FABIAN HANDBUCH: HANDBUCH DER HISTORISCHEN BUCHBESTÄNDE IN DEUTSCHLAND, ÖSTERREICH UND EUROPA SUB Logo
 
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Planá [Plan]

Schloßbibliothek

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Das Grafengeschlecht Nostitz stammt ursprünglich aus der Region um Bautzen in der Lausitz. Später wurden Familienzweige in Schlesien und Böhmen ansässig. Johann von Nostitz (1562-1619) aus dem Rothenburger Zweig hatte zwei Söhne: Otto von Nostitz (1608-1664) begründete den Rokitnitzer Zweig der Familie, Johann Hartwig von Nostitz (1610-1683) den jüngeren Falkenauer Zweig bei Sokolov. Ottos Sohn Christoph Wenzel (1643-1712) erhielt 1673 die Reichsgrafschaft Rieneck als Lehen. Das Schloß Plan war von 1526 bis 1655 im Besitz der Grafen Schlik, die die ursprüngliche Burg umbauten. Bis 1822 gehörte die Herrschaft den Grafen von Sinzendorf, dann ging sie an Graf Johann Wenzel von Nostitz (1791-1852) aus dem älteren Zweig der Grafenfamilie aus Rokytnice v Orlických horách [Rokitnitz im Adlergebirge]. Er bekam nach einem Gerichtsstreit 1823 die Herrschaft Plan zugesprochen.

1.2 Nach 1823 tstand in Plan eine Zweigbibliothek zur Rokitnitzer Bibliothek. Johann Wenzel war Mitglied der Gesellschaft des Vaterländischen Museums in Böhmen beim Nationalmuseum, und zur Unterbringung der Sammlungen verkaufte er 1845 dem Nationalmuseum sein Palais Am Graben in Prag. 1818 heiratete Johann Wenzel Caroline von Clam-Gallas (1798-1663), eine bekannte Bibliophile der Zeit. Mehr als 80 Bücher mit ihren eigenhändigen Vermerken und Stempeln sind erhalten, vor allem Belletristik, Reisebücher und historische Literatur. Englische und amerikanische Literatur aus ihrem Besitz liegt überwiegend in deutschen Übersetzungen vor. Im Roman Waverley von Walter Scott (Leipzig 1822) findet sich ein Vermerk von Carolines Mutter Josephine von Clam-Gallas, geborene von Clary-Aldringen (1777-1828), die mit Ludwig van Beethoven bekannt war.

1.3 Von den Vorfahren des Rokitnitzer Familienzweiges finden sich einzelne Werke aus älterer Zeit. Christoph Wenzel von Nostitz baute als Bibliophiler und Kunstliebhaber in seinem Schloß Lobris bei Javory [Jauer] in Schlesien eine umfangreiche Bibliothek auf. In der Schloßbibliothek Plan sind einige Bücher mit seinen eigenhändigen Vermerken erhalten und neun Bücher, vorwiegend juristische, mit seinem in Kupfer gestochenen heraldischen Exlibris, in dessen Wappen seine Initialen C. W. G. V. N. (Christophorus Wenceslaus Graf von Nostitz) stehen. Die Herrschaft Rokitnitz erbte sein Sohn Johann Karl Graf von Nostitz-Rieneck (1673-1740), Kämmerer von Kaiser Joseph I. und ebenfalls Bibliophiler. Seine Bücher tragen die Initialen I. C. G. V. N. V. R.. Von seinem Sohn Joseph Wilhelm (1706-1787) stammen zwei Handschriften. Sein Erbe Johann Joseph (1741-1808) war preußischer Kämmerer und heiratete 1763 Maria Josephine Gräfin Kounic (1739-1796), die Ururenkelin Albrechts von Waldstein (Wallenstein). Da er in den Militärdienst in Frankreich trat, übergab er seinen Besitz einschließlich seiner Büchersammlung 1794 dem Sohn Joseph I. (1764-1849), k.u.k. Geheimrat und Kämmerer. Für ihn entwarf Jan Berka (1758-1838) das in Kupfer gestochene Exlibris Joseph Comte Nostitz Rieneck. Mit ihm endete die Erweiterung der Rokitnitzer Bibliothek, aus der heute nur ein kleiner Teil in Plan erhalten ist, da ihre Bestände größtenteils in den Jahren 1933 und 1934 auf Auktionen verkauft wurden.

1.4 Die Bestandserweiterungen im 19. Jh waren nicht mehr so umfangreich und richteten sich in erster Hinsicht nach den persönlichen Vorlieben der Besitzer. Joseph II. von Nostitz (1821-1890), k.u.k. Kämmerer und Ehrenritter des Malteserordens, interessierte sich für Geschichte und sammelte historische Literatur. Auf seinen Sohn Johann Karl (1854-1873) geht ein Bestand von mehr als 20 Lehrbüchern für die k.u.k. österreichischen Unter-Gymnasien und Unter-Realschulen zurück, auf deren Rücken in goldenen Buchstaben die Initialen G. J. C. N. geprägt sind. Die Herrschaft erbte die älteste Tochter Marie (1853-1928), die 1874 Karl Erwein von Nostitz (1850-1911) aus dem Slabetzer Zweig heiratete. Ihre Nachkommen werden als Planer Zweig der Familie Nostitz bezeichnet. Maries Interesse galt der religiösen und historischen Literatur, Dichteranthologien, Reisebüchern sowie Kinderbüchern. Ihr eigenes Werk Drei Tage in Lourdes, Im Mai 1901 (Donauwörth o. J.) liegt ebenfalls vor.

1.5 Mehr als 30 Bde tragen Karl Erweins handschriftlichen Besitzvermerk, darunter Kinderliteratur, Lehrbücher für Gymnasien, juristische, historische und militärische Werke - u. a. auch das Reisebuch des österreichischen Kronprinzen Rudolf, Fünfzehn Tage auf der Donau (Wien 1878) mit der persönlichen Widmung des Autors Rudolf, im April 1879. Karl Erwein hatte dieses Buch von seinem Vater Hugo von Nostitz (1814-1884) erhalten und später seinem Sohn Joseph III. (1878-1946) zum 17. Geburtstag geschenkt. Anhand der Stempel und Vermerke zeigt sich, daß Joseph III. die Bibliothek vorwiegend um Belletristik, Reisebücher und Jagdliteratur erweiterte. Aufgrund finanzieller Schwierigkeiten war er später gezwungen, den Großteil seines Eigentums zu verkaufen. Er erwog auch den Verkauf der Planer Bibliothek, zu dem es aber nicht kam. Aus dem Besitz seiner Gemahlin, Prinzessin Rosa von Lobkowicz (1879-1957), stammen theologische und historische Büchersammlungen. Ein anderer Teil der Büchersammlungen geht auf verschiedene Mitglieder des jüngeren Falkenauer Familienzweiges zurück.

1.6 Eine Sammlung mit 30 Bdn theologischer Literatur aus dem 17. bis 18. Jh stammt aus der Prager Jesuitenbibliothek im Klementinum. Andere Bücher tragen Provenienzvermerke verschiedener Adelsfamilien, wie die der Familien von Chotek und von Lobkowicz; zumeist handelt es sich um verwandte oder befreundete Familien. Mehr als 20 Bücher tragen Provenienzvermerke bürgerlicher Vorbesitzer. Es finden sich auch Bücherschilder wie das der Puntschert's-Bibliothek in Retz, die auf dem Stadtschreiber von Retz J. K. Puntschert zurückgeht, oder Exlibris von dem Geistlichen und Pädagogen der kaiserlichen Familie Ludwig Donin (1810-1876).

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

2.1 Insgesamt umfaßt die Bibliothek 4386 Bde, davon 55 Hss. (in 63 Bdn), 7 Drucke aus dem 16. Jh, 67 Drucke aus dem 17. Jh und 652 Bde aus dem 18. Jh. Aus dem 19. Jh stammen ca. 3000 Bde, aus der ersten Hälfte des 20. Jhs ca. 500 Bde. Der historische Grundstock der Bibliothek, bestehend aus Handschriften und Paläotypen, macht etwa ein Fünftel des Bestandes aus. Sprachlich überwiegen bei den Alten Drucken deutschsprachige Werke mit einem Anteil von ca. 50 Prozent; weiterhin vertreten sind französische, italienische, lateinische, englische und tschechische Werke. Drucke aus dem 16. Jh liegen in italienischer oder lateinischer Sprache vor. Die einzige Ausnahme in deutscher Sprache ist Vitruvs Zehen Buecher von der Architektur (Basel 1575). Der Anteil der Germanica macht ca. 70 Prozent des Gesamtbestandes aus.

2.2 Von den Handschriften stammt die älteste aus dem 17. Jh. Es ist das Artzney Buech von Allerley Hauss Mittel, Anno 1684 (Signatur R 1), das 435 Blätter umfaßt und mit Registern ergänzt ist. Neben einigen religiösen Handschriften sind vor allem juristische Werke, Sammelbände von Patenten, Instruktionen und Verordnungen vorhanden. Des weiteren liegt eine Sammlung verschiedener deutscher, lateinischer und französischer Vermerke zu Anekdoten, Rätseln und Sentenzen aus der Zeit der Wende vom 17. zum 18. Jh (Signatur 2325) vor. Weitere 25 Hss. stammen aus dem 19. Jh. 39 Hss. liegen in deutscher Sprache vor, 12 in lateinischer und 4 in französischer Sprache.

2.3 Bei den Alten Drucken überwiegen inhaltlich theologische und juristische Werke, gefolgt von genealogischer Literatur. Weiterhin sind vertreten Ausgaben römischer Klassiker, Lehrbücher für Fremdsprachen und Wörterbücher. Eine Sammlung von Dissertationen aus den dreißiger bis siebziger Jahren des 18. Jhs umfaßt ca. 20 Bde. Es überwiegen Dissertationen der Prager Universität zum Recht, zur Theologie und zur Medizin, die zumeist in lateinischer Sprache vorliegen, darunter Godofredus Andreas Wirsichs Dissertatio iuridica de convitiis advocatorum (Wittenberg 1734). Zur Poesie finden sich u. a. Werke von Hagedorn, Ossians und Sineds Lieder (Wien 1784). Von den deutschsprachigen Zeitschriften sind zu erwähnen die Wochenschrift Der Zufriedene (Nürnberg 1763-1764) und die Monatsschrift Apollo (Prag und Leipzig 1793-1797). Einige Werke tragen Widmungen für die Mitglieder der Familie Nostitz. Das Wappen der Familie Nostitz findet sich im Familien-Kalender auf das Gemeinjahr 1793 (Prag 1792).

2.4 Werke aus dem 19. Jh und aus der ersten Hälfte des 20. Jhs bilden den überwiegenden Teil der Planer Bibliothek. Die bei den Alten Drucken vertretenen Fächer wiederholen sich hier; vom Umfang her erweitert sind die Bereiche Philosophie und Geschichte, darunter Kants Menschenkunde oder philosophische Anthropologie (Quedlinburg und Leipzig 1838), Josef Alexander Helferts Hus und Hieronymus (Prag 1853), Anton Johann Gross-Hoffingers Geschichte Josephs des Zweiten (Leipzig 1847), Adam Wolfs Aus dem Hofleben Maria Theresia's (Wien 1859) und Constantin von Hoeflers Genesis der Revolution (1648-1806) (Regensburg 1856). Innerhalb der Geschichte ist ein umfangreicher Bestand an Napoleonica (ca. 30 Bde) besonders bemerkenswert, darunter Kriegs-Begebenheiten (o. O. 1814-1815), Walter Scotts Leben von Napoleon Buonaparte (Stuttgart 1827-1828), Philippe Paul de Ségurs Geschichte Napoleons (Mannheim 1835) und F. Heines Der Grenadier von Elba, 1814 und 1815 (Leipzig 1844). Das genealogische Interesse der Eigentümer führte zur Sammlung genealogischer Werke, insbesondere solcher mit Informationen zum Geschlecht Nostitz. Hier liegen u. a. die Beiträge zur Geschichte des Geschlechtes von Nostitz (1874-1935) vor, die von Mitgliedern der Familie Nostitz herausgegeben wurden, und ein Nachdruck des Werkes Schlesischer Adel von Johann Sinapius (Leipzig 1720-1728), das einen Teil über die Familie Nostitz einschließt. Bemerkenswert ist auch die Zahl deutschsprachiger Werke tschechischer Historiker. Vorhanden sind u. a. František Martin Pelcls Geschichte der Böhmen (Prag 1817), František Palackýs Geschichte von Böhmen (Prag 1839-1845), Beda Dudíks Mährens allgemeine Geschichte (Brünn 1875), Anton Gindelys Geschichte des böhmischen Aufstandes von 1618 (Prag 1869) und die Illustrierte Chronik von Böhmen (Prag 1853).

2.5 Neben der zeitgenössischen Belletristik finden sich Jagd- und Reisebücher, Beschreibungen von Kurorten und balneologische Literatur, Werke zu Gesellschaftswissenschaften und sozialer Problematik. Als Beispiele zu den Kurorten seien genannt Josef Arnošt Rybas Karlsbad und seine Mineralquellen (Prag 1836), Johann Sigmund Hahns Unterricht von der wunderbaren Heilkraft des frischen Wassers (Ilmenau 1833), Die allerneuesten Wasserkuren (Nürnberg 1829-1836), F. Rövers Hydriasis oder die Heilkraft des kalten Wassers (Leipzig und Naumburg 1833) und A. H. Kröbers Priessnitz in Gräfenberg und seine Methode (Breslau 1833). Zum Armenwesen liegen u. a. vor Die Barmherzigen Schwestern in Bezug auf Armen- und Krankenpflege (Koblenz 1831) und Johann E. Veiths Misericordia (Wien 1853).

3. KATALOGE

3.1 Moderner Katalog

Standortkatalog

[in Bandform; erstellt 1983-1985]

3.2 Historischer Katalog

Catalogus librorum Ao. 1769 (Lobris)

[Systematischer Bandkatalog; verzeichnet 31 Gruppen; Signatur 2357]

4. DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

Senft, Eduard: Geschichte der Herrschaft und der Stadt Plan in Böhmen. Plan 1876, S. 412-414, 431-433, 438

Lifka, Bohumír: Zámecké a palácové knihovny v Cechách. Prehled historicko-topografický [Schloß- und Palaisbibliotheken in Böhmen. Eine historisch-topographische Übersicht]. In: Ceský bibliofil [Der tschechische Bibliophile] 6 (1934) S. 43, 53

Turková, Helga: Svozová zámecká knihovna Planá [Die zusammengeführte Schloßbibliothek Plan]. In: Sborník Národního muzea v Praze, rada C [Sammelband des Nationalmuseums in Prag, Reihe C] 31 (1986) Nr. 3-4, S. 243-266, Bildbeilagen S. 30-34

Mašek, Petr: Die Bibliotheken Westböhmens. In: Günther Scholz (Hrsg.): Libri Castellani. Europäische Bücherschätze aus Adelsbibliotheken in Böhmen. Böblingen 1992, S. 29-30 [Ausstellungskatalog]

5. VERÖFFENTLICHUNGEN ZU DEN BESTÄNDEN

Kneidl, Pravoslav: Zámecké knihovny [Die Schloßbibliotheken]. In: Knihovna Národního musea v Praze [Die Bibliothek des Nationalmuseums in Prag]. Praha 1959, S. 138

Lifka, Bohumír: Prodeje zámeckých knihoven [Verkäufe von Schloßbibliotheken]. In: Vitrinka [Die Vitrine] 10 (1933) S. 130

Lifka, Bohumír: Exlibris a supralibros v ceských korunních zemích v letech 1000 az 1900 [Exlibris und Supralibros in den böhmischen Kronländern in den Jahren 1000-1900]. Praha 1980, S. 103, 109

Obrátil, Karel Jaroslav: Po stopách starých ceských exlibris, 1 [Auf den Spuren alter böhmischer Exlibris, 1]. In: Sborník pro exlibris a jinou uzitkovou grafiku [Sammelband für Exlibris und andere Gebrauchsgraphik] 1 (1923) Nr. 3, S. 64, Abb. Nr. 5

Zinkova 34. aukce. Nostická knihovna z Rokytnice v Orlických horách [Zinks 34. Auktion. Die Nostitz-Bibliothek aus Rokitnitz im Adlergebirge]. Praha 1933

Zinkova 46. aukce [Zinks 48. Auktion]. Praha 1937 [Nr. 299 betrifft die Rokitnitzer Bibliothek]

Stand: November 1996

Helga Turková


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.