FABIAN HANDBUCH: HANDBUCH DER HISTORISCHEN BUCHBESTÄNDE IN DEUTSCHLAND, ÖSTERREICH UND EUROPA SUB Logo
 
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Bibliothek der Evangelischen Kirchengemeinde

Adresse. Putbuser Str. 23, 18528 Zirkow [Karte]
Telefon. (038393) 2080

Unterhaltsträger. Evangelische Kirchengemeinde Lancken-Granitz
Funktion. Ruhende Traditionsbibliothek.

Benutzungsmöglichkeiten. Präsenzbibliothek. Benutzung nach Vereinbarung. Leihverkehr: nicht angeschlossen.
Technische Einrichtungen für den Benutzer. Kopiergerät.
Hinweise für anreisende Benutzer. Telefonische Anmeldung erforderlich. Bahnverbindung bis Bergen auf Rügen, Busverbindung Richtung Klein-Zicker. - Ab Stralsund B 96 (E 251) nach Bergen, B 196 nach Zirkow. Parkmöglichkeit vorhanden.

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Die Anfänge der Lanckener Kirchenbibliothek liegen im dunkeln. Ein kleiner Bestand muß seit der Reformationszeit vorhanden gewesen sein, vor allem Bücher für den gottesdienstlichen und pfarramtlichen Gebrauch. Etwa 15 Bücher stammen aus der Zeit zwischen der Reformation und dem Beginn des 17. Jhs. Um 1660 waren infolge des Dreißigjährigen Krieges die Pfarrer Rügens weithin verarmt, so daß für die Beschaffung neuer Bücher kaum Mittel vorhanden gewesen sein dürften. Eigentums- und Anschaffungsvermerke auf der Innenseite einiger Buchdeckel lassen erkennen, daß vom Ende des 17. Jhs bis zum 19. Jh Bücher für die Kirchenbibliothek erworben wurden: hauptsächlich liturgische Werke und Agenden, Gesangbuchausgaben und Liedersammlungen sowie Predigtliteratur und Bibelauslegungen. Den Randbemerkungen und Unterstreichungen nach zu urteilen, waren sie für den Gebrauch im Gottesdienst bestimmt.

1.2 Andere Werke wurden zur Ausübung der Verwaltung in der schwedischen Zeit Pommerns und zur Durchführung der Schulaufsicht angekauft oder zugewiesen. Im 18. und 19. Jh nahm das Interesse an dogmatischer und philosophischer Literatur zu. Mit beachtlicher Systematik wurden Arbeitsbücher für die christliche Unterweisung und den Katechismusunterricht (Konfirmation) angeschafft. Exponierte Katechismen, Lehrbücher für den Religionsunterricht sowie praktische Arbeiten zur Moraltheologie, zur Seelsorge und Pastoraltheologie wurden offensichtlich nicht zufällig zusammengetragen. Aus Randbemerkungen, Unterstreichungen und Zusätzen, vor allem in der katechetischen Literatur, ist zu schließen, daß die Pastoren mit diesen Büchern gearbeitet haben.

1.3 Ein großer Teil des Bestandes der Kirchenbibliothek stammt aus Privatbibliotheken von Pfarrern der Gemeinde im 19. Jh. Von Karl Friedrich Heinrich Dumrath (*1831), der in Lancken von 1881 bis 1900 amtierte, liegen 300 Bde mit Eigentumsvermerken aus der Zeit von 1801 bis 1864 vor. Vermutlich handelt es sich vor allem um Bücher, die seine Vorfahren erworben hatten, so der Pfarrer Carl Dumrath, der 1830 im nahen Vilmnitz amtierte und seit 1836 Superintendent in Barth war. Die Sammlung Dumrath setzt sich vornehmlich aus drei Gebieten zusammen: (1) Textausgaben griechischer und römischer Klassiker, Originaltexte und deutsche Übersetzungen, beginnend mit einer Plutarch-Ausgabe von 1544, die 1819 von Dumrath erworben wurde, und einer Plinius-Ausgabe von 1663, die Dumrath 1815/16 ankaufte; dazu Lexika, Grammatiken und altphilologisches Schrifttum; (2) englisches und französisches Schrifttum, darunter eine englische Ausgabe des Alten Testaments von 1779, Werke Voltaires (1748), Jacques Saurins Sermons (1749); Miltons Poems (1731); Boileaus Oeuvres (1776 ff.), Werke von Edward Bulwer Lytton, Shaftesbury, Pierre Bayle und Montaigne sowie eine Gruppe von mehr als 220 Bdn Belletristik, Poesie, Kunstgeschichte, populärwissenschaftliche Naturkunde, Geographie sowie Reiseberichte und vor allem zahlreiche Biographien; sie dürften auf das Interesse von Dumrath zurückgehen, auch wenn entsprechende Vermerke fehlen; (3) theologische Werke vom Ende des 18. Jhs bis in die sechziger Jahre des 19. Jhs, beginnend mit Karl Friedrich Bahrdt und Christian Scriver und den Standardwerken von Wilhelm Martin de Wette, August Neander, Fritz Volkmar Reinhard, Julius August Wegscheider und Karl Gottlieb Bretschneider. Diese Abteilung wurde einem Bestand älterer Bücher angefügt, der den Durchbruch der historisch-kritischen Methode in der Theologie dokumentiert und offensichtlich schon vorher unter diesem Gesichtspunkt in Lancken gesammelt worden war.

1.4 Kleinere Bestände und Gruppen von Büchern sind aus Privathand in die Kirchenbibliothek gelangt. Als frühere Eigentümer erscheinen in Exlibris Mevius, Dohrn, Paray und Johann Hermann F. Fiebelkorn. Über Dohrn und Mevius mit seiner Sammlung pietistischer Bücher und Schriften mit dem letzten Eigentumsvermerk 1824 ist nichts bekannt. Bücher von Fiebelkorn tragen den Eintrag Stettin 1830. Aber erst 1900 bis 1909 ist ein Träger dieses Namens, Johann (Hans) Hermann Ferdinand Fiebelkorn (*1864), Pfarrer in Lancken. Sebastian Castellios Bibelwerk (s. u. 2.4) gelangte aus seinem Privatbesitz 1900 in die Lanckener Bibliothek. Paray wird in einer Eintragung 1857 als Prediger in Stettin bezeichnet. Sein Nachfahre, Friedrich Wilhelm Paul Paray (*1878), war von 1909 bis 1913 Pfarrer in Lancken und dann Direktor des Fürsorgeheims in Ratingen; er brachte Biographien in die Kirchenbibliothek ein.

1.5 Eine evangelische Volksbücherei, der Leseverein im Kirchspiel Lancken, hat um die Mitte des 19. Jhs bestanden und ist zumindest mit einem Teil der Bestände, volkstümliche und erbauliche Lesestoffe des 19. Jhs, in der Kirchenbibliothek Lancken aufgegangen. Auch ein Almanach und Jahrbücher mit bis zu 80 Jahrgängen verdanken wohl dem Leseverein ihre Anschaffung. Gebrauchsspuren weisen auf eine rege Benutzung hin.

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

Chronologische Übersicht und Übersicht nach Sprachen

2.1 Die Beschreibung beruht auf der Auszählung des Alphabetischen Katalogs. Die Bibliothek besitzt 996 Titel in 1354 Bdn und 11 handschriftliche Kollegnachschriften. Auf das 16. Jh entfallen 7 Titel, auf das 17. Jh 32, auf das 18. Jh 396 und auf das 19. Jh 824; 95 Titel stammen aus dem 20. Jh.

2.2 Es überwiegen 1038 deutsche Bde gegenüber 122 lateinischen. In französischer Sprache sind 46 Bde, in englischer 41, dazu kommen 95 Bde in Altgriechisch, 3 in Niederdeutsch, 5 in Hebräisch und je einer in Dänisch und Niederländisch. Auffallend gering ist mit 2 Titeln der schwedische Anteil.

Systematische Übersicht

2.3 Die Bücher sind ohne erkennbare Ordnung laufend numeriert, so wie sich die Reihenfolge durch Schenkungen und Erwerb ergab. Eintragungen deuten darauf hin, daß man im 18. Jh begonnen hatte, die Bände nach Größe und Format und im 19. Jh in einer gewissen systematischen Ordnung zusammenzustellen. Diese Versuche wurden aber nicht fortgeführt.

2.4 Bibelausgaben, einschließlich Teilausgaben, belaufen sich auf 57 Titel. Die älteste ist eine Biblia Hebraica von 1571. Das 17. Jh ist mit einer Ausgabe des griechischen Neuen Testaments (1609) und einer kommentierten Bibelausgabe (1694) vertreten; das 18. Jh durch 24 Ausgaben, darunter Teile einer Septuaginta-Ausgabe (Halle 1749-1769), eine französische Bibel (Hamburg und Leipzig 1727), eine englische Ausgabe des Alten Testaments (Cambridge 1779) und die Ausgabe von Sebastian Castellio, Biblia sacra (1701 und 1738). Neben 29 allgemein verbreiteten Bibelausgaben des 19. Jhs finden sich 8 aus dem frühen 20. Jh. 11 Konkordanzen und Lexika wurden angeschafft, darunter 3 im 18. Jh, ferner 21 Exegetica und 38 zur Textgeschichte und Palästinakunde. Randbemerkungen und Unterstreichungen zeigen, daß in Lancken offensichtlich Predigt und Verkündigung sorgfältig kritisch-exegetisch und historisch vorbereitet wurden (s. auch o. 1.2).

2.5 Zur Systematischen Theologie und Dogmatik sind 119 Bde vorhanden. Werke der Lutherischen Orthodoxie befinden sich kaum darunter. Von Luthers Schriften liegen nur die Kirchenpostille (1537) und die Hauspostille (1738) vor, von Melanchthon das Chronicon Carionis (1610), seine Loci (1821) und seine Orationes (1822) sowie De vita Martini Lutheri narratio (1813). Dogmatische Themen zum Credo und den Bekenntnisschriften sowie Monographien zur Reformation sind mit 22 Titeln vertreten. Reichhaltig sind Moraltheologie und Themen der Ethik mit 41 Titeln und Apologetik und Streitschriften mit 11 dokumentiert.

2.6 Nur 7 Schriften behandeln Innere und Äußere Mission. Eine Schrift gibt es zu Problemen des Judentums. Reges Interesse galt offenbar der allgemeinen Kirchengeschichte (84 Titel) und der regionalen, speziell der pommerschen Geschichte und Kirchengeschichte (51). Bemerkenswert ist Carl F. Fabricius' Einführung der Kirchenverbesserungen in Stralsund (1835), in das die Stralsunder Kirchen- und Schulordnung von 1525 eingebunden ist.

2.7 Praktische Theologie bildet mit 389 Titeln einen Schwerpunkt der Sammlung, wobei Predigtsammlungen, Postillen (149) und Andachtsbücher (82) an erster Stelle stehen. 62 Titel befassen sich mit Religionsunterricht und Schulwesen, 20 mit Seelsorge und Pastoraltheologie. An 32 Arbeiten zum Katechismus und Katechismusunterricht wird deutlich, daß die Pfarrer in der evangelischen Unterweisung (Konfirmandenunterricht) eine Hauptaufgabe sahen. Für den gottesdienstlichen Gebrauch sind neben 14 Agenden und liturgischen Werken auch 30 Gesangbuchausgaben vorhanden. Die Pommersche Agende von 1568 ist mit einer Pommerschen Kirchenordnung von 1569 zusammengebunden. Kirchenrecht und Staatsrecht sind mit 39 Bdn und einer Kirchenordnung vertreten.

2.8 Griechische und lateinische Klassiker gelangten in einer Auswahl (230 Bde) aus der Sammlung Dumrath in die Lanckener Bibliothek (s. auch o. 1.2). 25 Grammatiken und Lexika bilden für eine Landgemeinde ein stattliches sprachwissenschaftliches Rüstzeug. Geisteswissenschaften, Naturkunde und populärwissenschaftliches Schrifttum (191 Bde) sowie Biographien (65) gehörten offensichtlich zum Bestand des Lesevereins im Kirchspiel Lancken im 19. Jh, ebenso wie 13 Reihen von Jahrbüchern und Almanachen. Im einzelnen handelt es sich um 29 Bde Populärphilosophie und Naturkunde sowie 64 Bde Belletristik und Dichtungen, dazu kommen 47 Reiseberichte und geographische Werke (s. auch o. 1.2). Personalschriften sind mit 5 Leichenpredigten, 5 Gratulationswidmungen und einer Promotionsarbeit vertreten.

2.9 Außer den Jahrbüchern finden sich weitere 7 Zeitschriftenreihen mit bis zu 40 Heften homiletischen und pastoral-theologischen Inhalts aus dem 19. Jh, ferner 4 bibliographische Werke.

3. KATALOGE

Alphabetischer Katalog

[1992/93, erstellt von Erika Kehnscherper; nach PI]

Schlagwortkatalog

[auf der Basis des Alphabetischen Katalogs von E. Kehnscherper durch Beate Mackiewicz; in Vorbereitung]

Die Bestände sind im Kirchlichen Zentralkatalog nachgewiesen.

4. DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

Holtz, Gottfried: Ländliche Kirchenbibliotheken auf Rügen Wiek, Sagard, Lancken. In: Wissenschaftliche Zeitschrift der Universität Rostock, Gesellschafts- und Sprachwissenschaftliche Reihe 5 (1955/56) Heft 1, S. 95-107

Stand: Februar 1995

Erika Kehnscherper


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.