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Bibliothek im Archiv der Evangelischen Predigergemeinde

Adresse. Predigerstr. 4, 99084 Erfurt [Karte]
Telefon. (0361) 5 62 62 14

Unterhaltsträger. Evangelische Predigergemeinde
Funktion. Spezialbibliothek.
Sammelgebiete. Bibeln und theologisches Schrifttum.

Benutzungsmöglichkeiten. Präsenzbibliothek. Benutzung nach Vereinbarung. Leihverkehr: nicht angeschlossen.
Technische Einrichtungen für den Benutzer. Kopiergerät.
Hinweise für anreisende Benutzer. Schriftliche oder telefonische Anmeldung erwünscht. Ab Hauptbahnhof Straßenbahnverbindung (Linien 3, 4 und 5) Richtung Domplatz bis Haltestelle Fiscrkt. A 4 (E 40), Ausfahrt Erfurt-Ost oder -West.

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Die von etwa 1270 an erbaute Predigerkirche kurz vor 1230 hatten sich die Dominikaner in Erfurt niedergelassen - wurde, nach der Reformation als evangelische Pfarrkirche genutzt, 1559 zur Hauptkirche und Ratskirche bestimmt. Seit diesem Jahr fand in ihr bis 1802 der jährliche Ratskirchgang statt.

1.2 Allem Anschein nach entstand die Kirchenbibliothek in der zweiten Hälfte des 16. Jhs. Einige der Inkunabelbände könnten noch aus dem Predigerkloster stammen, wenn sich auch in den Bänden keine Hinweise finden ließen, die diese Vermutung bestätigen. Der früheste Provenienzvermerk ist aus dem Jahr 1564 überliefert. Er weist auf den aus Stadt Steinach stammenden Johannes Weber († 1595) hin, der " Notarius Publicus, Rechenmeister und Bürger Zu Erfurdt" war. Als " sehr tätiges Gemeindemitglied" wirkte er " besonders für die Übernahme der Klostergebäude, um in denselben die Gemeindeschule zu gründen". Wann seine Bücher in die Bibliothek gelangten, ließ sich nicht feststellen. Im 18. und 19. Jh wurde die Predigerkirche reich mit Legaten bedacht, die aber in keinem Fall die Bibliothek betrafen. Nur aus den Einträgen in den Büchern geht hervor, daß einzelne Gemeindemitglieder der Bibliothek Bibeln stifteten.

1.3 Von größtem Wert war eine bis auf wenige Blätter vollständige 42zeilige Gutenberg-Bibel (2 Bde, auf Papier gedruckt), über deren Herkunft nichts weiter bekannt war, als daß sie seit " undenklichen Zeiten" ihren Platz im Kirchenarchiv habe. 1838 suchte die Predigergemeinde zum ersten Mal beim Magistrat um die Genegung zur Veräußerung dieses " sehr alten und seltenen Bibelwerkes von Gutenberg" nach. Der Magistrat stimmte nicht ohne Vorbehalte dem Verkauf zum Preis von 50 Reichstalern zu, doch kam das Geschäft nicht zustande und die Bibel blieb an ihrem Standort.

1.4 Im Jahre 1870 " entdeckte" der Erfurter Stadtrat und Eisenbahndirektor Karl Herrmann (1797-1874) im Archiv der Predigerkirche die Gutenberg-Bibel (B 42). Der Gemeindekirchenrat beschloß, " dieselbe bestmöglichst zum Nutzen unsers Kirchen-Vermögens zu verkaufen" und beauftragte Herrmann, die Verkaufsverhandlungen in die Wege zu leiten. Zu diesem Zweck wurde dieser " kostbare Schatz" von Bruno Stübel in der Universitätsbibliothek Leipzig mit den beiden dortigen Exemplaren verglichen und im Serapeum detailliert beschrieben. Das geschah in der Absicht, sie " gut dotierten" Bibliotheken zum Kauf anzubieten. Doch war die Resonanz gering, weder die Erfurter noch die Berliner Königliche Bibliothek verfügten über entsprechende Mittel. Vergeblich versuchte der Magistrat, die B 42 für Erfurt zu erhalten. 1872 erwarb das Antiquariat Asher & Co. in Berlin das Exemplar für 1750 Taler und verkaufte es für 4000 Taler weiter. Es gelangte 1881 für 8000 Dollar nach New York, wo es 1891 einen Preis von 14.800 Dollar erzielte und in den Bestand der Pierpont Morgan Library einging, die schon ein Pergament-Exemplar besaß.

1.5 Die Predigerkirche kann auf eine lange Musiktradition zurückblicken. Dort war von 1636 bis 1673 Johann Bach (1604-1673), ein Großonkel von Johann Sebastian Bach, als Organist tätig sowie von 1678 bis 1690 Johann Pachelbel (1653-1706), der Lehrer von Johann Christoph Bach, dem älteren Bruder von Johann Sebastian Bach. Die in den Katalogen aufgeführten " musikalischen Bücher" dürften von ihnen benutzt worden sein.

1.6 Obwohl Karl Herrmann vor weiteren, die Stiftungsmotive der Geber mißachtenden Verkäufen gewarnt hatte, wurde der Bestand nocls reduziert. Einige der in dem Verzeichnis von 1872 aufgeführten Großfolio-Bände, darunter ein Magdeburger Missale von 1480 und ein Mainzer Missale von 1507 sowie die Notendrucke des 16. und 17. Jhs (" 15 Bände Musikalien und Missalien") wurden, einer handschriftlichen Notiz zufolge, 1878 für 220 Mark an das Antiquariat Cohn in Berlin verkauft.

1.7 Bibliothek und Archiv werden zur Zeit neu geordnet und bearbeitet. Erst wenn die abschließenden Ergebnisse vorliegen, können verbindliche Aussagen zum Bestand getroffen werden. Zur Zeit werden die Bücher als Depositum in der Stadt- und Regionalbibliothek Erfurt aufbewahrt.

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

Chronologische Übersicht und Übersicht nach Sprachen

2.1 Die Bibliothek zählt 206 Bde, davon gehören 201 Bde (98 Prozent) zum historischen Bestand. Vorhanden sind 19 Inkunabeln, aus dem 16. Jh stammen 25 Bde, aus dem 17. Jh 11 Bde, aus dem 18. Jh 18 Bde und aus dem 19. Jh 121 Bde (60,2 Prozent). Hinzu kommen 7 Handschriften-Bände. 145 Bde (72,1 Prozent) sind in deutscher Sprache, 56 Bde (27,9 Prozent) sind in Latein, darunter auch alle Inkunabeln.

Systematische Übersicht

2.2 Der Bestand umfaßt auch 3 Hss.: bei dem sogenannten " Erfurter Totenbuch" handelt es sich um eine reich verzierte Pergament-Handschrift aus dem Predigerkloster. Eine weitere Pergament-Handschrift mit Noten und Liedtexten, " um 1400 oder später" entstanden, trägt den Vermerk " Dieses buch ist aus der Kirchen Benedicti hier[her] gelegt Ao 1608". Eine dritte Hs. zeigt auf dem Einband einen Stempel mit einem kleinen " Lautenschläger", den u. a. der Erfurter Buchbinder Johannes Fogel zwischen 1456 und 1459 verwendet hat.

2.3 Als Druckorte der Inkunabeln kommen, soweit feststellbar, Nürnberg (5), Straßburg (2), Basel (2), Speyer und Freiburg (je einer) vor. Der früheste Druck stammt aus den siebziger Jahren, es ist die Pantheologia sive Summa universae theologiae des Rainerius de Pisis (Nürnberg: Sensenscdt 1473; H 13015). Bei Koberger in Nürnberg erschienen die Summa theologica (Pars 1-3, 1496; HC 1436) des Thomas von Aquin, ein Rationale divinorum (1481; GW 9132) von Guilielmus Durantis, die Vita Christi sive meditationes (1495; HC 10296) und ein Preceptorium divine legis (1496; HC 11796). Sebastian Brant gab den Liber sextus decretalium des Papstes Bonifatius VIII. heraus, das Werk erschien am 1. Dezember 1500 in Basel bei Amerbach & Froben (GW 4905). Die Rethorica Divina des Guilielmus III. Arvernus druckte um 1493 Kilian Fischer in Freiburg im Breisgau (HC 8303), und das Mariale eximii des Bernardinus de Bustis ist ein Werk des Straßburger Druckers Martin Flach aus dem Jahre 1496 (GW 5805).

2.4 Einige Inkunabeln weisen starke Gebrauchsspuren auf, die Texte selbst sind nicht mehr vollständig. Die Einbände deuten auf Erfurter Buchbinderwerkstätten hin; dies erhärtet die Vermutung, daß sie sich in Erfurter Klöstern befunden haben. Provenienzen ließen sich jedoch nicht feststellen. Eine lateinische Bibel (Basel: Nicolaus Keßler 1491; GW 4268) trägt auf dem Innendeckel den undatierten Vermerk, daß " Zacharias Walz der Kirchen diß Buch verehrt" hat. Die Einbandprägung gibt das Schenkungsjahr an: Z W E 1589.

2.5 Bei den Werken aus dem 16. Jh zeichnen sich zwei Gruppen ab: die auf den Stifter Johannes Weber zurückgehenden Bände (s. o. 1.2) und die mit den Autoren Gabriel Biel und Pelbart von Temesvár verknüpften Drucke. Die Kirchenhistoria (Jena 1560) hatte der Rechenmeister Johannes Weber 1564 geschenkt bekommen. Im gleichen Jahr erschien in Jena die Hauspostill, in die er sich 1573 eintrug. Ein Einblattdruck von 1580 ist auf dem Innendeckel eingeklebt. Die Chronica Carionis gantz new Latine geschrieben von dem Ehrwirdigen Herrn Philippo Melanchthone. Verdeudscht durch M. Eusebium Menium (Wittenberg 1562) erwarb Weber 1568. Die Apocalypsis (Ursel 1573) von Gregor Nigrinus weist den Besitzer wieder auf dem Einband aus (I W 1577). Anno 1583 erwarb Weber, inzwischen auch " Notarius Publicus", die Concordia (Dresden 1581).

2.6 Der Prediger Gabriel Biel (vor 1410-1495), der 1457 an der Erfurter Universität den Titel " licentiatus theologiae" erwarb, ist mit den in Tübingen von Johann Otmar für Friedrich Meynberger gedruckten Schriften Sentenzen (1501), Inventarium generale (o. J.) und Collectorium circa IV libros sententiarum (1501 ?) vertreten. In Hagenau bei Henric Gran wurden die Predigtsammlungen Sermones de festivitatibus virginis Mariae (1502), Sermones de festivitatibus Christi (1515), Sermones dominicales de Tempore (1515) und Passionis d[omi]nicae Sermo historialis notabilis (1515) gedruckt. Von Pelbart von Temesvár († 1504) sind die Sermones Pomerii de Sanctis Hyemales et Estivales (Hagenau: Henric Gran 1502), die Sermones quadragesimales (Hagenau: Henric Gran 1502) und das mit einem Titelholzschnitt versehene Pomerium de tempore (Augsburg: Schönsperger 1502) vorhanden.

2.7 Ein Sammelband mit dem Aufdruck " zum Predigern in die Kirche Anno Domini 1591" enthält eine Kirchenordnung: Wie es mit Christlicher Lere ...

Im Hertzogthumb zu Meckelnburg etc. gehalten wird (Wittenberg: Hans Lufft 1554), eine Agenda ... Für die Diener der Kirchen in Hertzog Heinrichen zu Sachssen V.G.H. Fürstenthumb gestellet (Jena: Donat Richtzenhan 1584) und ein Manuale. Aus der KirchenAgenda ... (Eisleben: Urban Gaubisch 1563). Dieser Band belegt, daß die Kirchenbibliothek zu Ende des 16. Jhs eine Gebrauchsbibliothek war. Eine Kirchen-Agenda (Leipzig 1681) übergab Frau Anna Berseba Domrich, die Witwe des Schulrektors, am 25. Dezember 1689 der Predigerkirche.

2.8 Mehrere der insgesamt 21 Bibeln wurden von Gemeindemitgliedern geschenkt, so eine Endter-Bibel von 1662 (" Weymarische Bibel") von Balthasar Westermanns Erben, eine weitere Endter-Bibel (Titelblatt fehlt) 1739 von Frau Marien Silberin, eine Bibel (Leipzig 1722) von Johann Christian Pickert und eine Quart-Bibel (Leipzig 1842) von Sophia Werner. Als letzter Stifter wird Carl Traut mit der Lüneburger Stern-Bibel von 1650 und einer Zwickauer Bibel von 1737 erwähnt. Die Bibliothek wurde auch im 19. Jh noch ergänzt. Hinzu kamen z. B. das Handbuch für Geistliche und Schullehrer (Berlin 1822) und die Kirchen-Agende für die Hof- und Domkirche in Berlin (Berlin 1822) mit Widmung von König Friedrich Wilhelm III. von Preußen für die Predigerkirche.

2.9 Außerdem besitzt die Bibliothek die Reste einer ehemals größeren Notensammlung. Nach dem Verkauf der Drucke des 16. und 17. Jhs, u. a. von Orlando di Lasso (1568), Johann Hermann Schein (1618) und Samuel Scheidt (1622), sind aus dem 16. Jh nur noch die Gesänge von Jacob Handl (Prag 1590) vorhanden. Im Bestand ist auch die Psalmodia sacra, Oder: Andächtige und schöne Gesänge ...

In dem Fürstenthume Gotha und Altenburg ... zu singen und zu spielen (Gotha 1715), mit einer Vorrede von Albrecht Christian Ludwig. Einige Notendrucke sind von dem Organisten Michael Gotthardt Fischer (1773-1829) überliefert. Die Zwölf Orgelstücke (4. Werk, 1. Teil; Erfurt 1802) widmete er seinem Lehrer Johann Christian Kittel (1732-1809). Dieser seinerzeit hochgeschätzte Komponist und Musiktheoretiker hatte von 1748 bis 1750 bei Bach studiert und war zuletzt Organist an der Predigerkirche. Von ihm stammen die Vierstimmigen Choräle mit Vorspielen (Altona 1803). In diese Traditionslinie ist auch das Exemplar der von der Bach-Gesellschaft edierten ersten Gesamtausgabe der Bachschen Werke einzuordnen (Leipzig 1851-1900). Von 1820 bis 1856 war Ludwig Ernst Gebhardi (1787-1862), Schüler Fischers, Rombergs und Hummels, Organist an der Predigerkirche. Er besaß selbst eine große Musikaliensammlung. Von ihm sind die Theoretisch-praktische Orgelschule (Erfurt und Leipzig 1837) und das Vierstimmige Taschen-Choralbuch (Erfurt 1846) zu nennen.

3. KATALOGE

Catalogus Bibliothecae Ecclesiae Praedicatorum

[Liste, nach Formaten getrennt, 63 Positionen, um 1692]

Verzeichnüs derer Musicalischen Bücher ...

[Liste, 36 Positionen, 7. Oktober 1692/16. Juni 1694]

Verzeichniß der im Archiv der Prediger-Kirche aufgestellten Bücher

[Liste, nach Formaten getrennt, 55 Positionen, um 1872]

Standortverzeichnis

[Liste als Grundlage für die Neubearbeitung des Bestandes, Juli 1995]

4. DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

4.1 Archivalien

Archiv der Predigergemeinde: FundBuch. 1693

Codex piarum donationum. 1697 33c: Verkauf der Gutenbergbibel. Nebst Verzeichnis alter Bücher

4.2 Darstellungen

Stübel, Bruno: Über ein neu aufgefundenes Exemplar der 42zeiligen Gutenberg-Fustischen Bibel [im Archiv der Predigerkirche zu Erfurt]. In: Serapeum 31 (1870) S. 230-234, 241-248

Lexikon des gesamten Buchwesens. Bd 1. Leipzig 1935 [S. 184 über den Weg der Gutenberg-Bibel]

Stand: Juli 1995

Felicitas Marwinski


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.