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Historische Bibliothek

Adresse. Schloßberg 1, 06484 Quedlinburg [Karte]
Telefon. (03946) 2730
Bibliothekssigel. <Q 9>

Unterhaltsträger. Stadt Quedlinburg
Funktion. Wissenschaftliche Museumsbibliothek.
Sammelgebiete. Quedlinburger Orts- und Regionalgeschichte; Heimat- und Landeskunde des Harzgebietes; Literatur von und über Quedlinburger Persönlichkeiten ( u. a. Friedrich Gottlieb Klopstock, Johann Christoph Friedrich GutsMuths, Carl Ritter, Dorothea Christiana Erxleben und Wilhelm Steuerwaldt). Der Altbestand wird nicht vermehrt.

Benutzungsmöglichkeiten. Präsenzbibliothek. Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag 9-17 Uhr. Leihverkehr: DLV.
Technische Einrichtungen für den Benutzer. Kopiergerät, PC.
Gedruckte Informationen. Historische Sammlungen der Stadt Quedlinburg (Faltblatt hrsg. vom Förderverein Historische Sammlungen Quedlinburg e. V.).
Hinweise für anreisende Benutzer. Schriftliche oder telefonische Anmeldung erforderlich. Fußwegnähe vom Bahnhof (ca. 20 Minuten). B 79 (von Braunschweig); A 2 (E 30), Ausfahrt Helmstedt, B 245, B 79 (von Hannover); Ausfahrt Magdeburg, B 81, B 79 (von Berlin). Parkmöglichkeiten unterhalb des Schloßberges.

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Die Historische Bibliothek Quedlinburg befindet sich seit 1985 im Schloß. Sie setzt sich aus drei größeren alten Sammlungen zusammen: der Stiftsbibliothek, der Gymnasialbibliothek und der Ratsbibliothek. Die Stiftsbibliothek, 1686 gegründet, besaß bereits Handschriften und Inkunabeln aus Stiftsbesitz. Im Jahre 1833 wurde sie der Bibliothek des 1540 gegründeten Gymnasiums übergeben und schließlich mit der seit 1662 bestehenden Ratsbibliothek vereinigt. Im Rahmen der Sammelgebiete der einzelnen Bibliotheksteile erweiterten sich die Buchbestände in mehr als 300 Jahren zu einer territorialen Universalbibliothek mit gegenwärtig 35.000 Bdn. Im 19. und 20. Jh erfolgte insbesondere ein Zuwachs an regional- und heimatgeschichtlichen Werken.

1.2 Das 936 durch die Königinwitwe Mathilde und ihren Sohn Otto I. (912-973; reg. ab 936) gegründete Kanonissenstift wies eine fast 900jährige ungebrochene Tradition auf. Das ehemals reichsunmittelbare Frauenstift im obersächsischen Kreis gehörte im 10. und 11. Jh neben St. Gallen, Gandersheim, Reichenau und Hersfeld zu den bedeutendsten Stätten mittelalterlichen Geisteslebens. Es wurde 1539 mit dem Einzug der Reformation in Quedlinburg ein evangelisches " Freies weltliches Stift", das seit 1663 im Reichstag Sitz und Stimme auf der Prälatenbank hatte. Der Reichsdeputationshauptschluß zur räumlichen Neugliederung Deutschlands brachte auch das Ende des Stiftes, das 1803 an Preußen fiel.

1.3 Die Stiftsbibliothek wurde 1686 von der Äbtissin Anna Dorothea (1657-1704; reg. ab 1684), Prinzessin von Sachsen-Weimar, gegründet. Der Bestand, der u. a. ca. 400 vor 1600 gedruckte Bücher und zahlreiche Handschriften aus Stiftsbesitz umfaßte, wurde zunächst in der Stiftskirche aufgestellt. Dort fand auch der Büchernachlaß des 1693 verstorbenen Diakons Valentin Bernhard Mylius seinen Platz. Bis zur Mitte des 18. Jhs wurde die Erweiterung der Stiftsbibliothek ernsthaft betrieben. Sie bot sich 1786 als " eine zahlreiche, aber ohne jede Ordnung und Plan zusammengebrachte Büchersammlung" (Fritsch, s. u. 4) dar. Der erforderliche Bestandskatalog wurde von Friedrich August Boysen († 1798) angefertigt (s. u. 3.2). Ab der zweiten Hälfte des 18. Jhs stagnierte die Entwicklung der Bibliothek, die schließlich 1833 von der Gymnasialbibliothek übernommen wurde ( s. o. 1.1).

1.4 Die Ratsbibliothek, hervorgegangen aus der Büchersammlung des Juristen Johann Hübner (1662 dem Magistrat geschenkt), bestand im Jahre 1825 aus ca. 400 Bdn vorwiegend juristischer, historischer und politischer Literatur in allen Formaten. Die Gymnasialbibliothek, neben der Stiftsbibliothek und der Ratsbibliothek die dritte größere Sammlung in Quedlinburg, war während der Amtszeit des Rektors Samuel Schmid (1665-1704) entstanden. Sie diente der Fortbildung der Lehrer. Das Gymnasium war bereits 1540 unmittelbar nach der Einführung der Reformation im Stiftsgebiet aus den beiden Lateinschulen der Nikolaikirche und der Benediktinerkirche gebildet worden, wozu man Luthers und Melanchthons Rat eingeholt hatte. Im Jahre 1832 stimmten die Quedlinburger Stadtverordneten der Aufforderung des Magdeburger Provinzialschulkollegiums zu, die Rats-, Stifts-, St. Benedikti- und Gymnasialbibliothek zu einer großen öffentlichen Stadtbibliothek zu vereinigen. Während die Stiftsbibliothek schon 1833 dem Gymnasium in Hinblick auf die neu zu gründende Bibliothek übergeben worden war, behielt sich die Stadt zunächst das Eigentumsrecht an der Ratsbibliothek vor. Erst 1837 übergab das Rathaus 541 Bde, unter denen sich auch der Sachsenspiegel von 1497 aus dem Vermächtnis Hübners befand (jetzt wieder im Rathaus).

1.5 Als Bibliothekar der vereinigten neuen Stadtbibliothek wirkte Gymnasialdirektor Dr. Karl Ferdinand Ranke. Er hatte einen literarischen Verein ins Leben gerufen, der von 1834 bis 1895 unter dem Namen Historischer Lesezirkel bestand. 700 historische und geographische Werke verdankt die Stadtbibliothek dem Rankeschen Lesezirkel. Dessen Buchauswahl hatte sich, wie im Statut des Kataloges von 1835 betont wurde, " auf deutsch geschriebene Werke beschränkt, von denen jedoch alle bloß dem gelehrten Geschichtsforscher interessante und ihm wichtige Werke ausgeschlossen bleiben [sollten]". 1868 wurde die ehemalige Ratsbibliothek wieder an die Stadt zurückgegeben.

1.6 Einen weiteren Aufschwung erhielt die Stadtbibliothek durch die Förderung des Oberbürgermeisters Dr. Gustav Brecht. Er war Vorsitzender des 1868 gegründeten Wernigeröder Harzvereins für Geschichte und Altertumskunde und setzte sich für die geschichtliche Erforschung Quedlinburgs ein. Auf seine Anregung und mit seiner Unterstützung wurde das Urkundenbuch der Stadt Quedlinburg (Halle 1873-1882) von Karl Janicke herausgegeben. Er selbst schrieb die Einleitung mit einem Abriß der mittelalterlichen Geschichte Quedlinburgs. Brecht regte auch an, aus städtischen Mitteln Darstellungen zur Landeskunde der engen und weiteren Heimat anzuschaffen und betrieb den Ausbau der Harz-Abteilung.

1.7 Im Jahre 1869 kam eine Schenkung von Dr. Au- gust Dietrich mit ca. 1500 Bdn deutschsprachiger, französischer und englischer Literatur hinzu. Der von Lehrer Hermann Garlipp bearbeitete und 1880 erschienene Katalog der Stadtbibliothek führte 1857 Titel auf. Der Bestand erweiterte sich 1888 um etwa 1000 Bde älterer juristischer Literatur, eine Zuwendung von Justizrat Nordmann. Im selben Jahr kam noch eine Schenkung von 300 meist sprachwissenschaftlichen Titeln der Erben der Verlagsbuchhändler Hermann und Robert Basse hinzu. Außerdem erwarb der Magistrat der Stadt durch Kauf 297 Werke über Quedlinburg und den Harz von der Gräflich Stolberg-Wernigeröder Bibliothek. Der Quedlinburger Klopstock-Verein überließ 1897 die seit 1850 gesammelte Klopstock-Bibliothek ebenfalls der Stadtbibliothek.

1.8 Dieser beträchtliche Zuwachs bedingte die Neuordnung der Bestände der Stadtbibliothek sowie einen aktuellen Katalog. Diese Aufgabe wurde von den beiden Mitgliedern des im Frühjahr 1893 gebildeten " Ausschusses für Kunst und Wissenschaft", Prof. Selmar Kleemann und Buchhändler Heinrich Conrad Huch, ehrenamtlich übernommen. Für Ergänzungen, Schreibarbeiten und Druckkosten hatten die städtischen Behörden einen Zuschuß bewilligt. Der Druckkatalog weist 5308 Werke in 8383 Bdn nach. Davon entfielen auf die einzelnen Wissensgebiete: Bücherkunde und Enzyklopädien 57 Titel; Theologie 168 Titel; Pädagogik und Philosophie 112 Titel; Rechts- und Staatswissenschaft und Statistik 1446 Titel; Medizin und Pharmazie 82 Titel; Mathematik, Naturwissenschaft, Haus-, Land- und Forstwirtschaft und Technologie 304 Titel; Geschichte 884 Titel; Geographie 259 Titel; Sprache und Literatur 1017 Titel, davon 192 zur Klassischen Philologie und Literatur, 192 zu neueren Fremdsprachen und deren Literatur und 246 Werke zur deutschen Sprache und Literatur; Kunst 89 Titel; Vermischtes 81 Titel. An Harz-Literatur mit Ausschluß von Quedlinburg zählte man 458 Werke in 516 Bdn und an Quedlinburgica (auf Quedlinburg bezogene oder von Quedlinburgern verfaßte Schriften) 165 Titel in 105 Bdn. Die Klopstock-Bibliothek ( s. o. 1.7) enthielt 205 Werke in 326 Bdn, davon 14 Werkausgaben von 1794 bis 1876, den Messias in 19 Ausgaben von 1749 bis 1884, daneben u. a. verschiedene Drucke der Oden und Trauerspiele, ergänzt durch Sekundärliteratur. Erst 1897 der Stadtbibliothek übergeben, wurde die Bibliothek 1899 wieder in das neugegründete Klopstockhaus, dem ersten Quedlinburger Museum überführt.

1.9 Jahrzehntelang litt die Bibliothek unter unzureichenden Beschaffungsmitteln. Ein Zustandsbericht von 1927 weist zwar auf die gute Ausstattung einiger Wissensgebiete hin, wie der heimatkundlichen Abteilung, der Abteilungen Geschichte, Geographie, Kunst und Literaturwissenschaft, beklagt aber das Fehlen aktueller Ergänzungen. Nach dem Zweiten Weltkrieg bildete man aus der Gymnasialbibliothek, der in ihr eingeschlossenen ehemaligen Stiftsbibliothek und der Stadtbibliothek die Abteilung " Wissenschaftlicher Altbestand" der Städtischen Volksbücherei, die seit dem 1. Oktober 1954 als Kreis- und Stadtbibliothek fungierte. Deren beträchtliche Erweiterung in dem ohnehin zu engen Bibliotheksgebäude machte die etappenweise Überführung der doch erst zur Hälfte neu geordneten und katalogisierten Altbestände während der Jahre 1985 bis 1987 in das Schloßmuseum erforderlich.

1.10 Im Februar 1994 wurde ein Förderverein für das historische Schriftgut gegründet, der sich seit Januar 1998 unter dem Namen " Förderverein Historische Sammlungen Quedlinburg e. V." auch für die städtischen Museen verantwortlich fühlt. Er setzt sich für die " Erweiterung, Erhaltung, Sicherung und Erschließung historischer Sammlungen" ein, zu denen auch die Bestände der Historischen Bibliothek und des städtischen Archivgutes gehören. Er unterstützt die Einrichtung eines Forschungszentrums für die Geschichte von Stadt und Region Quedlinburg, in dem diese Bestände von Forschern genutzt werden können.

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

Chronologische Übersicht und Übersicht nach Sprachen

2.1 Bei einem Gesamtbestand von 29.459 Titeln in ca. 35.000 Bdn umfaßt der historische Bestand nach Auszählung 21.480 Titel. Es sind 27 Inkunabeln vorhanden, davon 25 in lateinischer und 2 in deutscher Sprache. Die 473 Drucke des 16. Jhs sind je zur Hälfte deutsch und lateinisch. Bei den 1892 Werken des 17. Jhs überwiegt mit zwei Dritteln die deutsche Sprache. Bei den 4657 Titeln des 18. Jhs liegt der Anteil des Deutschen mit ca. 75 Prozent vor Latein, Französisch und Englisch. Er bestimmt bei den 14.431 Titeln des 19. Jhs eindeutig das Sprachbild, gefolgt von Englisch, Französisch, Latein und wenigen italienischen und niederländischen Drucken. Systematische Übersicht

2.2 Von den Inkunabeln entfallen 21 auf die Theologie und je 2 auf Geschichte, Rechtsprechung und lateinische Philologie. Zur letzteren sind vorhanden eine Horaz-Ausgabe, hrsg. von Georg Arrivabene (Venedig 1490) sowie die lateinische Grammatik des französischen Pädagogen Alexander de Villa Dei (um 1170 um 1250) Doctrinale puerorum (Paris: Jean Petit 1500), die 300 Jahre lang in Deutschland als Lehrbuch verbreitet war. Die theologischen Drucke enthalten einige Kirchenväter-Ausgaben; bei den Sermones de sanctis et de diversis des Bernhard von Clairvaux (Speyer: Peter Drach, gedruckt nach dem 31. August 1481 und nicht nach 1482) handelt es sich um den frühesten Wiegendruck im Bestand.

2.3 Die Biblia. Sexta pars cum glossa ordinaria (Basel: Froben 1498) enthält die Apostelbriefe und die Offenbarung des Johannes mit der Glosse des Bibelexegeten Nicolaus de Lyra (um 1220-1349). Zwei Breviarien aus Magdeburg (1495) und Antwerpen (1500) sind neben den Sermones de tempore in evangeliis per circulum anni (Hagenau 1500) des Paul Wann zu nennen. Von dem Mönch Jordan von Quedlinburg (Jordanus de Saxonia; 1290-1380) ist der Textus passionis Christi (Basel 1490) vorhanden, außerdem von dem Prediger Partus die Sermones de tempore et de sanctis (Nürnberg 1496) und von Guillaume Durand († 1328) das Rationale divinorum officiorum (Straßburg 1488). Des weiteren findet sich in der Straßburger Erstausgabe von 1487 der Malleus maleficarum (Hexenhammer) der Dominikaner Heinrich Institoris und Jakob Sprenger. Die beiden deutschsprachigen Drucke sind Stephan Lanzkranna, Die Hymelstraß (Augsburg: Anton Sorg 1484) und Conrad Bote, Cronecken der Sassen (Mainz: Peter Schöffer 1492, mit zahlreichen Holzschnitten).

2.4 Die Lutherana-Sammlung enthält 9 Luther-Bibeln aus Wittenberg (1584, 1597, 1599, 1682, 1686), Nürnberg (1686, 1733), Stuttgart (1704) und Leipzig ( o. J.). Eine mit 75 Holzschnitten von Erhard Altdorfer (um 1480-1561) ausgestattete niederdeutsche Prachtbibel in der Übersetzung von Johann Bugenhagen (1485-1558) basiert auf dem Text der ersten hochdeutschen Gesamtausgabe der Luther-Bibel (Wittenberg: Hans Lufft 1534) und erschien sogar kurz zuvor: De Biblie uth der uthlegginge Doctoris Martini Luthers yn dyth duedesche vlitich uthgesettet (Lübeck: Ludwig Dietz 1533-1534). Dieses seltene Exemplar war ein Geschenk der Brüder Hermann und Rudolf Huch vom 4. Juni 1884 an den Magistrat der Stadt Quedlinburg.

2.5 Aus Luthers Lebenszeit besitzt die Bibliothek nur 3 Drucke seiner in Hans Luffts Werkstatt hergestellten Schriften, Die drey Symbola oder Bekentnis des glaubens Christi jnn der kirchen eintrechtiglich gebraucht (1538); Wider den Bischoff zu Magdeburg Albrecht Cardinal (1539) und Kurtz bekentnis vom heiligen Sacrament (1544). Hingegen sind Luthers Werke in unterschiedlichen Ausgaben aus der Zeit von 1551 bis 1747 vorhanden (Wittenberg 1551, Jena 1564-1570 und 1567-1568, Erfurt 1607 und 1609, Halle 1747). Sein Sendschreiben An die Christen in Livland liegt in einer Ausgabe (Riga 1866) durch die Gesellschaft für Geschichte und Alterthumskunde der Ostsee-Provinzen Rußlands vor. Der Bibelübersetzung Luthers stehen vor- und nachlutherische Ausgaben des Neuen Testaments gegenüber, u. a. in Griechisch und Latein von Erasmus Schmidt ( o. O. 1518); in Französisch (Mons 1710; o. O. 1727); in Niederländisch (Amsterdam 1720); in Latein von D. A. Rechenberg (Leipzig 1736); in Griechisch (Halle 1775) und in Griechisch und Lateinisch von H. A. Schott (Leipzig 1825).

2.6 Beträchtlich ist der Anteil an Erbauungsliteratur des 17. und 18. Jhs und an Literatur des Pietismus, z. T. mit Quedlinburger Lokalprägung. Vom lutherischen Theologen Johann Arndt (1555-1621), der die Pestzeit von 1598 in Quedlinburg überlebte, liegen 13 Ausgaben seiner 1605 erschienenen Schrift Wahres Christentum vor: Blankenburg (1741), Erfurt (1755), Halle (1738, 1760), Leipzig (1712, 1722, 1854), Magdeburg (1727, 1738), Minden (1716), Wernigerode (1722) und Züllichau (1736, 1750). Von Christian Scriver (1629-1693) ist der Seelenschatz (Leipzig 1682) im Bestand. Von Philipp Jacob Spener (1635-1705), Begründer des lutherischen Pietismus, liegen 7 Werke vor, von dem Quedlinburger Stiftsprediger Friedrich Ernst Kettner (1671-1722) u. a. die Kirchen- und Reformations-Historie des Käyserl. freyen-weltlichen Stiffts Qvedlinburg (Quedlinburg 1710) und die Antiquitates Quedlinburgenses (Leipzig 1712).

2.7 Ein Beispiel kirchlicher Richtungskämpfe mit Quedlinburger Bezug ist die Geschichte des Qvedlinburgischen Ertz-Schwermers und Qvaker-Propheten, Heinrich Kratzensteins ( o. O. 1701). Als Folge der zeitgleichen scharfen Ächtung der " Quäker und Bösten" verbrachte Kratzenstein sechs Jahre bis zu seinem Tod 1709 im Gefängnis. Hingegen blieb der wegen seines Lebenswandels gerügte Quedlinburger Prediger Johann H. Sprögel offensichtlich unbehelligt. Er verwahrte sich gegen alle Anwürfe mit seiner Schrift Ernstliche Entdeckung des verkehrten Eyffers, in Beantwortung der von etlichen Predigern zu Quedlinburg auffgebrachten ungegründeten Beschuldigungen (Frankfurt a. M. 1701). Zwei Antworten auf Sprögels Schrift durch den Theologen Gerhard Mejer (Bremen 1702 und 1703) liegen ebenfalls vor.

2.8 Die Regional- und Harzliteratur im weiteren Sinne umfaßt knapp 1700 Titel. Aufgrund der früh begonnenen Sammeltätigkeit überrascht zumal der älteste Bestand aus dem 16. und 17. Jh im Vergleich mit den benachbarten Harzsammlungen in Ballenstedt und Wernigerode (s. Einträge dort) durch seltene Werke zu Rechtsfragen, Gerichtsverfahren, Urkunden und Kirchenverhältnissen, zur Stadt- und Landesgeschichte einschließlich der Thüringens, Niedersachsens (Braunschweig-Lüneburg), des Erzstiftes Magdeburg und der anhaltischen Fürstentümer, zu Kunstdenkmälern und zum Harzer Bergbau. Aus der sich unmittelbar auf Quedlinburg beziehenden Literatur sind Schriften erwähnenswert, die die Rechtshändel des 1698 der brandenburgischen Schutzherrschaft unterstellten Stiftes gegen die absolutistische Bevormundung durch die preußische Obrigkeit behandeln.

2.9 Den umfangreichsten Bestand macht mit mehr als 2600 Titeln die Staats- und Rechtswissenschaft einschließlich der Statistik und Kameralistik aus. Hier hält sich die Titelzahl des 16. und 17. Jhs nahezu mit der des 18. und 19. Jhs die Waage. In großer Breite werden Fragen der Rechtswissenschaft, Rechtsgeschichte, Rechtsphilosophie und Rechtsprechung erörtert, wobei die maßgeblichen Juristen des 16. bis 18. Jhs mit ihren Hauptwerken vertreten sind. Von Benedict Carpzov (1595-1666), Mitbegründer des Episkopalsystems in der deutschen evangelischen Kirche und Autor der Jurisprudentia ecclesiastica seu consistorialis (Leipzig 1649), sind 15 Titel aus der Zeit von 1635 bis 1704 vorhanden. Von seinen Schriften, die eine Darstellung des gesamten deutschen materiellen Strafrechts und Strafprozeßrechts auf der Grundlage der Constitutio Criminalis Carolina beinhalten, seien genannt Practica nova imperialis Saxonica rerum criminalium in partes tres divisa (Wittenberg 1635; Leipzig und Frankfurt 1695); Synopsis juris-feudalis, cum semicenturia quaestionum illustrium ex aurea bulla Imperatoris Caroli IV. proposita (Leipzig 1647) sowie Peinlicher Sächsischer Inquisition- und Achts-Prozeß (Leipzig 1673).

2.10 Von Samuel Stryk (1640-1710), dem hervorragenden Vertreter des Usus modernus Pandectarum und Ordinarius an der neugegründeten hallischen Universität, liegen 12 Titel aus der Zeit von 1693 bis 1745 vor, darunter Vom Pfändungs-Recht (Halle 1693), Tractatus de actionibus forensibus (Wittenberg 1701) und Specimen usus moderni Pandectarum (Halle 1723). Von Augustin Leyser (1683-1745), dem letzten großen Vertreter der Pandektistik, gibt es 3 Ausgaben seiner Meditationes ad Pandectas (Leipzig und Wolfenbüttel 1717; Leipzig 1727-1772; Halle 1772-1775). Zum deutschen Recht finden sich 3 Leipziger Ausgaben des Sachsenspiegels aus der Hand des Alexander von Zeym (1538) und von Christoph Melchior (1499-1560) aus den Jahren 1569 und 1582. Schließlich sei von Justin Gobler (Gobel, Gübler; 1504-1567) Der Rechten Spiegel (Frankfurt a. M. 1558) erwähnt.

2.11 In der ebenfalls gut ausgebauten Gruppe Geschichte mit 2450 Titeln überwiegen Darstellungen aus dem 19. Jh, gefolgt von Werken des 18. Jhs und des 17. Jhs (letztere mit einem Anteil von 20 Prozent). Vorhanden sind umfangreiche Quellenwerke, z. B. zur Geschichte des Dreißigjährigen Krieges, so Der Römischen Kayserlichen Majestät und des Heiligen Römischen Reichs Geist- und Weltlicher Stände ...

Acta publica und Schrifftliche Handlungen (Frankfurt a. M. 1668 ff.). Die Sammlung enthält die maßgeblichen Werke zur Universalgeschichte des 18. Jhs, so die von dem Orientalisten Ludolf Hiob (1624-1704) begonnene und von Christian Juncker (1668-1714) fortgeführte Allgemeine Schaubühne der Welt, oder Beschreibung der vornehmsten Welt-Geschichte, so sich von Anfang des XVII. Jahrhunderts bis zum Ende desselben ... begeben (Frankfurt a. M. 1716-1731). Vorhanden sind außerdem Die europäische Fama, welche den gegenwärtigen Zustand der vornehmsten Höfe entdecket (Bd 1-30; Leipzig 1702-1735), das Allgemeine historische Lexicon (Leipzig 1722) und die Allgemeine Welthistorie von Anbeginn der Welt bis auf die gegenwärtige Zeit (68 Bde, Halle 1744-1796). Als regionalgeschichtliches Standardwerk ist Christoff Beckmanns (1641-1717) Historie des Fürstenthums Anhalt in sieben Theilen verfasset (Zerbst 1710) zu nennen. An weiteren Autoren sind u. a. vertreten August Ludwig von Schlözer (1735-1809), Karl Wenzeslaus Rodecker von Rotteck (1775-1840), Friedrich Christoph Schlosser (1776-1861), Friedrich von Raumer (1781-1873), Leopold von Ranke (1795-1886) und Heinrich von Sybel (1817-1895).

2.12 Der Bestand zur Geographie mit Reisebeschreibungen, Karten, Atlanten, Taschenbüchern, Forschungsberichten und Lehrbüchern umfaßt ca. 650 Titel. Die ältesten Werke sind Merians Topographien von Sachsen, Thüringen, Meißen und der Lausitz, von Brandenburg, Pommern und Westfalen (Frankfurt a. M. 1650-1652) sowie des Geographen und Juristen Philipp Clüwer (Cluverius; 1580-1623) Introductio in universam geographiam tam veterem quam novam (Wolfenbüttel 1661). Aus dem 18. Jh liegt ein Universal-Geographisch-Historisches Lexikon (Leipzig 1710) des Polyhistors und Merseburger Rektors Erdmann Uhse († 1730) vor. An Reisebeschreibungen sind nennenswert Johann Georg Forster (1754-1794), Geschichte der Reisen, die seit Cook an der Nordwest- und Nordost-Küste von Amerika ... unternommen worden sind (Berlin 1791) sowie Alexander von Humboldt (1769-1859) und Aimé Bonpland (1773-1858), Reise in die Äquinoctial-Gegenden des neuen Continents in den Jahren 1799-1804 (Stuttgart 1815-1832; auch Stuttgart 1859-1860). Von dem gebürtigen Quedlinburger und Berliner Ordinarius Carl Ritter (1779-1859) ist Die Erdkunde im Verhältniß zur Natur und zur Geschichte des Menschen, oder allgemeine vergleichende Geographie (Berlin 1822) vorhanden.

2.13 Der Bestand zur Medizin und Pharmazie umfaßt zwar nur knapp 200 Titel, enthält jedoch seltene frühe Drucke wie Johannes de Tornamira, Clarificatorium et Tractatus de febribus (Venedig 1507) und Alexander Trallianus, Practica approbatissima (Venedig 1522). Hinzu kommen verschiedene Apotheker- und Medizinalordnungen. Die Erneuerte und verbesserte Medicinal- und Apotheker- Ordnung ... für die Stadt Weimar (Weimar 1673) steht neben der Anordnung, wie es wegen besorgender ansteckender Seuchen und Kranckheiten zu halten, gegeben vom Herzog Johann Ernst zu Sachsen (Weimar 1680) sowie dem Medicinischen Memorial wegen der, ietzo leider! hin und wieder sich ereignenden Pestilentzialischen Seuche ... in Rudolstadt (Rudolstadt 1680).

2.14 Unter den Werken zur Diätetik findet sich von dem Arzt und Chemiker Friedrich Hoffmann (1660-1742), Professor in Halle ab 1693, die Gründliche Anweisung, wie ein Mensch vor dem frühzeitigen Tod und allerhand Krankheiten durch ordentliche Lebensart sich verwahren könne (Halle 1715-1728); von Christoph Wilhelm Hufeland (1762-1836) sei die Makrobiotik oder die Kunst, das menschliche Leben zu verlängern (Jena 1797) genannt. Aus Quedlinburg ist die Ärztin Dorothea Christiana Erxleben geb. Leporin (1715-1762) hervorzuheben. Sie studierte nach einem Gesuch Friedrichs II. ab 1741 in Halle, erwarb trotz Anfeindungen durch approbierte Ärzte als erste Frau in Deutschland 1754 (in Halle) den medizinischen Doktortitel und führte in Quedlinburg eine eigene Praxis. Ihre Dissertation ist im lateinischen Original (Quod nimis cito ac iucunde curare saepius fiat caussa minus tutae curationis quam sub auspiciis summi numinis ... demisse, Halle 1754) und auch in ihrer deutschen Übersetzung vorhanden (Academische Abhandlung von der gar zu geschwinden und angenehmen, aber deswegen öfters unsichern Heilung der Krankheiten, Halle 1755). Bereits zuvor hatte sie, mit einer Vorrede ihres Vaters Christian Polycarp Leporin, Arzt und Schriftsteller in Quedlinburg, die Gründliche Untersuchung der Ursachen, die das weibliche Geschlecht vom Studiren abhalten, darin deren Unerheblichkeit gezeiget, und wie möglich, nöthig und nützlich es sey, daß dieses Geschlecht der Gelahrtheit sich befleiße (Berlin 1742) verfaßt.

2.15 Die Gruppe Sprache und Literatur mit den Unterabteilungen Klassik, neuere Fremdsprachen (Englisch, Französisch, Italienisch, Schwedisch, Spanisch, Russisch, Polnisch, Estnisch und Bretonisch) und deutsche Sprache, Literatur und Literaturgeschichte weist einen repräsentativen Querschnitt an Autoren und Sachgebieten auf. Während bei den lateinischen Lehr- und Wörterbüchern, den Texten und Übersetzungen von Autoren des Klassischen Altertums eine Reihe von Drucken des 16. und 17. Jhs zu finden ist, stammt die Mehrzahl der Titel aus dem 18. Jh und dem beginnenden 19. Jh. Bemerkenswert ist der Bestand zur Klassischen Philologie. Von Petrus Gillius liegt ein Lexicon graecolatinum (Basel 1532) vor, von Joannes Ravisius Textor das Epithetorum opus absolutissimum (Basel 1549) und von Marcus Hieronymus Vida die Ausgabe seiner Opera (Leiden 1581). Es folgen aus Amsterdam Werkausgaben Senecas (1633) und Martials (1645) sowie von Johann Georg Seybold die Schriften Minor silvula, exhibens phrases universales et Latinae linguae proprias (Nürnberg 1683). Antike Autoren sind in mehreren Ausgaben und Übersetzungen vorhanden, darunter Caesar, Cicero, Euripides, Herodot, Hesiod, Homer, Horaz, Livius, Pindar, Plato, Plautus, Plutarch, Sallust, Seneca, Sueton, Tacitus, Terenz, Tibull, Vergil und Xenophon.

2.16 Von englischen und amerikanischen Dichtern und Romanautoren sind nach Shakespeare (15 Werkausgaben und Einzeltitel von 1773 bis 1855) und Milton (6 Ausgaben von 1750 bis 1853) vor allem Bulwer Lytton, Cooper, Dickens, Fielding, Goldsmith und Thackeray gesammelt worden. Bei französischen Autoren in Drucken des 18. Jhs sind besonders La Bruyère, Molière, Rabelais und Rousseau zu nennen. Bei den deutschen Autoren überwiegt Gottlieb Klopstock (1724-1803) als berühmtester Sohn Quedlinburgs mit ca. 1000 Titeln an Primär- und Sekundärliteratur, davon ein Teil aus dem 20. Jh (s. auch oben 1.7, 1.8; heute im Klopstockhaus). Danach ist Friedrich Rückert (1788-1866) mit seinen Geharnischten Sonetten, seinen Übersetzungen und Nachdichtungen aus dem Persischen, Arabischen, Indischen und Chinesischen zu erwähnen. Beide Autoren wurden viel häufiger beschafft als z. B. Goethes und Schillers Werke.

2.17 Aus den übrigen Fachgebieten wie z. B. Botanik oder Philosophie seien als Beispiele erwähnt Georg Wolfgang Franz Panzer (1755-1829), Faunae insectorum Germanicae initia oder Deutschlands Insecten (Nürnberg 1793) oder Kants Critic der reinen Vernunft (1. und 4. Aufl.; Riga 1781 und 1794). Zur Pädagogik sind Schriften von Johann Christoph Friedrich GutsMuths (1759-1839), einem gebürtigen Quedlinburger, zu erwähnen, ein Sammelgebiet der Bibliothek.

3. KATALOGE

3.1 Moderne Kataloge

Alphabetischer Katalog

[in Zettelform; nach hauseigenen Regeln]

Systematischer Katalog

[im Aufbau]

3.2 Historische Kataloge

Inventarium Aller Bücher, Landcharten, Kupfer, Gemälde, Contrafaite, und aller andern Sachen, so in der von der Hochwürdigsten Durchlauchtigsten Fürstin und Frauen, Frauen Annen Dorotheen, Herzogin zu Sachsen, Jülich, Cleve und Berg ... des Kayserl. freyen Weltlichen Stiffts Quedlinburgk Abbatißin ... Neu angelegten Bibliothec zu finden, Angefangen d. 17. Septembr. Anno 1686 [Bandkatalog; 2 Bde; hschr., in Folio]

Systematischer Katalog der Stiftsbibliothek

[Bandkatalog; ab 1750 angelegt von Friedrich August Boysen; 2 Bde; hschr., in Folio]

1. [Catalogus] Libros omnes ... cum manuscriptis continens

2. Bibliothecae Servitanae Quedlinburgensis nunc Regiae Catalogus

Accessions-Catalog der Stiftsbibliothek

[verzeichnet die Zugänge von ca. 1705 bis 1750/52; Anlage nach Formaten, durchnumeriert]

Schmidt, Wilhelm Werner Johann: Verzeichniß der in dem Zittergewölbe der St. Servatii Kirche zu Quedlinburg befindlichen Merkwürdigkeiten. Zusammengestellt im Jahre 1830 [Inventarnummern 68-212 beinhalten Bücher der Stiftsbibliothek]

Huch, Heinrich Conrad; Kleemann, Selmar: Verzeichniß der Stadt-Bibliothek zu Quedlinburg. Hrsg. im Auftrage der Stadtbehörden. Quedlinburg 1896. 1. und 2. Nachtrag der Zugänge der Jahre 1896-1902; 1902-1908. Quedlinburg 1902 und 1908

4. DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

Eckhard, Tobias: Kurtze Nachricht von den Öffentlichen Bibliothequen zu Quedlinburg ... Quedlinburg 1715 Fritsch, Johann Heinrich: Geschichte des vormaligen Reichsstifts und der Stadt Quedlinburg. Quedlinburg 1828 Reitzammer, Margrid: Die Geschichte der Historischen Bibliothek Quedlinburg. In: Quedlinburger Annalen. Heimatkundliches Jahrbuch für Stadt und Region Quedlinburg 1 (1998) S. 15-41

5. VERÖFFENTLICHUNGEN ZU DEN BESTÄNDEN

Alpermann, Gerd: Wiege des Poeten. Klopstock-Museum Quedlinburg. Saniertes Dichterhaus wird morgen zum Doppel-Jubiläum wiedereröffnet. In: Mitteldeutsche Zeitung 10 (1999) Nr. 150, S. TT 4

Anders, Detlef: Chronisten geben sich hier die Klinke in die Hand. Bibliothek des Schloßmuseums Quedlinburg beherbergt wertvolles historisches Schriftgut. In: Mitteldeutsche Zeitung, Ausgabe Quedlinburg 5 (1994) Nr. 115, S. 12

Eggert, Kathrin; Reitzammer, Margrid: Wörterbücher, Lexika, Schriften aus Theologie und Naturkunde. Zu Gast in der Bibliothek des Quedlinburger Schloßmuseums. In: Mitteilungsblatt der Bibliotheken in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt 79 (1991) Anhang [Nachdruck aus der Magdeburger Volksstimme vom 8. März 1991]

Kohl, Alfred: Die werthvollen Drucke der Gymnasialbibliothek. Beilage zum Programm des Koeniglichen Gymnasiums zu Quedlinburg. Quedlinburg 1878

Stand: Mai 1999

Erhardt Mauersberger


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.