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Bibliotheken in Estland

Das estnische Territorium ist historisch bestimmt als ein Gebiet an der Ostsee, am Südufer des Finnischen Meerbusens, das von Esten finnougrischer Abstammung seit etwa fünftausend Jahren bewohnt wird. Durch seine Lage zwischen Rußland, das am Gegenufer des Peipussees liegt, und Lettland im Süden war Estland stets Kulturvermittler zwischen Westen und Osten, ebenso aber Austragungsort häufiger Kriege. Als Folge von Verwüstungen durch Kriege, Plünderungen und Beutezüge wurden alle älteren Bibliotheken und zumeist auch Archive zerstört oder außer Landes gebracht. Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts haben sich mit Ausnahme einer Sammlung aus dem 16. Jahrhundert nur einzelne Bücher aus estnischen Bibliotheken erhalten. Im 20. Jahrhundert wurden die Bibliotheken infolge von Machtwechseln oder aus ideologisch-politischen Erwägungen aufgelöst und ihre Bestände zerstreut oder vernichtet. Bisher wurde die Geschichte der estnischen Bibliotheken nicht gründlich erforscht, und es fehlt auch eine detaillierte Übersicht.[1]

Estnische Gebiete unter wechselnder Fremdherrschaft (bis etwa 1700)

Zu Beginn des 13. Jahrhunderts wurde Estland, das damalige Livland, [2] von den Rittern des 1202 eigens gegründeten Schwertbrüderordens [3] unterworfen und missioniert. Mit der Kolonisierung und Christianisierung des Landes gingen der Bau von Kirchen und die Gründung von Klöstern einher. Als Stützpunkte der Macht und im Zusammenhang mit der Handelstätigkeit entstanden seit der Mitte des 13. Jahrhunderts die Städte Tallinn [Reval], Tartu [Dorpat], Pärnu [Pernau] u. a., die sich zu Zentren von Bildung und kulturellem Leben entwickelten und Beziehungen zu Deutschland als Mutterland unterhielten. Zunächst entstanden hier, später aber auch auf dem Land, Klöster und Kirchen (u. a. in Kärkna Falkenau] und Lihula [Leal]), die auch Schulen unterhielten. [4] Die Existenz von Bibliotheken belegen Hinweise in Urkunden und in der älteren Literatur sowie Provenienzvermerke in erhaltenen Handschriften und Büchern. [5] Bereits 1246 rief Papst Innozenz IV. alle Klöster auf, Bücher für die Kirchen Livlands zu spenden, so daß sich die ersten Bibliotheken der livländischen Kirchen, Domschulen und Klöster aus Handschriften zusammensetzten, die vorwiegend aus Deutschland stammten oder am Ort abgeschrieben wurden.

In den siebziger Jahren des 15. Jahrhunderts gelangten die ersten gedruckten Bücher nach Livland. Im Jahre 1470 wurden aus Lübeck einige Dutzend Kirchenbücher in mehreren Exemplaren an den Vorsteher der Nikolaikirche in Reval gesandt, um sie vor Ort zu verbreiten. [6] Das Buch wurde schnell zum Handelsobjekt, denn auch die Kaufleute der Hanse nahmen Bücher nach Estland mit. Während die kirchlichen Institutionen, einschließlich der Domschulen, vorwiegend liturgische, theologische und religiöse Bücher beschafften, benötigten die Ordensanstalten und Stadtmagistrate juristisches und geschichtliches Schrifttum, das zum großen Teil am Ort abgeschrieben werden sollte. Die größte bekannte, mindestens 200 Bände zählende Bibliothek gehörte dem Dominikanerkloster in Reval (gegründet 1246). Während der Liquidierung des Klosters im Zuge der Reformation gelangte 1525 ein Teil der Bücher in die Bibliothek der Nikolaikirche; den weitaus größten Teil übernahm jedoch der Rat der Stadt für seine Bibliothek. [7] Von diesem Bestand sind bis heute im Archiv der Stadt 24 Pergament- und Papierhandschriften theologischen, juristischen und medizinischen Inhalts erhalten. [8]

Wie überall, so hatte auch in Estland der Glaubensstreit des Reformationszeitalters die Zerstörung der Bibliotheken und Büchersammlungen zur Folge. Gleichzeitig wurden in Deutschland die ersten Bücher in estnischer Sprache gedruckt, so 1525 eine Missa in Lübeck und 1535 in Wittenberg ein Katechismus. Auch das Bildungsleben in Reval und die Neuordnung der Bibliotheken nach der Reformation wurden durch den Aufruf Martin Luthers (1524) an die Ratsherren und Bürgermeister deutscher Städte beeinflußt, Schulen und Bibliotheken zu gründen. Spätestens 1552 wurde bei der Olaikirche, die statt der katholischen Nikolaikirche jetzt die Hauptkirche der Stadt war, eine neue Bibliothek gegründet, die den anderen in europäischen Städten nach der Reformation entstandenen Bibliotheken ähnlich war. [9] In dieser Bibliothek wurden die im Zuge der Reformation ohne Besitzer gebliebenen Bücher von verschiedenen Orten gesammelt, so aus der Sammlung der Nikolaikirche und aus dem Franziskanerkloster in Rakvere Wesenberg]. Überdies kamen Geschenke von Bürgern der Stadt, darunter auch ganze Privatsammlungen in die Bibliothek. [10] Die Sammlung der Olaikirche ist die älteste bekannte Bibliothek Estlands, deren Geschichte und Bestandsentwicklung vollständig dokumentiert sind. [11] Die damaligen Bibliotheken und Archive anderer Städte wurden im Livländischen Krieg vernichtet.

Die Expansionsinteressen seiner Nachbarn verwickelten Alt-Livland Ende des 16. und Anfang des 17. Jahrhunderts immer wieder in Kriege. Rußland, Dänemark, Schweden und auch Polen-Litauen kämpften um die Macht im Land. Im Zuge des lange dauernden Livländischen Krieges (1558-1583) wurden Städte und Land geplündert und verwüstet; es folgten Hungersnot und Pest. Die Frontlinie des politischen und ideologischen Kampfes zwischen dem katholischen Polen-Litauen und dem protestantischen Schweden verlief durch Estland. Daher wählte Polen als Zentrum der Gegenreformation Dorpat aus und gründete dort 1583 ein Jesuitenkollegium mit Dolmetscherseminar für die Ausbildung katholischer Priester. Für das Seminar brachte man aus Braniewo Braunsberg] wichtige Handbücher, von denen die Mehrzahl im Krieg vernichtet wurde, während ein Teil den Schweden als Kriegsbeute zufiel. [12]

Als Ergebnis des Krieges unter schwedischer Herrschaft blieb Nordestland verwaltungsgemäß das Gouvernement Estland, und Südestland bildete mit Nordlettland (später auch Saaremaa Ösel]) das Gouvernement Livland, wobei die örtliche Macht in beiden Gouvernements die Ritterschaften innehatten. In dieser Zeit bildete sich das Selbstverwaltungssystem aus, die sogenannte Baltische Spezialordnung, die auf den ständischen Privilegien des deutschbaltischen Adels beruhte. Die Schweden führten in Estland ihr eigenes Schulsystem ein. Es wurden die Gymnasien in Dorpat (1630) und Reval (1631) gegründet, die vorhandenen Stadtschulen reorganisiert und das Schulnetz durch Gründungen neuer Schulen in anderen Städten erweitert. Die lutherische Kirche war bestrebt, die estnischen Bauern durch die Einrichtung von Kirchen- und Küsterschulen zu alphabetisieren und rief damit den Widerstand des Adels hervor. Die Stadtbevölkerung erhielt ihre Bildung in Küsterschulen, bei estnischen Gemeinden und in nicht-amtlichen Winkelschulen.

Obwohl Reval, das bereits ab 1561 der schwedischen Krone unterstand, in Kriegen verschont blieb und sich zum wichtigsten Standort der lutherischen Kirche und zum kulturellen Zentrum Nordestlands entwickelte, schenkte die schwedische Staatsmacht nun Dorpat besondere Aufmerksamkeit. Als Gegengewicht zum Jesuitenkollegium und zur Verwirklichung der neuen Bildungspolitik des schwedischen Staates wurde das Gymnasium in Dorpat im Jahre 1632 in eine Universität umgewandelt. Bis dahin hatten die Balten hauptsächlich an den Universitäten Rostock und Wittenberg studiert, seit dem Ende des 16. Jahrhunderts zunehmend auch in Leiden. Im Vergleich zu Reval stand Dorpat den westeuropäischen Kulturzentren näher und war der Lager- und Verladeplatz des Hansehandels auf dem Weg nach Pskov und Novgorod. Durch die Universität und insbesondere durch ihre Bibliothek wurde Dorpat zum Zentrum des kulturellen Lebens in Livland. In der ersten Phase der Universität als Academia Gustaviana (1632-1656) war die Mehrzahl der Professoren deutscher Herkunft, [13] später, an der Academia Gustavo-Carolina (1690-1710), waren die Schweden in der Überzahl. [14] Daher vermischten sich in Dorpat deutsche und schwedische Einflüsse, die auch in der Buchkultur in Erscheinung traten. Bereits Ende des 17. Jahrhunderts besaß die Universitätsbibliothek bedeutende Bestände systematisch gesammelter zeitgenössischer Literatur verschiedener Wissenschaftsgebiete. [15] Wegen des russischen Angriffs im Nordischen Krieg wurde die Universität 1699 nach Pernau verlegt, wo sie schließlich aufgelöst wurde. 1710 wurde das gesamte Universitätsvermögen nach Stockholm gebracht und die Bücher (über 3300 Bände) dem Gesamtbestand der Königlichen Bibliothek einverleibt (1718); sie sind dort bis heute erhalten.

Zahlreiche Professoren der Universität Dorpat besaßen auch persönliche, sorgfältig ausgewählte Gebrauchsbibliotheken. [16] Mit der Ausbreitung der Bildung begannen neben den Pastoren und Lehrern auch Adelige und wohlhabende Stadtbürger, sich für Bücher und Bibliotheken zu interessieren. [17] Im 17. Jahrhundert entstanden insbesondere einige Gutsbibliotheken. [18] Die schnell wachsende Zahl der Gebildeten und Literaten in Estland und Livland führte zur Veröffentlichung der ersten biographischen Lexika nach Lübecker Vorbild (Dorpat 1698, Reval 1699, Pernau und Narwa 1703). [19]

Von den in Reval am Ende des 16. Jahrhunderts tätigen Bibliotheken hatte die Bibliothek der Olaikirche die Funktionen einer Stadtbibliothek und erhielt Zuwendungen sowohl vom Konsistorium als auch vom Rat. Im 17. Jahrhundert belebte sich auch die Tätigkeit der Revaler Ratsbibliothek. Die Bibliothek des Gymnasiums entstand jedoch erst in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts aus den recht zufällig zusammengestellten Schenkungen von Lehrkräften und Schülern und aus den von schwedischen Bibliotheken stammenden Dubletten. [20]

Mit der Gründung der Dorpater Universität verbinden sich die Anfänge des Buchdrucks auf estnischem Gebiet (1632). [21] Die Universitätsdruckerei druckte in erster Linie nach dem akademischen Bedarf. Obwohl sie ihre Tätigkeit bereits mit der Schließung der Universität wieder einstellte, initiierte sie sowohl die Buchdruckerkunst auf estnischem Gebiet als auch die Veröffentlichung wissenschaftlicher Literatur. [22] Die 1634 eingerichtete Druckerei des Revaler Gymnasiums dagegen nahm auf Dauer einen wichtigen Platz in der estnischen Kulturgeschichte ein und besteht bis auf den heutigen Tag. Die Drucker des 17. Jahrhunderts kamen aus Deutschland - einige von ihnen über Stockholm - und brachten neben ihren Kenntnissen auch die erforderlichen Typen und die Druckereiausstattung mit. In der Revaler Druckerei entstanden vornehmlich liturgische Bücher, Amtsdruckschriften und Gymnasiallehrbücher. Außerdem wurden die ersten Grammatiken der estnischen Sprache und estnischsprachige Kirchenhandbücher gedruckt, die vorwiegend Predigern zum Verstehen und Erlernen der Sprache des Volkes dienen sollten. An westeuropäischen Vorbildern orientiert und die Anforderungen der Revaler Literaten berücksichtigend, erschien als erste Zeitung auf estnischem Gebiet die Revalsche Post-Zeitung (1689-1710). [23]

In engem Zusammenhang mit der Gründung von Schulen steht auch die Entstehung des Buchhandels in Estland. Literatur für die Lehranstalten wurde hauptsächlich aus Lübeck und Nürnberg beschafft, aber auch aus Riga, wo bereits seit 1588 eine Druckerei arbeitete. Seit dem späten 15. Jahrhundert waren im estnischen Gebiet wandernde Buchhändler tätig. Im 16. und 17. Jahrhundert boten oft konkurrierende Drucker und Buchbinder Bücher feil. Ortsansässige Buchhändler waren bereits am Ende des 17. Jahrhunderts in Reval, Dorpat, Pernau und Narva [Narwa] tätig. [24]

Die Herrschaft des Russischen Reiches

(etwa 1700-1917)

Im Zweiten Nordischen Krieg, der die schwedische Herrschaft beendete, wurden die estnischen Gebiete wirtschaftlich ruiniert und die Einwohnerzahl erheblich reduziert. Das Russische Reich mischte sich als neuer Machthaber anfangs nicht in die Verwaltung Estlands ein. Der Adel bekam seine Gutshöfe zurück, die bis dahin gültigen Gesetze bestanden fort wie auch die deutsche Amtssprache und der lutherische Glaube. Durch die Ambitionen der örtlichen Machthaber verschärften sich bald die Gegensätze zwischen den Ritterschaften und den Stadtverwaltungen; infolgedessen verzögerte sich der Wiederaufbau der Schulen. In Reval, das auch diesmal vom Krieg verschont blieb, wurde das Gymnasium, das die vollständige Mittelschulbildung gewährleistete, zum Stadtgymnasium, da die Ritterschaft sich weigerte, weiterhin einen Teil der Unterhaltskosten zu tragen. Die Domschule (gegründet vor 1266) wurde als weltliche Schule weitergeführt, arbeitete aber unter erschwerten Bedingungen als Stadtschule der Unterstufe, bis sie 1768 in eine akademische Adelsschule (Ritter- und Domschule) umgewandelt wurde. In Dorpat wurde die Staats- und Stadtschule 1730 wiederhergestellt. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts förderte insbesondere die aus Deutschland stammende pietistische Bewegung die Gründung von Schulen. In den achtziger Jahren des 18. Jahrhunderts wurde das Schulnetz schließlich auf der Grundlage des in ganz Rußland geltenden Statuts reorganisiert. [25]

Wirtschaftlicher Aufschwung führte im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts zu einer Belebung des kulturellen Lebens in Estland. Aufgrund der Intensivierung der landwirtschaftlichen Produktion wurden die Gutsbesitzer reich, so daß sich immer mehr junge Balten zum Studium an deutsche Universitäten (Jena, Leipzig und Halle) begaben. [26] In den siebziger und achtziger Jahren übte die Universität Göttingen die größte Anziehungskraft auf den estnischen Adel aus. [27] Zum anderen fanden viele Vertreter intellektueller Berufe aus Deutschland Arbeit im prosperierenden Baltikum und trugen zur Entstehung der neuen Bildungsschicht und zur Verbreitung der Ideen der Aufklärung bei. Bei Aufklärern und Humanisten nahm das Interesse an der regionalen Geschichte und Kultur zu. Der aus Deutschland eingewanderte Dorpater Gerichts- und Verwaltungsbeamte Friedrich Konrad Gadebusch (1719-1788) verfaßte die erste Bibliographie der baltischen Geschichte, [28] und der Absolvent der Universität Jena und Pfarrer in Põltsamaa [Oberpahlen], August Wilhelm Hupel (1737-1819), veröffentlichte mit Hilfe von über hundert Korrespondenten eine Serie von Sammelbänden zur Heimatforschung. [29]

Dem eigentlichen Buchdruck widmete sich auf estnischem Gebiet bis Ende des 18. Jahrhunderts als einzige Druckerei kontinuierlich die des Revaler Gymnasiums. In dem wirtschaftlich prosperierenden Oberpahlen wirkte ab 1766 mit Unterbrechungen die von dem Arzt Peter Ernst Wilde (1732-1785) gegründete Privatdruckerei, bis der Drucker und Verleger Michael Gerhard Grenzius (1759-1822) sie 1789 nach Dorpat verlegte und damit den Grundstein für ein permanentes Druckereiwesen in Südestland legte. In Reval wurde in der ersten Hälfte des Jahrhunderts viel Herrnhuter-Literatur gedruckt, außerdem estnischsprachige geistliche und Kalenderliteratur in hohen Auflagen, so der erste estnische Kalender (1731) und die Bibelübersetzung (1739). In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts kamen sowohl in deutscher als auch in estnischer Sprache Handbücher zum Gesundheitswesen und zur Landwirtschaft sowie sonstige Handbücher und Periodika hinzu. Als Verleger wirkten Drucker, Buchhändler und Buchbinder. Die Verbreitung des Schrifttums ging Ende des Jahrhunderts in die Hände der Berufsbuchhändler über. [30] Auch im Ausland, hauptsächlich in Deutschland, aber auch in Frankreich gedruckte Bücher und Zeitschriften bezogen die Buchhändler über Johann Friedrich Hartknoch (1740-1789) aus Riga oder, seltener, direkt aus Deutschland. Am Ende des Jahrhunderts führte die russische Regierung jedoch für die aus dem Ausland kommenden Bücher eine Zensur ein.

Das Anwachsen der Leserschaft und ihre ständische Gliederung sowie die Erweiterung der Leseinteressen hatten Ende des 18. Jahrhunderts die Vermehrung und Diversifizierung des Schrifttums zur Folge. Der Übergang von der geistlichen Literatur zur weltlichen setzte ein, gleichzeitig der von der intensiven zur extensiven Lektüre. Die Bücherpreise waren nach wie vor hoch, und die wenigen Bibliotheken Estlands blieben, wie auch anderwärts, exklusiv. Ihre Bestandszahlen stagnierten; insbesondere die Bibliothek der Olaikirche war davon betroffen. Daher bildeten sich in den Städten um die Buchhandlungen Bibliotheken eines neuen Typs - kommerzielle Leihbibliotheken (in Reval 1772, in Dorpat ab 1786). Aus den Katalogen der Leihbibliotheken wird ersichtlich, daß sie zumeist neuere Literatur enthielten und inhaltlich vielfältig waren. Bei den Klubs der Stadtbürger wurden außerdem Leseräume oder Lesetische eingerichtet, die vorwiegend der Benutzung von Zeitungen und Zeitschriften dienten. Auf dem Lande begannen zur gleichen Zeit aufgeklärte Pastoren, Hauslehrer oder Gutsbesitzer, die Verbreitung des Lesestoffes durch Lesegesellschaften zu organisieren. Eine der ältesten und bedeutendsten Lesegesellschaften im Baltikum war die von August Wilhelm Hupel gegründete Gesellschaft, die von 1772 bis 1800 in Oberpahlen wirkte und aufgrund der Zensur geschlossen werden mußte. [31]

Aus praktischen Bedürfnissen oder auch aus Sammelinteresse erwuchsen Privatbibliotheken, die häufig wertvolle ältere Literatur enthielten. Die Bibliotheken der damaligen Dorpater zeugen von engen Beziehungen zum deutschen Buchmarkt und zur deutschen Kultur. Ende des Jahrhunderts fanden sich zum Beispiel in Häusern des Dorpater Bürgertums mittelgroße Fach- und Gebrauchsbibliotheken, wie sie als neuer Bibliothekstyp gleichzeitig auch in Deutschland entstanden. Diese Privatbibliotheken gelangten oft auf Auktionen zur Versteigerung. [32] Als beständiger erwiesen sich Gutsbibliotheken, die je nach den Interessen und den wirtschaftlichen Möglichkeiten des Eigentümers mitunter recht komplett waren und durch Vererbung innerhalb der Familie bis ins 20. Jahrhundert existierten, so die Sammlungen der von Lipharts in Raadi [Ratshof] nahe Dorpat und der Grafen von Berg in Schloß Sangaste [Sagnitz]. [33]

Die in Westeuropa und Rußland in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts einsetzende Welle neuer Gründungen von Akademien, Hochschulen und spezialisierten wissenschaftlichen Vereinigungen erreichte zu Beginn des 19. Jahrhunderts auch Estland und Livland. Die Voraussetzungen dazu waren durch den wirtschaftlichen Aufschwung, die Vergrößerung der Bildungsschicht und das Anwachsen des Informationsbedürfnisses gegeben worden. Den Ansatz bildete die Neugründung der Universität Dorpat durch Zar Alexander I. im Jahre 1802 auf Betreiben der Livländischen Ritterschaft. Die Universität wurde in das ganz Rußland überziehende Bildungssystem aufgenommen und bei weitgehender Autonomie mit staatlicher Finanzierung ausgestattet. Die Professoren wurden aus Deutschland berufen, Deutsch blieb Unterrichtssprache, und Struktur und Unterrichtsordnung folgten dem Vorbild der deutschen Universitäten. [34]

Der Gründungsbestand der 1802 eröffneten Universitätsbibliothek, mit deren Organisation bereits 1800 begonnen wurde, war ein Geschenk der Gräfin Maria Aurora von Lestocq (1720-1808), das aus 378 Bänden verschiedenen Inhalts bestand. Es folgten weitere Schenkungen, aber die Bibliothek wurde auch mit einem festen Etat ausgestattet. Die glückliche Wahl des ersten Direktors der Universitätsbibliothek beeinflußte die Entfaltung des wissenschaftlichen Potentials Dorpats. Der in Halle ausgebildete Professor für Klassische Philologie und Literaturgeschichte, Karl Simon Morgenstern (1770-1852), nahm im Gegensatz zur Mehrzahl seiner deutschen Kollegen seine Tätigkeit als Leiter der Bibliothek ernster als das Amt des Professors. Indem sich Morgenstern die Universitätsbibliothek Göttingen zum Vorbild nahm, schuf er während seiner 37 Amtsjahre die Grundlage für den späteren Bestand der Universitätsbibliothek Dorpat. Er organisierte einen umfassenden Schriftentausch und schöpfte alle Möglichkeiten des Etats aus, indem er langfristige Beziehungen mit Buchhandlungen und Antiquariaten anknüpfte sowie Auktionsangebote verfolgte und nutzte. Zum Grundprinzip wurde es, die für die wissenschaftliche Arbeit an der Universität notwendige Literatur anzuschaffen und dabei Dubletten zu vermeiden. Gleichzeitig förderte Morgenstern den Ausbau der Fachbibliotheken an den Instituten der Universität. Durch ihre zweckmäßige Organisation und ihre Offenheit wurde diese Bibliothek für viele andere zum Vorbild, auch für die Universitätsbibliotheken Rußlands. [35]

Dank ihrer von den Ideen der Aufklärung begeisterten Lehrkräfte entwickelte sich die Universität Dorpat zu einem herausragenden Zentrum für Lehre und Forschung. Während der ersten Jahrzehnte ihrer Tätigkeit bildete sie den Hauptteil der Lehrkräfte für neue Universitäten und Institute in Rußland aus, zwischen 1828 und 1839 sogar in einem eigens diesem Zweck dienenden Professoreninstitut. Unter dem Einfluß der Universität entwickelte sich in Dorpat auch eine lebendige Tätigkeit wissenschaftlicher Gesellschaften. 1813 zog auf Initiative der Universität die von Gutsbesitzern in Riga bereits 1792 gegründete Livländische Gemeinnützige und Ökonomische Sozietät nach Dorpat. Dies ermöglichte die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlern und Praktikern. Ab den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts wurden vielerorts Außenstellen und Sektionen der Ökonomischen Sozietät gegründet. [36] Eine der wichtigsten war die Dorpater Naturforschergesellschaft (gegründet 1853), die als einzige gelehrte Gesellschaft ohne Unterbrechungen bis heute besteht. [37] Die beiden Dorpater Gesellschaften waren aktiv wissenschaftlich tätig und gaben inhaltlich vielseitige Publikationen heraus. Für die in der Landwirtschaft notwendige Ausbildung wurde 1848 in Dorpat die Veterinärmedizinische Schule gegründet, die 1873 in das erste Veterinärmedizinische Institut Rußlands umgewandelt wurde. Das Institut wirkte bis zum Jahre 1918 und seine Bibliothek (29.000 Bände) wurde als beste dieses Faches in Rußland angesehen.

Die Professoren der Geisteswissenschaften gründeten zusammen mit den bedeutendsten Vertretern der estnischen Bildungsschicht im Jahre 1838 die Gelehrte Estnische Gesellschaft zur Erforschung der Geschichte, Sprache und Kultur Estlands sowie Sammlung der Altertümer und des Schrifttums. Die Tätigkeit der Gesellschaft erwies sich als fruchtbar und erstreckte sich über einen langen Zeitraum. Angeregt durch die Initiativen der Dorpater, gründeten die deutschen Literaten in Reval im Jahre 1842 einen der Gelehrten Estnischen Gesellschaft ähnlichen wissenschaftlichen Verein - die Estländische Literärische Gesellschaft - mit dem Ziel, deutschbaltische Materialien zu erforschen und zu sammeln. Darüber hinaus machte sie es sich zur Aufgabe, die Bestände der Estländischen Allgemeinen Öffentlichen Bibliothek (gegründet 1825) zu bewahren und zu ergänzen. Auch diese Gesellschaft entwickelte sich zu einer starken Organisation mit mehreren Sektionen, einem Museum und eigenen Publikationen. [38] Die Estländische Literärische Gesellschaft [Eestimaa Kirjanduse Ühing] arbeitete fruchtbar bis zum Jahre 1940.

In Reval konnten weder die Bibliothek der Olaikirche noch andere die Lese- und Forschungsbedürfnisse der Bildungsschicht befriedigen. Daher gründete dort eine Gruppe von Intellektuellen 1825 die Estländische Allgemeine Öffentliche Bibliothek, vorerst als eine aus Spenden der Gründer bestehende Privatbibliothek mit 1200 Bänden rechtswissenschaftlichen Inhalts. Da aber von den dreißiger Jahren an auf gesellschaftlicher Grundlage arbeitende Öffentliche Bibliotheken vielerorts in den Gouvernements Rußlands gegründet wurden, erhielt auch die Allgemeine Öffentliche Bibliothek die Funktionen einer Gouvernementsbibliothek und damit die Unterstützung der Stadtverwaltung. Im Jahre 1841 wurde ihr die bereits 1831 deponierte Olaibibliothek angegliedert (2732 Bände). Die vereinigte Bibliothek (ca. 10.000 Bände) ging 1842 in den Besitz der neugegründeten Estländischen Literärischen Gesellschaft über, wobei sie sowohl die Unterstützung des Rates behielt als auch das Pflichtexemplarrecht der Gouvernementsbibliotheken. Weil der Bestand nicht planmäßig erworben worden und veraltet war, wurde zur Belebung der Tätigkeit der Bibliothek 1863 ein Leseverein geschaffen, der die neueste deutsche Literatur beschaffte. Im Jahre 1882 wurde der Allgemeinen Öffentlichen Bibliothek Estlands auch ein Teil der alten Revaler Ratsbibliothek angegliedert (1011 Titel, überwiegend Rechtswissenschaft). Der Bestand der vereinigten Bibliothek betrug 1913 39.519 Bände. [39]

Wegen des Fehlens Öffentlicher Bibliotheken entwickelten sich die Bibliotheken wissenschaftlicher Vereinigungen und Institute besonders erfolgreich. Ihre Zuwachsquellen waren hauptsächlich Schenkungen und Ankäufe von Privatbibliotheken. Neuere Literatur erhielten die Bibliotheken durch Schriftentausch mit anderen wissenschaftlichen Institutionen in Rußland und Westeuropa, vorwiegend in Deutschland. Die Privatbibliotheken spielten ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Literaturversorgung. Die Sammlungen der Professoren der Universität Dorpat waren zumeist mehrere tausend Bände umfassende Gebrauchsbibliotheken, die Fachliteratur enthielten. Häufig waren jedoch auch Werke der Aufklärungsphilosophen (Kant, Fichte, Hegel) vorhanden. [40] Eine der größten Sammlungen war die 11.500 Bände zählende Bibliothek Karl Morgensterns. [41] In Häusern der Bürger Dorpats fanden sich im zweiten Viertel des 19. Jahrhunderts von den Eigentümern geprägte, spezifische berufliche Interessen berücksichtigende Sammlungen zeitgenössischer Bücher und Zeitschriften. [42]

Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts brachte neue wirtschaftliche, soziale und kulturelle Umwälzungen - die Änderung der Produktionsverhältnisse in der Landwirtschaft, die Befreiung der Bauern vom Frondienst, den Übergang auf die Geldrente und den Kauf der Bauernhöfe in eigenen Grundbesitz, die Herausbildung der estnischen Nation, die Ausdehnung des russischen Einflusses. Das Erwachen des nationalen Bewußtseins in Estland begann in Südestland, mit dem Zentrum in Dorpat. Mehr und mehr Esten nahmen ein Universitätsstudium auf und gründeten 1870 neben den bisherigen deutschen Korporationen den Verein Estnischer Studenten [Eesti Üliõpilaste Selts]. Die estnischen Intellektuellen sammelten sich um die Gesellschaft Estnischer Literaten [Eesti Kirjameeste Selts; gegründet 1872]. Ab 1857 erschienen regelmäßig estnischsprachige Zeitungen. Es entwickelte sich eine estnische Nationalliteratur. Sie orientierte sich an Vorbildern in der deutschen Literatur, die übersetzt und adaptiert wurden. Über die deutsche Sprache als Vermittlungsmedium wurde auch französische und englische Literatur rezipiert. Johann Heinrich Rosenplänter (1782-1846), Absolvent der Universität Dorpat und Pastor in Pernau, hatte bereits im zweiten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts begonnen, estnischsprachige Bücher, Estica und Baltica zu sammeln und zu bibliographieren. Seine Bibliothek (407 Bände) und sein Archiv gingen im Jahre 1848 in den Besitz der Gelehrten Estnischen Gesellschaft über, die die Sammeltätigkeit Rosenplänters fortsetzte. Im Jahre 1860 umfaßte die Sammlung 3390 Drucke und 344 Handschriften in estnischer Sprache und mit Bezug zu Estland. [43] Als in den siebziger Jahren der Verein Estnischer Studenten das Sammeln der estnischen Bücher übernahm, lag diese Tätigkeit erstmals ausschließlich in estnischer Hand. Die von der Gesellschaft Estnischer Literaten gesammelten 2000 Bücher wurden nach der Auflösung der Gesellschaft im Jahre 1894 dem Verein Estnischer Studenten übergeben.

Aufgrund der verbesserten Schulverhältnisse wurden die Esten zunehmend alphabetisiert. Damit stieg die Nachfrage nach Büchern. Die ersten estnischen Lesebibliotheken wurden in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts bei Kirchen als Gemeindebüchereien eingerichtet. Seit den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts entstanden auf Initiative der Esten in wohlhabenderen ländlichen Gemeinden Volksbibliotheken. Ihnen folgten in den siebziger und achtziger Jahren Bibliotheken verschiedener Gesellschaften, wie Sing- und Spiel-, Landsleute-, Nüchternheits-, Bildungs- und Jugendgesellschaften. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden die Gemeindeverwaltungen zur Gründung von Bibliotheken angeregt. Um die Jahrhundertwende wurden außerdem Landkreisbibliotheken für Lehrer eingerichtet. In den Städten entstanden bei Buchhandlungen auch einige kommerzielle Leihbibliotheken für estnischsprachige Literatur.

In den siebziger und achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts setzte eine starke Reaktion der russischen Regierung gegen die Volksaufklärung und die Unterrichtspolitik der Hochschulen ein. In den Schulen sowie an der Universität Dorpat wurde Russisch zur Unterrichtssprache erklärt und russische Lehrkräfte wurden angestellt. In Reval wurde 1872 als russische Schule das Revalsche Alexander-Gymnasium eröffnet. Reval entwickelte sich rasch zu einer Industriestadt, blieb aber als Kulturzentrum zweitrangig. Die deutschen Einflüsse waren dort jedoch stärker als in Dorpat. Hier wurde mehr deutschsprachige Literatur veröffentlicht, daneben aber auch wissenschaftliche Literatur estnischer Autoren in deutscher und russischer Sprache. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begannen die Druckereien in estnische Hände überzugehen. Um die Jahrhundertwende waren die Revaler Druckereien bereits überwiegend in estnischem Besitz. Die größeren deutschen Buchhandels-Verlage waren in Reval Kluge und Ströhm (gegründet 1813) [44] und Wassermann (gegründet 1838).

Als Reaktion auf das Eindringen der russischen Kultur und den zunehmenden Nationalismus der Esten begannen deutschbaltische Intellektuelle in mehreren Städten, die Altertümer und das Schrifttum ihres Heimatortes zu sammeln und zu diesem Zweck heimatkundliche Institutionen zu gründen, wie die Narwasche Altertums-Gesellschaft (gegründet 1863), den Verein zur Kunde Oesels in Kuressaare [Arensburg; gegründet 1865], die Felliner Literarische Gesellschaft (gegründet 1877) und die Pernauer Altertumforschende Gesellschaft (gegründet 1896). Den besonderen Wert der Bibliotheken dieser Vereine machten die Sammlungen lokaler Gelegenheitsschriften aus. Die Estländische Literärische Gesellschaft organisierte 1864 in Reval das Estländische Provinzialmuseum und bewahrte dort neben den Ausstellungsobjekten auch Druckschriften zur Geschichte des Baltikums auf. [45] Zu Beginn des 20. Jahrhunderts organisierten die Deutschbalten ein umfassendes Netz deutscher Vereine mit Bibliotheken in Livland und Estland. Das Zentrum des livländischen Vereins befand sich in Riga, mit Ortsvereinen in Dorpat, Fellin, Pernau, Oberpahlen und Valga [Walk]. Der estländische Verein mit Hauptsitz in Reval hatte einen Ortsverein in Wesenberg und entsandte Wanderbibliotheken. Neben Belletristik und belehrenden Schriften enthielten die Vereinsbibliotheken auch wissenschaftliche Werke. [46]

In Dorpat entstand unter den estnischen Intellektuellen zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Bewegung Jung-Estland [Noor-Eesti], die sich an Vorbildern in Skandinavien, Frankreich und Italien orientierte. Im Jahre 1912 gründete der Verein seinen eigenen Verlag, den Verlag Jung-Estland [Noor-Eesti Kirjastus]. Unter den zahlreichen estnischen Vereinen entwickelte sich die Estnische Literaturgesellschaft [Eesti Kirjanduse Selts; gegründet 1907] zur führenden Forschungs- und Verlagsinstitution mit zahlreichen Veröffentlichungen. Zur umfassenden Förderung der estnischen Volkskunde wurde in Dorpat 1909 das Estnische Nationalmuseum [Eesti Rahva Muuseum] ins Leben gerufen. Seine Sammlung ethnographischer Objekte wurde ergänzt durch die vom Verein Estnischer Studenten übernommene Sammlung estnischsprachiger Literatur und Estica (mehr als 10.000 Bände), die den Grundstock für die heutige Archivbibliothek des Estnischen Literaturmuseums [Eesti Kirjandusmuuseumi Arhiivraamatukogu] bildete. [47] Der Studentenverein behielt nur eine kleine Handbibliothek.

Um die Lesebedürfnisse breiterer Volksschichten zu befriedigen, wurden in den Städten Öffentliche Bibliotheken ins Leben gerufen. In Reval eröffnete die Stadtverwaltung 1907 eine unentgeltliche Öffentliche Bibliothek und einen Leseraum, die heutige A. H. Tammsaare-Zentralbibliothek Reval [A. H. Tammsaare nim. Tallinna Keskraamatukogu]; 1913 folgte die Dorpater Volksbibliotheksgesellschaft mit der Gründung der heutigen Zentralbibliothek Dorpat [Tartu Linna Keskraamatukogu]. Die Bestände der Öffentlichen Bibliotheken setzten sich aus estnischer, deutscher und russischer Literatur zusammen. Versuche, die Bestände zu bibliographieren, wurden im 19. Jahrhundert in mehreren Veröffentlichungen gemacht, z. B. in der Kulturzeitung Inland (1836-1863). Benutzbar ist von den Fachbibliographien bis auf den heutigen Tag die von Eduard Winckelmann (1838-1896) zusammengestellte Bibliographie Bibliotheca Livoniae historica, die die Druckschriften der baltischen Gouvernements und Handschriften zur Geschichte im weitesten Sinne bis zum Jahr 1876 verzeichnet.

Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs kam die Tätigkeit der vielfältigen kulturellen Gesellschaften und Bibliotheken Estlands zum Erliegen. Viele Kulturschätze, darunter insbesondere die Sammlungen der Universitätsbibliothek Dorpat, wurden ins Innere Rußlands evakuiert. Der größere Teil wurde später der Estnischen Republik zurückgegeben. [48] Zu den nicht zurückgekehrten Sammlungen gehört die Bibliothek des Veterinärmedizinischen Instituts in Dorpat (29.000 Bände), die 1917 nach Saratov evakuiert wurde und dort verblieb. Von evakuierten Beständen aus Reval gelangte etwa ein Viertel nicht zurück, darunter der wertvollste Teil der Gymnasialbibliothek.

Die selbständige Republik Estland (1918-1940)

Nachdem die 1918 ausgerufene Republik Estland [Eesti Vabariik] den Freiheitskrieg (1918-1920) gegen Sowjetrußland gewonnen und den Tartuer Frieden (1920) erzwungen hatte, begann im parlamentarischen Nationalstaat die Aufbauarbeit in allen gesellschaftlichen Bereichen. Dank der Förderung durch die staatliche Kulturpolitik wuchs das geistige Potential im Land schnell. Die Beziehungen zur deutschen Kultur wurden vertieft, zugleich orientierte man sich an der französischen und englischen, in den dreißiger Jahren auch an der Kultur der nordischen Länder. Für nationale Minderheiten wurde die Kulturautonomie 1925 gesetzlich verankert.

Zu einem wirklichen Kulturzentrum entwickelte sich erneut Dorpat. Die Universität wurde zur Nationaluniversität reorganisiert und um die Veterinärmedizinische Fakultät und die Landwirtschaftliche Fakultät mit der Forstabteilung ergänzt. Neben den Instituten nahmen neue akademische Gesellschaften ihre Tätigkeit auf. Die früheren wissenschaftlichen Vereine setzten ebenfalls ihre Tätigkeit fort - die Gemeinnützige und Ökonomische Sozietät, die in den Händen Baltendeutscher blieb, die Naturforschergesellschaft Looduseuurijate Selts] und die Gelehrte Estnische Gesellschaft Õpetatud Eesti Selts], die beide der Universität angegliedert wurden, die Estnische Literaturgesellschaft und das Estnische Nationalmuseum mit der Archivbibliothek. Beim Estnischen Nationalmuseum wurden zusätzlich die Estnische Bibliographische Anstalt [Eesti Bibliograafia Asutus; 1921], das Estnische Folklore-Archiv [Eesti Rahvaluule Arhiiv; 1927] sowie das Estnische Kulturhistorische Archiv [Eesti Kultuurilooline Arhiiv; 1929] gegründet. Als eigenständige Neugründungen kamen das Estnische Staatliche Zentralarchiv [Eesti Riigi Keskarhiiv; 1921] in Dorpat und schließlich die Estnische Akademie der Wissenschaften [Eesti Teaduste Akadeemia; 1938-1940] in Reval hinzu. [49] In Dorpat arbeiteten außerdem die höhere Kunstschule Pallas [Kõrgem Kunstikool Pallas; 1919-1940] und die höhere Musikschule [Kõrgem Muusikakool; 1925-1940]. Größere Verlage mit Buchhandlungen befanden sich ebenfalls in Dorpat. In der Hauptstadt Reval entstanden vorwiegend technische und ökonomisch-industrielle Institutionen. Im Jahre 1919 wurde das Revaler Technikum [Tallinna Tehnikum] gegründet, aus dem 1936 das Technische Institut Reval [Tallinna Tehnikainstituut] und 1938 schließlich die Technische Universität [Tehnikaülikool] wurde. Zu den neugegründeten künstlerischen Lehranstalten gehörten die Staatliche Kunstgewerbeschule [Riigi Kunsttööstuskool; gegründet 1924], die Revaler höhere Musikschule Tallinna Kõgem Muusikakool] und das Estnische Kunstmuseum Eesti Kunstimuuseum; beide gegründet 1919] sowie ab 1923 das Revaler Konservatorium [Tallinna Konservatoorium].

Die Staatsbibliothek Estlands [Eesti Riigiraamatukogu] entstand 1918 in Reval als Bibliothek der zentralen Staatsbehörden. Den Grundstock ihrer Sammlung bildeten 2000 Bände in Rußland erschienener statistischer und juristischer Literatur aus dem Besitz der ehemaligen Ehstländischen Gouvernementsverwaltung. [50] Eine universale Nationalbibliothek wurde in der Estnischen Republik nicht eingerichtet. Das Pflichtexemplarrecht erhielten die Staatsbibliothek, die Archivbibliothek des Estnischen Nationalmuseums und die Universitätsbibliothek in Dorpat. Zu den Funktionen der Archivbibliothek gehörte, wie früher, die Sammlung und Erhaltung des nationalen Schrifttums. Der Universitätsbibliothek fielen, als ältester und universaler Bibliothek, vorwiegend die Service- und Informationsaufgaben zu sowie die Zusammenstellung der laufenden Nationalbibliographie und der Unterricht im Bibliothekswesen. In Reval stand außerdem die an Baltica-Ausgaben reiche Bibliothek der Estländischen Literärischen Gesellschaft zur Verfügung. [51] Eine umfassende und intensive Forschungstätigkeit führte dazu, daß estnische Wissenschaftler und Privatgelehrte umfangreiche private Buchsammlungen anlegten, darunter auch bibliophile Sammlungen. [52]

Zu Beginn der zwanziger Jahre unseres Jahrhunderts wurde in Estland erneut eine Umgruppierung der Bibliotheken und ihrer Bestände vorgenommen. Mit dem Landgesetz von 1919 waren die Großgrundbesitze, deren überwiegender Teil Deutschbalten gehörte, in Neusiedlerhöfe aufgeteilt worden. Infolgedessen verließ ein Teil der Deutschbalten Estland, viele weitere zogen in die Städte. Eine große Zahl von Gutsbibliotheken wurde zersplittert und ihre Bestände an hier verbliebene deutsche Gesellschaften, aber auch an estnische Institutionen und Personen verkauft oder verschenkt. Bücherangebote kamen auch von russischen Optanten und von denen, die aus Estland nach Rußland übersiedelten. [53] Die größeren Bibliotheken Estlands in Dorpat und Reval konnten wegen knapper Geldmittel und wegen Raummangels ältere Literatur nur in strenger Auswahl kaufen und sollten den Erwerb von Dubletten vermeiden. In Antiquariaten kam insbesondere deutschsprachige Literatur zum Verkauf. Die wichtigsten Antiquariate waren in Dorpat das von Ferdinand Vanatalu und ,,Vaht`` [Wächter] von Adalbert Toom sowie in Reval Bukinist und Pyramid. Zu einem Verkaufszentrum für Baltica und einem typischen Beispiel für ein deutsches Antiquariat entwickelte sich Harry Martinsons Baltica in Dorpat (liquidiert 1943).

Eine erneute und noch größere Erschütterung des estnischen Bibliothekswesens bedeutete in den Jahren 1939 bis 1941 die Umsiedlung der Deutschbalten nach Deutschland, die aufgrund der Geheimprotokolle des Molotow-Ribbentrop-Paktes von Hitler veranlaßt wurde. Die bis dahin arbeitenden deutschen Schulen, Kirchen und Gesellschaften, Buchhandlungen und Bibliotheken stellten ihre Tätigkeit ein. Viele alte wertvolle Sammlungen, die zumeist Baltica und historische Literatur enthielten, sowie die in Herrensitzen und Pastoraten über Generationen entstandenen Büchersammlungen wurden aufgelöst und zerstreut. In den Gütern des Landkreises Viru [Wierland] gab es 1939 zwei- und dreitausend Bände umfassende Sammlungen, die Drucke des 17. und 18. Jahrhunderts und historische Archivalien enthielten. Die Deutschen nahmen einen Teil ihrer Bücher und Archivmaterialien mit, anderes wurde verkauft, verschenkt oder einfach zurückgelassen. In einigen Fällen wurden Bücher absichtlich vernichtet. Die im Land verbliebenen Bestände ergänzten solche estnischen Bibliotheken, die insbesondere fremdsprachige Literatur sammelten. Der weitaus größte und wertvollste Teil der Sammlungen der Umsiedler gelangte in zentrale universale Bibliotheken in Reval (Staatsbibliothek) und Dorpat (Universitätsbibliothek). Jedoch auch Archive, Heimatkundemuseen, Stadtbibliotheken, Gymnasien, wissenschaftliche Vereine, Bibliophile und Antiquariate erhielten Bücher aus diesen Sammlungen. [54]

Die Jahre der Besetzung durch die Sowjetunion

und Deutschland (1940-1991)

Durch das Eindringen der Roten Armee und die Verwandlung Estlands in eine Teilrepublik der Sowjetunion im Sommer 1940 wurde die Entwicklung des wirtschaftlichen und kulturellen Lebens in Estland unterbrochen und dem Diktat Moskaus unterworfen. Viele kulturelle und wissenschaftliche Institutionen und Organisationen wurden liquidiert, Verlage, Druckereien und Buchhandlungen wurden verstaatlicht. Im Zuge der Umgestaltungen wurde in Dorpat das Staatliche Literaturmuseum [Eesti NSV Riiklik Kirjandusmuuseum] gegründet, das die Archivbibliothek des Estnischen Nationalmuseums, die Estnische Bibliographische Anstalt, das Estnische Folklore-Archiv und das Estnische Kulturhistorische Archiv unter einer gemeinsamem Leitung vereinigte. In Reval wurde die Estländische Literärische Gesellschaft im Dezember 1940 liquidiert. Ihr Estländisches Provinzialmuseum, ihr Archiv und ihre Bibliothek (1938 90.800 Bände) wurden verstaatlicht und dem im gleichen Jahr gegründeten Staatlichen Museum der Geschichte und Revolution Riiklik Ajaloo ja Revolutsiooni Muuseum] übergeben.

Im Juli 1941, als die Kriegsfront zwischen der Sowjetunion und Deutschland zwei Wochen am Fluß Emajõgi [Embach] bei Dorpat verlief, wurde eine Vielzahl von Kulturschätzen durch Brände vernichtet. Das Gebäude der Livländischen Ökonomischen Sozietät verbrannte zusammen mit der Bibliothek, die als einzige eine Sammlung der in geringen Auflagen erschienenen Amtsdrucke deutschbaltischer Organisationen enthielt. [55] Das Veterinärmedizinische Institut der Universität mit seiner Bibliothek wurde ebenfalls zerstört. Mindestens 135 größere Privatsammlungen, darunter bis zu 10.000 Titel zählende Fachbibliotheken der Universitätsprofessoren mit persönlichen Archiven und Kunstwerken, fielen dem Feuer zum Opfer. [56] Außerdem wurden Buchhandlungen und Verlagslager zerstört.

Mit der Besetzung des estnischen Gebietes durch deutsche Truppen wurden die durch die sowjetrussische Besatzungsmacht eingeleiteten Umgestaltungen abgebrochen. Die größeren Bibliotheken kümmerten sich vor allem um ihre eigenen Bestände und sammelten die Bücher der das Land verlassenden oder verhafteten und deportierten Personen ein. Als die Front sich erneut dem estnischen Gebiet näherte, wurden die Kulturschätze Dorpats ins Innere des Landes und an die Westküste evakuiert. So konnte ein Großteil gerettet werden. In Reval und Dorpat verbliebene Kulturgüter wurden durch die Bombenangriffe der Roten Armee im März 1944 teilweise vernichtet. Die Stadt Narwa wurde fast vollständig zerstört. Im September 1944 verbrannte gut die Hälfte der 9000 Bände umfassenden Bibliothek der Pernauer Altertumforschenden Gesellschaft. [57]

Als die Truppen der Sowjetunion Estland im Herbst 1944 zurückeroberten, begann in wissenschaftlichen Institutionen und Bibliotheken erneut die Umgestaltung nach sowjetischem Vorbild. Zur zentralen leitenden Bibliothek Estlands wurde die ehemalige Staatsbibliothek bestimmt, die ab 1944 den Namen Staatliche Öffentliche Bibliothek der Estnischen SSR [Eesti NSV Riiklik Avalik Raamatukogu] trug. Für die Aufbewahrung der Archivexemplare der in der Republik erscheinenden Drucke und die Zusammenstellung der Nationalbibliographie wurde 1941 bei der Staatlichen Öffentlichen Bibliothek die Bücherkammer geschaffen. [58] Als zentrale Fachbibliotheken entstanden die Staatliche Wissenschaftliche Medizinbibliothek [Riiklik Teaduslik Meditsiiniraamatukogu; gegründet 1944] und die Wissenschaftliche Bibliothek für Technik [Tehnika Teaduslik Raamatukogu; gegründet 1968] in Reval. Im Jahre 1946 wurde dort die Akademie der Wissenschaften der ESSR [Eesti NSV Teaduste Akadeemia] gegründet. Den Grundstock des Bestandes ihrer Zentralbibliothek bildete die vom Museum der Geschichte und Revolution übergebene ehemalige Bibliothek der Estländischen Literärischen Gesellschaft (132.000 Bände). Die Bibliothek des Provinzialmuseums blieb im Besitz des Museums der Geschichte und Revolution, das seine Tätigkeit als Historisches Museum Ajaloo Muuseum] fortsetzte. Das Literaturmuseum, die Naturforschergesellschaft und die Gelehrte Estnische Gesellschaft [59] in Dorpat wurden der Akademie der Wissenschaften unterstellt. Aus den Lehrstühlen für Landwirtschaft, Veterinärmedizin und Forstwirtschaft der Universität wurde die Estnische Landwirtschaftliche Akademie gebildet; die Universitätskliniken wurden dem Gesundheitsministerium unterstellt. [60] Die neuen Bibliotheken erwarben vor allem sowjetische Neuerscheinungen in russischer Sprache. Ältere fremdsprachige Literatur konnten während der sowjetischen Zeit fast ausnahmslos nur drei Universalbibliotheken erwerben - die Staatliche Öffentliche Bibliothek, die Zentralbibliothek der Akademie der Wissenschaften und die Universitätsbibliothek. Umfangreichere Geldmittel hierfür besaßen die Revaler Bibliotheken. Reval entwickelte sich jetzt zum Kultur- und Wissenschaftszentrum der Estnischen Sowjetrepublik.

Alle der Öffentlichkeit zugänglichen Druckschriften in der ESSR unterlagen einer strengen Zensur durch die sowjetischen Behörden. Bereits 1940 war in Reval die Hauptverwaltung für Literatur- und Verlagswesen (Glavlit) gegründet worden, die in ihrer Tätigkeit den entsprechenden Vorschriften der Allunionsverwaltung folgte. Die Bibliotheken wurden von der ,,antisowjetischen und ideologisch untauglichen Literatur gesäubert``. Dazu zählte im allgemeinen die in der Estnischen Republik und während der deutschen Besetzung in Estland erschienene Literatur, in der Sowjetunion in den Jahren 1917 bis 1938 erschienene Periodika, im Ausland ab 1917 erschienene Literatur und noch einiges außerhalb dieser chronologischen Grenzen. Eine umfassende ,,Säuberung`` der Bibliotheken wurde im Zeitabschnitt von 1945 bis 1952 vorgenommen. Das Recht, die verbotenen Bücher aufzubewahren und unter besonderen Bedingungen auszuleihen, behielten nur vier Bibliotheken - in Reval die Staatliche Öffentliche Bibliothek und die Zentralbibliothek der Akademie der Wissenschaften, in Dorpat die Universitätsbibliothek und die Archivbibliothek des Literaturmuseums. Die Staatliche Öffentliche Bibliothek und die Universitätsbibliothek sollten die aus anderen Bibliotheken ausgesonderten Titel aufnehmen und diese bis auf je zwei Archivexemplare vernichten. Ältere ausländische Literatur wurde als ,,veraltet`` aus Volks- und Schulbibliotheken entfernt.

 Die Glavlit arbeitete in Estland bis zu ihrer Liquidierung im
Jahre 1990. [61]

Seit dem Ende der fünfziger Jahre begann man an der Akademie der Wissenschaften, umfassende heimatkundliche Aktivitäten zu organisieren. Die Tätigkeit der Heimatkundemuseen wurde wiederbelebt, man gründete neue Museen und Heimatkundegesellschaften, die in ihrer Forschungs- und Sammeltätigkeit auch herrenlos gebliebene Bücher berücksichtigten. Die bibliographische Arbeit wurde ebenfalls intensiviert. Mit der Zusammenstellung der estnischen retrospektiven Nationalbibliographie begann die Archivbibliothek des Literaturmuseums 1965. Ab 1980 beteiligten sich daran außerdem die Bibliothek der Akademie der Wissenschaften, die Universitätsbibliothek und die Staatliche Öffentliche Bibliothek.

Die wiederhergestellte Estnische Republik

(ab 1991)

Mit der Wiederherstellung der Estnischen Republik im August 1991 hat das Interesse an der älteren, insbesondere an der deutschsprachigen Literatur wieder beträchtlich zugenommen. Es wurden verschiedene Kulturgesellschaften neu gegründet und Bibliotheken bei ihnen eingerichtet. In Reval wurden die technischen Bibliotheken neu organisiert, so daß jetzt die Bibliothek der Technischen Universität [Tallinna Tehnikaülikooli Raamatukogu], wo auch ältere ausländische Literatur gesammelt wurde, die Funktionen einer Zentralbibliothek ausübt. Der Bibliothek der Pädagogischen Universität Reval Tallinna Pedagoogikaülikooli Raamatukogu] wurde 1992 die Estnische Pädagogische Bibliothek [Eesti Pedagoogikaraamatukogu; gegründet 1892] mit ihrem Archiv eingegliedert. [62] Ältere fremdsprachige Literatur erhalten die wissenschaftlichen Bibliotheken vorwiegend aus nachgelassenen Privatbibliotheken. Die bisherige Staatliche Öffentliche Bibliothek wurde bereits 1988 in Estnische Nationalbibliothek [Eesti Rahvusraamatukogu] umbenannt, die mit ihrem neuen Gebäude und einer modernen zeitgemäßen Organisation alle Funktionen einer Nationalbibliothek ausüben kann. Der Estnische Buchverein [Eesti Raamatuühing; gegründet 1974] arbeitet energisch und organisiert regelmäßig Tage des alten Buches sowie Auktionen. Des weiteren sind verschiedene Klubs von Bibliophilen aktiv. Das alte deutsche Buch kommt auch als Bestandteil von Privatbibliotheken wieder zur Ehre.

Von der in 12 Bänden geplanten estnischen retrospektiven Nationalbibliographie erschien 1993 im Verlag der Bibliothek der Akademie der Wissenschaften - seit 1997 Estnische Akademische Bibliothek [Eesti Akadeemiline Raamatukogu] - als fünfter Teil In Estland erschienene deutsch-, russisch- und anderssprachige periodische Schriften 1675-1940. Neben vollständigen Titelaufnahmen werden Standortnachweise für größere Bibliotheken gegeben. Das Verzeichnis beschreibt 384 deutschsprachige Periodika. Die retrospektive Bibliographie der deutschsprachigen und anderer fremdsprachiger Monographien ist in Vorbereitung.

Kaja Noodla

Anmerkungen

[1] Zur Geschichte der Bibliotheken Estlands s. folgende Abhandlungen: Kaljo-Olev Veskimägi: Lühiülevaade raamatukogude ajaloost Eestis XIII saj. - 1917. Õppematerjal raamatukogunduse ja bibliograafia eriala kaugõppe üliõpilastele Kurze Übersicht über die Geschichte der estnischen Bibliotheken vom 13. Jahrhundert bis 1917. Lehrmaterial für Fernstudenten des Faches Bibliothekswesen und Bibliographie]. Tallinn 1983; Voldemar Miller (Hrsg.): Eesti raamat 1525-1975. Ajalooline ülevaade [Das estnische Buch 1525-1975. Ein historischer Überblick]. Tallinn 1978, S. 54-55, 72-73, 101-102, 162-163; Kaljo-Olev Veskimägi: Eesti raamatukogude ajaloo bibliograafia kuni 1917 [Bibliographie der Geschichte estnischer Bibliotheken bis 1917]. 2 Bde. Tallinn 1984-1985

[2] Livland wurde zu Beginn des 13. Jahrhunderts ein Teil Nordlettlands, damals Kurland und Südestland genannt. Nordestland gehörte ab 1347 durch Zusammenlegung mit den Besitzen des Livländischen Ordens zu Livland.

[3] Bei der Vereinigung dieses Ordens mit dem Deutschen Orden (1237) entstand als ein Zweig des letzteren der Livländische Orden, der bis 1563 existierte.

[4] Endel Aule (Hrsg.): Eesti kooli ajalugu [Die Geschichte der estnischen Schule]. Bd 1: 13. sajandist 1860. aastateni [Vom 13. Jahrhundert bis zu den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts]. Tallinn 1989

[5] Einige in Reval im 15. Jahrhundert abgeschriebene Bücher sind erhalten. Siehe hierzu Hans Treumann: Tallinna vanemast raamatukultuuriloost [Zur älteren Geschichte der Buchkultur Revals]. In: ders.: Vanemast raamatukultuuriloost [Zur älteren Geschichte der Buchkultur]. Tallinn 1977, S. 32-37

[6] Voldemar Miller (Hrsg.): Eesti raamat 1525-1975 ..., S. 20

[7] Friedrich Puksov: Rahvaharidus [Volksaufklärung]. In: Juhan Libe, August Oinas, Hendrik Sepp, Juhan Vasar (Hrsg.): Eesti rahva ajalugu [Die Geschichte des estnischen Volkes]. Bd 2. Tartu 1934, S. 1121-1156; Elfriede Tool-Marran: Tallinna dominiiklaste klooster Das Dominikanerkloster in Reval]. Tallinn 1971

[8] Lea Kõiv: Tallinna Linnaarhiivist ja selle raamatutest Über das Revaler Stadtarchiv und seine Bücher]. In: Raamatukogu [Die Bibliothek] 3 (1994) S. 7-9

[9] Es darf angenommen werden, daß bei beiden Revaler Kirchen bereits vor 1552 Bibliotheken bestanden. Vgl. Hellmuth Weiss: Zur Bibliotheksgeschichte Revals im 16. und 17. Jahrhundert. In: Syntagma Friburgense. Lindau und Konstanz 1956, S. 282

[10] Die Sammlung der Olaikirche umfaßte u. a. die Nachlässe der Pfarrer Reinhold Grist (†1551; 137 Bände) und Nicolaus Specht (†1657; ca. 700 Bände, überwiegend zu Geschichte und Philologie). Siehe Kyra Robert: Raamatutel on oma saatus [Die Bücher haben ihr Schicksal]. Tallinn 1991, S. 56, 66-76

[11] Kyra Robert: Tallinna linna Oleviste raamatukogu ajaloost Über die Geschichte der Bibliothek der Olaikirche der Stadt Reval]. In: Keel ja Kirjandus [Sprache und Literatur] (1979) Nr. 4, S. 229-235; Kyra Robert: Raamatutel ..., S. 45-62; Hellmuth Weiss: Zur Bibliotheksgeschichte Revals ..., S. 279-291 [12] Vello Helk: Die Jesuiten in Dorpat 1583-1625. Odense 1977 (Odense University Studies in History and Social Sciences 44)

[13] Helmut Piirimäe: Ajalooline tagapõhi ja ülikooli asutamine [Historischer Hintergrund und Gründung der Universität]. In: Helmut Piirimäe (Hrsg.): Tartu ülikooli ajalugu Die Geschichte der Universität Dorpat]. Bd 1: 1632-1798. Tallinn 1982, S. 23-45

[14] Wegen des Russisch-Schwedischen Krieges wurde die Academia Gustaviana 1656 nach Reval verlegt, wo sie nur bis 1659 arbeitete. Nach einer Unterbrechung nahm sie 1690 ihre Tätigkeit in Dorpat wieder auf. Die Bibliothek und die Druckerei blieben in Dorpat, eingemauert in der Marienkirche. Siehe Friedrich Puksov: Die Bibliothek der Universität Tartu und Tartu-Pärnu in der Schwedenzeit. In: Sitzungsberichte der Gelehrten Estnischen Gesellschaft 1931. Tartu 1932, S. 252-282

[15] Eine wesentliche Ergänzung bedeutete die etwa 500 Bände umfassende Sammlung juristischer Literatur des Rigaer Juristen Ludwig Hintelman (1578-1643) im Jahre 1643. Die 1690 von König Karl XI. gespendete, 2700 Bände zählende Sammlung des schwedischen Diplomaten Nils Gyldenstolpe (1642-1709) enthielt die wichtigsten zeitgenössischen wissenschaftlichen Werke und machte zu dieser Zeit den größten Teil der Universitätsbibliothek aus. Siehe Arvo Tering: Ülikooli raamatukogu [Die Universitätsbibliothek]. In: Helmut Piirimäe (Hrsg.). Tartu ülikooli ajalugu. Bd 1, S. 243-254; Friedrich Puksov: Die Bibliothek der Universität Tartu ..., S. 266

[16] Über diese Privatbibliotheken liegen nur vereinzelt indirekte Angaben vor. Vgl. Arvo Tering: Ülikooli raamatukogu ..., S. 246-248

[17] Über die Privatbibliotheken in Reval s. Heinz von zur Mühlen: Besitz und Bildung im Spiegel Revaler Testamente und Nachlässe aus der Mitte des 17. Jahrhunderts. In: Jürgen von Hehn und Csaba Janos Kenez (Hrsg.): Reval und die Baltischen Länder. Festschrift für Hellmuth Weiss zum 90. Geburtstag. Marburg 1980, S. 263-280 [insbesondere S. 276-280]

[18] Zur Geschichte der Gutsbibliotheken s. Voldemar Miller: Baltisakslaste lahkumine Eestist 1939-1940 [Die Umsiedlung der Deutschbalten aus Estland 1939 bis 1940]. [Ms. im Besitz des Autors]. Karl Martinson bemerkt, daß auf dem Gut Vasula Wazzula] bei Dorpat, das dem schwedischen Dichter und Gelehrten Georg Stiernhielm (1598-1672) gehörte, Mitte des 17. Jahrhunderts eine mehrere tausend Bände umfassende Bibliothek vorhanden war. Siehe Karl Martinson: Teadustegevuse institutsionaliseerimine Eestis XVII sajandist 1917. aastani [Die Institutionalisierung der wissenschaftlichen Tätigkeit in Estland vom 17. Jahrhundert bis zum Jahre 1917]. Tallinn 1988, S. 33

[19] Siehe Karl Martinson: Teadustegevuse institutsionaliseerimine ..., S. 36

[20] Endel Aule (Hrsg.): Tallinna I. Keskkool 1631-1981 [Die I. Oberschule Reval 1631 bis 1981]. Tallinn 1981

[21] Als erster Druck der Universitätsdruckerei erschien 1632 die Postordnung. Siehe Ene-Lille Jaanson: Millal trükiti Eestimaal esimene raamat? [Wann wurde in Estland das erste Buch gedruckt?]. In: Raamatukogu 5 (1997) S. 27-30. Die von Friedrich Puksov als erster Druck genannte Disputatio wurde wegen eines Druckfehlers auf dem Titelblatt irrtümlich früher datiert, wurde aber ebenfalls erst 1632 gedruckt. Vgl. Friedrich Puksov: Tartu ja Tartu-Pärnu rootsiaegse ülikooli trükikoda [Die Druckerei der Universität Dorpat und Dorpat/Pernau zur Schwedenzeit]. Tartu 1932 (Akadeemilise Kirjandusühingu Toimetised 9)

[22] Siehe Helmut Piirimäe: Ülikool Eesti- ja naabermaade kultuuriloos [Die Universität in der Kulturgeschichte Estlands und der Nachbarländer]. In: Helmut Piirimäe (Hrsg.): Tartu ülikooli ajalugu. Bd 1, S. 255-274

[23] Kyra Robert: Tallinna 17. sajandi trükised [Die Revaler Drucke des 17. Jahrhunderts]. In: Acta Bibliothecae Nationalis Estoniae 1 (1990) S. 56-77; Kyra Robert: Raamatutel ..., S. 5-19

[24] Friedrich Puksov: Eesti raamatu arengulugu seoses kirja ja raamatu üldise arenemisega [Die Entwicklungsgeschichte des estnischen Buches im Zusammenhang mit der allgemeinen Entwicklung der Schrift und des Buches]. Tallinn 1933, S. 118-130

[25] Jaak Naber: Koolid Eesti Venemaaga ühendamise järel (1710-19. sajandi algus) [Die Schulen in der Zeit nach der Vereinigung Estlands mit Rußland (1710 bis Anfang des 19. Jahrhunderts)]. In: Endel Aule (Hrsg.): Eesti kooli ajalugu. Bd 1, S. 186-291

[26] Arvo Tering: Gelehrte Kontakte der Universität Halle zu Est-, Liv- und Kurland zur Aufklärungszeit. Tartu 1994

[27] Arvo Tering: Göttingeni ülikool ning selle osa Eesti - ja Liivimaa haritlaskonna kujunemises XVIII sajandil ja XIX sajandi algul [Die Universität Göttingen und ihre Rolle in der Entwicklung der Bildungsschicht in Livland im 18. und frühen 19. Jahrhundert]. In: Keel ja Kirjandus (1978) Nr. 9, S. 558-567; Nr. 10, 615-623

[28] Ilse Hamburg: Eesti bibliograafia ajalugu 19. sajandi lõpuni [Die Geschichte der estnischen Bibliographie bis zum Ende des 19. Jahrhunderts]. Tallinn 1986, S. 28-31

[29] Helgi Vihma: A. W. Hupel ja tema kaastööliste võrk [A. W. Hupel und das Netz seiner Mitarbeiter]. In: Teaduse ajaloo lehekülgi Eestist [Fragen der Estnischen Wissenschaftsgeschichte] 2 (1976) S. 218-231

[30] Kyra Robert: Trükinduse arengust Tallinnas 1634-1917 [Über die Entwicklung des Druckereiwesens in Reval 1634 bis 1917). In: Polügrafist [Der Polygraph] 2-3 (1985) S. 10-14, 19-25; Kyra Robert: Raamatutel ..., S. 19-44

[31] Indrek Jürjo: Valgustuslikest lugemisseltsidest ja Hupeli lugemisseltsist Põltsamaal [Lesegesellschaften im Zeitalter der Aufklärung und die Lesegesellschaft Hupels in Oberpahlen]. In: Keel ja Kirjandus (1986) Nr. 5, S. 288-293; Indrek Jürjo: Lesegesellschaften in den baltischen Provinzen im Zeitalter der Aufklärung. Teile 1-2. In: Zeitschrift für Ostforschung 39 (1990) S. 540-571; 40 (1991) S. 28-56

[32] Kaja Noodla: Raamat Tartu kodudes XVIII sajandi lõpul ja XIX sajandi algul [Das Buch in Dorpater Haushalten Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts]. In: Keel ja Kirjandus (1980) Nr. 9, S. 547-555. Die mehr als 3100 Bände zählende Sammlung Gadebusch wurde auf einer Auktion in Riga verkauft. Hupels Bücher wurden in Paide [Weißenstein] verteilt.

[33] Die Familienbibliothek der von Lipharts enthielt 1920 mehr als 30.000 Bände geisteswissenschaftlicher Literatur, darunter reichlich Literatur zur Kunst. Etwa 25.000 Bände gingen der Universitätsbibliothek Dorpat zu, der übrige Teil wurde ins Ausland gebracht. Siehe: Eesti Entsüklopeedia [Estnische Enzyklopädie]. Bd 5. Tallinn 1990, S. 590; s. auch den Handbucheintrag Tartu, Universitätsbibliothek. Die 1940 zurückgelassene Sammlung der Grafen von Berg umfaßte mehr als 3000 Bände, überwiegend zu den Naturwissenschaften und zur Landwirtschaft; s. auch den Handbucheintrag Tartu, Bibliothek des Estnischen Historischen Archivs

[34] Karl Siilivask (Hrsg.): Tartu ülikooli ajalugu [Die Geschichte der Universität Dorpat]. Bd 2. Tallinn 1982

[35] Eduard Vigel: Tartu Riikliku Ülikooli Teadusliku Raamatukogu asutamine ja areng aastail 1802-1839 [Gründung und Entwicklung der Wissenschaftlichen Bibliothek der Staatlichen Universität Dorpat in den Jahren 1802 bis 1839]. Tartu 1962 (Tartu Riikliku Ülikooli Toimetised 115); Kaja Noodla: K. Morgenstern ja Tartu ülikooli raamatukogu [K. Morgenstern und die Universitätsbibliothek Dorpat]. In: Tartu Riikliku Ülikooli Toimetised 262 (1970) S. 48-60

[36] Die Bibliothek der Gesellschaft, deren Grundstock Geld- und Buchspenden von Gutsbesitzern legten, wurde auch weiterhin durch Nachlässe und den sich ausdehnenden Schriftentausch ergänzt. Besondere Aufmerksamkeit widmete man der Ergänzung der Baltica-Abteilung (4600 Titel zählte die Bibliothek 1892). Bei jeder Sektion entstand eine eigene Handbibliothek.

[37] Die Ökonomische Sozietät übergab der Naturforschergesellschaft 723 Bände naturwissenschaftlicher Literatur für die Gründung einer Bibliothek, die in der Folgezeit durch Nachlässe und Schriftentausch ergänzt wurde. Einer der größten Nachlässe war der des Professors für Mineralogie Caspar Grewingk (1819-1887; 1170 Bände). Im Jahre 1914 umfaßte die Bibliothek 15.563 Bände. Siehe Leida Mägi: Loodusuurijate Seltsi raamatukogu minevikust ja tänapäevast [Über Vergangenheit und Gegenwart der Bibliothek der Naturforschergesellschaft]. In: Eesti Loodus [Estnische Natur] (1973) Nr. 8, S. 454-457; s. auch den Handbucheintrag

[38] Karl Martinson: Organiseeritud teadustegevuse algusest Eestis [Über den Anfang der organisierten wissenschaftlichen Tätigkeit in Estland]. In: Teaduse ajaloo lehekülgi Eestist Fragen der estnischen Wissenschaftsgeschichte] 3 (1980) S. 5-27

[39] Kyra Robert: Eestimaa Kirjanduse Ühing (1842-1940) ja tema raamatukogu [Die Estländische Literärische Gesellschaft (1842-1940) und ihre Bibliothek]. In: Keel ja Kirjandus (1992) Nr. 8, S. 449-460; Nr. 9, 535-543; Jahresberichte der ehstländischen literärischen Gesellschaft pro 1881-1882. In: Beiträge zur Kunde Ehst-, Liv- und Kurlands 3 (1887) S. 241

[40] Kaja Noodla: Tartu ülikooli õppejõudude isiklike raamatukogude koostisest 19. sajandi I poolel [Über die Zusammensetzung der privaten Bibliotheken der Lehrkräfte der Universität Dorpat]. In: Tartu ülikooli ajaloo küsimusi [Fragen zur Geschichte der Universität Dorpat] 13 (1983) S. 11-21

[41] Elna Hansson u. a.: K. Morgensterni isiklik raamatukogu Die Privatbibliothek K. Morgensterns]. In: Tartu Riikliku Ülikooli Toimetised 262 (1970) S. 84-96

[42] So besaß ein Arzt z. B. zu zwei Dritteln medizinische, pharmazeutische und biologische Literatur, ein Mathematiklehrer 58 Prozent aus dem Bereich der exakten Wissenschaften, darunter wissenschaftliche Untersuchungen. Siehe hierzu Kaja Noodla: Raamat Tartu kodudes 1826-1850 [Das Buch in Dorpater Haushalten 1826 bis 1850]. In: Keel ja Kirjandus (1984) Nr. 12, S. 731-736

[43] Der Katalog der Bibliothek der Estnischen Gelehrten Gesellschaft als der vollständigsten Sammlung des estnischen Buches erschien im Jahre 1867. Siehe Andreas Johannes Schwabe: Chronologisches Verzeichnis aller in der Bibliothek der Gelehrten Estnischen Gesellschaft sich befindenden estnischen Druckschriften. Dorpat 1867 (Schriften der Gelehrten Estnischen Gesellschaft 5)

[44] Die Firma wurde von Georg Arnold Eggers (1791-1851) als Leihbibliothek 1813 gegründet. Später setzte Eggers seine buchhändlerische Tätigkeit in St. Petersburg fort, in Reval wurde das Geschäft von seinen Verwandten Franz Ferdinand Kluge (1809-1882), Carl Constantin Ströhm (1812-1888) und Ferdinand Wassermann (1818-1877) weitergeführt. Siehe Endel Aule: Kluge ja Ströhmi raamatukaupluse ajaloost [Über die Geschichte der Buchhandlung Kluge und Ströhm]. In: Keel ja Kirjandus (1970) Nr. 1, S. 41-44; Nr. 3, 163-169

[45] Paul Jordan: Geschichte der Estländischen Literärischen Gesellschaft für die Zeit von 1842 bis 1892. Reval 1892

[46] Kalender der Deutschen Vereine in Liv-, Est- und Kurland 1908. Riga 1907, S. 85-91; Katalog der Bücherei des Deutschen Vereins in Estland. Reval 1911

[47] Leida Laidvee: Arhiivraamatukogu fondide kujunemisest. Kronoloogia [Die Entwicklungsgeschichte der Bestände der Archivbibliothek. Chronologie]. In: Juurtega sajandite mullas. Kogumik F. R. Kreutzwaldi nim. Kirjandusmuuseumi 50. aastapäevaks [Verwurzelt im Boden der Jahrhunderte. Sammelband zum 50. Jahrestag des F. R. Kreutzwald-Literaturmuseums]. Tallinn 1990, S. 55-91; s. auch den Handbucheintrag

[48] Von den evakuierten Beständen der Universität gelangten 23 Kisten nicht zurück, die im wesentlichen Teile der Sammlungen verschiedener Institute beinhalteten: des Kunstmuseums, des Mathematischen Kabinetts, des Physikalischen Instituts, der Sternwarte, des Geologischen Kabinetts, des Botanischen Instituts und des Zoologischen Kabinetts. Siehe hierzu Eesti Vabariigi Tartu Ülikool 1919-1929 [Die Universität Dorpat der Estnischen Republik 1919 bis 1929]. Tartu 1929, S. 194, 214, 217, 218, 230, 235, 238, 307 (Acta et Commentationes Universitatis Tartuensis/Dorpatensis C10)

[49] Den Grundstock für die Bibliothek des Staatlichen Zentralarchivs bildete die 7500 Bände umfassende Sammlung der Estländischen Ritterschaft (1745-1920). Siehe auch die Handbucheinträge Tartu, Bibliothek des Estnischen Historischen Archivs und Tallinn, Estnische Akademische Bibliothek

[50] Piret Lotman: Parlamendiraamatukogust rahvusraamatukoguks Von der Parlamentsbibliothek zur Nationalbibliothek]. Bd 1: Eesti Vabariigi Riigiraamatukogu 1918-1940 [Die Staatsbibliothek der Estnischen Republik 1918 bis 1940]. Tallinn 1988, S. 14-16; s. auch den Handbucheintrag Tallinn, Estnische Nationalbibliothek

[51] Zweifellos waren auch Firmenbibliotheken vorhanden, doch sind sie weder erhalten noch wurden sie erforscht.

[52] Friedrich Puksov: Eesti bibliofiilia ja bibliofiilid [Die estnische Bibliophilie und die Bibliophilen]. In: ders.: Raamat ja tema sõbrad [Das Buch und seine Freunde]. Tallinn 1934; repr. Tallinn 1973, S. 230-251

[53] Julius Genss: Tükeldatud eraraamatukogud Eestis Geteilte Privatbibliotheken in Estland]. In: Raamatukogu 2 (1929) S. 100-105. Nach Angaben von Genss wurde die 15.000 Bände zählende Sammlung des Besitzers von Gut Kurista, Johann Ludwig Samson von Himmelstierna, in Leipzig auf einer Auktion des Hauses Brockhaus versteigert. Die Druckkataloge ,,Versteigerung einer baltischen Schloßbibliothek durch F. A. Brockhaus, Leipzig 1923`` und aus dem Jahre 1924 verzeichnen auch Rara aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, Elzevier-Drucke, Enzyklopädien und andere wertvolle Materialien. Siehe auch den Handbucheintrag Tartu, Universitätsbibliothek

[54] Der größere Teil der 3000 Bände zählenden Sammlung des Inspektors der Kreisschule von Wesenberg, Heinrich Johann Winkler (1798-1864), die Alexander Winkler auf Gut Ulvi [Oehrten] aufbewahrte, gelangte in die Staatsbibliothek (Nationalbibliothek), der übrige Teil in die Universitätsbibliothek in Dorpat. Von der umfangreichen Bibliothek (3000 Bände) des Grafen Friedrich von Berg aus Sagnitz wurde der größere Teil 1940 ins Staatliche Zentralarchiv nach Dorpat gebracht, ein Teil wurde auf dem Gut durch sowjetische Truppen vernichtet. Die Bibliothek von Baron Siegfried Kruedener auf Gut Puiatu [Pujat] wurde teilweise verschenkt oder dem Antiquariat in Viljandi Fellin] verkauft, der Rest verschwand auf unbekannte Art. Siehe Kaja Noodla: Kirjavara Umsiedlung'i keerises [Das Schrifttum in den Wirren der Umsiedlung]. In: Eesti Raamatukoguhoidjate Ühingu aastaraamat 1989 [Jahrbuch des Vereins Estnischer Bibliothekare 1989]. Tallinn 1990, S. 76-97; Eesti Raamatukoguhoidjate Ühingu aastaraamat 1990. Tallinn 1993, S. 20-28; Hellmuth Weiss: Zur Umsiedlung der Deutschen aus Estland 1939-1941. Erinnerungsbericht. In: Zeitschrift für Ostforschung 39 (1990) S. 481-502. Die Bücher des Handwerksvereins Fellin wurden auf einer Auktion verkauft. Der überwiegende Teil dieser Sammlung (2218 Bände) gelangte in die Nationalbibliothek in Reval. Die Bibliothek der Narwaschen Altertumsgesellschaft wurde 1943 nach Reval evakuiert. Teile dieser Sammlung befinden sich heute in der Estnischen Akademischen Bibliothek und in der Nationalbibliothek. Siehe Anne Ainz: Eesti Rahvusraamatukogu varukogu raamatute provenientsist [Über die Provenienz der Bücher des Reservebestandes der Estnischen Nationalbibliothek]. In: Acta Bibliothecae Nationalis Estoniae 2 (1991) S. 139

[55] Die Mitteilung des Rektors der Universität Dorpat vom 23. Februar 1970 über die Rettung der Bibliothek der Livländischen Ökonomischen Sozietät entspricht nicht den Tatsachen; vgl. Hans Dieter von Engelhardt, Hubertus Neuschäffer: Die Livländische Gemeinnützige und Ökonomische Sozietät (1792-1939). Köln und Wien 1983, S. 163 und Anm. 41, sowie Hellmuth Weiss: Zur Umsiedlung ..., S. 493. Der Archivmitarbeiter Voldemar Miller hat persönlich den Brand der Bibliothek gesehen. Siehe Voldemar Miller: 1944. aasta ühe Eesti inimese elus [Das Jahr 1944 im Leben eines estnischen Menschen]. In: Looming [Die Schöpfung] 12 (1994) S. 1645

[56] Hierzu zählten die Bibliotheken von 8 Lehrkräften der Philosophischen Fakultät, darunter die der Professoren Gustav Suits (1889-1956; ca. 10.000 Titel), Peeter Tarvel (1888-1953; 5000 Titel) und Hendrik Sepp (1888-1943). Von den verbrannten Bibliotheken der Lehrkräfte der Medizinischen Fakultät war die größte die des Professors Albert Valdes (1884-1971; 4500 Bände). Der Theologieprofessor Olaf Sild (1879-1944) hatte in seiner vernichteten Bibliothek 4000 Bände gesammelt. Siehe Jaan Roos: Ülikooli õppejõudude kultuurivarad sõjatules [Die Kulturschätze der Lehrkräfte der Universität im Kriegsfeuer]. In: Akadeemia Die Akademie] 2-3 (1989) S. 280-292, 517-530

[57] Die Gesellschaft war bereits 1939 liquidiert und ihre Sammlung dem Museum von Pernau übergeben worden. Siehe Aster Muinaste: Pärnu Rajoonidevaheline koduloomuuseum [Das Heimatkundemuseum von Pernau]. In: Irene Rosenberg (Hrsg.): Eesti NSV Muuseumid [Die Museen der Estnischen SSR]. Tallinn 1961, S. 328-329. Die Bewegung der Bibliotheksbestände in den Jahren 1941 bis 1944 ist noch weitgehend unerforscht. Es ist nicht bekannt, wieviele Sammlungen verbrannten. Eine große Zahl herrenlos gebliebener Sammlungen wurde vernichtet oder abtransportiert. Die Universitätsbibliothek Dorpat sammelte im Herbst 1944 und 1945 Bibliotheken und Archive von 49 Lehrkräften (334 Kisten), die Estland verlassen hatten oder verhaftet und deportiert worden waren. Siehe Kaja Noodla: Tsensuur Tartu Ülikooli Raamatukogus aastail 1944-1954 [Zensur in den Bibliotheken der Universität Dorpat in den Jahren 1944 bis 1954]. In: Acta Bibliothecae Nationalis Estoniae 2 (1991) S. 53-55

[58] Von 1962 bis 1990 war die Staatliche Bücherkammer der Estnischen SSR [Eesti NSV Riiklik Raamatupalat] eine selbständige Institution, seit 1990 gehört sie wieder zur Nationalbibliothek.

[59] Die mehr als 25.000 Bände umfassende Bibliothek der Gelehrten Estnischen Gesellschaft wurde 1950 bei der Liquidierung der Gesellschaft zwischen der Archivbibliothek des Literaturmuseums (ältere estnischsprachige Literatur und Estica) und der Zentralbibliothek der Akademie der Wissenschaften (ausländische Periodika und nicht bearbeitete ausländische Bücher) geteilt. Der der Bibliothek der Akademie der Wissenschaften übergebene Teil wurde der 1988 wiedergegründeten Gesellschaft 1990 zurückgegeben.

[60] Kurzinformationen über estnische Bibliotheken findet man in Tiit Valner (Hrsg.): Eesti NSV teaduslikud ja eriraamatukogud. Teatmik [Wissenschaftliche und Fachbibliotheken der Estnischen SSR. Bibliotheksführer]. Tallinn 1981

[61] Eero Medijainen: Esimene nõukogude võimu aasta Eesti raamatukogudes [Das erste Jahr der Sowjetmacht in Bibliotheken Estlands]. In: Acta Bibliothecae Nationalis Estoniae 2 (1991) S. 23-51; Piret Lotman: Raamatukogu roll sõjajärgses Nõukogude Eestis [Die Rolle der Bibliothek in Sowjet-Estland in der Nachkriegszeit]. In: Acta Bibliothecae Nationalis Estoniae 2 (1991) S. 87-123; Kaja Noodla: Tsensuur ..., S. 52-86; Kaja Noodla: Tsensuur Eesti raamatukogudes aastatel 1940-1954 [Die Zensur der estnischen Bibliotheken in den Jahren 1940 bis 1954]. In: Tulimuld [Asche des verbrannten Landes] 1-2 (Lund 1993) S. 74-79, 226-233

[62] Kersti Kikkas: Tallinna Pedagoogikaülikooli raamatukogu - 75 [75 Jahre Bibliothek der Pädagogischen Universität Tallinn]. In: Raamatukogu 5 (1944) S. 6


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.