FABIAN HANDBUCH: HANDBUCH DER HISTORISCHEN BUCHBESTÄNDE IN DEUTSCHLAND, ÖSTERREICH UND EUROPA SUB Logo
 
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Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen (SUB)

Adresse. Platz der Göttinger Sieben 1, 37073 Göttingen; [Karte]
Altbau Papendiek 14, 37073 Göttingen [Karte]
Telefon. (0551) 39-25759 (Sekretariat) und 39-25231 (Auskunft 1) 39-21872 (Auskunft 2)
E-mail. [information@sub.uni-goettingen.de]
URL. http://www.sub.uni-goettingen.de
Sigel <7>

Unterhaltsträger. Land Niedersachsen
Funktion.

  1. Zentralbibliothek der Georg-AugustUniversität Göttingen.
  2. Bibliothek der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen.
  3. Staatliche Aufgaben:
    1. Sitz der Verbundzentrale des Gemeinsamen Bibliotheksverbundes der Länder Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Bremen, Hamburg,Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein.
    2. Führung des Niedersächsischen Zentralkataloges NZK (als Datenbank). -
    3. Organisation des Büchertransportdienstes.
  4. Weitere überregionale Aufgaben:
    1. Nationalarchiv Sammlung Deutscher Drucke des 18. Jahrhunderts. -
    2. Pflichtexemplarrecht: von 1828 bis April 1965 für die ehemalige Provinz Hannover. -
    3. Depotbibliothek für amtliche Druckschriften des Landes Niedersachsen seit 1970. -
    4. Servicezentrum für den Aufbau einer virtuellen digitalen Forschungsbibliothek (Deutsche Forschungsgemeinschaft).

Sammelgebiete.

  1. Allgemeine Sammelgebiete: Sämtliche Wissenschaftsgebiete. -
  2. Sammelgebiete der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG bis 2015:
  *SSG 6.26 Altaistik, Paläoasiatische Sprachen und Literaturen 
  *SSG 7.24 Anglistik (Allgemeines) 
  *SSG 7.25 Großbritannien und Irland 
  *SSG 7.26 Nordamerika (USA und Kanada) 
  *SSG 7.27 Keltologie 
  *SSG 7.29 Australien und Neuseeland 
  *SSG 7.50 Finno-Ugristik (Allgemeines) 
  *SSG 7.51 Finnland 
  *SSG 7.52 Ungarn 
  *SSG 7.53 Estnische Sprache und Literatur 
  *SSG 11 Naturwissenschaften (Allgemeines) 
  *SSG 13 Geologie, Mineralogie, Petrologie und Bodenkunde 
  *SSG 14 Geographie 
  *SSG 16.12 Astronomie, Astrophysik, Weltraumforschung 
  *SSG 16.13 Geophysik 
  *SSG 17.1 Reine Mathematik 
  *SSG 23 Forstwissenschaft 
  *SSG 24 Allgemeine Wissenschaftstheorie, Geschichte und
  Organisationen der Wissenschaften und ihrer Einrichtungen 
  *SSG 24.1 Informations-, Buch- und Bibliothekswesen 
    (bis 2008, danach Staatsbibliothek München)
  *SSG 25 Universale wissenschaftliche Zeitschriften 
    (bis 2008, danach Staatsbibliothek München)
  *SSG 28.2 Thematische Karten



Benutzungsmöglichkeiten. (Kurzfristige Änderungen aus personellen oder technischen Gründen vorbehalten). Die Benutzung der Zentralbibliothek und der Bereichsbibliotheken sowie der Ausleihe ist gebührenfrei. - Zentrale Auskunft im Bibliographiensaal; spezielle Auskünfte durch die Fachreferenten. Einführungskurse in die Bibliotheksbenutzung Dienstag und Mittwoch 15 Uhr; Donnerstag 10 Uhr sowie bei Bedarf. Anmeldung: Zentrale Information. - Einführungskurse in das Recherchieren in den Datenbanken des Bibliotheksrechenzentrums für Niedersachsen (BRZN) nach Voranmeldung. - Zur Nutzung der Informationsvermittlungsstellen sind Terminabsprachen erforderlich.
Öffnungszeiten:. Neubau (Platz der Göttinger Sieben 1): Kataloge, Freihand- und Lesesaalbereiche: Montag bis Freitag 9-22 Uhr, Samstag 9.30-17 Uhr; Zentrale Information, Fachauskunft: Montag bis Mittwoch, Freitag 9-16 Uhr, Donnerstag 9-18 Uhr, Samstag 10.30-12 Uhr; Altbau (Papendiek 14): Abteilung Handschriften und alte Drucke: Montag bis Freitag 10-17.30 Uhr; Kartensammlung: Montag bis Freitag 10-12 Uhr, Montag bis Donnerstag 14-15 Uhr, Freihandbestand zugänglich: Montag bis Freitag 10-17.30 Uhr; Bereichsbibliothek Physik: Montag bis Freitag 10-18 Uhr; Asien-Afrika Lesesaal: Montag bis Freitag 10-17.30 Uhr; Bereichsbibliothek Medizin (Robert-KochStr. 40, Gebäude UBFT, OC2/OC3, Tel. 39-5220): Montag bis Sonntag 8-22 Uhr. - - Leihverkehr: DLV; internat. Leihverkehr. Direktlieferdienste: GAUSS, SSG-S; SUBITO.
Technische Einrichtungen. Kopiergeräte, Mikroform-Lesegeräte, Rückvergrößerungsgeräte für Mikrofilm und Mikrofiche, Aufnahmegeräte von Mikrofilmformat bis zu 50x60 cm, Farbkopierer für Formate bis 50x60 cm, Scanner, OPAC-PCs, Internet-PCs, Verbundkatalog-PCs, CDROM-Netz, Blindenarbeitsplatz, Videoabspielgerät, Schallplatten- und Kassettengerät.
Gedruckte Informationen. Merkblätter für die Benutzung der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen. Jahresberichte, abgedruckt im Jahresforschungsbericht der Georg-August-Universität Göttingen. Die Bibliothek gibt Fach- und Zeitschriftenkataloge heraus sowie Neuerwerbungslisten zahlreicher Sondersammelgebiete, die über Internet angeboten werden. Elektronische Bibliothek: Homepage der SUB mit detaillierten Informationen
Hinweise für anreisende Benutzer. Vorherige Anmeldung empfehlenswert zwecks Bereitstellung der gewünschten Literatur. - Fußwegnähe vom Hauptbahnhof (ca. 10 Minuten). - A 7, Ausfahrt Dreieck Göttingen-Nord, Richtung Zentrum. Parkhäuser in der näheren Umgebung.

Inhalt

 Bestandsgeschichte ................................... [1.1] 
 SUB2:
 Bestandsbeschreibung ................................. [2.1] 
 Chronologische Übersicht und 
 Übersicht nach Sprachen .............................. [2.2] 
 Systematische Übersicht .............................. [2.3] 
 Enzyklopädien (Encyclopaedia) ........................ [2.4] 
 Geschichte der Wissenschaften, Buchwesen 
 und Bibliographie (Historia literaria)................ [2.6] 
 Wissenschaftliche Rezensionszeitschriften 
 (Ephemerides litterariae) ............................ [2.17] 
 Theologie und Religionswissenschaft (Theologia) ...... [2.19] 
 Rechtswissenschaft (Jus)  ............................ [2.49] 
 Staatswissenschaften (Politica, Mercatura,
 Statistica) .......................................... [2.97]
 SUB3: 
 Pädagogik, Bildung und Schule ........................ [2.117] 
 Geographie (Geographia) .............................. [2.130] 
 Militärwesen (Ars militaris) ......................... [2.197] 
 SUB4:
 Altertumskunde (Antiquitates) ........................ [2.202]
 Geschichte (Historia) ................................ [2.209]
 Deutsche Landesgeschichte ............................ [2.343] 
 Philosophie .......................................... [2.364] 
 Bildende Künste (Artes plasticae) .................... [2.374] 
 Architektur (Mathesis architecturae) ................. [2.379] 
 Musikwissenschaften (Ars musica) ..................... [2.381] 
 Philologie ........................................... [2.388] 
 Klassische Philologie ................................ [2.390]
 SUB5:  
 Orientalistik ........................................ [2.407] 
 Neuere Philologien ................................... [2.497]
 SUB6:
 Humoristische Literatur .............................. [2.600]
 Mathematische Wissenschaften (Mathematica) ........... [2.602] 
 Naturkunde (Historia naturalis) ...................... [2.610] 
 Naturwissenschaften .................................. [2.612] 
 Medizin (Medicina) ................................... [2.701] 
 Forstwissenschaften (Res salutaria) .................. [2.727] 
 Land- und Hauswirtschaft (Oeconomia) ................. [2.732] 
 Sport und Spiel (Artes illiberales)  ................. [2.752] 
 Sonderbestände und Sondersammlungen .................. [2.755]
 SUB7 
 Kataloge ............................................. [3.0] 
 Allgemeine Kataloge .................................. [3.1] 
 Sonderkataloge ....................................... [3.2] 
 Historische Kataloge ................................. [3.3] 
 Quellen und Darstellungen zur Geschichte
 der Bibliothek ....................................... [4.0] 
 Archivalien .......................................... [4.1] 
 Benutzungsordnungen .................................. [4.2] 
 Darstellungen ........................................ [4.3] 
 Veröffentlichungen zu den Beständen .................. [5.0] 
 Ausstellungskataloge ................................. [5.1] 
 Weitere Veröffentlichungen ........................... [5.2] 

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Die Universitätsbibliothek Göttingen wurde zugleich mit der Georg-August-Universität 1734 gegründet und 1737 offiziell eröffnet. Schon von den ersten Planungen an war sie neben anderen Einrichtungen vorgesehen und entwickelte sich bald zum wichtigsten Institut der Universität.

1.2 Ihren Grundstock bildeten drei Sammlungen. Die bedeutendste von ihnen war die nachgelassene Privatbibliothek des verstorbenen Großvogts Joachim Hinrich von Bülow (1650-1724). Gerlach Adolph Freiherr von Münchhausen (1688-1770), der Gründer und erste Kurator der Universität, dessen besonderes Interesse dem Aufbau der Bibliothek galt, hatte die Erben entgegen ursprünglich anderen Vorstellungen zu ihrer Schenkung nach Göttingen veranlassen können. Die wertvolle Bibliotheca Buloviana bestand aus 8912 Bdn Druckschriften, knapp 40 Hss. und ca. 2000 Karten und Tabellenwerken. Sie war aus den wissenschaftlichen Neigungen ihres Besitzers entstanden und enthielt seinen Interessen gemäß vorwiegend juristische, historische und politische Literatur vor allem des 17. Jhs.

1.3 Zu ihrer Ergänzung gelangten aus den Dubletten der Königlichen Bibliothek in Hannover 2154 Bde nach Göttingen, darunter viele theologische Werke und Editionen der antiken Klassiker. Die Bibliothek des Gymnasium illustre, des Vorgängers der neuen Universität, war von Anfang an für diese bestimmt gewesen. Ihre 708 Bde gehörten großenteils den Gebieten Theologie, Geschichte und Klassische Philologie an. Mit ihren insgesamt ca. 12.000 Bdn standen diese drei Sammlungen schon 1737 zur Verfügung.

1.4 Erst testamentarisch festgelegt war zu dieser Zeit die beabsichtigte Überlassung der Bibliothek des Frankfurter Architekten Johann Friedrich Armand von Uffenbach (1687-1769), Bruder des Bibliophilen Zacharias von Uffenbach. Mit ihren 2289 Bdn Druckschriften und 30 Bdn Kupferstichen bestand sie überwiegend aus mathematischen, physikalisch-technischen, militärischen, topographischen und kunsthistorischen wie archäologischen Werken und wurde 1770 nach dem Tod ihres Besitzers nach Göttingen gebracht.

1.5 Daß sich in Göttingen aus diesen Anfängen eine der größten und bedeutendsten deutschen Universalbibliotheken entwickelte, ist ihrer schon in den Universitätsstatuten vorgesehenen kontinuierlichen Vermehrung zuzuschreiben, wie sie von Beginn an erfolgte. Voraussetzung dafür war ein fester Etat. In der Höhe von ca. 400 Talern war er zwar gering, wurde aber dank der großzügigen Förderung durch Münchhausen, der die Bibliothek zunächst in Hannover verwaltete, meist erheblich überschritten. Erworben wurden sowohl die laufenden Neuerscheinungen als auch antiquarische Werke aller Epochen als Ergänzung der Lücken des Grundbestandes. Einen wesentlichen Anteil hatte die ausländische Literatur. Sie wurde unmittelbar aus ihren Ursprungsländern bezogen, auf direktem Wege durch Buchhändler oder mit Hilfe der diplomatischen Vertreter. Durch wissenschaftliche und sonstige Verbindungen kamen Geschenke in großer Zahl in die Göttinger Bibliothek.

1.6 Diese Methoden der Bestandsvermehrung wurden unter der Leitung des ersten Bibliothekars, des Professors der Eloquenz Johann Matthias Gesner (1691-1761) eingeführt und unter Christian Gottlob Heyne (1729-1812) verfeinert und ausgebaut. Der Klassische Philologe und Archäologe führte die Bibliothek zu ihrer Blütezeit im 18. Jh und formulierte die Erwerbungsprinzipien einer wissenschaftlichen Universalbibliothek, wie sie in Göttingen seit ihren Anfängen praktiziert wurden und bis heute als Maßstab gültig sind: "Die Zahl der Bücher ist das, was am wenigsten in Betrachtung kömmt; den wahren Werth macht die zweckmäßige Auswahl für eine Universität, die eine Vereinigung von wissenschaftlichen Gelehrten aller Arten und Classen ist, die nicht bloß Lehrer des bereits Bekannten, sondern Erweiterer gelehrter Kenntnisse und Einsichten, jeder in seinem Fache, seyn sollen . . . Die Ausfüllung der Lücken aus frühern Zeiten ist meistens nur von einem glücklichen Zufall und aus Bücher-Auctionen zu erwarten; die weitere Fortsetzung, damit keine Lücken entstehen, erfordert ununterbrochene planmäßige Anschaffung desjenigen, was, bey der immer fortschreitenden wissenschaftlichen Cultur, aus dem täglich erscheinenden neuen Anwachse der einheimischen und ausländischen Litteratur nöthig ist für eine Bibliothek, welche für einen wissenschaftlichen Plan, nicht nach Liebhaberey einzelner Fächer, nicht nach Prachtliebe, nicht nach dem Schein des Aeußerlichen, sondern nach Inbegriff und Umfassung der wichtigsten Schriften aller Zeiten und Völker, in allen Wissenschaften in einheimischer und ausländischer Litteratur, eingerichtet ist . . . Also werden in der Regel nur solche Bücher gesucht und gewählt, worin die menschlichen Kenntnisse, wissenschaftliche, technische, practische, ein Fortrücken, Fortgang, oder auch nur einen einzelnen Schritt vorwärts, gemacht haben; vorzüglich aber Bücher, welche Quellen von Systemen, Verbesserungen, Erweiterungen, Berichtigungen, in Sache und Form, enthalten . . . " (Göttingische Gelehrte Anzeigen 1810, S. 851 f.).

1.7 Diesem Programm nach wurde die Literatur aller Fächer gesammelt. Dennoch bildeten sich schon in den ersten Jahrzehnten gemäß dem Konzept der neuen Universität, die den Ideen der Aufklärung und der seit dem 17. Jh einsetzenden Wissenschaftsbewegung verpflichtet war, Schwerpunkte im Bestand heraus. Auf ihnen wurden im 20. Jh z. T. die Sondersammelgebiete der Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft und der Deutschen Forschungsgemeinschaft aufgebaut. An erster Stelle ist es der englische Kulturkreis, später erweitert um Nordamerika, mit der Literatur dieser Regionen zu allen Gebieten, bedingt nicht nur durch die dynastische Union zwischen Hannover und Großbritannien, sondern auch durch die bedeutende Rolle, die dem Land in der Wissenschaft des 18. Jhs zuwuchs. Daneben waren es die Naturwissenschaften, die Ergebnisse der empirischen Beobachtungen und Experimente, die in Göttingen bevorzugt betrieben und in der Bibliothek gesammelt wurden, dazu die Geographie mit der Kartensammlung. Zu nennen sind darüber hinaus die Geschichte mit ihren Quellen, der slavische Kulturkreis und die Orientalistik. Außerdem wurden in Göttingen erstmals systematisch alte Drucke, besonders Inkunabeln, gesammelt.

1.8 Neben die Erwerbung einzelner Werke, seien es Neuerscheinungen oder Antiquaria, traten im 18. Jh durch Kauf oder als Geschenk einige größere Komplexe, die im Rahmen der universalen Sammeltätigkeit einen wertvollen Zuwachs für verschiedene Gebiete und Fächer darstellten. Sie werden in der chronologischen Folge ihres Eingangs in die Bestände der Bibliothek genannt; alle wurden während der Amtszeit von Heyne erworben. Sein besonderes Interesse an der Erschließung immer neuer Quellen für die Erweiterung der Büchersammlungen spiegelt sich in jeder dieser Erwerbungen, jeweils eine Frucht persönlicher Beziehungen innerhalb der Universität, zu ihren Verwaltern in Hannover oder Freunden und Gönnern im In- oder Ausland. Sie werden ihres Umfangs und eben dieser kultur- und wissenschaftsgeschichtlichen Verbindungen wegen erwähnt. Von ihrer fachlichen Einordnung her ergänzen sie nicht immer die Gebiete, die sich in den ersten Jahrzehnten als Schwerpunkte herausgebildet hatten. Diese verdanken ihre Dichte eher der eigentlichen Besonderheit des Göttinger Bestandsaufbaus, nämlich der kontinuierlichen und gleichmäßigen Anschaffung über größere Zeiträume hinweg.

1.9 Für die Bibliothek von großer Bedeutung war Philipp August Schlüter ( 1761). Seit 1734 hatte er als Kammerregistrator im Dienste der Regierung in Hannover unter Münchhausens Leitung die Göttinger Universitätsbibliothek betreut, die Anschaffungen in die Wege geleitet und akzessioniert. Vorher hatte er bis zum Tode Joachim Hinrich von Bülows dessen Bibliothek verwaltet und die letzte Fassung ihres Kataloges hergestellt, die zur Grundlage des späteren Göttinger sogenannten Akzessionskataloges wurde. Seine hervorragenden bibliographischen Kenntnisse wirkten sich überaus positiv für den Aufbau der Göttinger Bestände aus. Nicht nur für sie war er tätig, sondern er sammelte auch selbst. 1764 wurden aus seinem Besitz 443 Bde Leichenpredigten erworben, von Wert unter theologischem, historischem und soziologischem Gesichtspunkt.

1.10 Nicht nur der englisch-amerikanische Bereich, sondern auch der slavische gehörte zu den Interessensgebieten der neuen Universität. Heyne kannte aus seiner Dresdner Zeit den Buchhändler Michael Gröll, der sich inzwischen in Warschau als Verleger und Förderer des polnischen Buches niedergelassen hatte. Zwischen 1767 und 1785 schickte er mehr als 155 vorzüglich gestaltete Werke vornehmlich der zeitgenössischen polnischen Literatur aus seinem Verlag, die Heyne an die Bibliothek weitergab.

1.11 Seit 1771 bestand Heynes Beziehung zu Georg Thomas von Asch (1729-1807), dem russischen Generalstabsarzt, der 1750 sein zweijähriges Studium in Göttingen mit der Promotion bei Albrecht von Haller abgeschlossen hatte und nun seiner ehemaligen Universität als Dank zunächst eine Konrad-Handschrift und 25 weitere arabische Hss. schickte. Das positive Echo Heynes veranlaßte ihn zur Fortsetzung seiner Sendungen bis zu seinem Tode. In Anerkennung seiner Verdienste um die Universität wurde er in die Gesellschaft der Wissenschaften aufgenommen. Neben Hss. und ethnographischen Materialien aus dem russischen Orient und aus Sibirien waren es vor allem wertvolle russische Bücher, Stiche und Karten, die schließlich eine Sammlung von ca. 1000 Bdn bildeten. Geographie, Geschichte, Medizin, russische Belletristik sowie Sprachwissenschaft und allgemeine Zeitschriften, die moralischen und satirischen Wochenschriften bestimmten ihr Bild. Sie war lange getrennt aufgestellt und wurde erst 1883/84 in den Hauptbestand aufgenommen. Zusammen mit den erwähnten Polonica und den laufend erworbenen Werken aus diesen Gebieten begründet sie den Ruf der Göttinger Slavica-Sammlung zum 18. Jh.

1.12 Der Jurist Georg Christian Gebauer (1690- 1773) war bei der Universitätsgründung der erste kommissarische Prorektor. Als Bibliophiler besaß er eine Privatbibliothek von ca. 20.000 Werken, die nach seinem Tode verkauft wurde. Sie bestand aus mehreren Teilen. Charakteristisch für sie war die "Anhäufung möglichst vieler Ausgaben und Drucke aus einzelnen Gebieten"; sie war das Ergebnis der "Neigung, ein Werk in allen seinen Erscheinungsformen zu besitzen" (s. u. 5.2, Sattler). Heyne konnte schon 1773 zwei Sondersammlungen daraus erwerben, die "Collectio canticorum", auch "Cantica Gebaueri" genannt, die ca. 1000 evangelische Gesangbücher umfaßte und noch heute geschlossen aufbewahrt wird, wobei einige seltene Stücke allerdings der Rara-Sammlung einverleibt wurden, dazu die ca. 3500 Bde zählende "Bibliotheca Germanica" mit dem Grundstock für die ausgezeichneten Bestände der Universitätsbibliothek an Lutherdrucken, Reformationsschriften und deutscher Barockliteratur. Darüber hinaus wurden aus der allgemeinen Bibliothek Gebauers 1100 juristische, 920 historische und 350 theologische und philologische Werke gekauft. So gelangten aus seinem Besitz ca. 7000 Bde in die Bibliothek; abgesehen von den Gesangbüchern wurden sie in den allgemeinen Bestand integriert.

1.13 Die bedeutendste Bereicherung für die von Heyne besonders geförderte Göttinger InkunabelSammlung war die Erwerbung der ca. 700 Titel umfassenden "Monumenta typographica" des Hofrats und Geheimen Kanzleisekretärs Friedrich Wilhelm von Duve (1707-1785) aus Hannover. Die in ihrer Mehrzahl aus dem 15. Jh stammenden Drucke hatten teilweise früher der berühmten Sammlung Harley in England angehört. Duve trennte sich schon zu seinen Lebzeiten von ihnen, um sie in gute Hände geben zu können. Ihr Verkauf mußte vom König genehmigt werden, ehe sie 1782 nach Göttingen gelangten.

1.14 Nachdem die auch in Göttingen bestehende Deutsche Gesellschaft, 1738 gegründet, im Jahre 1791 aufgelöst worden war, übernahm die Universitätsbibliothek ihren Buchbestand. Er umfaßte ca. 1150 Werke, deutsche Schriften des 16. bis 18. Jhs, darunter einige Lutherdrucke sowie deutsche Literatur der Barockzeit und der Aufklärung. Die Sammlung wurde erst 1876 bis 1879 in den allgemeinen Bestand aufgenommen.

1.15 Als Ergebnis der planmäßigen laufenden Erwerbung und des Zugangs der Sondersammlungen bei guter Dotierung wuchs der Fundus unter Heyne sehr schnell. Um 1800 waren aus den anfänglich knapp 12.000 Bdn ca. 135.000 Bde geworden, bei seinem Tod 1812 sind ca. 160.000 anzusetzen. Berücksichtigt man die Sammelbände in einigen Bereichen, so kann die Zahl der Drucke höher liegen. Die Schätzungen in dieser Zeit beliefen sich auf ca. 200.000 Bde. Doch schon in Heynes letzten Jahren am Beginn des 19. Jhs wurde infolge der politischen Umstände der napoleonischen Zeit die geradlinige Entwicklung unterbrochen. Die Beschaffung der ausländischen Literatur bereitete nun Schwierigkeiten. Als Göttingen seit 1807 zum Königreich Westphalen gehörte, sank der Etat. Der vorübergehende Zuwachs durch Übernahme der Bestände aufgehobener Universitäten wie Helmstedt und ehemaliger Klöster des Gebietes, von Heyne selbst ohne Überzeugung ins Werk gesetzt und die Mittel der Bibliothek belastend, wurde nach der Wiederherstellung des Landes Hannover seit 1814 wieder rückgängig gemacht.

1.16 Mit Heyne war eine Blütezeit der Bibliothek zu Ende gegangen. Unter seinen Nachfolgern, Jeremias David Reuß (1750-1837), Georg Friedrich Benecke (1762-1844) und Christian Hoeck (1793-1877), setzte zunächst ein Niedergang ein. Auf den Bestandsaufbau wirkte sich der niedrigere Etat aus. Die engen Beziehungen zur Verwaltung in Hannover, wie sie unter Münchhausen sowie Georg und Ernst Brandes bestanden hatten, ließen sich nicht wiederherstellen. Außerordentliche Mittel wurden nicht mehr bewilligt. Die zur Verfügung stehenden Gelder reichten nicht mehr aus. Durch persönliche Initiativen der Göttinger Bibliothekare Jacob Grimm und Adolf Ellissen konnten zeitweilige Erhöhungen des Etats erreicht werden, aber sie waren niemals von Dauer. Es wurde üblich, Schulden zu machen, die dann in der Regel von der vorgesetzten Behörde nachträglich ausgeglichen wurden. Eine noch ungünstigere Situation entstand für die Bibliothek 1866 mit dem Anschluß Hannovers an Preußen, als die Göttinger Hochschule eine unter zehn preußischen Universitäten wurde und damit ihre privilegierte Stellung als einzige Landesuniversität verlor.

1.17 Erst 1905 konnte durch Richard Pietschmann (1851-1923) eine scheinbar dauerhafte Hebung des Etats erreicht werden, doch der Erste Weltkrieg unterbrach wiederum die damit einsetzende Entwicklung. Dennoch konnten für den Bestandsaufbau auch im 19. Jh - bis 1914 - die Linien des vorangegangenen fortgesetzt werden, auch wenn die gewohnte Dichte nicht mehr in allen Gebieten zu erreichen war und Lücken offenblieben.

1.18 Gleichmäßigen Zugang verschafften die Abonnements der sich mehr und mehr differenzierenden wissenschaftlichen Zeitschriften und die meist im Tausch erfolgende Anschaffung der Reihenpublikationen von Universitäten, Akademien, wissenschaftlichen Gesellschaften des In- und Auslandes. Die Literatur des Königreichs Hannover ging durch das 1828 erworbene Pflichtexemplarrecht ein. Mit den deutschen Ländern, aber auch dem Ausland wurden Tauschbeziehungen für die Publikationen der Landtage und Parlamente aufgebaut. Den beiden Hauptschwerpunkten der Bibliothek, der Mathematik mit den Naturwissenschaften und dem angloamerikanischen Kulturkreis, kamen zwei finanzielle Quellen zugute, die über einen bestimmten Zeitraum regelmäßige Anschaffungen und Lückenergänzungen erlaubten. 1892 erwirkte der Mathematiker Felix Klein den sogenannten Mathematischen Extrafonds von 600 Mark jährlich. 1912 stiftete der amerikanische Bankier John Pierpont Morgan (1837-1913), der in Göttingen studiert hatte, eine Summe von 50.000 Mark, deren Erträge für die Ergänzung englischsprachiger Literatur aller Gebiete bestimmt waren. Es war nicht vorauszusehen, daß dieses Vermögen so bald dem Ersten Weltkrieg zum Opfer fallen sollte.

1.19 Auch im 19. Jh wurden die gleichmäßig wachsenden Bestände durch größere käufliche Erwerbungen oder Geschenke ergänzt, die ihres Umfangs oder ihrer Bedeutung wegen gesondert erwähnt zu werden verdienen. 1824 wurde aus dem Nachlaß des Göttinger Gynäkologen Friedrich Benjamin Osiander (1759- 1822), des Leiters der ersten Entbindungsklinik, seine geburtshilfliche Bibliothek erworben. Von den ca. 500 Titeln wurden ca. 350 in die Universitätsbibliothek aufgenommen, ca. 150 Dubletten weisungsgemäß an das Entbindungsinstitut abgegeben. Es waren Monographien, Dissertationen und Programme zum überwiegenden Teil aus dem 18. Jh, doch es sind auch einige Stücke aus dem 16. und 17. Jh dabei. Schon 1827 folgte, als Ergänzung dazu gedacht, aus Hannover von der Königlichen Bibliothek eine Sammlung von ca. 2200 alten medizinischen Drucken, vor allem aus dem 15. bis 17. Jh, bis ins 18. Jh reichend. 1831 erhielt die Bibliothek aus dem ehemaligen Alexanderstift in Einbeck in ca. 70 Sammelbänden einen Bestand von 138 wertvollen alten Drucken, fast ausschließlich Inkunabeln. Es war der letzte größere Zugang von Wiegendrucken, der geschlossen erfolgte. 1845 gelangte aus dem Nachlaß des Juristen Christian Friedrich Bergmann (1785-1845) in größerem Umfang juristische Literatur in die Bibliothek, ca. 1000 Bde, denen ca. 3000 Dissertationen hinzuzurechnen sind.

1.20 Während der Epoche des Königreiches Hannover wurden 1853 der Bibliothek vom Kuratorium in Hannover ca. 3500 Bde aus den Beständen der aufgelösten Ritterakademie in Lüneburg, dem ehemaligen Michaeliskloster, überwiesen. Sie stammten vorwiegend aus dem 18. Jh, enthielten aber auch wertvolle ältere Titel, allerdings nicht so viele, wie die Vertreter der Bibliothekskommission gehofft hatten. Die sonst weniger berücksichtigte Musikliteratur in Göttingen ergänzte die 1855 aus dem Nachlaß des Akademischen Musikdirektors Arnold Wehner erworbene Musikaliensammlung, die aus seiner Praxis erwachsen war.

1.21 Die besonders in Deutschland gepflegte Gattung der Schulprogramme ist in Göttingen außerordentlich reich vertreten. Ihr Grundstock ist die Sammlung aus dem Nachlaß von Johann Christian Jahn, Konrektor der Leipziger Thomasschule. Sie wurde 1848 erworben und enthält ca. 3000 Programme deutscher Gymnasien und Schulen. Zeitlich reicht sie bis in die ersten Jahrzehnte des 18. Jhs zurück, die Mehrzahl stammt aus der ersten Hälfte des 19. Jhs. August Wilmanns (1833-1917), der erste Direktor in preußischer Zeit, der die Verwaltung der Bibliothek straffte und modernisierte, baute unter anderem die Sammlung der Schulprogramme neben deren laufendem Bezug seit 1885 durch eine Anfrage bei den deutschen Gymnasien und Progymnasien für die Zeit vor seinem Direktorat aus. Unter den eingehenden mehr als 7000 Stücken waren Dubletten, die zurückgeschickt wurden; die Lücken der Jahnschen Sammlung konnten aber so geschlossen werden.

1.22 Im Jahre 1914 kaufte der preußische Staat die Kirchenministerialbibliothek Celle, die ehemalige Herzogliche Bibliothek, die von der Kirche verwaltet worden war. Den größten Teil der Bestände erhielt die Königliche Bibliothek Berlin, nach Göttingen gelangten nur Dubletten, die in Berlin entbehrlich waren; immerhin waren es 723 Bde, darunter wertvolle Lutherdrucke und Reformationsschriften sowie mindestens eine Inkunabel. Im Jahrhundert seit Heynes Tod, bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges, konnte die Universitätsbibliothek ihre Bestände trotz schwieriger Rahmenbedingungen wiederum verdreifachen. Sie erreichten 1914 die Zahl von ca. 620.000 Bdn.

1.23 Der Erste Weltkrieg und seine Folgen waren verhängnisvoll auch für die Göttinger Bibliothek. Zum einen war der Zugang zur ausländischen Literatur unterbrochen und es entstanden Lücken, die besonders bei den Periodika und Fortsetzungen zu später kaum zu korrigierenden Einbrüchen führten. Zum anderen entsprachen während des Krieges und in der Nachkriegszeit für lange Jahre die finanziellen Mittel bei weitem nicht dem Bedarf. Der ordentliche Etat war gering. Die Bibliothek war auf Sondermittel angewiesen. Die Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft förderte als Sondersammelgebiete den anglo-amerikanischen Kulturkreis und die Naturwissenschaften. Daneben traten die Mittel lokaler Institutionen, der Klosterkammer und des Provinziallandtages in Hannover, des Universitätsbundes e. V. Göttingen. Von seiten der Bibliothek wurde der Buchtausch gepflegt, dazu erbat man Geschenke von Institutionen und Personen. Unter der Leitung von Richard Fick (1867-1944) wurden größere Anstrengungen unternommen, um auch unter diesen ungünstigen Umständen den Fundus angemessen zu vermehren. Der Erfolg entsprach nicht immer den Bemühungen; die Vollständigkeit der früheren Perioden konnte nicht mehr erreicht werden.

1.24 Neben der laufenden Erwerbung und der Lückenergänzung standen auch zwischen 1914 und 1945 der Ankauf wie die Schenkung größerer oder bedeutenderer Sammlungen, die nach der Chronologie ihres Zugangs zu nennen sind. Sie gehören den Gebieten an, die als traditionelle Schwerpunkte nun besondere Lücken aufwiesen oder in anderer Hinsicht der Ergänzung bedurften. Nach der Einführung von Fachreferaten waren die Bestände in allen Bereichen systematisch auf ihre Dichte und dringende Desiderate hin durchgesehen worden.

1.25 Eine der ersten Initiativen Ficks galt der Vervollständigung der russischen Belletristik. Auf eine Anfrage von 1921 hin konnten im Jahre 1922 Gesamtausgaben der klassischen russischen Literatur in ca. 300 Bdn von der Deutschen Heeresbücherei in Berlin mit Hilfe von Mitteln des Universitätsbundes erworben werden. Im gleichen Jahr stiftete der ehemalige britische Außenminister und Lordkanzler Richard Burdon Haldane (1856-1928), der in Göttingen studiert hatte, ca. 200 Bde an englischen Parlamentaria, die während des Ersten Weltkrieges ausgeblieben waren. Die Bibliothek erhielt nach seinem Tod außerdem testamentarisch über die Universität 1000 Pfund zur Auffüllung ihrer Bestände an englischer und amerikanischer Literatur.

1.26 Im Jahre 1923 wurde über den Universitätsbund die Bibliothek des Kunsthistorikers Albrecht Haupt (1852-1932) aus Hannover zur Architekturund Baugeschichte erworben, wobei zugleich Teile an die Technische Hochschule und das Kunsthistorische Seminar in Göttingen abgegeben wurden. 1923/24 folgte der Ankauf der ehemaligen Meyerschen (später Goldeschen) Leihbibliothek aus Braunschweig. Bei den ca. 100.000 Bdn handelte es sich um eine große Anzahl von Erstausgaben deutscher Klassiker und Romantiker, Trivialliteratur, Almanache, Taschenbücher, Volkskalender, französische Belletristik aus der Zeit um 1800, Biographien und Itineraria. Nur der wirklich brauchbare Teil davon wurde eingestellt, die Dubletten übergab man anderen Bibliotheken.

1.27 Das Jahr 1933 brachte die Erwerbung eines Teiles der Sammlung des Bibliophilen Otto Deneke (1875-1956) mit zahlreichen Erstausgaben der deutschen Literatur des 18. und 19. Jhs, nachdem die Bibliothek schon über Jahrzehnte von ihm regelmäßig großzügige Schenkungen erhalten hatte. Ebenfalls 1933 wurde die ca. 1700 Bde umfassende Bibliothek aus dem Nachlaß von Carl Friedrich Gauß (1777-1855) gekauft. Sie weist erwartungsgemäß vorwiegend naturwissenschaftliche und technische Werke des 18. und 19. Jhs auf, aber auch Belletristik, darunter einige interessante Slavica. Sie ist eine der wenigen Sammlungen, die auch heute noch geschlossen aufbewahrt werden und nicht in den allgemeinen Bestand eingeordnet wurden.

1.28 Der Bibliothek gelang es, ihren Fundus fast vollständig über den Krieg zu retten, obwohl er bis auf die Hss., Inkunabeln, Rara, Zeitungen und Parlamentsakten zur Zeit des schweren Bombenangriffs im November 1944, der vier Fünftel des Gebäudes zerstörte, in den Kellern untergebracht und entgegen ministerieller Anweisungen nicht in das ehemalige Kalibergwerk Volpriehausen, damals Heeresmunitionsanstalt, ausgelagert worden war. Gerade dort aber gingen bei einer Explosion im September 1945 die ca. 60.000 Bde Zeitungen und Acta Parlamentaria zugrunde, während sonst keine weiteren Kriegsverluste eintraten.

1.29 Auf dem Fundus der nahezu unversehrten Bestände aufbauend, die angesichts der Zerstörung vieler anderer großer Bibliotheken nach dem Zweiten Weltkrieg zu einer intensiven Benutzung führten, wurden Göttingen im Rahmen der Neuordnung des deutschen Bibliothekswesens zahlreiche Sondersammelgebiete zugewiesen. Damit war auch eine Vermehrung der Altbestände verbunden. Laufend wurden und werden bis heute Lücken durch Originale, Reprints und Mikroformen ergänzt. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang 1969 der Ankauf der Sammlung des Gymnasialprofessors Gustav Wertheim (1843-1902) vom Landkreis Gandersheim aus dem ehemals jüdischen Jacobson-Gymnasium in Seesen. Sie umfaßt ca. 330 Bde älterer, überwiegend mathematischer und naturwissenschaftlicher Literatur, darunter zwei Inkunabeln. Mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft wurde seit 1982 für das Sondersammelgebiet Koreanistik ältere koreanische Erzählliteratur, Kososól, in Mikroformen erworben. Aus 11 Bibliotheken und der Privatsammlung von Professor Kim Tong-uk (Seoul) gelangten 384 Filmrollen mit ca. 1300 Titeln, überwiegend Hss., in die Bibliothek. Die reiche Kartensammlung, mit den thematischen Karten Sondersammelgebiet, die 1888 als Dauerleihgabe an das Geographische Institut abgegeben worden war, kehrte zwischen 1986 und 1988 in die Universitätsbibliothek zurück.

1.30 Weitere Bereiche, die, gestützt auf einen hervorragenden Grundstock, abgerundet werden konnten, sind die Drucke des 15. und 16. Jhs. Die bedeutende Inkunabelsammlung mit ihren ca. 3100 Bdn wurde durch Kauf auf dem Antiquariatsmarkt seit 1959 um 145 Bde ergänzt. 1953 ging als letzte große Schenkung die Oskar-und-Ilse-Mulert-Stiftung ein, der leider keine weiteren folgen sollten. Sie wird bis heute geschlossen aufbewahrt. Dr. Oskar Mulert (1881-1953) aus Frankfurt, der ehemalige Präsident des Deutschen Städtetages, und seine Gattin vermachten der Stadt Göttingen ihre Sammlung von ca. 1000 Werken der Reformationszeit, davon zur Hälfte Lutherdrucke. Nach Verhandlungen mit seinem Bruder Botho Mulert wurde die Sammlung der Bibliothek überschrieben, die mit dieser Gabe, rechnet man sie dem damals bereits vorhandenen Material zu, eine umfangreiche Luthersammlung besitzt. Auch sie wird laufend erweitert. Seit 1962 konnten durch Kauf 137 bisher nicht vorhandene Lutherdrucke des 16. Jhs erworben werden. Heute enthält sie mehr als 2000 Bde.

1.31 Die Bibliothek betreut seit 1990 die "Sammlung Deutscher Drucke 1701-1800". Sie bildet damit de facto eine Nationalbibliothek für das deutsche Schrifttum des 18. Jhs innerhalb der "Arbeitsgemeinschaft Sammlung Deutscher Drucke", an der insgesamt sechs Bibliotheken teilnehmen (s. u. 2.760 - 2.762). Neben diesen Gruppen hat die Bibliothek ihren wertvollsten Bestand in einer Rarasammlung zusammengefaßt, die z. Z. ca. 13.000 Bde enthält. Sie wird ständig erweitert sowohl um seltene Werke, die aus dem allgemeinen Bestand herausgelöst werden, als auch durch Neuerwerbungen einzelner kostbarer Stücke vor allem in den Sondersammelgebieten. Der Göttinger Bestand wuchs allmählich und gleichmäßig nach den oben genannten Prinzipien vorwiegend durch die laufende Erwerbung der Neuerscheinungen. Die Sammlung der Rara zeigt aber, daß unter diesen Bedingungen auch die ältesten und seltensten Werke aus allen Wissenschaften in die Bibliothek gelangten.

Christiane Kind-Doerne


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.