichen Genehmigung abhängig, um die sich Propst Ambros nicht mehr bemühte. An ihrer neuen Bibliothek konnten sich die Chorherren nur knapp drei Jahrzehnte erfreuen. Im Verlauf der Franzosenkriege diente das Haus zuerst als österreichisches Militärspital. Die Kranken wurden auch in der Bibliothek untergebracht, welche dadurch außerordentlich in Mitleidenschaft gezogen worden sein soll. Der Hofrichter Johann Georg Weinmann beklagt 1801 in einem Brief an die Behörden, daß ein beträchtlicher Teil der Bücher entwendet und manche kostbare Werke mank geworden seien. Ein ähnliches Schicksal widerfuhr der Bibliothek zur Zeit des französischen Militärspitals 1809/1810. Nach dem Abzug der Franzosen im April 1810 herrschte im ganzen Haus eine unbeschreibliche Verwüstung. Personal- und Geldmangel ließen die Bibliothek auch in den folgenden Jahren ein Schattendasein führen.

1.5 1841 übernahm der Chorherr Bernhard Appel das Amt des Bibliothekars. Er ordnete den Buchbestand und legte einen Katalog an. Die größten Verdienste erwarb sich jedoch sein Nachfolger Konrad Meindl (Bibliothekar seit 1868). Die beiden heute noch in Gebrauch befindlichen Kataloge tragen großteils seine Handschrift, ebenso geht die heutige Anordnung der Bücher auf ihn zurück. Während er noch laufend Bücher anschaffen konnte, war sein Nachfolger als Bibliothekar, Gerhoch Weiß (seit 1905), gezwungen, nur mehr das bereits Vorhandene zu bewahren, da die katastrophale Finanzlage des Stiftes zwischen den beiden Weltkriegen zu äußerster Sparsamkeit nötigte. Damals wurde auch ein Teil der Inkunabeln und der älteren Werke verkauft. Von 1940 bis 1945 war im Stift eine Fliegerschule einquartiert. Die Bibliothek dürfte in den Kriegsjahren jedoch nicht sonderlich gelitten haben. Es finden sich keinerlei Hinweise, daß der Raum zweckentfremdet verwendet gewesen wäre. In den Nachkriegsjahren mußte man sich darauf beschränken, die bescheidenen Nachlässe der Chorherren einzuordnen. Augustiner-Chorherrenstift

1.6 Die alte Aufstellungsordnung wurde anläßlich der der Bildhauerfamilie Schwanthaler (1633-1848) gewidmeten oberösterreichischen Landesausstellung des Jahres 1974, in die auch die Bibliothek einbezogen war, empfindlich gestört. Um einer Entwendung der Bücher entgegenzuwirken, erhielten die Kästen dezente Gitter; Bücher kleineren Formates, aber auch Folianten, wurden umgestellt. Die Ordnung konnte bis zum heutigen Tag nur teilweise wieder hergestellt werden.

1.7 Zuwächse erfährt die Bibliothek hauptsächlich aus den Nachlässen der Chorherren, nur gelegentlich aus Zukäufen, da im Budget des Stiftes keinerlei Mittel dafür zur Verfügung stehen. Der Raummangel stellt ein weiteres Problem dar. Schon gegen Ende des vorigen Jahrhunderts ließ Konrad Meindl einen Türbogen in einen kleinen Raum an der Nordostecke ausbrechen, seither kamen noch zwei angrenzende Räume hinzu, die inzwischen wieder zum Bersten voll sind und überdies unter großer Feuchtigkeit leiden. Eine Erweiterung ist nicht mehr möglich, eine Adaptierung anderer Räume für die jüngeren Bestände ist geplant.

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

Chronologische Übersicht und Übersicht nach Sprachen

2.1 Bei einem Gesamtbestand von ca. 25.000 Bdn beläuft sich das historische Buchgut auf ca. 15.500 Titel (rund 19.000 Bde). Diese verteilen sich auf 60 Inkunabeln, 1500 Titel des 16. Jhs, 2313 des 17. Jhs, 4482 des 18. Jhs und 7173 des 19. Jhs. Den Umfangsangaben liegt die Titelzählung anhand des Systematischen Kataloges zugrunde. Die Werke verteilen sich auf die Sprachen Latein und Deutsch; bis zum 18. Jh dominiert Latein.

Systematische Übersicht

2.2 Die von Konrad Meindl nach 1868 eingeführte Systematik besteht aus 9 Abteilungen. Der theologische Bereich weist 6 Unterabteilungen auf. Zu den Bibelwissenschaften verzeichnet der Katalog 504 Titel: 6 Inkunabeln, 87 Titel des 16. Jhs, 91 des 17. Jhs, 134 des 18. Jhs und 186 des 19. Jhs. Die älteste lateinische Bibel stammt aus dem Jahr 1480 (ohne Titelblatt), die älteste deutsche von 1534 (Christian Egenolff, Frankfurt a. Main). Aus dem 16. Jh sind überdies drei Bibelkonkordanzen vorhanden. An Lutherbibeln gibt es nur zwei Exemplare aus dem 19. Jh.

2.3 Annähernd gleich groß ist der Bestand zum Bereich Kirchenschriftsteller und Konzilien. Von insgesamt 474 Titeln sind 5 Inkunabeln, 91 stammen aus dem 16. Jh, 92 aus dem 17. Jh, 100 aus dem 18. Jh und 186 aus dem 19. Jh. Unter den Kirchenväter-Ausgaben nimmt Augustinus den ersten Platz ein. Der Großteil der Werke der berühmten Reichersberger Theologen Gerhoch und Arno ist in der von Jacques Paul Migne bearbeiteten Ausgabe (Paris 1854/1855) vorhanden, Gerhochs Commentarius aureus in psalmos auch in der Ausgabe des Bernhard Pez (1728). Bei den Konzilsdekreten betreffen besonders viele das Tridentinum.

2.4 Den größten Bestandskomplex innerhalb der Theologie bilden Homiletik und Katechetik mit 2003 Titeln. Neben 16 Inkunabeln finden sich 133 Drucke aus dem 16. Jh (darunter ein Katechismus von 1567), 152 aus dem 17. Jh, 637 aus dem 18. Jh und 1065 aus dem 19. Jh. Bestimmend ist hier die gegenreformatorische Literatur (Eck, Faber, Nausea, Wicelius). Der Schwerpunkt liegt bei den Homileten aus dem Jesuitenorden. Dies mag u. a. darin begründet sein, daß im 17. und 18. Jh die meisten Chorherren ihre Ausbildung an Jesuitenuniversitäten erhielten.

2.5 Dogmatik und Moraltheologie sind mit 1351 Titeln vertreten. Es überwiegen mit 512 Titeln (38 Prozent) die Drucke aus dem 18. Jh. 314 Werke (23 Prozent) stammen aus dem 17. Jh, 129 aus dem 16. Jh und 2 sind Inkunabeln. Unter den mittelalterlichen Theologen finden sich Johannes Duns Scotus, Petrus Lombardus und Thomas von Aquin. Im 18. Jh nimmt Ludwig Babenstuber einen besonderen Platz ein. Im Bereich der Moraltheologie sind zahlreiche Werke Hermann Busenbaums und Eusebius Amorts vorhanden.

2.6 1028 Titel gibt es zu Aszetik und Mystik. Davon sind 62 Prozent (640 Titel) im 17. und 18. Jh erschienen (7 Inkunabeln, 39 Titel aus dem 16. Jh und 394 aus dem 19. Jh). Hier dominieren wiederum die Jesuitenautoren (Avancinus, Bellarmin, Bourdaloue, Bucellinus, Rodriquez). Darüber hinaus gibt es viele Schriften von Thomas von Kempen, Franz von Sales und Martin von Cochem.

2.7 Zur Pastoraltheologie und Liturgie sind 708 Werke vorhanden (4 Inkunabeln, 53 Titel aus dem 16. Jh, darunter Johann Leisentritts Katholisch Pfarbuch von 1590, 95 aus dem 17. Jh, 200 aus dem 18. Jh und 356 aus dem 19. Jh). In den Bereich der Liturgik gehört eine stattliche Anzahl von Missalien (seit dem 16. Jh, Passau und Salzburg), Ritualien, Brevieren und Gebetbüchern.

2.8 Innerhalb der nicht-theologischen Literatur entfallen 1328 Titel (11 Inkunabeln, 169 Drucke aus dem 16. Jh, 333 aus dem 17. Jh, 438 aus dem 18. Jh und 377 aus dem 19. Jh) auf die Rechtswissenschaften. Zum Kirchenrecht sind u. a. die Werke großer Kanonisten, wie Augustinus Barbosa, Henricus Canisius und Dynus Muxelanus, zu finden. Im Bereich des weltlichen Rechts sind Sebastian Brants Richterlicher Clagspiegel (1542) und die Constitutio Criminalis Theresiana (1769) zu erwähnen.

2.9 Zu Geschichte und Geographie gibt es 3084 Titel (6 Inkunabeln, 196 Titel aus dem 16. Jh, 292 aus dem 17. Jh, 562 aus dem 18. Jh und 2028 aus dem 19. Jh). Neben den Acta Sanctorum (1643-1750), Werken zur Geschichte einzelner Diözesen, Orden und Klöster sind die deutsche Geschichte (u. a. mit umfangreichen Quellenwerken) sowie die bayerische und österreichische Geschichte gut vertreten. Unter den Darstellungen zur Geographie gibt es auch Reisebeschreibungen, z. B. Der neue Welt Bott (1642-1730) der Jesuitenmissionare, sowie topographische Werke.

2.10 Zur Philosophie sind 815 Titel vorhanden. Davon sind 348 im 19. Jh, 260 im 18. Jh, 181 im 17. Jh und 26 im 16. Jh erschienen. Auffallend stark ist die Aufklärung vertreten mit zahlreichen Werken Kants, darunter die Träume eines Geistersehers in der Rigaer Ausgabe von 1766. Gut bestückt ist mit 2782 Titeln die Abteilung Philologische und klassische Literatur, zahlreiche Ausgaben der griechischen und lateinischen Klassiker (in deutscher Übersetzung), Wörterbücher sowie Lehrbücher umfassend. Zur deutschen Literatur sind alle wichtigen Autoren seit dem 18. Jh vertreten. Mit 459 Titeln stammen 16 Prozent aus dem 16. Jh (eine Inkunabel, 17. Jh 269 Titel, 18. Jh 512, 19. Jh 1541).

2.11 Von den 125 Drucken zur Mathematik sind 61 aus dem 19. Jh, 48 aus dem 18. Jh, 15 aus dem 17. Jh und einer aus dem 16. Jh. 540 Titel liegen zu den Naturwissenschaften - Physik, Astronomie, Tier- und Pflanzenkunde - vor, von denen 268 auf das 19. Jh, 85 auf das 18. Jh, 65 auf das 17. Jh und 29 auf das 16. Jh entfallen (darunter ein mit kolorierten Bildern versehenes Kräuterbuch von 1560). Von Leopold Reuss, einem Reichersberger Chorherrn, stammt Die Flora von Reichersberg (1819). Zu erwähnen ist ferner Buffons ins Deutsche übersetzte Allgemeine Naturgeschichte (1784).

2.12 Der 478 Werke umfassende Bereich Medizin weist einen hohen Anteil an frühen Drucken auf: Neben 2 Inkunabeln finden sich 89 Titel (19 Prozent) aus dem 16. Jh und 200 (42 Prozent) aus dem 17. Jh, hingegen sind das 18. und 19. Jh lediglich mit 130 bzw. 57 Titeln vertreten. Das Spektrum reicht von Avicenna (Canon medicinae von 1595) über Hieronymus Fabricius, Johann Baptist Helmont und Friedrich Hoffmann bis hin zu Sebastian Kneipp. Das Sachgebiet Journale und Belletristik enthält überwiegend Werke des 20. Jhs.

3.KATALOGE

3.1 Moderne Kataloge

Autorenkatalog

[hschr., nach hauseigenen Regeln angelegt in der zweiten Hälfte des 19. Jhs von Konrad Meindl, wird laufend ergänzt]

Systematischer Katalog

[hschr., nach hauseigenen Regeln angelegt in der zweiten Hälfte des 19. Jhs von Konrad Meindl, sporadisch ergänzt bis 1970]

3.2 Historischer Katalog

Systematischer Katalog

[hschr., angelegt von Bernhard Appel 1844]

4. DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

Meindl, Konrad: Die Schicksale des Stiftes Reichersberg vom Antritte der Regierung des Propstes Ambros Kreuzmayr bis zum Tode des Propstes Petrus Schmid. 1770-1822. Passau 1873

Meindl, Konrad: Reguliertes Augustiner-Chorherrenstift Reichersberg. In: Sebastian Brunner (Hrsg.): Ein Chorherrenbuch. Wien 1883, S. 448-495

Neu, Gabriela: Der spätbarocke Bibliothekssaal des Augustiner Chorherrenstiftes Reichersberg am Inn. (Magisterarbeit Freiburg im Breisgau 1987, mschr.)

5. VERÖFFENTLICHUNGEN ZU DEN BESTÄNDEN

Plante, Julian Gerard: The Library of Stift Reichersberg (Diss. Fordham University, New York 1972, mschr.) [betrifft die mittelalterliche Bibliothek]

Stand: Mai 1992

Gregor Schauber


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.