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Flensburger St. Nikolai-Bibliothek

Adresse. S. Flensburg Landeszentralbibliothek Schleswig-Holstein

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Im Jahre 1991 wurden aus dem Städtischen Museum die der Flensburger Nikolaikirche gehörigen 323 Bde der sogenannten St. Nikolai-Bibliothek als Dauerleihgabe in die Landeszentralbibliothek übernommen. Über die Geschichte dieser Kirchenbibliothek aus dem Jahrhundert der Reformation, die bereits vorübergehend von 1817 bis 1834 in der Gymnasialbibliothek eingeordnet war (s. Eintrag dort, 1.6) und sich seit 1908 im Flensburger Museum befand, informieren handschriftliche Kataloge von 1580, 1635, 1681, 1729 und 1825 ( s. u. 3.2) und andere Archivunterlagen.

1.2 Die Bibliothek, die im Jahre 1580 von Pastor Sebastian Schröder (1541-1593) begründet wurde und seitdem Jahrhunderte hindurch in dem noch heute an seinem ursprünglichen Standort im Archiv-Raum über der südlichen Eingangshalle in der Kirche stehenden großen Bücherschrank untergebracht war, erlangte bereits im 16. Jh, vor allem durch Stiftungen Flensburger Großkaufleute und Pastoren, aber auch königlicher Amtsträger wie Heinrich Rantzau (1526-1598), einen beachtlichen Buchbestand, der sich in den folgenden Jahrhunderten kaum mehr veränderte. In die Kirchenbibliothek wurden 1580 auch die Bücher eingegliedert, die sich z. T. bereits vor 1500 in der Nikolaikirche befunden hatten. Seit 1555 nutzte man zudem die Möglichkeit, für die Kirche Bücher mit den Geldern des Atzersenschen Testaments, benannt nach dem Prediger Thomas Atzersen († 1553), zu erwerben.

1.3 Im Jahre 1588 konnte die Nikolaikirche die mehr als 100 Bde umfassende Bibliothek des Flensburger Franziskanermönchs Lütke Namens (s. Eintrag Gymnasialbibliothek, 1.1 f.), des Begründers des heutigen Alten Gymnasiums, übernehmen. Zur Büchersammlung des letzten Flensburger Franziskanermönchs gehörten u. a. auch 30 Inkunabeln und Drucke aus den beiden ersten Jahrzehnten des 16. Jhs, die sich vor der Reformation in den inzwischen aufgelösten Franziskanerklöstern der Ordensprovinz Dacia ( u. a. Schleswig, Tondern, Ribe, Viborg, Horsens) befunden hatten, und 3 Handschriftenbände, darunter 2 Bibelhandschriften aus dem ehemaligen Rudekloster des Zisterzienserordens aus dem ausgehenden 13. Jh, das an der Stelle des heutigen Schlosses Glücksburg stand. Kurz nach 1600 kam aus dem Haus des ehemaligen königlichen Amtsverwalters Hans Hartmann (1534-1606) eine umfangreiche Musikaliensammlung (mit Musikdrucken und -handschriften) hinzu, deren Bedeutung für die schleswig-holsteinische und dänische Musikgeschichte erst vor kurzem nachgewiesen wurde (s. Eintrag Gymnasialbibliothek, 2.13).

1.4 Als die Kirchenbibliothek in der ersten Hälfte des 19. Jhs vorübergehend in der Gymnasialbibliothek eingeordnet war, gelangten beim Rücktransport versehentlich 42 Bde der Schulbibliothek in die Kirche, während die Musikaliensammlung und 57 Bde der Kirchenbibliothek, darunter die 3 Handschriftenbände, in der Schule blieben.

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

2.1 Von den 323 Bdn der St. Nikolai-Bibliothek, die 1991 vom Städtischen Museum in die Landeszentralbibliothek gelangten, gehören nur 281 Bde zur Kirchenbibliothek, die anderen ihrem Ursprung nach zur Schulbibliothek. Beide Bereiche werden getrennt beschrieben, wobei die Darstellung der Kirchenbibliothek auch die Drucke umfaßt, die sich seit dem 19. Jh in der Gymnasialbibliothek befinden. Die Beschreibung basiert auf dem gedruckten Katalog ( s. u. 3.1).

2.2 Die 42 Bde der Schulbibliothek umfassen 43 Titel, darunter eine Inkunabel, 26 Titel des 16. Jhs, 10 des 17. Jhs und 6 des 18. Jhs. Die meisten Titel sind im deutschen Sprachraum entstanden, 3 stammen aus Frankreich, 2 aus England und einer aus Holland. Der überwiegende Teil ist der Theologie zuzuordnen. Dazu zählen mehrere Bibelausgaben aus dem 16. Jh, darunter die von Paul Eber herausgegebene Biblia Germanicolatina (Wittenberg 1565), die in Dresden gebunden wurde. Außerdem gehören einige Schriften antiker Autoren, Werke aus der Zeit des Humanismus, Schriften zu den alten Sprachen und ein juristisches Werk dazu.

2.3 Die eigentliche Kirchenbibliothek von St. Nikolai umfaßt heute insgesamt 441 Titel in 336 Bdn: 35 Inkunabeln, 384 Titel des 16. Jhs und 22 des 17. Jhs. Beinahe 75 Prozent der Titel (323) stammen aus dem deutschen Sprachraum, davon 114 aus der heutigen Schweiz. 78 Titel kommen aus dem französischen Sprachraum, während sich die restlichen Titel auf die Niederlande (20), Italien (19) und Dänemark (einer, Kopenhagen 1679) verteilen.

2.4 Die ursprüngliche Kirchenbibliothek besteht ebenso wie die Bibliothek des Franziskanermönchs Lütke Namens zu einem Großteil aus theologischen Schriften. Während die Kirchenbibliothek insbesondere Werke lutherischer Theologen, u. a. einen Sammelband mit Lutherschriften aus den zwanziger Jahren des 16. Jhs aufweist, finden sich in der Bibliothek des Franziskanermönchs hingegen Werke katholischer Theologen. In beiden Sammlungen liegen verschiedene Bibelausgaben, darunter insgesamt 17 Bde der Biblia cum postillis Nicolai de Lyra, der beliebtesten Bibelausgabe des Mittelalters, vor (Nürnberg 1487 und 1497, Straßburg 1492, Basel 1502 und 1508) sowie Ausgaben mit den Schriften der Kirchenväter und mittelalterlicher Theologen. In der St. Nikolai-Bibliothek sind zudem Werke aus verschiedenen Sachgebieten vertreten, mit Ausnahme der Schönen Literatur. Werke römischer und griechischer Autoren finden sich dort ebenso wie die historische und geographische Sachliteratur des 16. Jhs.

2.5 Weiterhin sind Schriften der Humanisten vorhanden, vor allem von Erasmus, Wörterbücher zu den alten Sprachen, Schriften zu grammatischen und rhetorischen Fragen, sowie naturwissenschaftliche, medizinische und juristische Werke. Die Bibliothek spiegelt als Ganzes den Wissensstand des Reformationszeitalters wider. Die Sammlung, größtenteils im Folioformat, weist zahlreiche zeitgenössische Einbände auf, die u. a. in Lübeck um 1500 und in Wittenberg sowie in Flensburg im ausgehenden 16. Jh angefertigt wurden.

3. KATALOGE

3.1 Moderner Katalog Kraack, Gerhard; Lorenzen, Nis: Die St. Nikolai-Bibliothek zu Flensburg. Eine Büchersammlung aus dem Jahrhundert der Reformation. Beschreibung und Katalog. Flensburg 1984, S. 171-288

[Alphabetischer Katalog nach Hausregeln; im Katalogteil sind auch Hss. und die Musikalien erfaßt sowie die Bände der Kirchenbibliothek (einschließlich der Bibliothek des Franziskanermönchs Lütke Namens), die sich heute in der Schulbibliothek befinden, und die Bestände der Schulbibliothek, die seit dem 19. Jh Bestandteil der St. Nikolai-Bibliothek sind.]

Die Bestände sind nicht im Norddeutschen Zentralkatalog nachgewiesen.

3.2 Historische Kataloge

Index librorum a bonis viris in usum perpetuum Ministrorum Ecclesiae Christi quae est ad Divum Nicolaum Flensburgi donatorum inque Bibliothecam eiusdem Templi repositorum Anno Christi 1580

[hschr. Bandkatalog; geführt von 1580 bis 1589; überliefert im Kirchenarchiv von St. Nikolai im Stadtarchiv Flensburg: St.A. XI KA St.Nik. 63]

Inventarium Librorum Bibliotecae ad S. Nicolaum [hschr. Bandkatalog; angelegt 1635; überliefert im Kirchenarchiv: St.A. XI KA St.Nik. 63]

Catalogus Operum atque Librorum Theologicorum, Historicorum, Philologicorum, Philosophicorum, Juridicorum et Medicorum ... [hschr. Bandkatalog; angelegt von dem späteren Rektor der Lateinschule Johannes Moller 1681; überliefert in doppelter Ausfertigung in der Handschriftensammlung des Stadtarchivs Flensburg (St.A. XII HS 671) und im Städtischen Museum Flensburg]

Catalogus librorum, quos Gymnasio Flensburgensi legavit eius fundator Ludolphus Naamani. In: Olaus Henrich Moller: Erneuertes Andenken der milden Stiftungen (Ludolphus Naaman). Flensburg 1774, S. 45-50 [Auszug aus dem Katalog von 1681 über 93 Bde aus der Bibliothek von Lütke Namens und über die Bücher, die mit den Geldern des sogenannten Atzersenschen Testaments für die Kirchenbibliothek erworben wurden]

Catalogus aller Bücher auf hiesiger Kirchen Bibliothek befindlich [hschr. Bandkatalog; angelegt von Pastor Michael Geerkens 1729; überliefert in den Handschriftensammlungen des Stadtarchivs Flensburg (St.A. XII HS 672) und der Universitätsbibliotheken Kiel und Kopenhagen]

Burman-Becker, [J. G.]: St. Nicolai Kirkes Bibliotek i Flensborg. In: Slesvigske Provindsialefterretninger 4 (1863) S. 164-180 [Katalog von 1729; aus der Universitätsbibliothek Kopenhagen] Verzeichniß der Bücher, welche der St. Nicolai Kirche gehören und sich auf der hiesigen Schulbibliothek befinden [hschr. Bandkatalog; angelegt von Pastor Asschenfeldt 1825; überliefert im Kirchenarchiv: St.A. XI KA St.Nik. 63]

4. DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

4.1 Archivalien

Wichtige Quellen zur Geschichte der St. Nikolai-Bibliothek befinden sich im Stadtarchiv Flensburg (und im dort deponierten Kirchenarchiv von St. Nikolai).

4.2 Darstellungen

Kraack, Gerhard; Lorenzen, Nis: Die St. Nikolai-Bibliothek zu Flensburg. Eine Büchersammlung aus dem Jahrhundert der Reformation. Beschreibung und Katalog. Flensburg 1984, S. 9-170

Meyse, Alfred: Die St.-Nikolai-Kirchenbibliothek zu Flensburg, eine Stiftung aus dem sechzehnten Jahrhundert. Ms. o. J. [ca. 1930; St.A. XII HS 1032]

5. VERÖFFENTLICHUNGEN ZU DEN BESTÄNDEN

Gravenkamp, Curt: Die Inkunabeln und ausgewählte Drucke des sechzehnten Jahrhunderts aus der St. Nicolaibibliothek in Flensburg. In: Nordelbingen 7 (1928) S. 113-134

Veröffentlichungen zur Bibliothek von Lütke Namens (einschließlich der Handschriftenbände) und zur Hartmannschen Musikaliensammlung s. o. Flensburg 1a, Bibliothek des Flensburger Alten Gymnasiums

Stand: Februar 1993

Gerhard Kraack


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.