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Bibliothek der evangelischen Kirchengemeinde St. Petri

Adresse. Am Kirchplatz 7, 17438 Wolgast [Karte]
Telefon. (03836) 20 22 69 Kirchenbüro; 60 00 41 Superintendentur
Telefax. (03836) 60 00 41 Superintendentur
Bibliothekssigel. Kirchlicher Zentralkatalog <P 24>

Unterhaltsträger. Evangelische Kirchengemeinde St. Petri Wolgast
Funktion. Historische Kirchenbibliothek.
Sammelgebiete. Der Altbestand wird nicht vermehrt.

Benutzungsmöglichkeiten. Präsenzbibliothek. Benutzung nach Vereinbarung. Leihverkehr: kirchl. Leihverkehr.
Technische Einrichtungen für den Benutzer. Kopiergerät.
Hinweise für anreisende Benutzer. Schriftliche oder telefonische Anmeldung erforderlich. Fußwegnähe vom Bahnhof Wolgast (ca. 10 Minuten). B 96 (E 251) bis Greifswald, B 109 und B 111 bis Wolgast; von Berlin B 96 (E 251) bis Jarmen, B 111. Parkplatz an der Kirche St. Petri.

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Die Wolgaster Kirchenbibliothek wurde 1598 von Samuel Marcus, Pastor und Präpositus der Wolgaster Kirche, begründet. Bis 1630 baute er den Bestand durch Ankauf von Büchern aus Privatbibliotheken, Kirchen und Klöstern und durch Geschenke auf. Damit folgte er der Anregung Johann Bugenhagens, die Herzog Philipp I. in eine Verordnung aufgenommen hatte, daß Bücher aus den aufgelösten Klöstern gesammelt und zu " Libereyen" vereinigt werden sollten. Aus dem Zisterzienserkloster Eldena stammen nachweislich 68 Bde, ebensoviele aus dem Kloster Jasenik bei Stettin. Aus dem Wolgaster Schloß sind einige Bände in die Kirchenbibliothek gelangt. Neben Inkunabeln und Kirchenväter-Ausgaben befanden sich darunter wertvolle Drucke aus der Reformationszeit, so die Streitschriften Ulrich von Huttens mit Randbemerkungen von seiner Hand. Auf die 36zeilige Gutenberg-Bibel wurde man erst 1890 aufmerksam ( s. u. 1.2). Die Bibliothek besaß um 1830 über 950 Bde.

1.2 Mehr als vier Jahrzehnte lang im gewölbten, kapellenartigen Raum an der Südseite der St. Petri-Kirche sicher aufbewahrt, überstand die Sammlung auch den großen Stadtbrand von 1713. Schon 1820 äußerte der letzte schwedische Generalgouverneur die Absicht, die Wolgaster Kirchenbibliothek der Universitätsbibliothek Greifswald einzuverleiben. Aber erst als die St.-Petri-Gemeinde durch notwendige Reparaturen an ihrer Kirche in Finanzschwierigkeiten geriet, sah sich der damalige Superintendent Dr. Lorenz Stenzler genötigt, am 15. Juli 1831 an die Universitätsbibliothek in Greifswald 938 Prunkbände für nur 500 Taler zu verkaufen. Darunter befand sich auch die Gutenbergbibel. Sie wird heute noch in der Greifswalder Universitätsbibliothek aufbewahrt. Die Bücher wurden in 13 Kisten verpackt, versiegelt und nach Greifswald gebracht. Karl Christian Heller, 1770 in Wiek auf Rügen geboren und 1837 in Wolgast verstorben, ein Freund Ernst Moritz Arndts, erhielt 1820 die Archidiakonatsstelle in Wolgast und stand gleichzeitig als Bibliothekar der Wolgaster Kirchenbibliothek vor. Er fertigte eine leider verlorene Liste der verkauften Bücher an.

1.3 Der Aufbau einer neuen Bibliothek erfolgte durch Karl Christian Heller, der den Verkauf sehr bedauerte. Er begann mit 26 verbliebenen Bänden und Schriften, deren Titel uns in einem von ihm angelegten Verzeichnis erhalten sind, eine neue Kirchenbibliothek aufzubauen. Ohne finanzielle Hilfe und im wesentlichen durch Schenkungen hat er bis zu seinem Tod im Jahr 1837 die Bibliothek mit 700 in einem Katalog verzeichneten Büchern und Schriften neu erstellt. Einen wesentlichen Beitrag dazu leisteten seine Verwandten, darunter sein Schwager Dr. Friedrich Creplin in Greifswald und sein Vetter Dr. Gottlieb Christian Friedrich Mohnike. Beleggeschenke kamen auch von Superintendenten, Pfarrern und Lehrern der Umgebung, ferner von den Professoren Christian Friedrich Hornschuch, Johann Friedrich Laurer aus Greifswald, Carl Gustav Homeyer aus Berlin und Friedrich Perthes aus Gotha. Daraus erklärt sich, daß das Profil der Sammlung nicht scharf gezogen ist und wichtige Standardwerke fehlen. Die Regierung in Stralsund gab Karl Christian Heller nach langem Drängen die Zusicherung, daß die wiederbegründete Bibliothek unveräußerliches Eigentum der Kirche in Wolgast sei.

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

2.1 Die Bestandsbeschreibung erfolgt nach der Auszählung des Alphabetischen Katalogs, da ein Sachkatalog nicht vorhanden ist. Die Bücherverzeichnisse aus den Jahren 1831 und 1856 zeigen, daß erhebliche Lücken entstanden sind. Die Bücher sind ohne Rücksicht auf Sachgebiete laufend in der Abfolge der Schenkungen oder Erwerbungen numeriert.

Chronologische Übersicht und Übersicht nach Sprachen

2.2 Von 1489 Titeln entfallen auf das 16. Jh 20 und auf das 17. Jh 58. Der Großteil des Bestandes stammt aus dem 18. Jh mit 722 Titeln und dem 19. Jh mit 618. 11 Titel aus dem 20. Jh kommen hinzu.

2.3 961 deutschen Titel stehen 421 Titel in Latein gegenüber. In französischer Sprache liegen 66 Titel vor; 41 verteilen sich auf Englisch, Schwedisch, Holländisch und Niederdeutsch.

Systematische Übersicht

2.4 Zu den Bibelausgaben, Bibelkommentaren und Exegetica gehören 80 Titel, darunter eine Hs. aus dem 19. Jh, die vermutlich Druckvorlage für einen Bibeldruck der Pommerschen Bibelgesellschaft gewesen ist. Biblische Textgeschichte und Palästinakunde sind mit 14 Titeln vertreten. Nur 3 Kirchenväter-Ausgaben und 10 Titel zur Reformationsgeschichte sind vorhanden, dagegen 46 Werke über die Bekenntnisschriften und dogmatische Themen. Systematische Theologie, vor allem mit polemischen und apologetischen Themen, ist mit 114 Titeln vertreten.

2.5 Die Praktische Theologie bildet mit 185 Titeln einen Schwerpunkt der Sammlung. Dabei stehen Predigtsammlungen und Postillen mit 106 Bdn an erster Stelle. 56 Titel befassen sich mit Katechetik und Schulwesen, 18 mit Seelsorge und Pastoraltheologie, darunter 12 exponierte Katechismen. Zur Erbauungsliteratur gehören 44 Titel. Für den gottesdienstlichen Gebrauch sind neben liturgischen Werken und Agenden, darunter eine mit einer Pommerschen Kirchenordnung zusammengebundene von 1568, auch 26 Gesangbuch-Ausgaben vorhanden.

2.6 Die Missionswissenschaft ist mit 20 Titeln vertreten. Großes Interesse galt offensichtlich der Kirchengeschichte, besonders im regionalen Bereich (39 Titel). Leider ist Das große Pomrische Kirchen-Chronicon D. Danielis Crameri (Alt-Stettin 1618) abhanden gekommen. Zur allgemeinen Kirchengeschichte, einschließlich der Religionsgeschichte, sind 32 Titel, zum Staats- und Kirchenrecht 48 Titel vorhanden.

2.7 Sprachwissenschaftliche Literatur, besonders griechische und lateinische Klassiker, Neulateiner, Sprachlexika und Grammatiken, aber auch geisteswissenschaftliche Titel aus den Bereichen Philosophie, Rhetorik, Poesie und Kunst kamen durch Schenkungen in die Bibliothek (128 Titel).

2.8 Die Naturwissenschaften sind mit insgesamt 114 Titeln für eine Kirchenbibliothek zahlreich vertreten. Die Medizin umfaßt 57 Titel, vorwiegend in lateinischer Sprache. Erwähnenswert sind eine französische Enzyklopädie von 1775 und medizinische Bücher, vorwiegend in lateinischer Sprache.

2.9 Hochschulschriften in 8 Konvoluten mit 322 Titeln bilden einen weiteren Schwerpunkt. Sie betreffen die Theologie, Philosophie und Medizin und stammen hauptsächlich aus der Mitte des 18. Jhs und aus den Hochschulen von Greifswald, Rostock, Halle, Wittenberg, Berlin, Jena, Kiel, Göttingen und Frankfurt/Oder. Dazu kommen Personalschriften mit 119 Titeln. Eine Kostbarkeit stellen Kollegschriften von Karl Christian Heller und Ernst Moritz Arndt dar, die 1988 als solche identifiziert werden konnten. Es handelt sich, wie inzwischen einwandfrei feststeht, um Nachschriften der Vorlesungen der Theologieprofessoren Griesbach, Paulus, Schlegel und Ziemssen in Jena und Greifswald zwischen 1793 und 1796.

2.10 An Zeitschriften, Jahrbüchern, Katalogen, bibliographischen und geographischen Werken (Atlanten) sind 85 Titel vorhanden. Die meisten Zeitschriften sind nur in einzelnen Jahrgängen vorhanden. Zu den ältesten Ausgaben gehören Acta eruditorum (1704), der Teutsche Merkur (1773), Magazin für christliche Dogmatik und Moral (1797) und das Magazin für Freunde der Naturlehre und Naturgeschichte (1794).

3. KATALOGE

3.1 Moderner Katalog

Alphabetischer Katalog [1991; nach RAK]

Der Bestand ist im Kirchlichen Zentralkatalog nachgewiesen.

3.2 Historische Kataloge

Alte Kataloge [Bücherverzeichnisse, mit Nachträgen aus den Jahren 1831 und 1856]

Heller, Karl Christian: Notitiae quaedam ad Bibliothecam Templi Wolgastiensis pertinentes

[1831; hschr.]

Heller, Karl Christian: Catalogus Librorum, ab anno Christi 1831 [hschr.]

4. DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

Berghaus, Heinrich: Landbuch von Pommern und Rügen. Anklam-Stralsund 1868, Bd 2, Teil 4, S. 788-792

Holtz, Gottfried: Ländliche Kirchenbibliotheken auf Rügen: Wiek, Sagard, Lancken. In: Wissenschaftliche Zeitschrift der Universität Rostock 5 (1955/56) Heft 1, S. 70-71 [über den Ursprung der pommerschen Kirchenbibliotheken]

Heyden, Hellmuth: Kirchengeschichte von Pommern. Köln-Braunsfeld 1957, Bd 2, S. 226-227

Schroeder, Horst-Dieter: Wolgaster Kulturschätze, gepflegt und bewahrt in der Ernst-Moritz-Arndt-Universität. In: Wolgast Buch 3. Hrsg. vom Rat des Kreises Wolgast. Wolgast 1986, S. 82-87 Petrick, Christine: 160 Jahre Kirchenbibliothek Wolgast in der UB Greifswald. In: Universitätszeitung 2 (1991) Heft 13, S. 8

Stand: Dezember 1992

Erika Kehnscherper


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.