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Kirchgemeinde-Bibliothek im Stadtkirchenamt

Adresse. Lutherstraße 3, 07743 Jena [Karte]
Telefon. (03641) 44 32 87 oder 44 32 55

Unterhaltsträger. Evangelisch-Lutherische Kirchgemeinde Jena
Funktion. Kirchenbibliothek.
Sammelgebiete. Literatur zur kirchlichen Verwaltung, zur Homiletik und zum Kirchen- und Schulwesen Jenas.

Benutzungsmöglichkeiten. Präsenzbibliothek. Benutzung nach Vereinbarung. Leihverkehr: nicht angeschlossen.
Technische Einrichtungen für den Benutzer. Kopiergerät.
Hinweise für anreisende Benutzer. Vom Westbahnhof Fußwegnähe (ca. 10 Minuten) Richtung Volkshaus; vom Saalbahnhof (ca. 20 Minuten) und vom Paradiesbahnhof (ca. 10 Minuten). A 4 (E 40), Ausfahrt Jena-Lobeda. Parkmöglichkeiten vorhanden.

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Die Evangelisch-Lutherische Kirchgemeindebibliothek entstand vermutlich in den sechziger Jahren des 17. Jhs, doch weist der Kernbestand, die Kirchenbibliothek der Stadtkirche St. Michaelis, auch schon Drucke aus dem 16. Jh auf. Sie war an die Stelle der in der Reformationszeit aufgelösten Klosterbibliotheken getreten, deren Bestände sie z. T. in ihren Mauern beherbergte. In der dritten Kapelle " unter dem Chor oder hohen Altar" von St. Michaelis waren nach Adrian Beier (1681, s. u. 4) " die reliquien der Bibliothec des Probsts un[d] der Eptissin" aufbewahrt gewesen, " davon die Pergamen-Bücher unlängst Tobiae Völckern dem Buchbindern verkaufft worden". 1672 wurden die Bücher in die " unterste Sacristey" gebracht, die von den Fürstl. Sächs. Hofbedienten benutzt wurde.

1.2 Diese Restbestände des Jenaer Dominikanerklosters St. Paul und des Jenaer Zisterzienserinnenklosters (etwa 200 Bde) erfaßte der spätere Universitätsbibliothekar Johann Gottfried Müller (1728-1792), dessen Vater Diakon an der Michaeliskirche war, als Student 1749 bei der (Neu-)Einrichtung der Kirchenbibliothek in einem Katalog, der handschriftlich überliefert ist. Wie er in seinem Vorbericht vermerkt, waren viele der Bücher " durch Fäulnis und Moder ... übel zugerichtet". Um sie vor weiterer Zerstörung zu bewahren, leitete Müller, als es ihm amtlich möglich geworden war, deren Überführung in die Universitätsbibliothek in die Wege, die am 5. Oktober 1759 offiziell unter Zustimmung des Stadtrates erfolgte. Über die Standorte der in der Michaeliskirche verbliebenen Bücher und die Geschicke der Kirchenbibliothek ließen sich keine Nachrichten finden.

1.3 Später gelangten einzelne Bücher aus den Kirchenbibliotheken der umliegenden, heute eingemeindeten Orte wie Zwätzen, Löbstedt und Burgau in den Bestand. Eine im Juli 1955 durchgeführte Revision ergab jedoch, daß 42 Prozent des ursprünglichen Bestandes nicht mehr vorhanden waren. Zugänge aus Jenaer Schulbibliotheken glichen nur quantitativ die Abgänge wieder aus.

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

Chronologische Übesicht und Übersicht nach Sprachen

2.1 Die Bibliothek umfaßt 2893 Bde, davon stammen 1058 (36,6 Prozent) aus der Zeit vor 1900: 16. Jh 10 (ein Prozent des historischen Bestandes), 17. Jh 29 (2,7 Prozent), 18. Jh 45 (4,2 Prozent), 19. Jh 974 (92,1 Prozent). Der Anteil fremdsprachiger Werke ist gering (1,2 Prozent).

Systematische Übersicht

2.2 Der Bestand ist nach grob eingeteilten Sachgruppen aufgestellt, die sich aus den praktischen Anforderungen ergeben haben. An erster Stelle ist eine kleine Sammlung von 47 Bibeln (4,4 Prozent; 17. Jh 6, 18. Jh 10, 19. Jh 31) zu nennen. Bei der Biblia (Wittenberg 1664) handelt es sich um die schon 1681 bei Adrian Beier als Schenkung der " Anna Catharina Neuenhahnin, gebohrne Rönnerin 1664" erwähnte " Wustische Wittenbergische" Sakristei-Bibel (Einbandprägung A C N 1664). Erwähnung verdient auch eine Lüneburger Stern-Bibel von 1682. Eine 1594 von Hieronymus Mühlpfordt gestiftete Bibel mit kolorierten Bildern ist heute nicht mehr vorhanden.

2.3 Unter den 78 Gesangbüchern (7,4 Prozent; 17. Jh eines, 18. Jh 3, 19. Jh 74) sind u. a. Jenaer, Weimarer, Gothaer, sächsische, brandenburgische, ostpreußische und schlesische zu finden. Das älteste von ihnen wurde unter dem Titel Vorrath von alten und neuen Christl. Gesängen nebenst Kirchen-Gebethen und Fest-Andachten 1673 in Leipzig gedruckt. Vom Weimarischen Gesangbuch sind verschiedene Ausgaben vorhanden, u. a. ein Neueingerichtetes beständiges Sachsen-Weimar-Eisenachisch und Jenaisches Gesang-Buch (Weimar 1744) und das von 1795. Ein Neues Gothaisches Gesangbuch kam 1825 in Gotha heraus.

2.4 Die Predigt- und Erbauungsliteratur ist mit 123 Bdn (11,6 Prozent; 17. Jh 3, 18. Jh 3, 19. Jh 117) relativ umfangreich. Die Christ-Fürstl. Andachten und Betrachtungen etlicher Biblischen Sprüche ... auffgesetzet von J[ohann] W[ilhelm] H[erzog] z[u] S[achsen] (Eisenach 1709) waren laut Eintrag der Michaeliskirche gehörig. Der Band belegt die ungebrochene Traditionslinie zwischen der älteren und neueren Kirchenbibliothek. Zur Grundausstattung gehörten sehr wahrscheinlich auch das Geistliche Handbuch der Kinder Gottes (Halle 1668) von Johann Olearius und die Postilla von Johann Spangenberg (Nürnberg 1726). Luthers Hauspostille, hrsg. von dem mit ihm befreundeten Prediger Veit Dietrich (Titelblatt fehlt, 1654), stammt laut Eintrag aus der Rosenmühle zu Vogelsberg. Von den Erbauungsschriften sind noch das weit verbreitete Größre biblische Erbauungsbuch von Georg Friedrich Seiler und die populären Stunden der Andacht von Heinrich Zschokke zu nennen.

2.5 Der Systematik, Apologetik und Polemik lassen sich 104 Bde (9,9 Prozent; 16. Jh 7, 17. Jh 6, 18. Jh 12, 19. Jh 79) zuordnen. Von Philipp Melanchthon sind u. a. die Loci communes theologici (Leipzig 1546) und der Corpus doctrinae christianae (Leipzig 1560) vorhanden, zur Augsburgischen Konfession ist die Concordia (Dresden 1580) im Bestand, weiterhin Bekenntnisschriften von 1584 und 1703. Der Leipziger Theologe Johann Benedict Carpzov ist mit der Isagoge in libros ecclesiarum Lutheranarum symbolicos (Leipzig 1665) und dem Opus definitionum ecclesiasticarum (Leipzig 1665) vertreten. Die Werke von Hieronymus Weller à Molsdorf (Leipzig 1702) sind sowohl in lateinischer (Opera omnia) als auch in deutscher Sprache (Deutsche Schriften) angeschafft worden. Luthers Schriften werden u. a. durch die Festnummer der Leipziger Allgemeinen Zeitung, die zum vierhundertjährigen Geburtstag Luthers 1883 erschien, ergänzt.

2.6 Unter den 66 Bdn exegetischer Literatur (6,2 Prozent; 17. Jh 2, 18. Jh einer, 19. Jh 63) ist das erste im Katalog verzeichnete Werk, der Commentarius in omnes epistolas Pauli (Frankfurt a. M. 1655) von Friedrich Balduin, zu nennen. Die Auslegung der Sonntags- und Festevangelien von Johannes Arndt (Lüneburg 1645) dürfte mit zum Grundbestand der alten Kirchenbibliothek gehört haben. In den Bereich " Liturgie, Meßbücher, Kirchenordnungen" gehören 42 Bde (3,9 Prozent; 16. Jh 3, 17. Jh 8, 18. Jh 4, 19. Jh 27). Der älteste vorhandene Druck ist eine mit Noten ausgestattete Agenda Numburgense des Nürnberger Druckers Georg Stuchs (oder Stoechs, aus Sulzbach) von 1502 (VD 16: A 732). Stuchs hatte 1491 in Nürnberg den Musik-Notendruck eingeführt und war wegen seiner guten Druckqualität bekannt geworden. Die Gruppe " Geschichte, Kirchengeschichte" enthält 56 Bde (5,3 Prozent; 17. Jh einer, 18. Jh einer, 19. Jh 54), darunter Veit Ludwig von Seckendorffs Commentarius historicus et apologeticus de Lutheranismo (Frankfurt a. M., Leipzig 1692).

2.7 Die Bestandsgruppe " Gesammelte Werke, Literatur, Philosophie" besteht aus 94 Bdn (8,9 Prozent; 17. Jh einer, 18. Jh 5, 19. Jh 88), sie beginnt zeitlich mit den Deutschen Poemata von Martin Opitz (Danzig 1641). Die kleine Belletristik-Sammlung überliefert größtenteils aus Jenaer Schulbibliotheken stammende Werkausgaben von Racine, Wieland, Herder, Goethe, Uhland, Otto Ludwig und Fritz Reuter, außerdem Biographien und Anthologien zum Schulgebrauch. Goethes Faust (Stuttgart und Tübingen 1854) wurde von Engelbert Seibertz illustriert. Aus Jenaer Schulen gelangten auch 108 Bde zum Schulwesen, zur Pädagogik und zur Katechetik (10,2 Prozent; 18. Jh 3, 19. Jh 105) in den Bestand.

2.8 Die Pfarrbibliothek des 19. Jhs, die keine besondere Abgrenzung erfahren hat, enthält Veröffentlichungen zum kirchlichen Vereinswesen (22 Bde; 2,1 Prozent), z. B. des Gustav-Adolf-Vereins, weiterhin Schriften der Inneren Mission, zur Jugendarbeit und Diakonie sowie zur Missionstätigkeit. Hinzu kommen 318 Bde kirchliche und staatliche Gesetz- und Verordnungsblätter (30,1 Prozent; 17. Jh einer, 18. Jh 3, 19. Jh 314) einschließlich der Landtagsverhandlungen des Großherzogtums Sachsen-Weimar-Eisenach in einem unvollständigen Exemplar.

2.9 Aus der Provenienz der ehemaligen Kirchenbibliothek Zwätzen stammt Des Evangelischen Aug-Apffels, Oder Der wahren, reinen, unveränderten Augspurgischen Confession Vertheidigung (Leipzig 1673), die 1680 " auf befehl des Herrn Inspectoris in der Schulpforte M. Johann Barth" gekauft wurde. Anna Eva Herzogin, die Frau des Kantors und Schullehrers in Zwätzen, ließ 1768 ein Vollständiges Kirchen-Buch (Leipzig 1727) durch Pfarrer Wichmann, der es bei seiner Probepredigt das erste Mal mit auf die Kanzel nahm, in Leipzig besorgen und kaufen.

2.10 Auch die Kirche zu Burgau hatte 1584 schon einen kleinen Buchbestand, wie aus einem Eintrag in Verbindung mit der Einbandprägung hervorgeht. 1675 bestätigte der damalige Pfarrer Abraham Wallich, daß die Apologia Oder Verantwortung deß Christlichen Concordien Buchs (Dresden 1584) dazu gehöre. Die Verbesserte Kirchen-Ordnung (Weimar 1664) befand sich ursprünglich auch in Burgau.

3. KATALOGE

3.1 Moderne Kataloge

Katalog der Bücher der Kirch- und Pfarrbibliothek zu Jena. Nach dem Schema für Bücherbestandsverzeichnisse von D. Hermann, Weimar, angelegt von Th. Schneider

[in Bandform, 14 Gruppen, erstellt ca. 1942]

Sachkatalog

[Bestandslisten, 14 Sachgruppen, innerhalb der Gruppen chronologisch, auf EDV-Grundlage]

Gegenwärtig wird ein Katalog auf EDV-Basis erarbeitet.

3.2 Historischer Katalog

Verzeichnis derienigen Bücher u. Handschriften, welche als der Ueberrest der ehemaligen ClosterBibliotheken zu Jena in der HauptKirche zu S. Mich. daselbst aufbehalten werden, aufgesetzt von M. Johann Gottfried Müller. Jena 1749 [Bestandsliste]

Die Titel sind im Thüringer Zentralkatalog an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek (ThULB) Jena nachgewiesen und werden in die Verbunddatenbank des Gemeinsamen Bibliotheksverbundes (GBV) eingearbeitet.

4. DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

4.1 Archivalien

Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena. Bibliotheksarchiv. AC II 17: Katalog der ehemaligen Jenaer Klosterbibliotheken. 1749

4.2 Darstellungen

Beier, Adrian: Architectus Jenensis. [Jena] 1681 [S. 511 über die Bibliothek der Michaeliskirche]

Brandis, Carl Georg: Aus dem ältesten Schul- und Bibliothekswesen Jenas. In: Jenaische Zeitung 253 (1926) Nr. 280 vom 30. November, S. 12, und Nr. 281 vom 1. Dezember, S. 16

Schmitz, Wilhelm: Die Übergabe der ehem. Klosterbibliothek an die akadem. (Universitäts-)Bibliothek zu Jena im Jahre 1759. In: Jenaische Zeitung 256 (1939) Nr. 51 vom 1. März (Beil. Thüringer Heimat- und Volkskunde), S. 7

Geschichte der Universitätsbibliothek Jena 1549-1945. Weimar 1958 [zur Bibliothek S. 229 und 239]

Stand: März 1995

Felicitas Marwinski

Rüdiger Casten


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.