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Ganzhorn-Bibliothek im Stadtarchiv

Adresse. Stadtarchiv Ochsenfurt, Rathaus, Hauptstraße 42, 97199 Ochsenfurt [Karte]
Telefon. (09331) 97-0
Telefax. (09331) 9752

Unterhaltsträger. Stadt Ochsenfurt
Funktion. Spezialbibliothek, öffentlich zugänglich.
Sammelgebiete. Der Altbestand wird nicht vermehrt.

Benutzungsmöglichkeiten. Präsenzbibliothek. Benutzung nur nach vorheriger Anmeldung. Leihverkehr: nicht angeschlossen.
Technische Einrichtungen für den Benutzer. Kopiergerät im Rathaus.
Hinweise für anreisende Benutzer. Telefonische oder schriftliche Anmeldung erforderlich. Die Archivräume sind im Vordergebäude des ehemaligen Palatium des Würzburger Domkapitels. Fußwegnähe vom Bahnhof ca. 10 Minuten (Bahnstrecke Würz burg-München). Busverbindung ab Würzburg (Busbahnhof). A 3, Ausfahrt Randersacker; A 7, Ausfahrt Marktbreit. Parkplätze vorhanden.

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Die Ganzhorn-Bibliothek ist benannt nach dem aus Ochsenfurt stammenden Scholaster Hieronymus Ganzhorn, gestorben in Würzburg 1594. In seinem Testament von 1592 vermachte er seiner Heimatstadt ein Stipendium für in Leipzig studierende Ochsenfurter junge Männer sowie seine Bibliothek, die ursprünglich ca. 200 Titel in etwa 400 Bdn umfaßte. Alle Studierenden durften diese Bücher benutzen. Die großzügige Ausleihe, möglicherweise auch schwedische Besatzung, die mehrere Jahre das Stadtregiment übernommen hatte (Schwedenkönig Gustav Adolf residierte selbst einige Zeit hier mit seinem Stab), auch unbekannt gebliebene Ursachen ließen die einst umfangreiche Bibliothek auf ca. 70 Inkunabeln zusammenschrumpfen. Die Bücher waren teilweise an Lesepulte angekettet; ein großer Teil wurde in heute noch vorhandenen Holztruhen aufbewahrt und geriet in Vergessenheit, bis die Bibliothek bei der Gründung eines Altertumsvereins 1905 dem gleichzeitig errichteten Ochsenfurter Stadtarchiv als eigene Abteilung eingefügt wurde.

1.2 Bei einer Sammlungsaktion im Bereich des Rathauses und in Privathaushalten kamen die Reste der ehemaligen Ratsbibliothek sowie viele alte Bücher zum Vorschein, die, soweit sie den damaligen Mitgliedern des Altertumsvereins wertvoll erschienen, der Ganzhorn-Bibliothek angegliedert wurden, die nach mehreren Umzügen schließlich im Erdgeschoß des Vorderbaues, im ehemaligen Palatium des Würzburger Domkapitels, ihre endgültige Bleibe fand. Inkunabeln, deren Einbände teilweise sehr gelitten hatten, wurden in der Zeit von 1900 bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges durch den Hofbuchbinder Martin Dörfler aus Schweinfurt restauriert. 1960 wurde der Benediktiner Bruder Theodor aus der Abtei Münsterschwarzach auf die Bibliothek aufmerksam und setzte die Restaurierungsarbeiten fort. Im Sommer 1984 wurde eine erneute Sichtung des Bestandes unter buchwissenschaftlichen, insbesondere druckhistorischen Aspekten vorgenommen und eine Zuordnung der einzelnen Bücher zu ihren Druckern versucht, soweit dies nicht schon früher geschehen war.

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

Chronologische Übersicht und Übersicht nach Sprachen

2.1 Der Bestand umfaßt ca. 1100 Bde. Darunter sind 70 Inkunabeln und 3 Einblattwiegendrucke. Aus dem 16. Jh stammen 26 Titel, davon 7 aus der ersten Hälfte, aus dem 17. Jh 8 Titel. Der überwiegende Teil entfällt auf das 20. Jh.

Systematische Übersicht

2.2 Bei den 70 Inkunabeln (67 lateinische, 3 deutsche) in 62 Bdn und 3 Einblattdrucken sind die häufigsten Druckorte Würzburg und Venedig (je 13 Titel), Rom (9), Straßburg (5), Augsburg, Nürnberg und Speyer (je 4), Mainz (3), Brüssel und Treviso (je 2), Basel, Brixen, Esslingen, Freiburg, Mailand, Padua, Subiaco, Tübingen, Utrecht und Ulm (je einer). Lediglich in 3 Büchern finden sich leserliche Eigentumsvermerke von Vorbesitzern, darunter die Sakristei Ochsenfurt.

2.3 Die Drucke des 15. Jhs sind überwiegend theologischen Inhalts. Während die Bibliothek nach Ganzhorns Testament ursprünglich sechs Bibelausgaben besaß, darunter die Complutenser Polyglotte des Kardinal Ximes (1514-1517), findet sich heute nur noch die von Nicolaus de Lyra kommentierte Bibelausgabe im Bestand (Nürnberg: Koberger 1493). Zahlreich sind Werke der Kirchenväter (darunter Augustinus, De civitate dei, Subiaco: Conradus Sweynheym und Arnoldus Pannartz 1467) und Titel zur Kirchengeschichte (so Eusebius Caesarensis, Historia ecclesiastica, Utrecht 1474). Bei der Liturgik sind erwähnenswert einige Würzburger Missalia, Agenden und Breviere (alle bei Georg Reyser in Würzburg gedruckt), u. a. die Agenda Herbipolensis (Würzburg 1480 und 1482) und drei Ausgaben des Missale Herbipolense (Würzburg 1481, hrsg. im Auftrag von Rudolf von Scherenberg, 1495 und 1499).

2.4 Unter den Werken des 15. Jhs zum Kirchenrecht sind solche von Bartolus de Saxoferrato, Gregor IX. und Alexander de Hales sowie Bartolomae Besutius (Lectura super quarto et quinto decretalii, Rom: Georg Lauer von Würzburg 1475); es finden sich aber auch Titel zum Römischen Recht. Griechische und römische Geschichtsschreiber (Diogenes Laertius, Dionysius Halicarnaseus, Plutarch, Sueton) sind mit einzelnen Titeln vertreten. Deutschsprachig sind drei Schriften zur Rhetorik, als früheste Rhetorica (Straßburg: Heinrich Knoblochtzer 1483). An Einblattdrucken sind ein Kalender für das Jahr 1472 (Würzburg: Georg Reyser), ein Ablaßbrief Papst Sixtus' IV. für die Peterskirche in Baden (Straßburg: Georg Hußner? 1478) und ein Schützenbrief aus St. Gallen (Augsburg: Johann Schobster 1485) bemerkenswert.

2.5 Aus der ersten Hälfte des 16. Jhs liegen 7 Titel vor (5 deutsche, 2 lateinische), aus der zweiten Hälfte 19 (alle in deutscher Sprache). Die häufigsten Druckorte sind Mainz (8 Titel), Ingolstadt (5), Köln und Basel (je 3), Leipzig (2), es folgen Bautzen, Dillingen, Nürnberg, Straßburg und Zürich (je einer). In 5 Bdn sind Vorbesitzeinträge erhalten, darunter einer des " Rathauses zu Statt Ochsenfurt". Es ist eine Dietenberger-Bibel (Köln 1584) vorhanden. Theologische Schriften, wie Breviarien, Psalterien, Postillen ( u. a. von Johann Eck), Katechismen, geistliche Lieder und kirchenrechtliche Werke des 16. Jhs, sind ebenfalls im Bestand, doch zeigt sich eine deutliche Zunahme des weltlichen Schrifttums. Es finden sich mehrere Reichsabschiede, Münzordnungen (Mainz 1551 und 1559), Kammergerichtsordnungen und Chroniken, z. B. Gemeiner löblicher Eydgnoschafft ...

Chronik (Zürich 1548) oder Sebastian Münsters Cosmographia universalis (Basel 1578?).

2.6 Aus dem 17. Jh stammen 7 Titel (6 deutsche, ein lateinischer), gedruckt in Frankfurt und Mainz (je 2 Titel), Köln, Leipzig und Würzburg (je einer). Vier Bde sind mit Eigentumsvermerken versehen. Die thematische Streuung ist ähnlich wie im 16. Jh und reicht von theologischen Werken (Bibelausgabe, Psalterium, Postille, Erbauungsliteratur) über Reichsabschied und Landgerichtsordnung bis zur Reisebeschreibung (Des Herrn Monconys Beschreibung seiner Reisen, Leipzig und Augsburg 1697).

2.7 Aus der ehemaligen Ratsbibliothek sind bei der oben erwähnten Sammlung ( s. o. 1.2) aufgetaucht ein Missale speciale Herbipolense (Würzburg 1495, aus der Sakristei) und die Dietenberger-Bibel (Köln 1584). Zum historischen Bestand zählen auch eine Sammlung von Einblattdrucken und eine größere Zahl von meist aus Ablösungen stammenden Druckfragmenten, darunter einige Pergamentdrucke; sie sind noch nicht alle bestimmt. Erwähnt sei ein Fragment einer Nürnberger Zeitung von 1599. Einen weiteren Schwerpunkt bildet eine Sammlung heimatkundlicher Schriften, darunter jedoch nur wenige Titel aus dem 19. Jh.

3. KATALOGE

Inkunabelkatalog

[in Bandform; mschr., enthält in einem Anhang auch die Drucke bis 1700]

Druckerverzeichnis

Eine Katalogisierung ist derzeit im Gange.

4. DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

4.1 Archivalien

Testament des Hieronymus Ganzhorn mit ausführlichem Verzeichnis der ursprünglichen Bibliothek

Ratsprotokolle und Missivbücher des ausgehenden 16. Jhs enthaltend Korrespondenz über die Ganzhorn-Bibliothek

4.2 Darstellungen

Kestler, Johann Baptist: Beschreibung von Ochsenfurt. Würzburg 1845 [zur Bibliothek S. 267-278]

5. VERÖFFENTLICHUNGEN ZU DEN BESTÄNDEN

Hohe, Hans: Die " Bibliotheca Ganzhorniana" im Rathaus der Stadt Ochsenfurt. In: Mainfränkisches Jahrbuch zur Geschichte und Kunst 4 (1952) S. 325-334

Parr, Waldemar: Frühe Zeugnisse der Buchdruckerkunst in der Ganzhorn-Bibliothek. In: Ochsenfurter Geschichten (1989) Nr. 3, S. 1-4

Reus, Denis: Würzburgs erste Drucke. In: Serapeum 1 (1810) S. 97-98

Stand: Januar 1996

Hans Hohe


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.