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Bibliothek im Pfarramt der Evangelisch-Lutherischen Kirchgemeinde

Adresse. Johann Sebastian Bach-Straße 9, 99326 Stadtilm [Karte]
Telefon. (03629) 80 24 20

Unterhaltsträger. Evangelisch-Lutherische Kirchgemeinde
Funktion. Historische Kirchenbibliothek. Sammelgebiet. Theologie (16. Jh).

Benutzungsmöglichkeiten. Präsenzbibliothek. Benutzung nach Vereinbarung. Leihverkehr: nicht angeschlossen.
Hinweise für anreisende Benutzer. Schriftliche Anmeldung erwünscht. Bahnverbindung von Erfurt und Saalfeld, Busverbindung von Arnstadt und Ilmenau. A 4 (E 40), Ausfahrt Weimar nach Bad Berka, B 87 nach Stadtilm. Parkplatz vor der Kirche.

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Im Jahre 1275 wurde das bis dahin in Saalfeld ansässige Zisterzienser-Nonnen-Kloster nach Stadtilm verlegt. Der im Ilmtal an den nordöstlichen Ausläufern des Thüringer Waldes gelegene und 1268 erstmals urkundlich erwähnte schwarzburgische Ort gewann dadurch an Bedeutung. Von der Klosterbibliothek wird berichtet, daß bei dem Brand von 1492 eine Anzahl Bücher verlorenging. Die heute im Bestand der Kirchenbibliothek befindlichen Inkunabel-Bände stammen sehr wahrscheinlich noch aus der Klosterzeit. Aufgrund ihres schlechten Erhaltungszustandes sind weder bibliographische Angaben noch Hinweise auf Provenienzen zu gewinnen. Das Kloster löste sich nach 1525 auf, die Klosterkirche wurde abgetragen und die Steine zum Schloßbau verwendet.

1.2 Die Kirchenbibliothek befindet sich in der Pfarrkirche Sankt Marien (Baubeginn um 1130), deren doppeltürmige Westfassade weithin sichtbar ist. 1533 wurde in Stadtilm die Reformation eingeführt, ein Vierteljahrhundert später begannen die Erwerbungen für die Kirchenbibliothek, die zugleich die Reste der Klosterbibliothek bewahrte. Der Rudolstädter Bibliothekar und Archivar Ludwig Friedrich Hesse vermutete ( s. u. 4), daß sie " noch zur Zeit der Reformation nicht unbedeutend gewesen sei". Die beiden von ihm beschriebenen Handschriften ( s. u. 4) waren nicht am Standort.

1.3 Die Kirchenbibliothek entstand durch Stiftungen Stadtilmer Pfarrer und Bürger, als Namen begegnen u. a. im 16. Jh Valentin Ackerlin (Agellus), Johann Sultzner und Andreas Sultzner, im 17. Jh Johann Ki(e)sewetter und der Pfarrer Friedrich Cellarius (1613-1671), der sich besonders der Sammlung annahm. Aus dem Legat des Holtzhey'schen Testamentes wurden nach 1700 mehrere Bücher angeschafft. Bei dem Stadtbrand von 1780 erlitt auch die Bibliothek Schaden, einige Bände weisen Brandspuren auf. Hesse wies 1855 und 1856 erstmals auf die Bestände der Stadtilmer Bibliothek hin. Petzholdt (Adressbuch, Dresden 1875, S. 379) erwähnt einen " mässigen Bücherbestand, darunter auch einige Mss." Schwenke (Adressbuch, Leipzig 1893, Nr. 1406) führt eine bei Anwesenheit des Pfarrers stets zugängliche Kirchenbibliothek im Pfarrhaus mit ca. 120 Bdn an, darunter 2 Handschriften des 15. Jhs und eine Inkunabel, " im übrigen Drucke des 16. u. 17. Jhs. (aus der ersten Hälfte des 16. Jhs., wie es scheint, nichts von Bedeutung)".

1.4 Die Bibliothek wurde seit Mitte des 19. Jhs nicht mehr ergänzt, sie besteht als geschlossene Sammlung und wird in zwei Bücherschränken verwahrt. Zum Grundbestand gehören die Werke Luthers, Ausgaben der Concordia (Dresden 1581) und Apologia (Dresden 1584), später kamen Schriften von Veit Ludwig von Seckendorff, Benedict Carpzov und Gottfried Arnold hinzu.

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

Chronologische Übersicht und Übersicht nach Sprachen

2.1 Die Bibliothek umfaßt, wie eine erste Auszählung in den Regalen ergab, 312 Titel, von denen 170 (54,5 Prozent) aus dem 16. Jh, 71 (22,8 Prozent) aus dem 17. Jh, 65 (20,8 Prozent) aus dem 18. Jh und 6 aus dem 19. Jh stammen. Hinzu kommen 12 Inkunabeln. In deutscher Sprache liegen 201 Titel (64,4 Prozent) vor (16. Jh 97, 17. Jh 44, 18. Jh 54, 19. Jh 6) und in Latein 110 (35,3 Prozent; 16. Jh 72, 17. Jh 27, 18. Jh 11). Ein Werk ist in hebräischer Sprache verfaßt. Die 12 Inkunabeln sind in lateinischer Sprache.

Systematische Übersicht

2.2 Aus der Klosterbibliothek stammen außer den noch näher zu bestimmenden Inkunabeln sehr wahrscheinlich auch die Bände Decretum Gratiani (Lyon 1506), De rudimentis Hebraicis libri tres (Pforzheim 1506) von Johannes Reuchlin, Decretalium Gregorii (Lyon 1504) und ein Missale Maguntinum (Mainz 1513).

2.3 Die Gruppe Bibeln, Bibelkommentare und Gesangbücher (42 Bde, 13,5 Prozent; 16. Jh 18, 17. Jh 9, 18. Jh 10, 19. Jh 5) enthält u. a. Christian Keimanns mit Noten versehene Mnemosyne sacra = Kleine Gedechtnüß-Bibel (Görlitz 1646), eine Biblia Hebraica (Frankfurt a. M. 1677) und als einen der letzten Zugänge die 1839 gestiftete Kirchen- und Pastoral-Bibel (Hildburghausen und New York 1831) sowie Conrad Agricolas Concordantiae bibliorum ... (Frankfurt a. M. [1610-1612]), die 1621 von Barthol Hermstedt und seiner Ehefrau gestiftet wurde. Vorhanden sind Eyn kurtz außlegung uber das 20. Capitel Exodi der zehen gebott (Wittenberg 1525) von Melanchthon, In exodum Mosi commentarius (Halle 1539) von Johann Brentz, Veit Dietrichs Summaria uber das newe Testament (Wittenberg 1544), die Explicatio Apocalypsis Iohannis (Wittenberg 1563) und In genesin enarratio (Wittenberg 1558) von David Chytraeus, das Psalterium Davidis iuxta translationem veterem (Leipzig 1573) von Johann Stigel und die Summarien oder gründliche Auslegung über die gantze Heil. Schrifft (Rudolstadt 1721), die 1735 für die Stadtilmer Kirche erworben wurden. Rudolstädter Gesangbücher sind in Ausgaben von 1734, 1778, 1816, 1844 und 1885 im Bestand.

2.4 Theologische Schriften zählen 159 Bde (51 Prozent; 16. Jh 116, 17. Jh 19, 18. Jh 24). Zu erwähnen sind Caspar Schwenckfelds Catechismus von ettlichen Hauptartickeln des Christlichen glaubens (Augsburg 1531) und Vom Christenlichen Streyt und Ritterschafft Gottes (Augsburg 1533), der Catechismus pia et utili explicatione illustratus (Frankfurt a. M. 1551) von Johann Brentz und das Wächterhörnlein ([Heidelberg] 1583) von Christoph Irenäus sowie Tilemann Heshusius' Trewe Warnung Für den Heidelbergischen Calvinischen Katechismum (Erfurt 1585).

2.5 Ein Sammelband aus dem Besitz von Valentin Ackerlin (1555) enthält De origine et autoritate verbi Dei (Frankfurt/Oder 1554) von Georg Maior und weitere 6 Schriften von Melanchthon, Johann Gigantis [d. i. Johannes Heune d. Ä.] und Gerhard Matthisius. Einige Schriften befassen sich mit den Flacianischen Streitigkeiten, wie z. B. die Disputatio de originali peccato et libero arbitrio, inter Mathiam Flacium Illyricum & Victorinum Strigelium ...

Anno 1560 ... habita ([Basel] 1562), hrsg. von Simon Musaeus, vorhanden sind auch Flacius' Omnes libelli ([Frankfurt a. M.] 1567).

2.6 Luther ist mit verschiedenen Werkausgaben vertreten: Die Wittenberger Ausgabe (1539-1568) übergab 1623 Georg Heselbach der Kirchenbibliothek, der Stadtilmer Bürger Johann Sultzner stiftete 1597 die Jenaer Ausgabe in deutscher (1557-1590) und in lateinischer Sprache (1579-1583), Bücher, Schriften und Predigten (Teil 1, Eisleben 1564) und Sämtliche Schriften (Halle 1740-1750), hrsg. von Johann Georg Walch. Von den zahlreichen zeitgenössischen Flugschriften sind zu nennen Dem armen heufflin Christi tzu Wittembergk ([Wittenberg] 1521), Von anbeten des Sacraments (Wittenberg 1523) und Ein Sermon auff Matthei XXII. Vom zinsgrosschen (Wittenberg 1535).

2.7 Unter den Predigten und Erbauungsschriften (38 Bde, 12,2 Prozent; 16. Jh 8, 17. Jh 25, 18. Jh 5) finden sich Johann Pfeffingers Trostbüchlein aus Gottes Wort (Leipzig 1559), Das Buch der Weisheit Salomons in verschiedenen Predigten erklärt (Ulm 1641-1657) von Conrad Dieterich, Samuel Langes Christ-selige Sterbens-Kunst (Leipzig 1669), die Catechismuß-Hand (Ulm 1672-1688) von Bonifacius Stöltzlin, Valerius Herbergers Hertz-Postilla (Leipzig 1682) und Johann Heinrich Weyhenmayers Evangelische Pfarr- und Kirchen-Postill (Frankfurt und Leipzig 1696).

2.8 Geschichte, Kirchengeschichte, Biographien zäh- len 52 Bde (16,7 Prozent; 16. Jh 19, 17. Jh 12, 18. Jh 21), darunter die Ecclesiastica historia (Basel 1559-1569) des Matthias Flacius, 1668 angeschafft durch Friedrich Cellarius, Veit Ludwig von Seckendorffs Commentarius historicus et apologeticus de Lutheranismo (Frankfurt und Leipzig 1692), der die Prägung " Z[ur] K[irchen] B[ibliothek] STADTILM" trägt, und Die Alten Jüdischen Heiligthümer (Hamburg 1701) von Johann Lund.

2.9 Die Gruppe Sonstiges enthält 21 Bde (6,6 Prozent; 16. Jh 9, 17. Jh 6, 18. Jh 5, 19. Jh einer). Anzuführen sind Eyn büchleyn, wie man die kinder lerenn schal (Magdeburg 1525), Ortholph Macolds Nu volget das Leibliche Regiment, Wider die gifftige unnd schedliche Seuche der Pestilentz (Sclkalden 1566), die Grammatica Ebraica (Wittenberg 1570) von Johann Avenarius (eigentlich Johann Habermann), Agenda Schwarzburgica (Rudolstadt 1675), Johann Hübners Reales Staats-, Zeitungs- und Conversations-Lexicon (Leipzig 1732) und das Rudolstädtische Wochenblatt (Jg. 5-6, 1773-1774 und Jg. 9-10, 1777-1778).

3. KATALOGE

Katalog der Kirchenbibliothek. Alter und Neuer Bücherschrank [Bestandsliste; 182 Nummern]

4. DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

Hesse, Ludwig Friedrich: Über das Speculum humanae salvationis. In: Serapeum 16 (1855) S. 193-203

Hesse, Ludwig Friedrich: Über eine Handschrift der Kirchenbibliothek zu Stadtilm. In: Serapeum 17 (1856) S. 305-310

Stand: Oktober 1998

Felicitas Marwinski


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.