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Vorwort zum Regionalteil

In Thüringen führte die große Zahl von Duodezfürstentümern und der daraus seit dem Mittelalter resultierende Partikularismus zu zahlreichen kulturellen Eigenentwicklungen. Daraus erklärt sich der ungewöhnliche Reichtum an historischen Buchbeständen in dieser alten Kulturlandschaft mit ihrer komplizierten Struktur. Wie aus den Einträgen hervorgeht, beschränken sich die Verluste im Zweiten Weltkrieg auf Jena und Erfurt. Die nach dem Kriegsende verschleppten Bestände, vor allem aus Gotha und Jena (Zeiss), sind bis auf einen Rest in Gotha vollständig wieder aus Rußland zurückgekehrt.

Die Beschreibung der Bestände bezieht sich auf das Territorium des Freistaates Thüringen, wie es mit der Wiederbegründung des Landes Thüringen in den Jahren 1990/91 festgelegt wurde. Der Freistaat ist unter den fünf neuen Bundesländern flächenmäßig das kleinste Land und kommt mit seinen 2,53 Millionen Einwohnern gleich nach Mecklenburg-Vorpommern. Die Redaktion Neue Bundesländer bei der Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz freut sich, daß 156 Bibliotheken mit einem historischen Buchbestand von insgesamt 1,8 Millionen Bänden beschrieben werden konnten. Dazu gehören 4600 Inkunabeln. Diese Zahl der Einträge für Bibliotheken unterschiedlicher Größe und Funktion konnte in keinem anderen neuen Bundesland erreicht werden.

Mit den ersten Vorbereitungen für die Arbeiten in Thüringen wurde 1991 begonnen. Im Frühjahr 1989 waren in der Deutschen Staatsbibliothek zu Berlin von der hier angesiedelten Redaktion zunächst Bemühungen unternommen worden, ein Handbuch der historischen Buchbestände der DDR zu erarbeiten, in enger Zusammenarbeit konzipiert mit der Redaktion des Handbuches für die damalige Bundesrepublik Deutschland in Münster. Durch die politischen Veränderungen mußte dieses Unternehmen, das zunächst bescheiden vom Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen der DDR als Forschungsvorhaben an der Deutschen Staatsbibliothek unterstützt worden war, auf eine neue Grundlage gestellt werden. Bereits im Frühjahr 1990 übernahm die Volkswagen-Stiftung in großzügiger Weise die Förderung des Handbuches für die neuen Bundesländer.

Zu Beginn ihrer Tätigkeit stand vor der Berliner Redaktion die Aufgabe, eine möglichst effektive Arbeitsorganisation zu finden. An den Trägerbibliotheken für die Regionalen Zentralkataloge, die die Neuerwerbungen wissenschaftlicher Bibliotheken an ausländischen Zeitschriften und Monographien der jeweiligen Regionen erfaßten und an die Zentralkataloge ausländischer Literatur der Deutschen Staatsbibliothek meldeten, wurden Anfang 1990 regionale Arbeitsstellen des Handbuches gebildet. So entstanden zunächst fünf Regionalredaktionen und eine lose Arbeitsgruppe für die Erarbeitung von Einträgen evangelischer Kirchenbibliotheken mit historischen Buchbeständen.

Für das Gebiet des wiederbegründeten Landes Thüringen wurde eine Regionalredaktion an der Universitätsbibliothek Jena stationiert. In Dr. Felicitas Marwinski konnte eine versierte Redakteurin gewonnen werden, die auch die Organisierung der Arbeiten im Bereich der evangelischen und katholischen Kirchenbibliotheken übernahm. Nach einer ersten Präsentation des Handbuch-Projekts auf einer von der Berliner Redaktion im Oktober 1989 in der Deutschen Staatsbibliothek angesetzten Konferenz und zusätzlichen Gesprächen mit den Direktoren einzelner großer wissenschaftlicher Bibliotheken in Thüringen fand am 22. Januar 1992 an der Universitätsbibliothek Jena eine zentrale Beratung mit Bibliothekaren aus dem Freistaat Thüringen statt. Das war der Auftakt für die vielfältigen Arbeiten, die zur Beschreibung des historischen Buchbestandes dieses Landes erforderlich waren.

Die thüringischen Bände sind der erste Versuch, eine Gesamtschau des überlieferten historischen Buchgutes zu bieten. Selbst die großen Bibliotheken wie die Forschungs- und Landesbibliothek Gotha und die Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena sind zum ersten Mal in dieser umfassenden Weise Gegenstand der Darstellung. Die Einträge wurden an den Originalstandorten erarbeitet. Für die meisten von ihnen gab es keinerlei Vorarbeiten. Die Quellen mußten erstmals ermittelt und erschlossen werden. Der anfangs durch die Regionalredaktion eingesetzte Fragebogen bewährte sich, denn er förderte eine typenübergreifende Erfassung nach einheitlichen Kriterien auch für Museen, Archive, Schulen und kirchliche Bibliotheken. Für Bibliotheken, die nicht oder nur eingeschränkt von bibliothekarischem Fachpersonal bearbeitet werden, war der Fragebogen ein besonders wichtiges Arbeitsinstrument.

Die Redaktion stieß in den meisten Fällen auf ein lebhaftes Interesse bei den zur Mitarbeit am Handbuch eingeladenen Einrichtungen. Die Mitarbeit förderte insbesondere das kulturelle Selbstverständnis vieler kleinerer Bibliotheken. Für Thüringen ist die große Vielfalt der historischen Buchbestände charakteristisch, sowohl an einzelnen Orten als auch in größeren Institutionen. Als Besonderheit der Bibliothekslandschaft gaben sich örtliche Netze zu erkennen, wie sie z. B. in den ehemaligen Residenzstädten Altenburg, Meiningen und Rudolstadt durch die entsprechenden Einträge sichtbar werden.

In zahlreichen Fällen hatte die Arbeit am Handbuch den Einsatz von ABM-Kräften, Umzüge von Bibliotheken, Neuordnung von Beständen sowie Revisionen und Neuerfassung mittels EDV zur Folge. Besuche bei einzelnen Bibliotheken nutzte die Regionalredakteurin zu Hilfeleistungen u. a. auch beim Einsatz von ABM-Kräften oder bei Katalogisierungsvorhaben. Gutachten führten zur Rettung von Bibliotheken oder Arbeitsplätzen. In einigen Fällen gelang es, die kulturpolitische Bedeutung von Buchbeständen für Institutionen oder Orte hervorzuheben und so die Einordnung des Lokalen in größere Zusammenhänge begreiflich zu machen. Mehrfach konnten Hinweise zur besseren Unterbringung, zur Restaurierung und Konservierung von Bestandseinheiten gegeben werden. Die Restaurierungswerkstatt der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena leistete in prekären Fällen Soforthilfe.

Die aufgrund der veränderten politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach der Wiedervereinigung auch in Thüringen eingetretenen strukturellen, fachlichen und personellen Veränderungen erschwerten und verzögerten die Mitwirkung einiger Bibliotheken am Handbuch. Sie bewirkten aber in keinem Fall, daß sich die Bibliotheken an dem Vorhaben nicht beteiligen konnten. Der Veränderungsprozeß ist noch nicht abgeschlossen. Keine der fünf großen Bibliotheken Thüringens behielt nach 1990 ihren Namen: die WAB(B) Erfurt wurde zur Stadt- und Regionalbibliothek Erfurt, die Forschungsbibliothek Gotha zur Forschungs- und Landesbibliothek Gotha, die Universitätsbibliothek Jena zur Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena, die ehemalige Landesbibliothek in der Stadt- und Kreisbibliothek Rudolstadt wurde verselbständigt als Historische Bibliothek der Stadt Rudolstadt. Die Zentralbibliothek der deutschen Klassik in Weimar wurde in Herzogin Anna Amalia Bibliothek umbenannt.

Die Einträge datieren aus der Zeit zwischen 1995 und 1997. Unter den 156 Bibliotheken des Freistaates Thüringen, die beschrieben werden, befinden sich mit der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena und der Bibliothek der Bauhaus-Universität Weimar zwei Universitätsbibliotheken, wobei zur ersten zwölf Zweigbibliotheken im Range von Spezialbibliotheken im einschichtigen integrierten System hinzukamen. Ferner sind zu nennen eine Hochschulbibliothek für Musik in Weimar, zwei Fachhochschulbibliotheken in Erfurt (Zweigbibliothek Gartenbau) und Jena (ehemalige Werksbibliothek von Carl Zeiss Jena) sowie 43 Museumsbibliotheken (Bibliotheken in fünfzehn Fachmuseen, vierzehn Regionalmuseen, sieben Stadtmuseen und sieben Memorial- bzw. Literaturmuseen). Zweiundzwanzig Archivbibliotheken wurden in sechs Staatsarchiven, zwölf Stadtarchiven, zwei Spezialarchiven und zwei Kirchenarchiven beschrieben. Neben den Einträgen für die beiden reichsten Forschungsbibliotheken, die Forschungs- und Landesbibliothek Gotha und die Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar, liegen die für neun weitere öffentliche Bibliotheken vor. Die Bände für Thüringen enthalten ferner die Beschreibungen von einer wissenschaftlichen Stadtbibliothek (Rudolstadt), einer Behördenbibliothek (Oberlandesgericht Jena), einer Vereinsbibliothek (Altenburg), von sieben Gymnasialbibliotheken und zwei historischen Schulbibliotheken (Keilhau und Schnepfenthal). Besonders zahlreich sind die Einträge im kirchlichen Bereich mit 38 evangelischen und zwei katholischen Bibliotheken sowie zwei kirchlichen Seminarbibliotheken in Eisenach und Erfurt; hinzu kommt die Bibliothek des Redemptoristenklosters Heiligenstadt als Klosterbibliothek. Acht Spezialbibliotheken unterschiedlicher Art haben ebenfalls Beiträge geliefert.

Allen Mitarbeitern an dem Regionalteil Thüringen des Handbuches gilt unser herzlicher Dank. Besonderer Dank gebührt Frau Dr. Felicitas Marwinski als der verantwortlichen Redakteurin.

Berlin, August 1998

Friedhilde Krause


Quelle:Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.