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Universitätsbibliothek


Adresse. Plöck 107-109, 69117 Heidelberg; Postfach 10 57 49, 69047 Heidelberg; [Karte]
Zweigstelle Neuenheimer Feld: Im Neuenheimer Feld 368, 69120 Heidelberg [Karte]
Telefon. (06221) 54-2380; Zweigstelle: (06221) 54-4272
Telefax. (06221) 54-2623; Zweigstelle: (06221) 54-4204
E-Mail. ub@ub.uni-heidelberg.de
Homepage. http://www.ub.uni-heidelberg.de
Bibliothekssigel. <16>

Unterhaltsträger. Land Baden-Württemberg
Funktionen. Öffentliche wissenschaftliche Universalbibliothek. Zentralbibliothek im Bibliothekssystem der Ruprecht-Karls-Universität für Forschung, Lehre und Studium, aber auch für andere Hochschulen Heidelbergs (Pädagogische Hochschule, Hochschule für Jüdische Studien) und für die Einwohner der Stadt und der Region. - Leitbibliothek für andere Bibliotheken im Umkreis.
Sammelgebiete. 1. Allgemeine Sammelgebiete: Alle Wissenschaftsgebiete. - 2. Besondere Sammelgebiete: Schrifttum über die Kurpfalz und Baden, einschließlich Hss. und Inkunabeln sowie Autographen und Nachlässe von bedeutenden, in besonderer Beziehung zur Kurpfalz und Universität stehenden Persönlichkeiten. Künstlerische Drucke (Deutsche Buchkunst ab 1900). Deutsche Jugendbewegung (Schrifttum seit Ende des 19. Jhs). - 3. Sondersammelgebiete der Deutschen Forschungsgemeinschaft: Ägyptologie (SSG 6,21), Klassische Archäologie (SSG 6,14), Mittlere und Neuere Kunstgeschichte bis 1945 und Allgemeine Kunstwissenschaft (SSG 9,10), seit 2005 Südasien (SSG 6,24) und im Zeitraum 1952 bis 1974 Teile der Rechtswissenschaft.

Benutzungsmöglichkeiten. Ausleihbibliothek (bis auf Präsenzbestand): Ausleihe (Druckschriften ab 1850), Lesebereiche (Druckschriften 1700-1850), Handschriftenlesesaal (Hss., Inkunabeln, sonstige Drucke bis 1700, Rara, Alte Karten und Stiche). - Öffnungszeiten: Kataloge, Heidelberger Gesamtkatalog, Bibliographien, Lesebereiche: Montag bis Freitag 8.30-22 Uhr, Samstag bis Sonntag 9-22 Uhr (Fachberatung: Montag bis Freitag 8.30-19.00 Uhr, Samstag 9-13 Uhr); Handschriftenlesesaal: Montag bis Donnerstag 8.30-17 Uhr, Freitag 8.30-15.30 Uhr; Ausleihe: Montag bis Freitag 9-19 Uhr, Samstag 9-13 Uhr. - Zweigstelle Neuenheimer Feld: Ausleihe: Montag bis Freitag 9-19 Uhr; Samstag 9-13 Uhr; Kataloge, Lesesaal: Montag bis Freitag 8.30-22 Uhr, Samstag bis Sonntag 9-22 Uhr. - Leihverkehr: DLV, internat. Leihverkehr.
Technische Einrichtungen für den Benutzer. Multimedia-PC's, Kopier- und Druckstationen, Scanner-Pool mit Buchaufsichts-, Flachbett- und Dia-Scanner, Arbeitsplätze zur Digitalisierung von Mikroformen, Sehhilfen für Seheingeschränkte, DVD- und Video-Geräte.

Gedruckte Informationen. Benutzungshinweise (Faltblätter).

Hinweise für anreisende Besucher. Die Universitätsbibliothek befindet sich in unmittelbarer Nähe der Universität in der Altstadt (Universitätsplatz).
Vom Hauptbahnhof bis Haltestelle Peterskirche z. Z. mit der Buslinie 33, Richtung Ziegelhausen; bis Haltestelle Universitätsplatz mit der Buslinie 32.
Parkmöglichkeiten außerhalb eines Parkhauses (Nr. 11) sind in der Nähe der Universitätsbibliothek in der Altstadt nicht vorhanden.
Zweigstelle Neuenheimer Feld: Ab Hauptbahnhof bis Haltestelle Neuklinikum (Buslinie 31 bis Kopfklinik, Buslinie 32 bis Medizinische Klinik.
Für PKW: Berliner Straße, Ausschilderung 'Kopfklinik'. Parkmöglichkeiten sind vorhanden.

Inhalt

 Bestandsgeschichte  ................................... [1.1]
 Bibliotheca Palatina .................................. [1.1]
 Bestandsgeschichte im 18. Jahrhundert ................. [1.27]
 Bestandsgeschichte im 19. Jahrhundert ................. [1.38]
 Bestandsgeschichte im 20. Jahrhundert ................. [1.63]
 [Universitätsbibliothek 2]
 Bestandsbeschreibung .................................. [2.1]
 Chronologische Übersicht  
 und Übersicht nach Sprachen ........................... [2.3]
 Systematische Übersicht ............................... [2.6]
 Enzyklopädien und Allgemeines ......................... [2.10]
 Geographie ............................................ [2.27]
 Geschichte ............................................ [2.48]
 Altertumswissenschaft ................................. [2.79]
 Kunstwissenschaft 
 Europäische Kulturgeschichte .......................... [2.110]
 Sprachwissenschaft .................................... [2.115]
 Literaturwissenschaft ................................. [2.128]
 Musikwissenschaft ..................................... [2.169]
 Rechtswissenschaft .................................... [2.171]
 Wirtschaftswissenschaften und Kameralia ............... [2.195]
 Mathematik  ........................................... [2.220]
 Philosophie ........................................... [2.223]
 Pädagogik  ............................................ [2.228]
 Naturwissenschaften  .................................. [2.238]
 [Universitätsbibliothek 3]
 Medizin    ............................................ [2.256]
 Theologie  ............................................ [2.276]
 Sondersammlungen ...................................... [2.287]
 Inkunabeln   .......................................... [2.287]
 Graphische Sammlungen ................................. [2.292]
 Inkorporierte Bibliotheken ............................ [2.298]
 Bibliotheken säkularisierter Klöster 
 und anderer geistlicher Institutionen ................. [2.305]
 Gelehrtenbibliotheken und
 andere Büchersammlungen ............................... [2.330]
 Kataloge   ............................................ [3.0]
 Moderne Kataloge ...................................... [3.1]
 Historische Kataloge .................................. [3.2]
 Kataloge der Gelehrten-
 und Klosterbibliotheken ............................... [3.3]
 [Universitätsbibliothek 4]
 Quellen und Darstellungen zur
 Geschichte der Bibliothek ............................. [4.0]
 Archivalien ........................................... [4.1]
 Darstellungen ......................................... [4.2]
 Veröffentlichungen zu den Beständen ................... [5.0]

1. BESTANDSGESCHICHTE

Bibliotheca Palatina

1.1 Die heutigen historischen Buchbestände der Universitätsbibliothek Heidelberg sind erst nach 1693 erworben worden. Der Aufbau universitärer Büchersammlungen begann zwar schon mit der Gründung der Universität 1386. 1622/23 gingen diese ersten bedeutenden Bestände aber verloren, als die meisten der von Anfang an auf mehrere Bibliotheken verteilten Bücher, darunter die gesamte Bibliotheca Palatina, nach Rom abtransportiert wurden. Die zurückgebliebenen Reste fielen den Zerstörungen der Stadt im Pfälzischen Erbfolgekrieg 1692/93 zum Opfer.

Universitätsbibliothek

1.2 Im späten 14. und frühen 15. Jh entstanden drei Bibliotheken im Bereich der Universität: die Büchersammlungen der Artistenfakultät, der höheren Fakultäten und der Stiftskirche (Heiliggeistkirche). Den Grundstock der Fakultätsbibliotheken bildeten fast ausschließlich die Nachlässe von Professoren. Die älteste Schenkung dieser Art stammt von dem ersten Kanzler der Universität, Konrad von Gelnhausen (ca. 1325--1390). Er hinterließ ihr 211 Werke vor allem theologischen und kanonistischen Inhalts als Grundausstattung eines Artistenkollegs (Collegium artistarum). Aufgestellt wurde die Bibliothek wohl 1391 in dem zum Kolleg umgewandelten Haus des Juden Hirz, der mit allen anderen Juden der Stadt 1390 von Ruprecht II. (reg. 1390--1398) vertrieben und enteignet worden war.

1.3 Von den Testamentsvollstreckern des 1392 verstorbenen Konrad von Worms erwarb die Universität 114 Werke zu den Artes liberales und zur Theologie; sie wurden 1396 als Leihgabe ebenfalls dem Artistenkolleg zugewiesen. 46 Werke vermachte Gerhard von Emelissa vor 1396 der Hochschule. Faßbar sind die Schenkungen bis 1396 im Vermögensverzeichnis der Universität vom gleichen Jahr. Ein weiteres Verzeichnis nennt die Erwerbungen von 1396 bis 1432. Zu Beginn dieser zweiten Liste ist das Vermächtnis des ersten Rektors der Universität, Marsilius von Inghen (ca. 1330--1396), aufgeführt. Es handelte sich um 72 theologische, 11 juristische und 7 medizinische Werke; außerdem 147 Schriften zu den freien Künsten, die als Leihgabe in die Bibliothek des Artistenkollegiums verbracht wurden. Die anderen müssen als Büchersammlung der drei oberen Fakultäten gesondert aufgestellt worden sein. Dies ist das erste Indiz für die Existenz einer Universitätsbibliothek. Mit der šbernahme der Bücher des Marsilius hatte die Universität ihre Bestände auf über 600 Bücher erweitert.

1.4 Im Jahr 1401 erhielt die Hochschule 49 meist juristische Bücher aus dem Nachlaß des Wormser Geistlichen (cantor) Colinus. 1410 schenkte der Wormser Bischof (1405--1410) und zeitweilige Vizekanzler Matthäus von Krakau 92 theologische Werke. 23 medizinische und 72 artistische Titel folgten 1417 durch Vermächtnis des Magisters Johannes Muntzinger. Weitere 80 theologische Werke aus dem Besitz des Theologieprofessors Wasmodus von Homberg erhielt die Universität 1424 nach dem Tode des Vorerben. 1438 folgte eine unbekannte Anzahl von Büchern aus dem Besitz des Theologen Gerhard Brant. Kleinere Vermächtnisse gingen auf den Theologen Heinrich von Gouda (1428), den Juristen Johann von Noet (1432) und den Theologen Heinrich von Homburg (1438) zurück.

1.5 Ruprecht III. (1398--1410) erwirkte von Papst Bonifatius IX. zu Beginn des 15. Jhs die Befreiung der Heiliggeistkirche aus dem Parochialverband mit St. Peter und die Zuteilung von vier Präbenden. Ihre endgültige Gestalt erhielt die Stiftskirche 1413 durch Ludwig III. (reg. 1410--1436). Die jetzt 12 Pfründen der Kirche wurden von der Universität mit Hochschullehrern besetzt. Den Grundstock zu einer Bibliothek in der Heiliggeistkirche legte ebenfalls Ludwig III. 1421 vermachte er dem Stift seine theologischen, juristischen und medizinischen Bücher. 1436, im Jahre seines Todes, wurde diese Verfügung wiederholt. Das Testament von 1436 verschärfte die 1421 erlassenen Nutzungsverfügungen erheblich. Die Bücher waren mit Ketten zu sichern. Nur der regierende Nachfolger durfte überhaupt Bücher entleihen. Im Dezember 1438 übernahm die Universität aus dem Vermächtnis 162 Bde, darunter 89 theologische, 55 medizinische, 12 juristische und 6 astronomische. Im gleichen Jahr erließ sie eine Bibliotheksordnung, gemäß der nur bepfründeten Magistern, wie es der Erblasser vorgeschrieben hatte, Zugang zu der Büchersammlung zugestanden wurde.

1.6 In den vierziger Jahren des 15. Jhs errichtete die Universität ein neues Bibliotheksgebäude. Bereits 1434 hatte sich die Artistenfakultät mit einem solchen Plan getragen. 1439 beschloß die Universität, das Gebäude mit zwei Kammern im Garten der Universität zu bauen. 1443 war der Bau wohl vollendet, da der Maurerlohn ausbezahlt wurde. Das untere Stockwerk wurde von der artistischen Fakultät für ihre Bücher und die Leihgaben der oberen drei Fakultäten verwendet. Das Obergeschoß stand der theologischen, juristischen und medizinischen Fakultät zu. Die Bestände wurden in der Folgezeit durch weitere Vermächtnisse ergänzt. 1445 hinterließ Johannes von Weinheim der Universität eine unbekannte Anzahl von Werken. 1448 schenkte Diether Rack, der in Heidelberg Theologie studiert hatte, der Hochschule 8 Bde mit Werken der Kirchenväter (Augustinus, Chrysostomus, Hieronymus).

1.7 1452 erhielt die Universität von dem Juristen Johannes von Albich Werke aus dem Bereich des kanonischen Rechts. Ebenfalls 1452 erfolgte eine Schenkung des Theologen Albert Kleinmann, 1455 des Theologen und Mediziners Johannes Spenlin. Im Frühjahr 1456 kaufte die artistische Fakultät Werke klassischer Autoren (Cicero, Quintilian, Sallust, Seneca, Vergil) und humanistische Literatur (Petrarca) aus dem Nachlaß Ludwig von Asts († 1456), Kanzler von Ludwig III. Weitere Bücherschenkungen fielen der Universität 1458 durch die Juristen Heyso Krauel und Johannes Rysen sowie 1460 durch den Theologen Johannes Wenck zu. Nach 1461 schenkte der Jurist Konrad Degen einige Bände mit Dekretalienerläuterungen.

1.8 1466 beschloß die Universität unter dem Rektorat von Erhard Knab († 1480) aufgrund von Mißständen in der Bücherverwaltung die Herstellung von zwei gleichlautenden Bibliothekskatalogen, die auch als Akzessionsverzeichnisse dienen sollten. Die erhalten gebliebenen Inventare (Heid. Hs. 47, 47a, (s. u. 3.2) führen die Bücher der drei universitären Sammlungen nach Standorten getrennt auf. Sie sind vor allem für die beiden Fakultätsbibliotheken, die Büchersammlungen der Artisten und der drei oberen Fakultäten, von großem Belang, da bis zu Beginn des 17. Jhs keine weiteren Verzeichnisse dieser Bestände vorliegen. Insgesamt besaß die Universität 1466 etwa 1600 Werke in 841 Bdn.

1.9 In der Camera superior des Bibliotheksgebäudes wurden gemäß dem Katalog 422 Bde der theologischen, juristischen und medizinischen Fakultäten aufbewahrt: 301 theologische Codices, 98 juristische, 19 medizinische und 4 astronomische. Die Camera inferior der Artisten enthielt insgesamt 286 Hss. 90 gehörten zum Bereich der Artes; daneben sind 126 theologische, 57 juristische und 13 medizinische Codices registriert. Bei einem Teil der Bücher handelte es sich um Leihgaben der anderen Fakultäten. Die Bestände der Stiftsbibliothek beliefen sich auf 134 Bde. Im einzelnen existierten 80 theologische, 32 medizinische sowie je 11 artistische und juristische Hss. Gegenüber dem Vermächtnis von Ludwig III. ist ein Schwund von 20 Büchern -- hauptsächlich medizinischen -- festzustellen.

1.10 1474 wählte die Artistenfakultät aus jeder der drei oberen Fakultäten zwei Professoren in eine Kommission zur Anschaffung von Büchern. Diese Einrichtung erwarb im Juli neben zwei medizinischen Werken das »Speculum historiale« des Vinzenz von Beauvais, die »Historia naturalis« des Plinius und den Vergilkommentar des Servius. Im gleichen Jahr schenkte Friedrich I. (1449--1476) der Heiliggeistkirche das »Catholicon« des Johannes Balbus (de Janua) in 2 Bdn als Pergamentdruck. Weitere Bücherkäufe der Universität sind für 1482 »Glossa ordinaria«, humanistische Bücher), 1485 (Astronomie) und 1488 (Averroes, Aristoteleskommentar) bezeugt. Der Theologe Martin Brechtel schenkte der Artistenfakultät um 1545 eine Büchersammlung.

1.11 1493 beschloß die Artistenfakultät, die Bücher der Camera inferior nach Eigenbesitz und Leihgaben zu scheiden, alphabetisch zu registrieren und nach Sachgruppen geordnet aufzustellen. Das neue Verzeichnis findet sich in Heid. Hs. 47a. In der gleichen Hs. ist als Nachtrag zu Beginn des 16.Jhs ein Zuwachs von 104 Bdn in der Stiftsbibliothek verzeichnet. Zu einem nicht geringen Teil handelte es sich um Werke lateinischer Klassiker. In den 104 Bdn sind 28 Bde enthalten, die der 1503 verstorbene Theologe Andreas Pfot der Stiftsbibliothek hinterlassen hatte.

1.12 Neben den Bibliotheken der Fakultäten und der Stiftskirche sind eine Reihe weiterer universitärer Büchersammlungen zu nennen. Ende 1448 hinterließ der Mediziner Gerhard von Hohenkirchen seine Bücher und sonstigen Besitztümer der Armenburse (Domus pauperum). Den Grundstock für diese Institution hatte der Mainzer Scholasticus Gerlach von Homburg bereits 1396 durch die testamentarische Schenkung seines Hauses geschaffen. Erst durch die Stiftung von 1448 und andere Zuwendungen waren die Mittel vorhanden, die Burse tatsächlich ins Leben zu rufen. Sie wurde 1452 unter dem Namen Collegium S. Dionysii mit Statuten versehen. 1472 faßte die Universität einen Beschluß über die Aufbewahrung und Benutzung der von Gerhard von Hohenkirchen dem Dionysianum vermachten Bücher. Die etwa 1457 begründete »Bursa nova« erhielt 1524 neben einem Stipendium die Büchersammlung des Magisters Hans Weiser. 1555 wurde das »Collegium sapientiae« aus den Resten des Augustinerklosters begründet. Die Bibliothek des Klosters ging in den Besitz der neuen Einrichtung über.

1.13 Die entscheidende Aufwertung wurde der Stiftsbibliothek durch Kurfürst Ottheinrich (reg. 1556--1559) zuteil, mit dem die ältere Kurlinie erlosch. Der leidenschaftliche Büchersammler führte in Heidelberg nach šbernahme der Kurfürstenwürde 1556 die Reformation ein. Die Schloßbibliothek ließ er in die Heiliggeistkirche schaffen, da auf dem Schloß ein neues Bibliotheksgebäude errichtet werden sollte. Der Neubau wurde jedoch nicht ausgeführt. Testamentarisch bestimmte Ottheinrich die Vereinigung der beiden Bibliotheken in der Stiftskirche. Mit diesem Rechtsakt schuf er die Bibliotheca Palatina oder electoralis. Im Gegensatz zu den Bibliotheken der Universität war die Schloßbibliothek das Ergebnis der literarischen und wissenschaftlichen Bestrebungen des kurfürstlichen Hauses. Hier waren Bücher in der Nationalsprache, historische Literatur, Belletristik sowie Werke von buchkünstlerischer Bedeutung zu finden. Ottheinrich sorgte testamentarisch auch für die Vermehrung der Bücherbestände. So sollten jedes Jahr für mindestens 50 Gulden auf der Frankfurter Messe Bücher gekauft werden.

1.14 Die Schloßbibliothek läßt sich mindestens bis auf Ludwig III. zurückführen, dessen deutsche Hss. nicht dem Stift vermacht worden waren. Vermehrt wurde diese Sammlung vor allem durch Philipp den Aufrichtigen (reg. 1476--1508), der mit den Humanisten Johann von Dalberg, Bischof von Worms, Rudolf Agricola und Johannes Reuchlin in engem Kontakt stand. Der Nachfolger, Ludwig V. (reg. 1508--1544), sammelte besonders medizinische Schriften und trug in 12 Foliobänden mehr als 16.000 medizinische Rezepte eigenhändig zusammen. Unter Friedrich II. (reg. 1544--1556) wurden auch einige deutsche Hss. angeschafft.

1.15 Vor ihrer šberführung in die Heiliggeistkirche ließ Ottheinrich die kurfürstliche Bibliothek um 1556 katalogisieren. Das zehnbändige Inventar (s. u. 3.2) ist nach Sachgruppen z. B.lateinische und deutsche Theologie, Poetae graeci et latini, Historiographi et cosmographi) und innerhalb der einzelnen Gruppen alphabetisch geordnet. Die Kataloge führen etwa 6400 Titel auf. Davon sind 4800 Drucke, 500 Pergamenthandschriften und 600 Papierhandschriften; etwa 400 Titel lassen sich nicht näher bestimmen. Die mit Abstand größte Gruppe wird von den theologischen Büchern gebildet. Zum Fonds der lateinischen Theologie gehören 1400 Drucke, 235 Pergament- und 130 Papierhandschriften. Bei der deutschen Theologie überwiegen die Drucke (1500, vor allem aus der Zeit der Reformation, u. a. viele Lutherschriften). Darüber hinaus waren 25 Pergament- und 45 Papierhandschriften vorhanden. Es folgen »Historiographi et cosmographi« mit 800 Titeln, Medizin mit 450 und »Artes dicendi« mit 400 Titeln. Insgesamt hatte die Schloßbibliothek einen modern-literarischen Charakter; mittelalterlich-scholastische Literatur fehlte fast ganz. Wahrscheinlich ist der größte Teil der deutschen Hss. auf diesem Weg in die Palatina gekommen.

1.16 Das Collegium artistarum, seit 1560 auch Collegium principis genannt, erhielt 1560 als Vermächtnis des Theologen Georg Niger neben einem Stipendium eine Büchersammlung von 220 Bdn. Sie enthielt Werke der Kirchenväter, Reformationsschriften, humanistische sowie klassische lateinische Bücher.

1.17 1571 beschloß die Universität, aus ihren Mitteln jährlich 40 Gulden für die Anschaffung von Büchern auf der Frankfurter Messe zur Verfügung zu stellen. Die einzelnen Fakultäten wurden im jährlichen Wechsel bedacht; die Theologische Fakultät machte den Anfang. Die Universitätsstatuten Ludwigs VI. (reg. 1576--1583) und Johann Casimirs (reg. 1583--1592) der Jahre 1580 und 1588 bestimmen, daß jede Fakultät für 10 bis 20 Gulden jährlich Bücher zu kaufen habe. Die Ordnung von 1588 sah erstmals die Anstellung eines hauptamtlichen Bibliothekars vor.

1.18 Von November bis Dezember 1581 wurde von dem Theologen Konrad Lautenbach (1534--1595) und dem Bibliothekar Joachim Strupp von Gelnhausen (1530--1606) ein fünfbändiges Inventar der Stiftsbibliothek erstellt (s. u. 3.2). Im Vergleich zur Katalogisierung von 1555/56 weist diese Arbeit erhebliche Ungenauigkeiten auf. Zwar wurden die Bücher auch hier nach Wissensgebieten registriert, doch folgen innerhalb der einzelnen Gebiete Hss. und Drucke ohne Beachtung der alphabetischen Titelfolge aufeinander. Die Angaben zu Druckort und Druckjahr sind oft mangelhaft. Jedoch finden sich häufig Beschreibungen der Einbände.

1.19 Einen bedeutenden Zuwachs erhielt die Bibliotheca Palatina durch die Büchersammlung des Augsburgers Ulrich Fugger (1526--1584). Fugger, seit 1553 offiziell Protestant, hatte sich mit seiner katholischen Familie entzweit. Seine großen Ausgaben für Bücherkäufe und wissenschaftliche Unternehmungen führten 1562 in Augsburg zu seiner Inhaftierung. 1564 nahm er das Angebot Friedrichs III. (reg. 1559--1576) an, in die Pfalz zu übersiedeln. Seine 1567 eintreffende Bibliothek wurde in der Heiliggeistkirche aufgestellt. Ein Inventar von 1571 führt etwa 500 Pergament- und 800 Papierhandschriften sowie über 8000 Drucke auf, darunter vermutlich viele reformatorische Broschüren. Mit dem Tode Fuggers 1584 ging die Büchersammlung in den Besitz der Bibliotheca Palatina über. Hinzugekommen waren während Fuggers Heidelberger Zeit u. a. die Bücherbestände Hans Raymund Fuggers und Achilles Pirminius Gassers.

1.20 Die Stiftsbibliothek profitierte auch weiterhin von Büchergeschenken der Kurfürsten. Friedrich IV. (reg. 1592--1610) überwies der Palatina 1594 von den etwa 1000 Bdn seiner Bibliothek 574 Einheiten, darunter fast alle medizinischen, theologischen und juristischen Werke sowie etwa die Hälfte der Artesliteratur. 1595 kaufte die philosophische (vormals artistische) Fakultät aus der Bibliothek des ehemaligen kurfürstlichen Kanzlers Christoph Ehem (1528--1592) für 20 Gulden 9 Aristoteleskommentare. Im gleichen Jahr wurden neue Bibliotheksstatuten erlassen.

1.21 Die jahrhundertelange Aufbauarbeit der Heidelberger Bibliotheken wurde im Dreißigjährigen Krieg fast vollständig zunichte gemacht. Pfalzgraf Friedrich V. (reg. 1610--1623), dessen Territorium die Vorhut der protestantischen Union bildete, hatte mit der Annahme der böhmischen Königskrone den Konflikt zum Reich und zur Liga eskalieren lassen. Im Gefolge der sich anschließenden Kämpfe wurde Heidelberg im September 1622 erobert. Für die Bibliothek interessierte sich neben Kaiser Ferdinand II. auch der siegreiche Maximilian I. von Bayern, sah sich aber gezwungen, Papst Gregor XV., von dem er in gewisser Weise abhängig war, die Palatina zu schenken. Mit dem Transport nach Rom wurde ein Bibliothekar der Vaticana, Leone Allacci (1586--1669), betraut. Allacci traf im Dezember 1622 in Heidelberg ein. šber seine eigentliche Aufgabe hinaus nahm er auch Bücher aus dem Schloß mit. Dem Sapienzkolleg überließ er im Tausch gegen 76 Hss. einige gedruckte Bücher. Aus der Privatbibliothek des letzten Bibliothekars der Palatina, Janus Gruter (1560--1627), entwendete er ebenfalls Bücher, z. T. für seinen eigenen Gebrauch.

1.22 Im Februar 1623 brach Allacci mit 184 Kisten (und 12 Kisten mit eigenen Büchern) von Heidelberg auf. Die Ankunft des Transports wurde im August in der Vaticana registriert. Insgesamt wurden von Allacci etwa 3500 Hss. und, nach dem nicht alle Titel erfassenden Verzeichnis von H. Stevenson »Inventario dei libri stampati Palatino-Vaticani«, Rom 1886--1891), 2669 lateinische und 3241 deutsche Drucke aus den verschiedenen Heidelberger Bibliotheken nach Rom gebracht, wo die lateinischen, deutschen und griechischen Hss. separat aufgestellt wurden. Der größte Teil der Drucke findet sich heute unter den Stampati Palatini. Jedoch auch in anderen Fondi liegen Bücher Heidelberger Provenienz; die von Allacci für den eigenen Gebrauch mitgenommenen Exemplare finden sich zumeist im Collegio Greco. Nach Heidelberg zurückgekehrt sind seit 1816 die Codices Palatini Germanici. Die Latini und Graeci liegen als Photobände vor, die Drucke (Stampati Palatini und Heidelberger Drucke in anderen römischen Fondi) als Mikrofiches.

1.23 Die Universität wurde, nach dem Intermezzo einer katholischen Hochschule, erst 1652 unter dem Sohn Friedrichs V., Karl Ludwig (reg. 1649--1680), wiederbegründet. In der Zwischenzeit hatten Jesuiten das Sapienzkolleg übernommen. Ihr Konvent wurde 1649 endgültig aufgelöst. Zwischen 1635 und 1651 gelangten die Bücherbestände des Kollegiums in das Mainzer Jesuitenkolleg; heute befinden sie sich in der Stadtbibliothek Mainz (s. Eintrag dort).

1.24 Die wiedergegründete Hochschule konnte auf die in Heidelberg zurückgebliebenen Reste und auf zwei ihr zwischenzeitlich zugefallene Bibliotheken zurückgreifen. Die Büchersammlung des Historikers Marquard Freher (1565--1614) wurde wohl von den Erben an die Hochschule verkauft. Johann Philipp Pareus (1576--1648) setzte 1643/47 die Universität zu seiner Universalerbin ein. Teil des hinterlassenen Gutes war die Bibliothek seines Vaters, des Historikers und Theologen David Pareus (1548--1622). Den Heidelberger Druckern wurde 1660 und wieder 1686 zur Auflage gemacht, von jedem gedruckten Werk ein Pflichtexemplar abzuliefern. 1682, zwei Jahre nach der Regierungsübernahme, ließ Kurfürst Karl (reg. 1680--1685) der Universitätsbibliothek eine Anzahl »herrlicher authorum« überweisen. 1684 wurde jede Fakultät verpflichtet, zur Vermehrung der Bibliothek jährlich 10 Gulden beizusteuern.

1.25 Karl II. hinterließ 1685 das gesamte Inventar der kurfürstlichen Schlösser nicht seinem katholischen Amtsnachfolger Philipp Wilhelm (reg. 1685--1690), sondern seinem calvinistischen Vetter Karl von Hessen-Kassel. Auch die etwa 4500 Hss. und Drucke, die sich nach 1623 wieder auf dem Schloß angesammelt hatten, wurden als »Jüngere Palatina« nach Kassel verfrachtet.

1.26 Die der Universität gehörenden Büchersammlungen fielen 1693 dem Pfälzischen Erbfolgekrieg zum Opfer. Nachdem die Stadt 1689 die erste Eroberung noch weitgehend unversehrt überstanden hatte, brannten Stadt und Bibliothek im Mai 1693 nieder. Das Universitätsarchiv war dagegen wieder gerettet worden.

Bestandsgeschichte im 18. Jahrhundert

1.27 Die Universitätsbibliothek mußte nach dieser zweiten Katastrophe innerhalb eines Jahrhunderts völlig neu aufgebaut werden. Zu diesem Zweck kaufte Kurfürst Johann Wilhelm (reg. 1690--1716) die Bibliothek des 1703 verstorbenen Philologen und Historikers Johann Georg Graevius. Der Universität wurden von den etwa 5000 Werken vor allem Gebrauchsausgaben der »Auctores classici, theologici und historici« überwiesen s.u. 2.304).

1.28 1710 erstellte der Bibliothekar Karl Ludwig Tolner (1660 bis nach 1712) ein Bücherverzeichnis der Universitätsbibliothek s.u. 3.2). Der systematisch aufgebaute Katalog nennt insgesamt 4200 Titel. Größte Gruppe ist die Geschichte mit 1100 Titeln; es folgen Theologie (1000), »Oratores« (430), philosophische Werke und griechische Bücher (400) sowie die lateinischen »Poetae« (380).

1.29 Die mangelnde finanzielle Ausstattung der Bibliothek läßt sich an den Maßnahmen ablesen, die Abhilfe schaffen sollten. 1710 wurde jeder Promovend verpflichtet, der Universitätsbibliothek ein Buch zu geben; die philosophischen Kandidaten durften zusammen ein Werk abliefern. 1733 verfügte der Kurfürst, daß ein Professor, der keine Vorlesungen abhalte, die Hälfte seiner Besoldung zugunsten der Bibliothek verliere. Karl Theodor (reg. 1742--1799) monierte 1758 die geringe Zahl der Akzessionen und billigte den Vorschlag der Universität, aufgrund des Geldmangels für die Immatrikulierung einen halben Taler zugunsten der Bibliothek zu verlangen.

1.30 In den dreißiger Jahren des 18. Jhs wurde von dem Heidelberger Historiker Benno Kaspar Haurisius die Pfälzische historisch-literarische Gesellschaft gegründet. Diese Institution erlosch mit dem Tode ihres Gründers im Jahre 1747. Ihre Bibliothek wurde der Universität vermacht.

1.31 Aus dem Jahr 1758 ist ein weiterer Bibliothekskatalog erhalten (GLA 205/77, s.u. 3.2), der für den Kurfürsten angefertigt wurde. Das von dem Bibliothekar Franz Joseph von Oberkamp (1710--1767) angelegte systematische Verzeichnis führt allerdings mit 3700 Titeln weniger Bücher auf als der Katalog von 1710. Erfaßt sind 800 theologische Werke (vor allem protestantische Theologie), 700 historische, je 350 Titel »Poetae« und »Lexica et Grammatici« sowie 300 Titel 'Philosophie'.

1.32 Auf Vorschlag der Universität wurden ihr von Kurfürst Karl Theodor Dubletten aus seiner Mannheimer Hofbibliothek überlassen (1759--1760). Bei den etwa 600 übernommenen Titeln soll es sich allerdings zum großen Teil um defekte Werke gehandelt haben. Weitere Dublettenabgaben aus Mannheim sind für 1785 (460 Titel) und 1793 (225 Titel) belegt. 1773 wies der Kurfürst darauf hin, daß die Gelegenheit bestehe, Bücher aus der Bibliothek des Freiherrn von Reigersberg zu erwerben. Die Universitätsbibliothek ersteigerte daraufhin aus einer erheblich größeren Büchersammlung für 528 Gulden 145 vor allem juristische Werke. 1776 wurde die Bibliothek des Geheimen Staatsrates von Stengel für 350 Gulden angekauft.

1.33 1784 erhielt die Universität ein Büchervermächtnis von Franz Xaver Holl (1720--1784), Professor für kanonisches Recht. 1785 wurde die Bibliothek in das Erdgeschoß des Universitätsgebäudes überführt. Im folgenden Jahr waren mit Zinsen aus den 'Schankungsgeldern', einer 1782 vom Kurfürsten gestifteten Summe, Erweiterungen der Räumlichkeiten möglich.

1.34 In den achtziger Jahren des 18. Jhs besserte sich die Lage der Universitätsbibliothek. Erhalten hat sich eine Zusammenstellung der Universitätsfiskalatsrechnungen für die Zeit von 1785 bis 1790. In diesen sechs Jahren wurden etwa 1100 Bücher angekauft, davon in den Jahren 1788 und 1789 350 bzw. 300 Titel. Eine deutliche Bestandsvermehrung brachte insbesondere das Jubiläumsjahr 1786, in dem der Hochschule 135 z. T. sehr wertvolle Titel geschenkt wurden, so Johann Christoph Adelungs »Versuch eines vollständigen grammatisch-kritischen Wörterbuches der hochdeutschen Mundart« (Leipzig 1774--1786), Diderots und d'Alemberts Enzyklopädie, illustrierte Kräuterbücher und eine Inkunabel. Mit dem Tode des Theologen und Juristen Joseph Kleiner (1725--1786) erhielt die Universität eine weitere Bücherschenkung. Im April des Jahres wurde der Kurfürst um Genehmigung gebeten, die Zinsen aus den 'Schankungsgeldern' unter anderem für die Vermehrung der Bücher verwenden zu dürfen. Ebenfalls 1786 wurden aus dem Nachlaß des Mediziners Franz Gabriel Schönmezel (1736--1785) 140 Titel gekauft sowie 400 Titel aus zwei weiteren Bibliotheken. 1787 wurde für das Jubiläumsjahr eine Bestandszahl von über 12.000 Bdn einschließlich 280 Inkunabeln angegeben.

1.35 Von 1785 bis 1795 war Johann Christoph Pflaum (1751--1796), Lehrer am Heidelberger reformierten Gymnasium, Verwalter der Bibliothek. Von ihm wurde die Büchersammlung völlig neu geordnet und katalogisiert. Erhalten blieb nur die Reinschrift des »Catalogus auctorum veterum Graecorum et Romanorum« (Cod. Sal. XI 17-22, s.u. 3.2) in 6 Bdn mit 1200 Titeln. Die Reinschrift eines alphabetischen Gesamtkataloges wurde wohl 1790 begonnen, jedoch kaum in Pflaums Amtszeit vollendet. Dieser Katalog ist möglicherweise bei der späteren Anlage des Bandkataloges zerschnitten worden.

1.36 1787 verkaufte die Universität die Jagd zu Schauenheim für 2000 Gulden; die Zinsen sollten der Bibliothek zugute kommen. 1796 wurde ihr aus dem Nachlaß des Jesuiten und Philosophen Johannes Schwab (1731--1795) eine Anzahl von Büchern überwiesen. Im Gefolge der Französischen Revolution mit dem Verlust der linksrheinischen Besitzungen 1792 und der Beteiligung der Pfalz an den Revolutionskriegen waren die finanziellen Verhältnisse der Universität, verschärft durch Mißwirtschaft, so schlecht geworden, daß große Kredite aufgenommen werden mußten, um überhaupt die Gehälter bezahlen zu können. 1797 wurde der Bücherankauf wegen šberschuldung völlig ausgesetzt. Die Lage besserte sich bis zur šbernahme der Pfalz durch Baden nicht mehr entscheidend.

1.37 Wie umfangreich die Bestände der Bibliothek um 1800 waren, läßt sich nicht mit Sicherheit sagen, da kein Gesamtkatalog aus dieser Zeit erhalten ist. Die in der Literatur genannten Zahlen weichen deutlich voneinander ab. Infolge des Jubiläumsjahres 1786 soll sich der Bestand in kurzer Zeit deutlich erhöht haben: Von 12.000 Bdn im Jahre 1786 auf 18.000 Bde 1790 und 20.000 Bde 1798.

Armin Schlechter

Bestandsgeschichte im 19. Jahrhundert

1.38 Das Jahr 1803 bedeutete sowohl für die Universität Heidelberg als auch für ihre Bibliothek einen Neubeginn. Denn obwohl die Universität nominell nie aufgehört hatte zu bestehen, war sie doch bis zum Ende des 18. Jhs zu völliger Bedeutungslosigkeit herabgesunken. Schuld daran war zum einen die Vorherrschaft der Jesuiten im 18. Jh, zum anderen die Verlegung der Residenz der Kurfürsten von Mannheim nach München. Nach dem šbergang der rechtsrheinischen Pfalz an Baden 1802/03 hatte sich der Großherzog die Erneuerung der Universität Heidelberg vorgenommen und hierfür noch im selben Jahr mit seinem 13. Organisationsedikt die rechtliche und materielle Grundlage gelegt. Dabei war auch die Bibliothek mit einer regelmäßigen jährlichen Dotation von 1500 Gulden bedacht worden. Außerdem erhielt sie bestimmte Anteile an den in der Universität anfallenden Gebühren. Für die Deckung des laufenden Bedarfs hätte dies vielleicht ausgereicht, wäre der Bestand nicht so gering gewesen. Seit 1799 waren alle »Continuationen« ausgesetzt worden; nach Meinung Georg Friedrich Creuzers stellte die Bibliothek eine »chaotisch durcheinander geworfene Masse« dar. Die für einen anspruchsvollen Universitätsbetrieb notwendige Literatur mußte ohne zusätzliche Mittel neu beschafft werden. Was der Historiker Friedrich Christoph Schlosser, damals Bibliotheksdirektor, am 22. Januar 1821 an das Ministerium des Innern schrieb, steht für viele ähnliche Äußerungen aus den ersten drei Jahrzehnten des 19. Jhs: "Da die hiesige Bibliothek so arm an Büchern jeder Art, und ihr Fonds so unbedeutend ist, so müssen uns auch Bücher, die sonst gar keinen Werth hätten, oft willkommen sein, weil sie Lücken füllen ...".

1.39 Immerhin konnte die Bibliothek mit den jährlich zur Verfügung stehenden Mitteln eine gewisse regelmäßige Anschaffungspolitik betreiben, die sich auf Vorschläge aus den Fakultäten stützte. Anschaffungsgrundsätze enthielt die 'Instruction für die Universitäts-Bibliotheksverwaltung' von 1808 (sie wurden in die Instruktionen von 1830 und 1855 sinngemäß übernommen). Die Anschaffung neuer Bücher sollte sich nach den Bedürfnissen des Unterrichts und der Lehrer bemessen und möglichst auf größere Werke von bleibendem Wert ausgerichtet sein. Die Fächer sollten gleichmäßig berücksichtigt werden. 1830 wird ausdrücklich zur Pflicht gemacht, ebenso wie auf die Erwerbung der Neuerscheinungen auf die Ergänzung der großen Lücken in der älteren Litteratur ... Bedacht zu nehmen". Rein unterhaltende und populärwissenschaftliche Werke seieo nicht anzuschaffen.

Erste Periode: 1803 bis 1832

1.40 Die Zeit von 1803 bis 1832 ist gekennzeichnet durch mehrmaligen Wechsel in der Leitung der Bibliothek. Die Professoren Friedrich Wilken (1777--1840) und Friedrich Christoph Schlosser (1776--1861) setzten sich als Direktoren in den Jahren 1808 bis 1817 bzw. 1817 bis 1825 intensiv für die Bibliothek und den Aufbau des Bestandes ein. Die normalen, laufenden Anschaffungen erfolgten über den örtlichen und auswärtigen (auch ausländischen) Buchhandel. Die Möglichkeit antiquarischer Käufe und der Teilnahme an Versteigerungen wurde, wo es finanziell tragbar war, wahrgenommen; ebenso nutzte man Dublettenangebote anderer Bibliotheken.

1.41 Von 1807 bis 1868 mußten die inländischen Verleger nicht nur der Hofbibliothek in Karlsruhe, sondern auch den beiden Universitätsbibliotheken des Landes Pflichtexemplare abliefern. Die Ablieferung erfolgte jedoch nicht sehr zuverlässig, so daß die Bibliothek immer wieder mahnen mußte und doch keine Vollständigkeit erreicht wurde. Auch die Möglichkeit des Schriftentauschs nahm die Bibliothek wahr. Sie beteiligte sich von Anfang an (1817) am 'Marburger Tauschverein' und erhielt so vor allem Dissertationen, aber auch anderes Schrifttum von einer wachsenden Zahl von Universitäten, auch des Auslands.

1.42 1829 schloß die Universität mit dem 'Museum', dem 'Gesellschaftshaus gebildeter Stände' in Heidelberg, einen Vertrag. Die Universitätsbibliothek überließ dem Museum regelmäßig eine Anzahl von Zeitschriften und Zeitungen zur

Auslage in seinem Lesezimmer und erhielt dafür vom Museum nach Gebrauch von ihm bezahlte Zeitschriften, Zeitungen und Bücher wissenschaftlichen Inhalts. Eine ähnliche Abmachung hatte zuvor schon mit der 'Akademischen Lese-Anstalt' bestanden, die 1814 gegründet worden war und sich 1829 mit dem Museum vereinigte.

1.43 Auf solche Weise konnte der jährliche Zugang um das Jahr 1825 auf etwa 800 Bde beziffert werden. Dennoch wäre es nicht möglich gewesen, bereits 1832 einen Bestand von 120.000 Bdn zu erreichen, wären nicht mehrfach ganze Bibliotheken oder Teile von solchen in den Besitz der Bibliothek gelangt. Hier spielte, wie andernorts, die Säkularisierung eine Rolle, jedoch keine hervorragende. Denn wenn auch das 13. Organisationsedikt bestimmte, daß die Heidelberger Bibiothek 'aus den Bibliotheken der in Unseren Landen aufgehobnen Klöster alle jene Schriften, welche noch nicht in der Universitätsbibliothek vorhanden sind', erhalten sollte, so hatte doch stets die Hofbibliothek in Karlsruhe die Vorauswahl, und Heidelberg mußte sich häufig den Rest noch mit Freiburg teilen.

1.44 Aus folgenden Klöstern oder ehemals geistlichen Bibliotheken erhielt Heidelberg Bücher s.u. 2.305 ff.): 1804 aus der Benediktinerabtei Schwarzach bei Bühl (3242 Bücher); 1804 aus der Prämonstratenserabtei Allerheiligen bei Offenburg (1184 Bücher); 1804 aus dem Zisterzienserinnenkloster Lichtental bei Baden-Baden (203 Bücher); 1806 aus der Benediktinerabtei Reichenau '6 Kisten Bücher'. Unsicher ist der Zugang von 14 Kisten Büchern aus der Benediktinerabtei Schuttern (bei Lahr) im Jahre 1808. Allerdings war diese Klosterbibliothek schon 1806 von offizieller Stelle als 'meist zertrümmert' bezeichnet worden.

1.45 1810 gelangten aus der Benediktinerabtei Gengenbach 738 Werke (870 Bde) nach Heidelberg; ebenfalls 1810 aus der Bibliothek der Fürstbischöfe von Speyer in Bruchsal 749 Werke (1434 Bde); 1812 aus der ehemaligen Hofbibliothek der Bischöfe von Konstanz in Meersburg '3 kleine Kisten' Bücher, die z. T. beschädigt waren; 1821 aus der Benediktinerabtei Ettenheimmünster im Breisgau 1229 Werke (1318 Bde), ferner nicht gezähltes Kleinschrifttum. Alles in allem dürften im Zuge der Säkularisation höchstens 10.000 Bde in die Universitätsbibliothek Heidelberg gekommen sein.

1.46 1810 (1811?) bekam die Universitätsbibliothek Heidelberg von den Druckschriften, die im Verlag des Klosters St. Blasien erschienen und 1807 mit der gesamten Klosterdruckerei von der Universität Freiburg übernommen worden waren, je ein Exemplar der noch vorhandenen Titel als Geschenk der Universitätsbibliothek Freiburg. Es handelte sich dabei also nicht um Bücher aus der Klosterbibliothek. Im Jahr 1807 erhielt die Bibliothek ferner '5 Kisten' Bücher aus der Bibliothek des früheren Ritterkantons Kraichgau, der mit der Auflösung der Reichsritterschaft 1806 zu bestehen aufgehört hatte.

1.47 Eine wichtige Erweiterung erfuhr der Bestand Ende 1804 und Anfang 1805, als die Bibliothek der früheren Staatswirthschafts Hohen Schule (auch Kameral Hohe Schule) mit der Universitätsbibliothek vereinigt wurde. Diese Ausbildungsstätte für künftige Staatsbeamte war 1774 in Kaiserslautern gegründet worden. Ihr Träger war die dort seit 1769 bestehende 'Physikalisch-ökonomische und Bienengesellschaft'. 1784 war die Schule nach Heidelberg verlegt worden, blieb aber selbständig neben der Universität bestehen, auch wenn ihre Professoren deren Philosophischer Fakultät angehörten. Erst nach der Reorganisation 1803 erfolgte die vollständige šbernahme durch die Universität. Die Bibliothek der Staatswirthschafts Hohen Schule hatte ihren Schwerpunkt im Bereich der ™konomie und Kameralwissenschaften und enthielt Literatur zu den Grund- oder Hilfswissenschaften wie Mathematik, Chemie, Naturgeschichte, zu den praktischen Kameralwissenschaften, wie Landwirtschaft, Stadtwirtschaft, Handlungswissenschaft, und zu den eigentlichen Kameralwissenschaften, wie Finanzwissenschaft, Polizei und Staatswirtschaft. Da die Schule bis zuletzt in Betrieb gewesen war, handelte es sich überwiegend um aktuelle zeitgenössische Literatur. Die Universitätsbibliothek erhielt insgesamt 5235 Werke (über 9000 Bde).

1.48 Durch ein Legat des Geistlichen Rats Matthäus Kübel (1742--1809), zuletzt Professor für Kirchenrecht an der Universität, erhielt die Bibliothek 1809 den größten Teil seiner Privatbibliothek, insgesamt 1253 Werke (1389 Bde; s.u. 2.332). Zwei Ankäufe ganzer Bibliotheken vermehrten den Bestand in entscheidender Weise: der Kauf der medizinischen Bibliothek des ehemaligen kaiserlich-russischen Etatsrates und Leibarztes Johann von Boecler (auch Bökler, Böckler; 1737--1808) und der Kauf der Bibliothek des ehemaligen Zisterzienserklosters und Reichsstifts Salem. Die Bibliothek Boecler (nach Angabe von Wilken etwa 7200 Bde; s.u. 2.333 f.) wurde den Erben in Straßburg 1810 für 600 Louis d'or abgekauft, was den Etat der Universitätsbibliothek noch für Jahre belastete.

1.49 Die Salemer Bibliothek wurde vom Großherzoglichen Haus als damaligem Eigentümer Ende 1826 erworben s.u. 2.317 ff.). Im Oktober 1827 waren die nach Schätzungen 55.000 oder 60.000 Bde (davon etwa 30.000 Broschüren einschließlich vieler wertvoller Drucke des 16. Jhs) in Heidelberg eingetroffen. Die Kaufsumme mußte durch eine Anleihe aufgebracht werden, die erst zwanzig Jahre später endgültig zurückgezahlt war und somit den für laufende Neuerwerbungen zur Verfügung stehenden Etat auf lange Zeit einschränkte.

1.50 Einen kleineren, aber offenbar fachlich wertvollen Zuwachs konnte die Bibliothek 1815 durch die Ersteigerung von 71 Werken aus der Bibliothek des Theologen Johann Jakob Griesbach (1745--1812) in Jena gewinnen; darunter befand sich nach Aussage Wilkens "eine sehr reiche und in ihrer Art einzige Sammlung von Schriften für die Geschichte der Reformation und ihres Zeitalters". Eine weitere geschlossene Einzelerwerbung dieser Zeit ist die Kupferstichsammlung des Professors für Ästhetik, Aloys Wilhelm Schreiber (1761--1841) im Jahre 1809. Sie sollte dem "öffentlichen Kunstunterricht" dienen. Schreiber gehörte von 1805 bis 1813 zur Heidelberger Universität.

1.51 Von den ca. 85.000 Bdn aus inkorporierten Bibliotheken dieser Periode ist der größte Teil (75.000 Bde, davon etwa 30.000 in Form von Broschüren) nicht oder nicht direkt auf die Säkularisation zurückzuführen.

Zweite Periode: 1832 bis 1872

1.52 In den Jahren 1832 bis 1872 stand die Bibliothek unter der Leitung von Professor Johann Christian Felix Bähr (1798--1872), der diese Aufgabe mit großem Pflichtbewußtsein wahrnahm. In der Folge überließen die Fakultäten die Auswahl der Neuerwerbungen immer mehr dem Oberbibliothekar. Dies wiederum führte zu der im Dezember 1848 in der Deutschen Zeitung von G. G. Gervinus vorgebrachten Kritik, die Fachgebiete würden ganz ungleichmäßig berücksichtigt. Tatsächlich bestanden Lücken, aber sie waren zu einem guten Teil der schlechten Finanzsituation zuzuschreiben. Im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten wurden weiterhin alle geeigneten Beschaffungswege beschritten. Bähr kümmerte sich auch um die Eintreibung der Pflichtexemplare. Im Jahr 1868 wurde jedoch die Ablieferungspflicht in Baden aufgehoben. 1847 stand die Bibliothek 'mit allen deutschen und mehreren ausländischen Universitäten' im Tauschverkehr. Bähr versuchte auch, im Buchhandel nicht erhältliche ausländische Amtsdrucksachen für die Bibliothek zu bekommen, was aber nur z. T. gelang.

1.53 Ähnliche Abmachungen wie mit dem 'Museum' s. o. 1.42) traf die Universitätsbibliothek mit dem Medizinischen Lesezirkel des Buchhändlers Mohr sowie mit dem Naturhistorisch-medizinischen Verein in Heidelberg, welcher der Bibliothek die ihm von außerhalb zukommenden Schriften sowie seine eigenen überließ.

1.54 Im genannten Zeitraum erhielt die Bibliothek eine Reihe von Nachlässen und Stiftungen. 1835 wurde die Bibliothek des Professors der Theologie und Pädagogik, Friedrich Heinrich Christian Schwarz (1766--1837), eine aus freiwilligen Beiträgen ehemaliger Studenten gestiftete pädagogische Bibliothek, der Universitätsbibliothek übergeben (553 Bde und 300 Dissertationen, heute 404 gesondert aufgestellte Titel, s.u. 2.335 ff.). 1839 vermachte der Privatgelehrte und Heimatforscher Dr. Georg Anton Batt (1775--1839) der Universitätsbibliothek den auf die Kurpfalz und ihre Geschichte bezogenen Teil seiner Bibliothek. Es handelte sich um 837 Bde (laut Verwaltungsbericht von Zangemeister 1875; s.u. 4.2), eine Kartensammlung von ca. 250 Stück, 98 Hss. und 18 Urkunden; die Bibliothek ist gesondert aufgestellt s.u. 2.338 ff.). 1852 erhielt die Universitätsbibliothek die Bibliothek des Privatdozenten Dr. iur. Max Naegele (1818--1852; 787 Bde, gesondert aufgestellt) durch Schenkung der Mutter des Verstorbenen s.u. 2.342 ff.); 1860 als Geschenk die Bibliothek des Malers Christian Friedrich Johann Barth (1827--1859; 136 Bde, 772 Kupferstiche, 294 Urkunden und zahlreiche andere Archivalien; gesondert aufgestellt, s.u. 2.345 ff.).

1.55 1867 kam die Bibliothek des Heidelberger Professors der Geschichte Ludwig Häusser (1818--1867) hinzu (1391 Titel, 3167 Bde, ferner 868 Dissertationen und Broschüren, gesondert aufgestellt, s.u. 2.352 ff.). Im selben Jahr erhielt die Bibliothek eine Schenkung des Heidelberger Professors der Jurisprudenz Karl Josef Anton Mittermaier (1787--1867). Sie bestand aus 8019 Bdn und etwa 6000 Broschüren und Dissertationen s.u. 2.348 ff.). 1871 kam durch Schenkung des Erben die Bibliothek des Heidelberger Professors der Geschichte Friedrich Christoph Schlosser (1776--1861) hinzu. Sie enthält 1243 Titel (3183 Bde, s.u. 2.355 ff.). Beide sind gesondert aufgestellt.

1.56 Insgesamt kamen durch Privatbibliotheken in dieser Periode knapp 16.700 Bde und annähernd 7200 Dissertationen und Broschüren in die Bibliothek, die dabei besonders auf den Gebieten der Jurisprudenz und der Geschichte eine große Bereicherung erfuhr.

Dritte Periode: 1873 bis 1902

1.57 Von 1873 bis 1902 stand die Bibliothek unter der Leitung von Karl Zangemeister (1837--1902), dem ersten Berufsbibliothekar. Indem er monatlich bibliographische Verzeichnisse der Neuerscheinungen unter den Professorn zirkulieren ließ, in denen diese ihre Wünsche kennzeichnen konnten, versuchte er die Erwerbung zu verbessern. Für die Zeitschriften ist eine Zusammenstellung nach Fächergruppen zum Jahr 1887 erhalten. Danach verteilten sich die 1433 laufend gehaltenen Zeitschriften wie folgt: Akademieschriften 158, Theologie 42, Rechtswissenschaft 134, Staatswissenschaft 58, Medizin 148, Fächer der Philosophischen Fakultät 534, Mathematik und Naturwissenschaften 359. 1901 war ein Gesamtbestand von rund 400.000 Bdn erreicht. (Zu dem von Zangemeister entwickelten Realkatalog s.u. 2.6 ff.)

1.58 Auch in der Zeit Zangemeisters wurde die Bibliothek, neben vielen einzelnen Geschenken, durch eine Reihe von geschlossenen Büchersammlungen bereichert. 1877 wurde die Urkundensammlung des Pfarrers Johann Georg Lehmann (1797--1876) mit 700 Originalurkunden und einer reichhaltigen Sammlung zur Geschichte der Pfalz durch Kauf erworben. 1879 kamen Bibliothek und Archiv des Spruchkollegiums der Universität, das mit Inkrafttreten der Reichsjustizgesetze am 1. Oktober 1879 für aufgelöst erklärt worden war, hinzu s.u. 2.359). 1882 vermachte der Heidelberger Internist Nikolaus Friedreich (1826--1882) seine Bibliothek mit 4983 Bdn vorwiegend medizinischen Inhalts. Sie wurde gesondert aufgestellt s.u. 2.362 ff.).

1.59 1885 erhielt die Universitätsbibliothek die Privatbibliothek des aus Heidelberg stammenden Buchhändlers Nikolaus Trübner (1817--1884) durch Schenkung der Witwe (2320 Bde und 140 Hss.; eine Besonderheit darin stellen 9 Folianten mit Flugblättern, Karikaturen usw. aus Paris von 1870/71 dar; s.u. 2.365 f.). Die Sammlung des Heidelberger Professors für Staats- und Völkerrecht August von Bulmerincq (1822--1890) wurde der Bibliothek nach seinem Tode von seiner Witwe geschenkt (2023 bibliographische Einheiten in 1558 Bdn; s. u. 2.367 ff.). 1893 kam durch Vermächtnis des Heidelberger Rechtsanwalts Albert Mays (1818--1893) die 'Sammlung Albert Mays' hinzu (neben anderem 1165 Broschüren zur Pfälzer Geschichte; s.u. 2.370 ff.). Ein gedruckter Katalog des gesondert aufgestellten Bestandes war schon 1886 erschienen.

1.60 1895 folgte ein großer und wertvoller Teil der umfangreichen juristischen Bibliothek von Dr. Karl von Stösser, des ersten Senatspräsidenten beim Großherzoglichen Oberlandesgericht in Karlsruhe; 1895/96 die Bibliothek des Heidelberger Professors für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde Salomon Moos (1831--1895; s.u. 2.375); 1897 die medizinische Bibliothek von Dr. med. Otto Heuck (1831/32--1897; s.u. 2.376); 1899 die Privatbibliothek von Dr. med. et phil. Karl Heinrich Schaible (1824--1899) aus Offenburg, zeitweise Professor an der Universität London (ca. 1360 Bde aus allen Gebieten der Wissenschaft und reich an alten Drucken; s.u. 2.377 ff.).

1.61 Aus dem Jahr 1876 stammt ein größeres Einzelgeschenk mit 54 Werken und 88 Dissertationen aus dem Gebiet der Ophthalmologie, darunter auch Werke des 17. und 18. Jhs. Sie gehörten zur Sammlung des Heidelberger Medizinprofessors Maximilian Joseph von Chelius (1794--1876; s.u. 2.388).

1.62 Bei der Durchsicht der Jahresberichte der Universität fällt auf, daß Bücherschenkungen gegen Ende des 19. Jhs immer häufiger an die Institute und Seminare und nicht mehr an die Universitätsbibliothek ergingen. In diesem Zeitraum waren es nur etwa 10.500 Bde, ferner 1165 Broschüren und 88 Dissertationen, wozu noch die Bibliotheken von Stösser, Moos, Heuck und die des Spruchkollegiums kommen, deren Bandzahl nicht sehr hoch gewesen ist.

Hellmut Vogeler

Bestandsgeschichte im 20. Jahrhundert

1.63 Vor 1900 erschienene Bücher gelangten im 20. Jh durch Schenkung oder durch Kauf in die Universitätsbibliothek. In welchem Umfang ein größerer Zugang dieser Art solche Altbestände enthielt, läßt sich heute nur noch bei separat katalogisierten Gelehrtenbibliotheken feststellen, nicht aber bei nur summarisch verzeichneten Schenkungen.

1.64 Noch in der Amtszeit des Oberbibliothekars Karl Zangemeister erhielt die Universitätsbibliothek im Jahre 1900 durch Vermittlung des Heidelberger Arztes Karl Mittermaier (1823--1917) etwa 340 Titel aus den Bereichen Stadthygiene und Umweltschutz. Von 1902 bis 1922 amtierte Jakob Wille (1853--1929) als Oberbibliothekar. In seiner Amtszeit wuchs das Aversum von 22.750 Mark im Jahr 1904 auf 125.000 Mark im Jahr 1921, bereits unter den Vorzeichen der Inflation.

1.65 1906 fielen der Universitätsbibliothek als Vermächtnis des Romanisten Eduard Böhmer (1827--1906) 680 Titel Pindarica und 400 Werke vor allem zur Kirchen- und Reformationsgeschichte Spaniens zu s.u. 2.386 f.). Im gleichen Jahr folgte als Schenkung die medizinische Bibliothek Maximilian Joseph von Chelius' (1794--1876) und seines Sohnes Franz von Chelius (1821--1899) mit 3300 Bdn und 900 Dissertationen, die erst nach gründlicher Dublettenausscheidung übernommen wurde s.u. 2.389). 1910 überließ der Mediziner und Schriftsteller Gustav Adolf Waltz (1842 bis ca. 1910) eine ältere medizinische Bibliothek; etwa 200 vor 1828 erschienene Werke wurden katalogisiert s.u. 2.390). Ebenfalls 1910 erhielt die Universitätsbibliothek eine unbekannte Zahl orientalischer Werke aus dem Nachlaß des Theologen und Pfarrers Johann Jakob Kneucker (1840--1909), ferner 400 Monographien und 11 Hss. als Legat des Theologen und Orientalisten Ernst Otto Adalbert Merx (1838--1909). 1932 folgten 1500 Broschüren aus dem Besitz Merx', von denen jedoch nur 500 aufgestellt wurden s.u. 2.391 f.).

1.66 1911 erwarb das Badische Ministerium der Justiz, des Kultus und des Unterrichts 500 Titel aus der Bibliothek des Altnordisten Bernhard Kahle (1861--1910) für die Universitätsbibliothek s.u. 2.394). Im folgenden Jahr erhielt die Universität die volkswirtschaftliche und literarische Büchersammlung von Franz Buhl (1867--1921; s.u. 2.395). Im gleichen Jahr fiel der Universitätsbibliothek durch Schenkung von Marie Kiefer eine vorwiegend theologische Bibliothek im Umfang von 300 vor 1900 erschienenen Titeln zu s.u. 2.397). Einen bedeutenden Zuwachs konnte man 1914 mit der šbernahme der Privatbibliothek des Nationalökonomen Emanuel Leser (1849--1914) mit einem Umfang von über 6500 Titeln verbuchen s.u. 2.398 ff.). 1921 besaß die Universitätsbibliothek nach Schätzungen insgesamt 800.000 Bde.

1.67 Auch unter der Bibliotheksleitung von Rudolf Sillib (1869--1947, Direktor von 1922 bis 1934) wuchsen die Bestände weiter an und überschritten am Ende seiner Amtszeit die Millionengrenze. Das Aversum stieg bis auf 37.000 Reichsmark in den Jahren 1927/28, um dann jedoch deutlich beschnitten zu werden -- bis auf 28.000 Reichsmark in den Jahren 1932/33. Durch Schenkung erhielt die Universitätsbibliothek 1923 etwa 200 Werke aus dem Besitz des Anglisten Gustav Holzer (1843--1925; s.u. 2.401). Ein Jahr später folgten 1652 Bde und etwa 4000 Broschüren aus der Bibliothek des Juristen Ernst Immanuel Bekker (1827--1916; s.u. 2.402). 1928 schenkte die Witwe des badischen Politikers Karl Ludwig Wilhelm Arthur von Brauer (1845--1926) dessen Bismarck-Bibliothek im Umfang von je 700 Monographien und Broschüren s.u. 2.403).

1.68 1929 erhielt die Universitätsbibliothek ein Büchervermächtnis des Germanisten und Schriftstellers Ludwig Beer (1862--1929; s.u. 2.404). In zwei Schüben folgten 1934 und 1943 etwa 200 Titel aus dem Besitz des Pfarrers Karl Johann Bähr (1861--1942), u. a. Ausgaben des Heidelberger Katechismus s.u. 2.405). Ebenfalls 1934 ging die Bibliothek des Romanisten Fritz Neumann (1854--1934), deren Größe 1927 mit 10.000 bis 12.000 Bdn angegeben worden war, in den Besitz der Universitätsbibliothek über s.u. 2.406).

1.69 Unter der Leitung von Karl Preisendanz (1883--1968, Direktor 1935--1945) wurde das Aversum weiter gekürzt. Dennoch war die Universitätsbibliothek Heidelberg 1938 mit einem Bücherbestand von ca. 1,15 Millionen Bdn eine der größten Bibliotheken des Deutschen Reiches.

1.70 1938 erhielt die Universitätsbibliothek mehrere hundert Bde aus dem Nachlaß des Theologen und Generalsuperintendenten der Rheinprovinz, Wilhelm Baur (1826--1897), als Schenkung eines Enkels s.u. 2.407 f.). Gemäß einer 1926 abgeschlossenen Vereinbarung fiel der Universitätsbibliothek 1938/39 die ca. 4750 Werke umfassende, an Altbeständen reiche Bibliothek des Germanisten Max Freiherr von Waldberg (1858--1938) zu s.u. 2.409 ff.). 1943 folgten etwa 2000 Bücher aus dem Nachlaß des Kulturhistorikers und Bibliothekars Heinrich Heerwagen (1876--1942; s.u. 2.414). Im Dritten Reich gelangten vorübergehend Teile von zwei jüdischen Privatbibliotheken in den Besitz der Universitätsbibliothek. Diese Büchersammlungen, die Alfred Mombert (1872--1942) und Victor Mordechai Goldschmidt (1853--1933) gehört hatten, wurden nach Kriegsende den rechtmäßigen Erben übergeben s.u. 2.415 f.). 1950 kaufte die Badische Landesbibliothek in Karlsruhe die Bibliothek Mombert (s. Eintrag dort 2.222 f.).

1.71 Im Zweiten Weltkrieg wurden wertvolle Bestände der Universitätsbibliothek an verschiedene Auslagerungsorte verbracht. Während das Heidelberger Bibliotheksgebäude selbst unversehrt blieb, brannte einer der Auslagerungsorte, Schloß Menzingen bei Bruchsal, völlig ab. In der unmittelbaren Nachkriegszeit kam es darüber hinaus zu Beschlagnahmungen und Plünderungen im Bibliotheksgebäude. In vielen Fällen konnten noch ausgeliehene Bücher nicht mehr zurückgefordert werden. Erst im Sommer 1946 wurde die Universitätsbibliothek nach Reparaturarbeiten und Rückführung der Bücher wiedereröffnet.

1.72 Insgesamt sollen nach Schätzungen bis zu 40.000 Werke verlorengegangen sein. Gemäß der Teilrevision in den Jahren 1947 bis 1951 wurden u. a. 1405 mathematische Werke, 476 philosophische, 3512 Werke der klassischen Philologie, 507 naturwissenschaftliche und 6676 medizinische Werke vermißt, weiter fünf Inkunabeln. Je nach Fachgebiet waren auch Gelehrtenbibliotheken von diesen Verlusten betroffen, soweit sie in den Hauptbestand eingearbeitet worden waren. Dazu gehören u. a. die Bibliothek des klassischen Philologen Johann Georg Graevius (1632--1703), mit der der Aufbau des heutigen Bestandes der Universitätsbibliothek begonnen hatte, und die Büchersammlung des Mediziners Johann von Boecler (1737--1808), von der etwa 80 Prozent verlorengingen.

1.73 1949 wurde der Bibliothek die Büchersammlung des Vereines Museum übereignet s.u. 2.417 ff.). 1958 folgte die James-Fenimore-Cooper-Sammlung des Cooper-Spezialisten Rudolf Drescher (1869--1939) mit etwa 770 Bdn s.u. 2.420 f.), 1966 fiel die Sammlung Robert Hugo Arndt Schreibers (1904--1956) zu Wilhelm von Humboldt im Umfang von etwa 250 Werken durch Kauf an die Bibliothek. Von 1968 bis 1979 wurden insgesamt 1865 antiquarisch erworbene Titel im sogenannten T-Journal separat erfaßt.

1.74 1974 übernahm die Bibliothek eine etwa 200 Monographien und Dissertationen umfassende Sammlung des ehemaligen Reichsjustizministers Gustav Radbruch (1878--1949). 1977 wurde die Bibliothek des Literaturwissenschaftlers, Slawisten und Kulturhistorikers Dimitrij Ivanović Tschižewskij (1894--1977) erworben s.u. 2.424 f.). Die Bibliothek mit einem Umfang von etwa 12.000 Titeln enthält besonders in der ersten Abteilung (A) Werke, die vor 1900 erschienen sind. Heute werden vor allem in den DFG-Sondersammelgebieten Ägyptologie, Klassische Archäologie, Kunstwissenschaft sowie Mittlere und Neuere Kunstgeschichte auch antiquarische Werke erworben.

Armin Schlechter

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

2.1 Die Gesamtzahl des vorhandenen historischen Bestandes beträgt ca. 349.000 Titel, hochgerechnet ca. 980.000 Bde. Diese Zahl setzt sich zusammen aus dem Alten Realkatalog oder Zangemeister-Katalog (Hauptbestand, Erwerbungen bis 1962), ausgezählt ca. 153.000 Titel; dem seit 1963 erworbenen Altbestand hochgerechnet bis 1990 (jährlich ca. 175 Titel, enthalten im Neuen Sachkatalog) ca. 5000 Titel; dem Broschürenkatalog (Alter Dissertationen- und Broschürenkatalog), z.T. ausgezählt, z.T. hochgerechnet ca. 183.000 Titel; den Gelehrten- und Klosterbibliotheken, hochgerechnet aufgrund von Teilzählungen ca. 99.000 Titel (davon im Zangemeister-Katalog nicht enthalten: ca. 5000 Titel). Die Graphische Sammlung umfaßt ca. 4000 Karten, Veduten, Porträts u. a. (im Zangemeister-Katalog nicht enthalten: ca. 3000 Titel).

2.2 Es wurden alle Titel mit einer eigenen Signatur in der Haupteintragung gezählt, auch die verschiedenen Auflagen eines Werkes. Keine Berücksichtigung fanden Dubletten und Verweisungen (Nebeneintragungen). Periodika wurden jeweils nur als ein Titel verzeichnet, auch wenn sie als Sonderbände selbständige Monographien enthalten. Zusätzlich zum Altbestand des Zangemeister-Kataloges wurde der Erwerb von Altbestand seit 1963 im Neuen Realkatalog bei einigen Fächern (insbesondere Kunstgeschichte) berücksichtigt. Im 20. Jh erschienene Nachdrucke von alten Werken (vor allem Erstausgaben) vor 1900 mußten in der Regel unberücksichtigt bleiben. Ungenauigkeit liegt auch im Vorhandensein von »Nestern« (Schrifttumssammlungen unter einer einzigen Signatur), deren noch in Gang befindliche Auflösung eine größere Gesamttitelmenge erbringen wird. Die rund 25.000 Nester enthalten vor allem Schriften des 20. Jhs sowie geschätzt ca. 10.000 Titel vor 1900.

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Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.