FABIAN HANDBUCH: HANDBUCH DER HISTORISCHEN BUCHBESTÄNDE IN DEUTSCHLAND, ÖSTERREICH UND EUROPA SUB Logo
 
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Vorwort zum Regionalteil Berlin

Die beiden Bände des Handbuches, in denen die Berliner Bibliotheken zusammengefaßt sind, haben ihre eigene Geschichte. In ihr spiegelt sich nicht nur eine jahrelange Detailarbeit, wie sie für jeden Regionalteil des Handbuches charakteristisch ist; in ihr spiegeln sich auch die politischen Veränderungen, die die letzten Jahre nachhaltig bestimmt haben.

Als das Handbuch 1984 konzipiert wurde, konnten sich die Planungen fürs erste nur auf West-Berlin erstrecken, dem mit der damaligen Bundesrepublik verbundenen Teil der Stadt. Es bot sich an, daß die an der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel angesiedelte Regionalredaktion für Norddeutschland (unter Leitung von Professor Dr. Drs. h. c. Paul Raabe) Berlin in ihren Arbeitsbereich einbezog. Im Sinne des regional gegliederten Handbuches konnte West-Berlin indessen nicht als eigene Region gelten. So war vorgesehen, die West-Berliner Bibliotheken zwar in einem eigenen Abschnitt zu beschreiben, aber diesen Abschnitt als Teil der norddeutschen Bände des Handbuches zu veröffentlichen.

Dank des Interesses, das dem Handbuch in West-Berlin entgegengebracht wurde, konnten die Arbeiten schon bald nach der Einrichtung der norddeutschen Regionalredaktion im Jahre 1985 beginnen. Das Projekt wurde bei einer Tagung in der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz vorgestellt. Frau Dr. Doris Fouquet-Plümacher erklärte sich bereit, die Arbeiten in den Bibliotheken der Freien Universität zu koordinieren, Herr Dipl.-Ing. Dietrich Kirchner übernahm die Koordination bei der Technischen Universität. Herr Professor Dr. Bernd Evers unterstützte die Planungen und Ermittlungen im Hinblick auf die Kunst- und Museumsbibliotheken und Herr Professor Hans-Dieter Holzhausen im Hinblick auf die kleineren Sammmlungen.

Nach drei Jahren hatte es den Anschein, daß die Arbeiten in West-Berlin in absehbarer Zeit zum Abschluß kommen könnten - ungeachtet des Umstandes, daß die Kriegszerstörungen der Berliner Bibliotheken besonders gravierend und damit die Voraussetzungen für die Beschreibung einzelner Bibliotheken überaus unzulänglich waren. Bereits 1989 lag der Zentralredaktion der umfassende Eintrag für die Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz vor, dessen redaktionelle Betreuung Herr Dr. Gerhard Kanthak mit großem Engagement übernommen hatte. Zur Veröffentlichung des druckfertigen Manuskripts ist es indessen durch die politischen Ereignisse des Jahres 1989 nicht gekommen.

Als der Grundriß für das Handbuch entworfen war, wiesen mich Freunde und Kollegen im westlichen Ausland nachdrücklich darauf hin, daß es mit einem Handbuch für die westdeutschen Bibliotheken nicht sein Bewenden haben könne. Es müsse zumindest der Versuch unternommen werden, auch die Bibliotheken der DDR in die Inventarisierung der gedruckten Überlieferung in Deutschland einzubeziehen. Daß dies sinnvoll war, lag auf der Hand. Ob es je möglich werden könnte, schien um die Mitte der achtziger Jahre aus vielerlei Gründen zweifelhaft. In jedem Falle war Berlin die Nahtstelle.

Im Frühjahr 1987 besuchte der Generalsekretär der Volkswagen-Stiftung, Herr Rolf Möller, mit einigen seiner Mitarbeiter und Repräsentanten anderer Wissenschaftsorganisationen wissenschaftliche Institutionen in der DDR. Ihr erster Besuch galt der Deutschen Staatsbibliothek in Berlin. Aus den Besprechungen mit der damaligen Generaldirektorin, Frau Professor Dr. Friedhilde Krause, ergab sich, ohne daß dies von vornherein intendiert war, der - zunächst vage - Plan zu einem Handbuch der historischen Buchbestände in der DDR unter ihrer Herausgeberschaft. Das Projekt sollte als zentrales Forschungsvorhaben vom Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen der DDR getragen, zugleich aber von der Volkswagen-Stiftung unterstützt und in Zusammenarbeit mit dem in der Bundesrepublik entstehenden Handbuch ausgeführt werden. Im Oktober 1988 hatte ich in der Deutschen Staatsbibliothek Gelegenheit, das Handbuch Direktoren wissenschaftlicher Bibliotheken in der DDR vorzustellen. Der Plan zu einem eigenen Handbuch für die DDR stieß auf Interesse, löste aber auch Skepsis aus.

Die Verhandlungen über das Handbuch für die DDR, das als geisteswissenschaftliches Großprojekt in den deutsch-deutschen Wissenschaftsbeziehungen nicht ohne Bedeutung gewesen wäre, waren langwierig und mehr als einmal gefährdet. Im September 1989 erhielt Frau Professor Krause die offizielle Zustimmung zu einem Antrag auf Förderung durch die Volkswagen-Stiftung. Dem Antrag wurde entsprochen, und die Arbeiten begannen noch vor der Wiedervereinigung mit dem Ziel der Erarbeitung eines ostdeutschen Handbuches. Dieses Handbuch hätte möglicherweise einen eigenen Band für Ost-Berlin umfaßt.

Durch die Wiedervereinigung wurden frühere Planungen gegenstandslos. Dankenswerterweise hat es die Volkswagen-Stiftung durch großzügige Förderung ermöglicht, daß das für die DDR in Aussicht genommene Handbuch in das für die alte Bundesrepublik entstehende Handbuch integriert werden konnte. So umfaßt das Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland nunmehr die alten und, unter der Herausgeberschaft von Frau Professor Krause, auch die neuen Bundesländer.

Daß Berlin, gemäß der Konzeption des Handbuches, unter den neuen Prämissen ein eigener Regionalteil zustand, war selbstverständlich. Aber der Weg zu diesem Regionalteil, wie er jetzt vorliegt, war lang und windungsreich. In Planung und Ausführung mußte das Handbuch den politischen Veränderungen folgen. Teils überstürzten sie sich, teils ließen sie auch auf sich warten. Betroffen waren davon vor allem die beiden Teile, in die die Preußische Staatsbibliothek nach dem Krieg zerrissen worden war.

Daß beide Teile - die Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz im Westteil der Stadt (für die der Beitrag bereits vorlag) und die Deutsche Staatsbibliothek im Ostteil - für sich dargestellt werden könnten und sollten, bot sich in der ersten Phase, da beide Bibliotheken noch nebeneinander existierten, als sachgerecht an. Nach ihrer Zusammenführung war dies abwegig: die Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz erforderte, da sie wieder eine Bibliothek war, einen einzigen Eintrag.

Herr Dr. Richard Landwehrmeyer, dem als Generaldirektor die Zusammenführung der nunmehr als Haus I und Haus II bezeichneten Teilbibliotheken oblag, ebnete für das Handbuch den Weg zur gemeinsamen Darstellung der reichen historischen Bestände der Staatsbibliothek. Mein Dank als Herausgeber gilt den Mitarbeitern in beiden Häusern, durch deren Bemühungen eine Darstellung zustande gekommen ist, die der Zerrissenheit fast eines halben Jahrhunderts Rechnung trägt, doch ungeachtet des einmaligen Schicksals der Bibliothek dem Leser jene neue Einheit vor Augen stellt, auf die es in Zukunft allein ankommt.

Die Wiedervereinigung hat zahlreiche weitere Bibliotheken in Berlin berührt. Einige sind aufgelöst worden, andere wurden zusammengelegt. Manche erhielten einen neuen Standort, bei wieder anderen sind Teilbestände herausgenommen und organisatorisch neu zugeordnet worden. Diese Veränderungen haben vielfach Revisionen bei schon fertigen Einträgen erforderlich gemacht und den Abschluß neuer Einträge verzögert. Das Handbuch versucht, diese Veränderungen so zu dokumentieren, daß die neuen Gegebenheiten vor dem Hintergrund des ursprünglichen Zustandes deutlich werden. Mancherorts war es nicht möglich, Bestände, die von diesen Veränderungen erfaßt worden sind, so detailliert zu beschreiben, wie es wünschenswert gewesen wäre. Ihre Einarbeitung und Neukatalogisierung ist häufig noch im Gange.

Wie sich die Konturen des künftigen Berlin erst in Umrissen abzeichnen, so dürften auch die augenblicklichen Strukturen der Berliner Bibliothekslandschaft noch nicht endgültig sein. In mehreren Bereichen ist mit weiteren Veränderungen zu rechnen. So könnte sich diese oder jene Information im Handbuch bereits zum Zeitpunkt des Erscheinens als korrekturbedürftig erweisen. Gleichwohl hoffen die Herausgeber, daß das Handbuch ein verläßliches und detailreiches Bild von den historischen Buchbeständen in den Berliner Bibliotheken vermittelt - auch von denen in kleineren und kleinen Sammlungen, die sonst kaum wahrgenommen werden. Sie hoffen auch, daß es gelungen ist, ein Nachschlagewerk vorzulegen, das bei aller Vergangenheitsbezogenheit in die Zukunft gerichtet ist.

Die Herausgeber haben keine Veranlassung gesehen, die regionale Gliederung des Handbuches nach der Wiedervereinigung zu revidieren. Berlin erhielt seinen Platz zwischen den alten und den neuen Bundesländern. Angesichts der Entstehungsgeschichte der beiden Bände war dies eine pragmatische Lösung. Vielleicht nimmt der eine oder andere Benutzer in dieser Lösung auch eine symbolische Komponente wahr.

Die Berliner Bände des Handbuches sind in zwei regionalen Redaktionen vorbereitet worden. In der Regionalredaktion Norddeutschland an der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel war anfänglich Hermann Staub tätig, ehe er 1986 Archivar beim Börsenverein des Deutschen Buchhandels wurde. Von 1986 bis 1990 lag die Redaktion in den Händen von Dr. Alwin Müller-Jerina, der das Projekt auch nach der Übernahme einer neuen Tätigkeit an der Stadtbücherei Bochum weiter betreut hat. In der Regionalredaktion für die neuen Bundesländer an der Staatsbibliothek zu Berlin wurde Frau Professor Krause von Frau Eva-Maria Stelzer bei der Vorbereitung und Planung und von Frau Christiane Kirchner und Frau Christa Kaske bei der täglichen Redaktionsarbeit unterstützt. Herr Dr. Adolf Laminski übernahm die Koordination für die Humboldt-Universität. Allen gilt der Dank für ihre Arbeit, die sich durchweg als diffiziler und problematischer herausgestellt hat als ursprünglich anzunehmen war.

Münster, August 1995

Bernhard Fabian


Quelle:Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.