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St. Marienbibliothek

Adresse. Französischer Dom, 10117 Berlin (Standort); Benutzung über: Zentralbibliothek des Evangelischen Konsistoriums Berlin-Brandenburg, Neue Grünstraße 19, 10179 Berlin [Karte]
Telefon. (030) 27 80 22 10
Bibliothekssigel. <B 2163>; Kirchlicher Zentralkatalog <Bb 7>

Unterhaltsträger. St. Nikolai- und St. Marien-Kirchgemeinde
Funktion. Depositum in der Zentralbibliothek des Evangelischen Konsistoriums.
Sammelgebiete. Der Bestand wird nicht vermehrt.

Benutzungsmöglichkeiten. Nur nach telefonischer Vereinbarung mit der Zentralbibliothek des Evangelischen Konsistoriums. Hinweise für anreisende Benutzer. U-Bahnverbindung (Linie U 2) bis Spittelmarkt (zur Zentralbibliothek des Evangelischen Konsistoriums). Kaum Parkmöglichkeiten.

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Die Anfänge der Bibliothek stehen in Verbindung mit der Gründung der Nikolaibibliothek durch Jakob Colerus im Jahre 1589. Als Propst von St. Nikolai und erster Pfarrer von St. Marien sah er mit den Geistlichen beider Kirchen zunächst nur eine Bibliothek vor. Auf gemeinsamen Beschluß wurde 1590 auch in St. Marien eine Büchersammlung eingerichtet, die in der Folgezeit den Bestand in St. Nikolai sinnvoll ergänzte, so daß von einer Berliner Kirchenbibliothek gesprochen werden kann. Sie diente den Geistlichen beider Kirchen und den Lehrern am Berlinischen Gymnasium zum Grauen Kloster, bis dieses 1674 eine eigene Bibliothek erhielt.

1.2 Für den Bestandsaufbau war im ausgehenden 16. und im 17. Jh maßgebend, daß ein solider Anschaffungsetat zur Verfügung stand, der sich aus Bußgeldern, besonders für überzählige Taufpaten, und gelegentlichen Spenden zusammensetzte. Die einkommenden Beträge beliefen sich auf 40 bis 80 Taler pro Jahr und Bibliothek. Im 18. und 19. war dagegen der Bibliotheksfonds sehr gering. Außerdem gingen in der Anfangsphase zahlreiche Schenkungen ein, da der Spender im Buch und im Register zum ewigen Gedenken notiert wurde. Die Verwaltung der Bibliotheken oblag jeweils einem der Diakone.

1.3 Entsprechend dem Benutzerkreis wurden vor allem Werke angekauft, die der Weiterbildung für die Seelsorgepraxis und für die theologischen Auseinandersetzungen der Zeit dienten. Kaufleute, die zu den Messen nach Frankfurt und Leipzig reisten, wurden beauftragt, Bücher mitzubringen, die man anhand der z. T. noch vorhandenen Meßkataloge aussuchte. In der Anfangsphase bemühte man sich besonders um die Werke der Kirchenväter und Reformatoren. In der Nikolaibibliothek bildeten Schwerpunkte die lutherische Orthodoxie und der Pietismus, in der Marienbibliothek die Schulliteratur für das Gymnasium und Werke der Aufklärung und des Kirchenrechts. Von besonderem Wert war in der Nikolaibibliothek eine größere, sehr geschätzte Bibelsammlung. Im 19. Jh ging die Bedeutung der Bibliotheken sehr zurück.

1.4 Beide Bibliotheken haben wenig Nachlässe zu verzeichnen. Der Nikolaibibliothek vermachte im Jahre 1612 der Kammergerichtsadvokat Burchard Rafus seine juristische Privatbibliothek. Sie wurde an den Rat der Stadt verkauft, der jährlich eine entsprechende Summe Zinsen an die Bibliothekskasse zahlte. In der zweiten Hälfte des 17. Jhs gelangten auf bisher ungeklärte Weise zwei Privatbibliotheken in die Marienbibliothek: einmal die 21 Bde umfassende Bibliothek des aus Schlesien stammenden Heinrich Weiß (Albinus), zum anderen die Bibliothek des Rektors am Magdalenengymnasium in Breslau, Heinrich Closius, die 53 Bde umfaßt, davon 12 Sammelbände mit Personalschriften. Im Jahre 1929 hinterließ Prof. Hermann Scholz, Archidiakon an der Marienkirche, dieser seine Privatbibliothek mit ca. 300 Bdn aus dem 19. und 20. Jh.

1.5 Die Nikolaibibliothek war seit 1595 in einem eigens dafür hergerichteten Raum über der Sakristei aufgestellt. Während des Zweiten Weltkrieges wurde der größere Teil des Bestandes ausgelagert und ist verlorengegangen. Nur etwa 350 Bde und die alten Register sind erhalten geblieben. Sie wurden ohne Trennung der Provenienzen mit der Marienbibliothek vereinigt und sind in den folgenden Übersichten mit aufgenommen. Die Marienbibliothek befand sich seit 1626 in einem Raum auf einer Empore, später z. T. auch in der Sakristei. Nach dem Krieg gelangten die Bücher in das Grüber-Haus und wurden 1967 in Räumlichkeiten der Bibliothek der Kirchlichen Hochschule Berlin-Brandenburg (damals: Sprachenkonvikt) untergebracht. Ein Depositalvertrag kam 1975 zustande. Ein umfassendes Katalogwerk wurde erarbeitet. Nach Zusammenführung der Kirchlichen Hochschule mit der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität 1991 wurde die Marienbibliothek der Zentralbibliothek des Evangelischen Konsistoriums als Depositum zugewiesen.

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

Chronologische Übersicht und Übersicht nach Sprachen

2.1 Die Bibliothek umfaßt aus dem 15. bis 19. Jh 4427 Titel, aus dem 20. Jh 145 Titel. Die Auszählung ergab für das 15. Jh 7 Hss. und 14 Inkunabeln, davon 3 aus der Nikolaibibliothek. Die Hauptmasse des Bestandes stammt aus dem 16. Jh mit 1060 Titeln (24 Prozent) und dem 17. Jh mit 2840 Titeln (64,1 Prozent). Auf das 18. Jh entfallen 176 Titel (4 Prozent) und auf das 19. Jh 328 Titel (7,4 Prozent).

2.2 Es überwiegen die lateinische Sprache (46,6 Prozent) und die deutsche (24,3 Prozent). Die Personalschriften (26,7 Prozent) enthalten neben deutschen, lateinischen und griechischen gelegentlich auch hebräische Texte. Geringen Anteil haben griechische Titel (1,24 Prozent) und hebräische (0,47 Prozent), vorwiegend Bibelausgaben. Zu diesen zählen außerdem 7 Polyglotten und 4 syrische Ausgaben, sowie je eine in Arabisch, Niederländisch, Lettisch, Malabarisch, Äthiopisch, Wendisch und Polnisch.

Systematische Übersicht

2.3 Die systematische Übersicht hält sich an die Gruppierung des neuen Kerblochkartenkatalogs und entspricht weitgehend der Systematik der erhaltenen Sachkataloge der Nikolaibibliothek von 1708 und 1818. Der Systematische Katalog der Marienbibliothek vom Ende des 19. Jhs ist verlorengegangen. Die Hauptmasse des Bestandes besteht aus theologischer Literatur.

2.4 Die Sachgruppe Bibelwissenschaft umfaßt insgesamt 74 Ausgaben der Bibel und ihrer Teile, davon sind 16 aus der im 18. Jh bedeutenden Bibelsammlung der Nikolaibibliothek übriggeblieben. An Konkordanzen zur Bibel in Deutsch, Latein, Griechisch und Hebräisch sind 13 Titel vorhanden. 31 Werke befassen sich mit Textgeschichte und Palästinakunde. Umfangreich sind exegetische Werke, vorwiegend zu einzelnen Büchern der Heiligen Schrift, mit 168 Titeln. Die praktische Bibelauslegung umfaßt 35 Postillen und 322 homiletische Sammlungen und Einzelpredigten.

2.5 Im Bereich der allgemeinen Theologie sind vorhanden 31 Kirchenväter-Ausgaben sowie 35 Ausgaben von Autoren des Mittelalters (Scholastiker) und der Reformationszeit (12 Luther-Ausgaben). Die Systematische Theologie ist mit 206 Titeln vertreten. Dazu kommen 280 Titel theologischer Polemik vor allem aus der Zeit der lutherischen Orthodoxie. In der Praktischen Theologie befassen sich 61 Titel mit Katechetik und Seelsorge, 53 Titel haben erbaulichen Inhalt. Der liturgischen Praxis sind 32 Kirchenordnungen, Agenden und Missalia zuzuordnen. Letztere sind Inkunabeldrucke für Magdeburg, Brandenburg und Havelberg. Dem gottesdienstlichen Gebrauch dienten ebenfalls 57 Gesangbücher und Chorsätze sowie 2 Antiphonarien.

2.6 Einen der Schwerpunkte bildet die Geschichte. Es sind 112 allgemeine und regionale Darstellungen vorhanden, dazu kommen 158 Titel zur Kirchengeschichte. Zum Judentum liegen 10, zum Islam 2 Werke vor. An Berolinensia sind aus dem 19. Jh 12 und aus dem 20. Jh 24 Titel vorhanden. Mit dem staatlichen und kirchlichen Recht befassen sich 73 Werke.

2.7 Dem schulischen Gebrauch dienten vor allem 44 Ausgaben griechisch-lateinischer Klassiker und 18 Ausgaben der Humanisten. Es liegen 57 Grammatiken und Wörterbücher für Latein, Griechisch und Hebräisch vor. Außerdem sind 38 philosophische Werke vorhanden sowie 36 zur Logik und Dialektik, 35 zur Rhetorik und 65 zur Poetik. Aus den Naturwissenschaften sind 22 Werke zur Medizin hervorzuheben, ferner 11 Titel zur Zoologie und Botanik, 3 zur Astronomie und 14 zur Länderkunde, darunter das Kartenwerk des Ortelius.

2.8 Die 987 Hochschulschriften (Dissertationes, Disputationes) aus dem 16. und 17. Jh im Bereich der Theologie und Philosophie verteilen sich auf folgende Hochschulen: Wittenberg 398, Leipzig 110, Frankfurt/Oder 158, Marburg 76, Jena 42, Gießen 110, Herborn 26, Rostock 31, Greifswald 24, sonstige 12. Sie sind überwiegend in Sammelausgaben vorhanden. Eine spezielle Sammlung bilden die Personalschriften, die vorwiegend den Raum Schlesien, Sachsen und Brandenburg betreffen. Es handelt sich insgesamt um 1184 Titel, davon 625 Leichenpredigten, 359 Hochzeitsgratulationen und 325 Widmungen zu anderen Gelegenheiten.

2.9 Schließlich finden sich in der Bibliothek 16 Zeitungen und Zeitschriften, darunter die älteste Berliner Zeitung von 1618 bis 1624. 14 allgemeine Lexika, die Meßkataloge von Leipzig und Frankfurt von 1564 bis 1638 (mit Lücken) sowie die bibliographischen Werke von Gesner und Draud runden den Bestand ab.

3. KATALOGE

3.1 Moderne Kataloge

Alphabetischer Katalog [Anlage nach PI]

Standortkatalog

Kerblochkarten-Sachkatalog

[erfaßt auch formale Aspekte]

Die Bestände sind im Kirchlichen Zentralkatalog nachgewiesen. Seit 1994 sind Periodika in der Zeitschriftendatenbank (ZDB) verzeichnet.

3.2 Historische Kataloge

Nikolaibibliothek: Catalogus Bibliothecae Nicolaitanae 1614 [Hs. 1,3] Conspectus Bibliothecae 1639 ff. [Hs. 1,4] Catalogus Bibliothecae Nicolaitanae confectus 1708 [Hs. 1,5] Novus Catalogus Librorum qui Bibliotheca aedis St. Nicolai continentur iuxta ordine dispositus a D. Carolo Adolpho Nicolai anno 1818 [Archiv Marienkirche]

Marienbibliothek: Catalogus Bibliothecae Marianae 1614 [Hs. 1,3] Catalogus der Marianischen Bibliothec 1639 [Hs. 1,2] Catalogus der Marianischen Bibliothec 1712 [Hs. 1,2] Katalog der Buecherei der Marienkirche 1929

[Hs. 1,6; beruht auf einem Katalog von 1874] Bienwald, Werner: Katalog der Bibliothek von St. Marien St. Nikolai 1960 [Hs 1,7]

4. DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

4.1 Archivalien

Register der Newen Bibliothecae zu Berlin in St. Niclaus Kirchen [Hs. 1,1]

New Kirchen Register der Bibliothec zu St. Nicolai [Hs. 1,4]

Catalogus, dorinne die strapfen, so in der Kirche alhie zu S. Marien ... 1590 [Märkisches Museum]

Inventarium Biblioth. divi Nicol. et Mar. 1614 [Hs. 1,3]

Catalogus der Marianischen Bibliothec [Hs. 1,2]

Acta des Vorstandes der St. Nicolai und Marien-Kirche betreffend die Bibliothec der St. Nicolai-Kirche [Archiv der Marienkirche]

Rechnungsbücher der St. Nicolai und St. Marienkirche 1572 bis 1689 [Märkisches Museum und Archiv der Marienkirche]

4.2 Darstellungen

Kleinscdt, Otto: Aus den Anfängen der Bibliothek der Nikolai-Kirche zu Berlin. In: Zentralblatt für Bibliothekswesen 67 (1953) S. 369-374

Laminski, Adolf: Die Erforschung der Kirchenbibliotheken von St. Nikolai und St. Marien zu Berlin. In: Jahrbuch für Berlin-brandenburgische Kirchengeschichte 53 (1981) S. 145-157

Laminski, Adolf: Aus den Anfängen der Bibliothek der Marienkirche zu Berlin. In: Zentralblatt für Bibliothekswesen 101 (1987) S. 196-199

Flemming, Thomas: Berliner Bibliotheken einst und jetzt. Berlin 1988, S. 4-8

Laminski, Adolf: Die Kirchenbibliotheken zu St. Nicolai und St. Marien: ein Beitrag zur Berliner Bibliotheksgeschichte. Leipzig 1990 (Zentralblatt für Bibliothekswesen Beih. 98)

5. VERÖFFENTLICHUNGEN ZU DEN BESTÄNDEN

Bienwald, Werner: Die Leichenpredigten von St. Marien/St. Nikolai in Berlin. In: Archiv für Sippenforschung 28 (1962) S. 318-322

Laminski, Adolf: Die älteste Berliner Zeitung in der Nikolaibibliothek zu Berlin. In: Zentralblatt für Bibliothekswesen 103 (1989) S. 114-117

ders.: Collectanea M. Henrici Closii. Eine schlesische Privatbibliothek des 17. Jhs in Berlin. In: Jahrbuch für schlesische Kirchengeschichte 72 (1993) S. 7-19

ders.: Das Katalogwerk der St. Nikolai-St. Marienbibliothek zu Berlin. In: Zentralblatt für Bibliothekswesen 99 (1985) S. 472

ders.: Weitere Entdeckungen zum Zeitungswesen des 17. Jahrhunderts in der Berliner Nikolai- und Marienbibliothek. In: Zentralblatt für Bibliothekswesen 104 (1990) S. 320-322

Nohl, Hermann: Die Leichenpredigten der Bibliothek der Marienkirche in Berlin. In: Vierteljahrschrift für Wappen-, Siegel- und Familienkunde 42 (1914) S. 262-267

Teitge, Hans-Erich: Der Buchdruck des 16. Jahrhunderts in Frankfurt an der Oder. Diss. Berlin: Humboldt-Universität 1987 [verzeichnet Drucke aus der Marienbibliothek]

Stand: März 1995

Adolf Laminski


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.