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Zentralbibliothek der Wiener Franziskanerprovinz in Graz

Adresse. Franziskanerplatz 14, 8010 Graz [Karte]
Telefon. (0316) 829 189

Unterhaltsträger. Wiener Franziskanerprovinz
Funktionen. Zentralbibliothek für den Altbestand aus den Klöstern der Wiener Provinz; Hausbibliothek des Grazer Klosters.
Sammelgebiete. Theologie, Geschichte und Literatur bis 1700.
Benutzungsmöglichkeiten. Präsenzbibliothek. Benützung nur nach Rücksprache mit dem Franziskanerkloster. - Leihverkehr: nicht angeschlossen.
Technische Einrichtungen für Benützer. Kopiergerät (Kopieren des Altbestandes jedoch nicht erwünscht).
Hinweise für anreisende Benützer. Anmeldung erforderlich. - Straßenbahnlinien 3 und 6 ab Hauptbahnhof bis Station Hauptplatz. - Parkgarage Andreas Hofer-Platz.

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Der heute im Grazer Franziskanerkloster aufgestellte Buchbestand setzt sich aus Sammlungen mit unterschiedlichen Bestandsgeschichten zusammen: zum einen aus Büchern des 15. bis 17. Jhs, die aus mehreren Klosterbibliotheken der Wiener Franziskanerprovinz in den sechziger Jahren des 20. Jhs nach Graz gebracht wurden; zum anderen aus der vor Ort, im Grazer Kloster, gewachsenen Hausbibliothek, deren alte Bestände bis 1700 in die Zentralbibliothek integriert wurden, während die Bücher ab 1701 in der Bibliothek über der Sakristei untergebracht sind.

1.2 Das Kloster, das diese umfangreiche Zentralbibliothek nun beherbergt, steht in der Tradition der bereits im 13. Jh urkundlich nachweisbaren Niederlassung von Minderbrüdern in Graz. 1463 siedelten Observanten, die reformierten Minderbrüder, im Klostergebäude Graz St. Leonhard; im selben Jahr erfolgte die Dotation durch Friedrich III. Um diese Zeit wurde wohl auch der Grundstein zur Franziskanerbibliothek gelegt. Wiener Franziskanerprovinz in Graz

1.3 In der noch heute im Eigentum der Bibliothek befindlichen Inkunabel A 60/15, dem Confessionale von Antoninus Florentinus (Köln, um 1470), fanden sich dazu zwei interessante Hinweise: ein Vermerk, der dieses Buch dem Minderbruder Alexander der Wiener Observanz St. Theobald zum Gebrauch zueignet und die eigenhändige Eintragung des Fraters Alexander de Posonia (von Preßburg), der sich als Guardian des Grazer Klosters bezeichnet und dieses Buch ausdrücklich für das Kloster in Graz bestimmt, wo es für immer bleiben und nie entfremdet werden soll. Dieser durch glücklichen Zufall erhaltene und mit 1478 datierte Buchvermerk im ersten nachweisbaren Buch wurde bisher als Gründungsdatum der Franziskanerbibliothek betrachtet. Nachforschungen Maria Mairolds (s. u. 5) brachten jedoch jüngst einen noch früheren Besitzvermerk in der Basler Inkunabel Vocabularius utriusque iuris (A 56/37) zutage, die radiert, aber eruierbar die Eintragung pro loco Graecensi comparatus Anno 1476 aufweist. Dieses Vokabularium wurde im 17. Jh an das Kloster in Lankovitz weitergegeben.

1.4 Wie die Bibliothek weiter gewachsen ist, wissen wir im einzelnen nicht. Jedenfalls arbeiteten hier seit den siebziger Jahren des 15. Jhs einige Buchbinder, die sich neben den Hss. auch der Drucke annahmen. 28 Einbände von Drucken der Jahre 1471 bis 1475 und 1487 bis 1491 des ersten Franziskanerbinders, des Meisters mit dem Arma-Christi-Stempel, sind bekannt (vgl. die Aufsätze von Gertraut Laurin, s. u. 5). Aus dem Jahre 1616 ist der erste, den Bestand nach Autoren und Sachgebieten ordnende Katalog erhalten. Veranlaßt wurde diese Bestandsaufnahme durch die 1612 von den vier Schwestern Holleneck dem Kloster geschenkte Büchersammlung. Die genaueren Umstände dieser Schenkung und der im Zusammenhang damit aus Meß- und Vigilienstiftungsgeldern finanzierte Bibliotheksbau im Kloster sind urkundlich dokumentiert (s. u. 4).

1.5 In der Folgezeit wurden das Kloster und die Bibliothek weder von den josephinischen Reformen noch von den Weltkriegen in Mitleidenschaft gezogen, daher ist ein reichhaltiger Buchbestand überliefert. Die Zäsur erfolgte erst in den sechziger Jahren des 20. Jhs, als die Leitung der Wiener Franziskanerprovinz (der auch das Grazer Kloster untersteht) beschloß, die bis 1700 gedruckten Bücher aus den einzelnen Provinzbibliotheken zusammenzuziehen und zu katalogisieren, um den Altbestand der Hss. und frühen Drucke besser erhalten zu können. Das Grazer Kloster wurde als Aufstellungsort der ersten historischen Zentralbibliothek bestimmt (der andere Teil mit den Beständen ab 1701 befindet sich in Maria Enzersdorf). Die Grazer Zentralbibliothek birgt nun die im allgemeinen gut erhaltenen Altbestände aus den Franziskanerbibliotheken Wien, St. Pölten, Maria Lankovitz und der Grazer Hausbibliothek. Den Buchtransfer, die Aufstellung in neugeschaffenen Räumlichkeiten und die Katalogisierung leitete der Bibliothekar P. Theodor Tabernigg.

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

2.1 Grundlage der Zählung ist die 1991 durchgeführte Buchbestandserhebung nach der Autoren- und Anonymenkartei für den Bestand bis 1700. Dieser Gesamtbestand beläuft sich auf 12.000 Titel. Die Hausbibliothek umfaßt weitere 1334 Bde an Dubletten des 15. bis 17. Jhs und 31.522 Bde von 1700 bis ins 20. Jh, die, ohne Signaturen und Verzeichnis, lediglich nach der Größe geordnet in Stellagen über der Sakristei aufbewahrt werden. Sie sind in den folgenden Zahlen nicht enthalten.

2.2 Die Einteilung nach Jahrhunderten bestimmt die Aufstellung im neuen Bibliotheksraum; Inkunabeln bilden eine eigene Gruppe. Der Bestand weist 846 Inkunabeln in 751 Bdn auf, 4449 Titel aus dem 16. Jh und 6600 Titel aus dem 17. Jh. 748 später eingelangte Bände sind noch nicht eingeordnet.

2.3 Die Zentralbibliothek enthält zu 70 Prozent (8758 Titel) Bücher in Latein, 2443 Titel wurden in Deutsch verfaßt. In italienischer Sprache liegen 437 Werke vor, in Französisch 102, in Spanisch 36. 158 Titel, hauptsächlich Wörterbücher, sind zwei- und dreisprachig. 30 weitere Werke sind in anderen Sprachen (vor allem alte orientalische und slawische) geschrieben.

2.4 Von den 846 Inkunabeln der Zentralbibliothek, die zu zwei Dritteln das Fach Theologie betreffen, stellt das Grazer Kloster mit 401 Titeln in 295 Bdn den Großteil, gefolgt vom Kloster St. ölten mit 278 Titeln in 210 Bdn. Mit Ausnahme von 9 deutschen Werken und einigen Vokabularen handelt es sich um lateinische Texte. 524 Inkunabeln wurden in Deutschland gedruckt (häufigster Druckort ist Straßburg mit 129 Titeln, dann Nürnberg mit 113, Augsburg mit 77, Basel mit 64), 295 hauptsächlich juridische Texte stammen aus Italien (226 aus Venedig, 20 aus Pavia, 18 aus Bologna), 17 aus Frankreich (Lyon und Paris), 5 aus den Niederlanden.

2.5 Inhaltlich dokumentieren die Inkunabeln vor allem diverse theologische Bereiche: 67 Titel sind Bibeln oder exegetische Schriften, 247 allgemeinere theologische Werke, 188 lateinische Predigtliteratur, 51 Beichtschriften, 15 liturgische Gebrauchsbücher. Das Kirchenrecht ist mit 111 Titeln, Jus civile mit 83 Titeln vertreten, die vor allem aus den großen Bibliotheken Graz und St. Pölten stammen, kleinere Klöster sind damit nur spärlich bedacht worden. Weiters sind 192 Titel an literarischen Werken (Klassiker), 29 Vokabulare, 23 philosophische und 11 medizinische Schriften vorhanden. 41 Titel behandeln diverse andere Wissensgebiete.

2.6 Auch beim Bestand ab 1500 bildet die theologische Literatur mit 7212 Titeln den bei weitem größten Fachbereich, bestehend aus lateinischen dogmatischen und moraltheologischen Werken, Bibeln, dann auch deutschsprachiger religiöser Erbauungsliteratur und einer umfangreichen Predigtsammlung. 733 Titel zum Kirchenrecht und 372 Titel zur Kirchengeschichte ergänzen die geistlichen Bücher. Daneben ist aber auch weltliches Recht mit 433 Titeln vertreten.

2.7 Zweiter inhaltlicher Schwerpunkt der Bibliothek ist der geisteswissenschaftliche Bereich mit 2000 Titeln an Literatur, Geschichte und Wörterbüchern, ein großer Teil davon stammt aus dem 16. Jh. 366 Werke der Philosophie kommen hinzu. 202 Bücher entfallen auf Naturwissenschaften, davon 75 auf Mathematik, Geometrie und Geographie (u. a. 10 Atlanten). Medizinische Fachliteratur und Kräuterbücher sind mit 300 Titeln vertreten, diverse weitere Wissensgebiete mit 267.

3.KATALOGE

3.1 Moderne Kataloge

Autoren- und Anonymenkartei bis 1600

Autoren- und Anonymenkartei 1601-1700

Standortkatalog für Literatur des 16. und 17. Jhs

Inkunabelkartei

Druckerverzeichnis für Inkunabeln

Alphabetischer und Standortkatalog für Inkunabeln

Kartei der Bibliothek Güssing

Kartei der Bibliothek Maria Enzersdorf

[in Bearbeitung, ab 1701]

[Alle Kataloge wurden alphabetisch nach hauseigenen Regeln erstellt.]

3.2 Historische Kataloge

Franziskanerkloster Graz:

Erster Katalog 1616

[Codices im Klosterarchiv, Nr. 16]

Catalogus Bibliothecae Conventus Graecensis Anno 1662

Catalogus Librorum Ordine Alphabetico. 1750

Katalog ohne Namen. 1825

Catalogus Bibliothecae Conventus P.P. Franciscanorum Graecensium Anno 1848. Bd I

Catalogus Auctorum Bibliothecae in Conventu Fratrum Min. S. P. Francisci Graec. II. Anno 1855

Inkunabelkatalog des Franziskanerklosters Graz

[Standort- und alphabetischer Katalog, mschr.]

4. QUELLEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

In Graz sind nun auch die historischen Kataloge der Klosterbibliotheken Maria Enzersdorf von 1751, 1826 und 1878 sowie Gleichenberg von 1836.

Im Archiv des Klosters befinden sich Urkunden zur Klostergeschichte sowie die Pergamenturkunde Cista D, Fasc. 94 zur Bibliotheksstiftung von 1612.

5. VERÖFFENTLICHUNGEN ZU DEN BESTÄNDEN

Holter, Kurt: Verzierte Wiener Bucheinbände. In: Codices Manuscripti (1977) Sonderheft [erwähnt 17 Einbände aus dem Bestand]

Keller, Juliane: Grazer Frühdrucke 1559-1619. Graz 1970

Laurin, Gertraut: Bemerkenswerte Einbände der Bibliothek des Franziskanerklosters in Graz. In: Gutenberg-Jahrbuch 38 (1963) S. 273-283

Laurin, Gertraut: Der Binder mit dem Arma-Christi-Stempel. Zur Geschichte der Franziskanerbuchbinderei in Graz. In: Gutenberg-Jahrbuch 45 (1970) S. 359-370

Mairold, Maria: Einstige St. Pöltner Inkunabel in der Zentralbibliothek der Franziskaner in Graz. In: Biblos 32 (1983) S. 315-319

Stand: September 1991

Maria Mairold

Didacus Sudy OFM


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.