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Bibliothek des Friedrich-List-Gymnasiums

Adresse. Kanzleiplatz 28, 72764 Reutlingen [Karte]
Telefon. (07121) 3 69 52

Unterhaltsträger. Stadt Reutlingen
Funktion. Lehrerbibliothek.
Sammelgebiete. Der Altbestand wird nicht vermehrt.

Benutzungsmöglichkeiten. Präsenzbibliothek. Benutzung für Nicht-Schulangehörige nur nach vorheriger Anmeldung. - Leihverkehr: nicht angeschlossen.
Technische Einrichtungen für den Benutzer. Kopiergerät.
Hinweise für anreisende Benutzer. Schriftliche oder telefonische Anmeldung erforderlich. - Fußwegnähe (ca. 10 Minuten) vom Bahnhof. A 8, Ausfahrt Wendlingen, B 313 oder A 81, Ausfahrt Herrenberg, B 28 über Tübingen. Parkmöglichkeit im Parkhaus Ledergraben.

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 In der Reichsstadt Reutlingen ist seit Mitte des 13. Jhs die Existenz einer städtischen Lateinschule anzunehmen. 1276 wird in einer Verkaufsurkunde an das Zisterzienserinnenkloster Heiligkreuztal bei Riedlingen ein " Walterus rector puerorum ... in civitate Ruotelingen" als Zeuge genannt. Im folgenden Jahrhundert gewann die Lateinschule, Vorgängerin des heutigen Friedrich-List-Gymnasiums, über Reutlingen hinaus an Bedeutung. Der Kleriker Hugo Spechtshart (*1287), bekannt als Verfasser musiktheoretischer Schriften sowie einer Weltchronik, und sein Neffe Konrad Spechtshart (†1395), beide aus angesehenem Reutlinger Geschlecht, bereicherten den Lateinunterricht ihrer Zeit mit zwei Werken, dem Speculum grammaticae für den Schüler und der Forma discendi, eine Art Didaktik des mittelalterlichen Lateinunterrichts, in leonischen Hexametern abgefaßt und an den Lateinschulen vornehmlich Süddeutschlands verbreitet. Diese Werke bildeten wohl auch, zusammen mit den gebräuchlichen Lehrbüchern eines Donat oder Alexander de Villa, den Grundstock der Bibliothek der Reutlinger Lateinschule im Mittelalter. Von ihr ist freilich nichts mehr erhalten.

1.2 Mit der Reformation, die sich in Reutlingen schon 1524 durchzusetzen begann, änderte sich das Bildungsziel und damit wohl auch die Bibliothek der Lateinschule. Der Reformator Reutlingens, Matthäus Alber, in seiner Jugend selbst Lehrgehilfe (Provisor) an der Schule seiner Vaterstadt (1511-1513), vertrat zusammen mit seinem Amtsbruder Johannes Schradin, bis 1533 Leiter der Lateinschule, die von Luther und Melanchthon vorgezeichnete Linie des christlichen, sprachlich orientierten Humanismus. Die Lektürepläne reichsstädtischer Schulordnungen lassen dies unschwer erkennen. So sind etwa Komödien des Terenz, die Viri illustres des Cornelius Nepos, vor allem die Briefe Ciceros, aber auch Werke von Erasmus und Melanchthon sowie das lateinische und griechische Neue Testament zur Lektüre vorgesehen. Aus dieser Zeit stammt das älteste Buch der Lehrerbibliothek, ein Thesaurus Ciceronianus (Basel 1572). Faßbar wird die Bibliothek der reichsstädtischen Lateinschule aber erst mit einigen auch bibliophil interessanten Ausgaben lateinischer Autoren aus der zweiten Hälfte des 18. Jhs.

1.3 Das Ende der Reichsstadtzeit (1802/03) brachte die Eingliederung der reichsstädtischen Schule in das württembergische Schulwesen. 1842 wird die Lateinschule zum Lyzeum erhoben, nach der Revolution von 1848/49 wieder zur Lateinschule degradiert. Erst 1886/87 wird die Schule als Königlich Württembergisches Gymnasium Vollanstalt. Dieser zweistufige Ausbau führt zu einer Erweiterung der Bibliothek, besonders in der zweiten Hälfte des 19. Jhs.

1.4 Nach dem Ersten Weltkrieg wird das humanistische Gymnasium Reutlingen um einen realgymnasialen Zug erweitert. Dies hat wiederum einen Ausbau der Bibliothek zur Folge, nun in neusprachlicher und naturwissenschaftlicher Hinsicht. Der von der nationalsozialistischen Bildungspolitik erzwungene Umbau des Gymnasiums und Realgymnasiums in eine Oberschule für Jungen (1937) bleibt wegen seiner Kurzfristigkeit ohne größere Konsequenzen für die Bibliothek. Erst die ab Mitte der fünfziger Jahre eingeleitete und bis heute gültige Festlegung des Friedrich-List-Gymnasiums auf ein neusprachliches Gymnasium mit der Sprachenfolge Latein, Englisch und Französisch oder Russisch und auf ein mathematisch-naturwissenschaftliches Gymnasium bringt den bisher stärksten Ausbau der Bibliothek mit sich.

1.5 Der Charakter der Lehrerbibliothek wurde in der Zeit bis 1900 von den Bedürfnissen eines humanistischen Gymnasiums geprägt. Den Schwerpunkt der Bücherei bilden deshalb die klassischen Sprachen, sodann Geschichte, Deutsch, Philosophie, Pädagogik und Religion. Die Verluste in der Höhe eines Drittels des ursprünglichen Bestandes wurden einerseits verursacht durch die zweckentfremdete Nutzung des Schulgebäudes während der beiden Weltkriege und der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, andererseits durch den dreimaligen Umzug der Bücherei innerhalb des Gebäudes, eines alten Fachwerkbaus aus der Mitte des 16. Jhs, der mehrmals erneuert und zu Beginn der siebziger Jahre unter Wahrung seines denkmalgeschützten Äußeren modernisiert wurde.

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

Chronologische Übersicht und Übersicht nach Sprachen

2.1 Nach einer Auszählung am Regal sind bei einem Gesamtbestand von 19.033 Titeln von den im Accessionskatalog nachgewiesenen ca. 4300 Titeln mit Erscheinungsjahr vor 1900 einschließlich Zeitschriften noch ungefähr 2780 vorhanden. Die Bestände sind zu 50 Prozent deutschsprachig, je weitere 20 Prozent entfallen auf die alten Sprachen, der Rest auf Französisch und sonstige Sprachen.

Systematische Übersicht

2.2 Bei den " Alten Sprachen" (Griechisch 645 Titel, Latein 523) nehmen die Schulautoren den größten Raum ein. Größtenteils handelt es sich um kommentierte Ausgaben, teilweise ergänzt durch didaktische und methodische Sekundärliteratur. Zu den Ausgaben des 18. Jhs gehören die Epitome rerum Romanorum des Lucius Annaeus Florus (Amsterdam 1702), eine unvollständige Livius-Ausgabe (Mannheim 1779-1781, hrsg. von J. B. L. Crusius), eine Caesar-Ausgabe (Mannheim 1779), eine Horaz-Ausgabe (Leipzig 1778-1782), eine Quintilian-Ausgabe (Zweibrücken 1784) und die Viri illustres des Cornelius Nepos (Zweibrücken 1796).

2.3 Mit der Erhebung der Lateinschule zum Lyzeum (1842) und zum Gymnasium (1886/87) wurde der Bestand an lateinischen und vor allem griechischen Autoren trotz begrenzter Mittel wesentlich erweitert, u. a. durch umfangreiche Ausgaben von Livius (1820-1826), Cicero (1840 ff.) und Plato (1821-1825). Später wurde der Bestand an Lexika erweitert, u. a. durch Du Canges Glossarium mediae et infimae Latinitatis (1883-1887, Neudruck) und Pauly-Wissowa. Für die Alte Geschichte wurden neben den Standardwerken von Niebuhr und Mommsen auch weniger bekannte, heute veraltete Darstellungen zur römischen Kaiserzeit von Dessau bis zu Seeck beschafft.

2.4 Mit 425 Titeln vor 1900 folgt das Fach Geschichte. Schwerpunkte sind eine Reihe weltgeschichtlicher Gesamtdarstellungen ( u. a. von Rotteck, Schlosser und Jäger), dann die mittelalterliche Kaiserzeit in Gesamtdarstellungen von Giesebrecht bis zu der Ende des 19. Jhs bei Cotta erschienenen Reihe Bibliothek deutscher Geschichte, schließlich die Wirtembergica, darunter das Württembergische Urkundenbuch (bis 1894) sowie die wichtigsten Darstellungen württembergischer Geschichte bis 1900 und einschlägige Zeitschriften, u. a. die Württembergischen Jahrbücher (1872-1900) und die Württembergischen Vierteljahreshefte für Landesgeschichte (1878-1935).

2.5 Das Fach Deutsch umfaßt ca. 275 Titel vor 1900, darunter Klassikerausgaben wie Schillers Neue Thalia (1793, Göschen), eine Herder-Ausgabe (Karlsruhe 1821 ff.) oder Lessings Nathan (o. O. 1791). Aus der altdeutschen Literatur besitzt die Bibliothek z. B. Wackernagels Altdeutsches Lesebuch (Basel 1840 ff.). Literaturgeschichten reichen von Wackernagel, Gervinus (1840), Kluge (1878 ff.) bis zu Scherer (1883) und Hettner.

2.6 In der Philosophie (50 Titel) sind besonders Autoren der benachbarten Universität Tübingen, so Sigwart mit seiner Logik oder Schwegler und Köstlin mit ihrer Geschichte der griechischen Philosophie vertreten. Daneben steht Zellers Geschichte der griechischen Philosophie und für eine Gymnasialbibliothek des 19. Jhs vielleicht überraschend Langes Geschichte des Materialismus.

2.7 Die Pädagogik ist mit 120 Titeln (einschließlich Fachdidaktik und -methodik) im Rahmen einer Gymnasialbibliothek relativ stark vertreten. Schmids Lexikon der Pädagogik (1859 ff.) ist ebenso vorhanden wie das für Württembergs Schulwesen im 19. Jh grundlegende Correspondenz-Blatt für die Gelehrten- und Realschulen Württembergs (1854 ff.), das ab 1896 von den Südwestdeutschen Schulblättern ergänzt wurde.

2.8 Im stark reduzierten Fach Religion (noch 50 Titel von ursprünglich 150) blieb die Realenzyklopädie für die evangelische Theologie und Kirche (1877-1885/89) erhalten. Zu nennen ist noch D. F. Strauß' Das Leben Jesu (1837).

2.9 Während für Französisch 53 Titel vor 1900 zu finden sind, in der Mehrzahl Lexika, und für Geographie 35, verzeichnen die mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächer kaum nennenswerte Bestände. Hier wurde der historische Bestand, auch über 1900 hinaus, weitgehend ausgeschieden, da er veraltet erschien. Dasselbe trifft für die musischen Fächer zu.

2.10 Neben der Historischen Zeitschrift sind als Zeitschriften Hirschs Mitteilungen aus der historischen Literatur (1890 ff.), Müllers Politisches Jahr (1874-1898), die Württembergische[n] Neujahrsblätter (1884-1892) sowie die Literarische Beilage des Staatsanzeigers für Württemberg (1878-1921, 28 Bde) zu nennen.

2.9 Die Bibliothek besitzt ca. 200 Bde Gymnasialprogramme, die jeweils etwa 10 Exemplare aus allen Fachrichtungen enthalten. Nach 1900 wurden die Programme nur noch gebündelt (ca. 50 Bündel).

3. KATALOGE

3.1 Moderner allgemeiner Katalog

Accessionskatalog

[mit Beginn der Gymnasialzeit neu angelegter Bandkatalog, Weiterführung unter fortlaufender Numerierung, verzeichnet Erwerbungen aller Fachrichtungen]

Die Bestände sind weder im Zentralkatalog Baden-Württemberg noch im Südwestdeutschen Bibliotheksverbund (SWB) nachgewiesen.

3.2 Moderne Sonderkataloge

Fachkatalog Religion

Fachkatalog Philosophie

[Bandkataloge, alphabetisch nach Verfassern, Trennung zwischen Lehr- und Lernmitteln]

3.3 Historische Kataloge

Systematischer Katalog

[1889 angelegter Bandkatalog, wurde bis zur Jahrhundertwende benutzt, mit Feinsystematisierung]

Systematischer Katalog

[vermutlich vor dem Ersten Weltkrieg angelegter Bandkatalog, letzte Eintragung von 1934, mit Feinsystematisierung]

4. DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

Votteler, Franz: Geschichte der Lateinschule der Reichsstadt Reutlingen. In: Geschichte des humanistischen Schulwesens in Württemberg. Bd II,1. Stuttgart 1920, S. 327-383

Betz, Heinrich: Von der mittelalterlichen Lateinschule zum Friedrich-List-Gymnasium. In: Festschrift des Friedrich-List-Gymnasiums Reutlingen. Reutlingen 1987, S. 15-100

Stand: August 1991

Heinrich Betz


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.