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Bibliothek des Jacobson-Gymnasiums

Adresse. St. Annen-Str. 23, 38723 Seesen [Karte]
Telefon. (05381) 9 37 40
Telefax. (05381) 93 74 74

Unterhaltsträger. Landkreis Goslar
Funktion. . Schul- und Schülerbibliothek.
Sammelgebiete. Der Altbestand wird nicht vermehrt.

Benutzungsmöglichkeiten. Ausleihbibliothek (nicht für historische Bestände). Benutzung der historischen Bestände nach Voranmeldung. - Leihverkehr: nicht angeschlossen.
Technische Einrichtungen für den Benutzer. Kopiergerät.
Hinweise für anreisende Benutzer. Anmeldung erforderlich. - Fußwegnähe vom Bahnhof (ca. 15 Minuten). A 7, Ausfahrt Seesen. Parkplätze vor dem Haus.

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Die Geschichte der Bibliothek ist aufs engste mit der Entwicklung der Schule verbunden. Diese wurde 1801 durch den Braunschweiger Kammeragenten Israel Jacobson (1768-1828) als Religions- und Industrie-Institut für Juden gestiftet, seit 1802 auch für Christen geöffnet. Seit 1922 war sie staatliche Oberrealschule. 1954 wurde der Landkreis Gandersheim Schulträger, das Internat schloß 1955. Seit 1975 trägt die Schule den Namen Jacobson-Gymnasium.

1.2 Die systematische Planung des Schulgründers umschloß auch eine Schulbibliothek, die nachweislich Bestände aus seinem Privatbesitz aufnahm. Dieser Grundstock wurde durch planmäßige Ankäufe ausgebaut. Zwei Söhne von Israel Jacobson hinterließen größere Bestände: Meyer Jacobson (1789-1877) 2257 Bde, Hermann Jacobson (1801-1890) eine ungenannte Anzahl. Diese sind in den Hauptbestand integriert. Einen weiteren Sonderbestand bildet die 350 mathematische Bände umfassende Stiftung der Bibliothek von Prof. Gustav Wertheim (1843-1902, Mathematiker und Naturwissenschaftler, Schüler in Seesen, 1870-1900 Lehrer am Philanthropin in Frankfurt).

1.3 Ihre Bedeutung für die jüdische Erziehung verlor die Schule 1933. Der letzte jüdische Schüler verließ 1936 das Alumnat. Die Bibliothek konnte in ihren historischen Beständen erhalten bleiben. Ältere Hebraica wurden 1931 an die jüdische Gemeinde Braunschweigs abgegeben (zerstört). Wesentliche Teile der Abteilung Theologica gelangten 1972 an den Landesverband der jüdischen Gemeinden Niedersachsens in Hannover, die Wertheim-Bibliothek 1968 an die Universitätsbibliothek Göttingen.

1.4 Auch wenn der Bestand heute auf mehrere Standorte verteilt ist, bleibt er vollständig überschaubar. Er repräsentiert damit die einzige überkommene Bibliothek einer bedeutenden jüdischen Reformschule in Norddeutschland. Vergleiche sind nur mit der ehemaligen Samson-Schule in Wolfenbüttel möglich, deren Bibliothek aber nur noch in Umrissen erkennbar ist.

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

2.1 Der weitaus größte Teil der Bibliothek stammt aus dem 19. Jh. Das 18. Jh ist in geringerem Umfang vertreten. 1927 umfaßte die Bibliothek 8575 Bde, 5968 davon systematisch gegliedert (ohne die oben genannten drei Stiftungen). Diese verteilen sich wie folgt: Theologie, Religion, Judaica 771; Pädagogik, Philosophie 860; Geschichte, Geographie 1397; Naturwissenschaften 585 und Mathematik 181 Bde. Weiterhin Literatur in deutscher Sprache 969, in hebräischer 98, in griechischer und lateinischer 366, in französischer und englischer 500 und in anderen Sprachen 56 Bde. Die Gruppe Verschiedenes umfaßt 174 Bde, die Gruppe Musik 11.

2.2 Vor dem Hintergrund der programmatischen Ausrichtung der Schule als jüdische Reformanstalt ist die erste Abteilung Theologie von besonderem Interesse. Es überwiegen Schriften des Reformjudentums; aber auch traditionalistische sind vertreten. Dies deutet auf eine intensive Auseinandersetzung mit diesen beiden Hauptströmungen im deutschsprachigen Judentum des 19. Jhs. Theologische Werke in hebräischer Sprache wurden nach 1900 nicht mehr angeschafft. Ansonsten überwiegen Werke für den praktischen Gebrauch, z. B. Bibelausgaben in allen westeuropäischen Sprachen (evangelische wie katholische), hebräische in verschiedenen Ausgaben. Zahlreich finden sich jüdische Gottesdienstordnungen sowie Gesangbücher aus deutschsprachigen Herkunftsgebieten, ganz offensichtlich zu Vergleichszwecken angeschafft. Bemerkenswert ist, daß auch evangelische Gesangbücher vorhanden sind.

2.3 In der Abteilung Pädagogik geben die fortschrittlichen Werke den Ton an. Das Spektrum ist vielseitig. Theorie und Praxis der Pädagogik werden vorrangig berücksichtigt (am Anfang steht J. H. Campe, Allgemeine Revision des gesamten Schul- und Erziehungswesens, 1785-1791, sowie J. B. Basedow, Methodenbuch für Väter und Mütter der Familien und Völker, 1770). Aber auch die Schriften C. G. Salzmanns sind vertreten. Beschreibungen verschiedener Schulformen wurden gesammelt und ausländische Modelle beobachtet (so I. W. H. Z. Macaulay, Über die Vortheile der in England eingeführten Sonntagsschulen, 1794).

2.4 Bemerkenswert zahlreich sind Werke zur Gymnastik und zum Turnunterricht aus den ersten Jahrzehnten des 19. Jhs. Gelegentlich wurden auch medizinische Probleme berücksichtigt. Ein Randproblem ist z. B. mit A. Zeune, Über den Unterricht der Blinden (1821) beachtet worden. Auffällig ist die geringe Zahl von Werken zur Musik (I. Jacobson stiftete 1810 die erste synagogale Orgel). Auch der für die Schule wichtige Bereich des Handwerk- und Industrieunterrichts hat sich in der Bibliothek nicht niedergeschlagen. In der Systematik nicht ausgewiesen, aber reichhaltig vorhanden ist die Schöne Literatur, oft in selteneren Ausgaben. Neben Autoren der Weltliteratur überwiegen hier zeitgenössische fortschrittsgläubige Autoren.

3. KATALOGE

Systematischer Katalog

[hschr.; aus der zweiten Hälfte des 19. Jhs, geführt bis 1927. Da die Altsignaturen erhalten blieben, ist er noch immer maßgeblich für die Erschließung der Bibliothek.]

Die Bestände sind weder im Niedersächsischen Zentralkatalog noch in der Zeitschriftendatenbank (ZDB) nachgewiesen.

4. DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

Arnheim, [Josef]: Bericht über die Jacobson-Schule zu Seesen am Harz für die Zeit von Michaelis 1867 bis Ostern 1871. Hannover 1871, S. 45 [Schulprogramm; in den folgenden Schulprogrammen befinden sich weitere Daten zur Bestandsvermehrung mit Angabe der neu erworbenen Titel]

Ballin, Gerhard: Die Bibliothek des Gymnasiums in Seesen [unveröffentliches Typoskript; undatiert; in der Bibliothek]

Ballin, Gerhard: Die Jacobson-Schule in Seesen. Ein Beitrag zu ihrer Geschichte. In: Tausend Jahre Seesen. Beiträge zur Geschichte der Stadt Seesen am Harz. Seesen 1974, S. 349-402

Ballin, Gerhard: Zur Geschichte der Jacobson-Schule in Seesen. In: Lessings " Nathan" und jüdische Emanzipation im Lande Braunschweig. Wolfenbüttel 1981, S. 88-103; repr. Wolfenbüttel 1990, S. 57-60

Ballof, Rolf: 175 Jahre Jacobson-Gymnasium Seesen. Seesen 1976 [S. 7-8

Zeittafel zur Geschichte der Schule] Busch, Ralf: Die jüdischen Reformschulen in Wolfenbüttel und Seesen und ihre Bibliotheken. In: Rainer Erb; Michael Schmidt (Hrsg.): Antisemitismus und jüdische Geschichte. Studien zu Ehren von Herbert A. Strauss. Berlin 1987, S. 173-183

Festschrift zur 150-Jahrfeier der Städt. Oberschule für Jungen (ehemalige Jacobson-Schule). Seesen 1951 [S. 24 zur Bibliothek]

5. VERÖFFENTLICHUNGEN ZU DEN BESTÄNDEN

Ans Licht geholt. Ausstellung alter Bibeln aus Seesen in der Volksbank in Seesen. Katalog der Ev.-luth. Propstei Seesen. Hrsg. von Peter Kapp. Seesen 1992 [S. 16-19

Leihgaben aus dem Jacobson-Gymnasium] Jacobmeyer, Wolfgang: Von " öden Verzeichnissen" zu " erhabenen Beyspielen". Beobachtungen an deutschen Unterrichtsmaterialien aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. In: Internationale Schulbuchforschung 9 (1987) S. 233-249

Stand: November 1996

Ralf Busch


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.