FABIAN HANDBUCH: HANDBUCH DER HISTORISCHEN BUCHBESTÄNDE IN DEUTSCHLAND, ÖSTERREICH UND EUROPA SUB Logo
 
Home
HomeRegionen:Stadtregister:Abkürzungen
Volltextsuche:

trunkiert

BenutzerprofilLogin

Impressum
 Home > Oesterreich > Salzburg > Mattsee

Bibliothek des Insignen Kollegiatstiftes

Adresse. Tassiloweg 38, 5163 Mattsee [Karte]
Telefon. (0662) 84 36 50 (Stiftsverwalter)

Unterhaltsträger. Kollegiatstift Mattsee
Funktion. Stiftsbibliothek.
Sammelgebiete. Theologie, Philosophie, Geschichte, Recht, Naturwissenschaften.
Benutzungsmöglichkeiten. Anmeldung 14 Tage vorher beim Stiftsverwalter (Dr. Johannes Müller, Hellbrunner Straße 7a, 5020 Salzburg) notwendig. - Leihverkehr: nicht angeschlossen.
Hinweise für anreisende Benützer. Westbahn bis Salzburg, von dort Busverbindung nach Mattsee. - A 1 bis Wallersee, dann Richtung Obertrum, Mattsee.

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Um 777 gründete der Bayernherzog Tassilo III. Agilolfinger das monasterium Mattsee, das im 10. Jh in ein Kollegiatstift umgewandelt wurde. Seit dem frühen 9. Jh dürfte eine Bibliothek bestanden haben, wie das vorhandene Mattseer Fragment eines karolingischen Bibeltextes als ältester Beleg eines heute noch 68 Volumina umfassenden Handschriftenbestandes bezeugen mag. In mittelalterlicher Zeit waren Archiv und Bibliothek miteinander verbunden. 1276 dürften bei einem verheerenden Brand beide Einrichtungen vernichtet worden sein, sodaß mit Dechant Christian Gold (1388) ein Neuanfang gesetzt werden mußte. Viele Kanoniker hinterließen der Stiftsbibliothek ihre privaten Büchersammlungen; für Handschriftenlegate sind 13 Namen bekannt, für Legate von Inkunabeln und Frühdrucken 25, darunter Propst Johannes Troster (1481), Kanonikus Bernhard Schrecksmel de Peuerbach (um 1500) und Kanonikus Wolfgang Odtperger (1524).

1.2 Unter den Stiftsdechanten Johann Ölperl (reg. 1713-1721), Franz Sebastian Wisinger (reg. 1731-1774) und Heinrich Moser (reg. 1774-1780) waren Bibliothek und Archiv benachbart südlich der Kirche untergebracht. 1731 vermachte Kanonikus Wolfgang Karl Daniel seine Büchersammlung dem Kollegiatstift. Kanonikus Cölestinus Alterdinger verfaßte 1757 den ersten Katalog, welcher 1298 Titel enthält. Als zweiter Gründer der Stiftsbibliothek kann Dechant Leopold Andreas Wöckl (reg. 1780-1800) bezeichnet werden; entsprechend dem Bildungsideal der Aufklärung verfolgte er eine vielseitige Erwerbungspolitik. Dem aus Millstatt (Kärnten) kommenden Exjesuiten Matthias Rieberer gab er von 1780 bis 1794 in Mattsee Heimat; aus dessen Nachlaß dürften die mit Miniaturen geschmückten beiden ersten Bände der Annales Ferdinandei (Regensburg 1640) von Franz Christoph Graf von Khevenhüller stammen.

1.3 Die politischen Ereignisse zwischen 1800 und 1816 führten zu Verlusten von Hss., Archivalien und Drucken. 1806 mußten 12 wertvolle Hss. und zahlreiche Inkunabeln nach Wien abgeliefert werden, nachdem an Dechant Franz Michael Fahrnwanger der Auftrag ergangen war, das Repertorium von Archiv und Bibliothek zu übersenden. Ab 1813 ordnete Kanonikus Ignaz Thanner Archiv und Bibliothek, führte in der Bibliothek den Numerus currens ein und erstellte einen Katalog (vor 1843). Ein größerer Bestandszuwachs konnte 1842 durch die Übernahme der Bibliothek (282 Titel) des Kanonikus Josef Strigl verzeichnet werden; allerdings mußten davon neun verbotene Bücher, darunter Knigges Über den Umgang mit Menschen (1793), der Behörde abgeliefert werden. Insignes Kollegiatstift

1.4 1852 wurde die Bibliothek aus den bisherigen unzureichenden Räumlichkeiten im Erdgeschoß des Stiftes in den südlich des Stiftsturmes 1767 von Wolfgang Hagenauer erbauten Repräsentationssaal verlegt, in welchem sich der Altbestand bis heute befindet; die neobarocken Regale ließ Propst Anton Ziegler (reg. 1905-1929) zwischen 1907 und 1908 anfertigen. Weitere Bücher (Neue Bibliothek mit Schwerpunkt 19. und 20. Jh) sind in der neuen Propstei deponiert (s. u. 2.5). 1912 erstellte der Bibliothekar des Benediktinerstiftes St. Peter in Salzburg, P. Augustin Jungwirth, einen Katalog der Hss. und Inkunabeln, nachdem 1905 Dominicus Müller die zuvor separierten Archivbestände neu katalogisiert hatte. Robert Neumann-Ettenreich legte einen Spezialkatalog über die juridischen Werke an, und zwischen 1917 und 1923 verfaßte Kanonikus Matthias Wolfgruber einen Bibliothekskatalog.

1.5 Die katastrophale wirtschaftliche Entwicklung zwang Propst Ziegler in den Jahren 1925 bis 1927 zum Verkauf vieler wertvoller Hss., Inkunabeln, Frühdrucke und Graphiken (hauptsächlich an den Antiquar J. J. Köhler in Leipzig). 1944 kam es zur Beschlagnahmung der Stiftsgebäude und damit auch von Bibliothek und Archiv durch die NS-Behörden, wodurch weitere Verluste auftraten.

1.6 Unter Propst Karl Gebetsberger (reg. 1974-1994) und den Stiftsverwaltern August und Johannes Müller wurde 1977 anläßlich des 1200-Jahr-Jubiläums das alte Stiftsgebäude zu einem Kulturzentrum mit Stiftsmuseum, Veranstaltungsräumen, Archiv und Bibliothek adaptiert. Der Bibliothekssaal bildet einen Teil der musealen Einrichtung; ein Handschriften- und Inkunabelzimmer kann nach Voranmeldung benützt werden. Der gesamte Bestand wurde zwischen 1977 und 1985 von Hans und Gerlinde Spatzenegger katalogisiert.

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

2.1 Bei einem Gesamtumfang von 5557 Titeln sind 4519 Titel dem historischen Bestand zuzuzählen. Neben 94 Inkunabeln sind 184 Titel aus dem 16. Jh vorhanden (3,3 Prozent, darunter 45 Drucke aus der Zeit vor 1550), 545 aus dem 17. Jh (9,8 Prozent), 2047 aus dem 18. Jh (36,5 Prozent) und 1649 aus dem 19. Jh (29,7 Prozent).

2.2 Sämtliche Inkunabeln und Frühdrucke liegen in lateinischer Sprache vor. Die Drucke aus der zweiten Hälfte des 16. Jhs und aus dem 17. Jh sind zu mehr als 50 Prozent lateinisch, jene des 18. und 19. Jhs fast durchwegs deutsch; fremdsprachige Werke beschränken sich auf polyglotte Bibelausgaben sowie auf Dictionarien und Grammatiken (französisch, italienisch, englisch). Der chronologischen und sprachlichen Übersicht liegt die Auswertung des Alphabetischen Kataloges zugrunde, der systematischen Übersicht die Realieneinteilung Ignaz Thanners (um 1843).

2.3 Die Inkunabeln und Frühdrucke betreffen vor allem Theologie und Rechtswissenschaft, aber auch Lehrbücher befinden sich darunter. Vertreten sind weiters die lateinischen Klassiker (u. a. Ausgaben der Werke von Cicero und Plinius major), liturgische Drucke, z. B. Missalien (Wien 1503 und Regensburg 1515) und Psalmen (Basel 1516), sowie aszetische und homiletische Werke (u. a. von Johannes von Gerson, Petrus von Natalibus, Nikolaus von Lyra). Auch H. C. Agrippas De occulta philosophia (1533) liegt vor. Unter den deutschsprachigen Frühdrucken sind u. a. Petrus Apianus' Instrument-Buch (1533) und Jacobus Bracellus' Chronik vom Hispanischen und Neapolitanischen Krieg (1543).

2.4 Die Alte Bibliothek ist im Hauptsaal nach dem Numerus currens aufgestellt. In Ermangelung eines den Gesamtbestand erfassenden Systematischen Kataloges kann für die Zahlenangaben nur die Realieneinteilung Ignaz Thanners, die aus der Zeit um 1843 stammt, herangezogen werden. Demnach entfallen 76 Titel auf Literatur, 16 auf Schulschriften, 78 auf römische und griechische Klassiker, 112 auf Philologie, 462 auf Theologie, 110 auf Philosophie, 93 auf Belletristik, 377 auf Geschichte, 106 auf Kirchengeschichte, 102 auf Kirchenrecht, 127 auf Biblica, 46 auf Konzilien, 95 auf Mathematik und Physik, 60 auf Naturgeschichte und Ökonomie, 320 auf Juridica und Politica.

2.5 Die in der neuen Propstei deponierte sogenannte Neue Bibliothek besteht aus rund 1760 Werken, von denen ca. 800 bis 1900 erschienen sind. 440 Werke aus dem 16. bis 18. Jh betreffen die Rechtswissenschaft. Im übrigen überwiegen Drucke des 19. und 20. Jhs zu den Bereichen Theologie, Geschichte, Naturwissenschaften und Recht.

3.KATALOGE

3.1 Moderne allgemeine Kataloge

Autorenkatalog

[in Zettelform, nach vereinfachten PI; erstellt zwischen 1977 und 1985 von Hans und Gerlinde Spatzenegger]

Standortkatalog [im Aufbau]

Systematischer Katalog [im Aufbau]

3.2 Moderne Sonderkataloge

Systematischer Katalog der Werke juridischen Inhalts [1915 hschr. erstellt, 1923 revidiert von Robert Neumann-Ettenreich; Einteilung in 16 Untergruppen]

Verzeichnis der Handschriften und Wiegendrucke

[hschr., 1912 erstellt von P. Augustin Jungwirth; Inkunabeln sind nach Autoren bzw. Titeln verzeichnet, außerdem gibt es ein Standort-, Druckorte- und Druckerverzeichnis sowie eine Liste der Vorbesitzer]

3.3 Historische Kataloge

Autorenkatalog

[Bandkatalog; erstellt Mitte des 18. Jhs, unbekannter Verfasser]

Autorenkatalog

[Bandkatalog; angelegt vor 1843 von Ignaz Thanner; Titel in 15 Fächer unterteilt]

Katalog der Stiftsbibliothek

[hschr. Bandkatalog; erstellt von 1917 bis 1923 von Matthias Wolfgruber mit Einteilung in 37 Klassen; verzeichnet Bücherlegate von Propst Anton Ziegler und Kanonikus Josef Landsteiner]

Catalogus Librorum latinorum, quos tanquam fundum in structum legavit ad Parrochiam Obertrum Rev. Dominus Franciscus [Michael] Fahrnwanger, Decanus in Mattsee ac Parochus in Obertrum

[1811 erstellter Bandkatalog; von den 324 legierten Titeln gehören 54 zur Theologie, 77 zur Geschichte, 103 zur Jurisprudenz, 90 sind Varia]

4. QUELLEN UND DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

4.1 Archivalien

Material zur Geschichte der Stiftsbibliothek findet sich in Akt 49 des Stiftsarchivs von Mattsee.

4.2 Darstellungen

Spatzenegger, Hans: Archiv und Bibliothek. In: Franz Calliari (Hrsg.): Festschrift zur 1200-Jahr-Feier des Stiftes Mattsee. Salzburg 1977, S. 75-79

5. VERÖFFENTLICHUNGEN ZU DEN BESTÄNDEN

Mattsee. In: Österreichische Kunsttopographie. Hrsg. vom Kunsthistorischen Institute der k.k. Zentral- Kommission für Denkmalpflege. Bd 10, Teil 2. Wien 1913, S. 265-325

[zu den Beständen der Stiftsbibliothek S. 322-325]

Stand: Februar 1995

Adolf Hahnl


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.