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Alte Stadtbibliothek

Adresse. Stadtarchiv Ravensburg, Kuppelnaustraße 7, 88212 Ravensburg [Karte]
Telefon. (0751) 8 22 01

Unterhaltsträger. Stadt Ravensburg
Funktion. Archivbibliothek.
Sammelgebiete. Der Altbestand wird nur in Ausnahmefällen (Stadtgeschichte Ravensburg, Ravensburger Frühdrucke) vermehrt.

Benutzungsmöglichkeiten. Präsenzbibliothek. Öffnungszeiten: Montag bis Donnerstag 14-17 Uhr, Freitag 14-16 Uhr. Vormittags nach Voranmeldung. Leihverkehr: nicht angeschlossen.
Technische Einrichtungen für den Benutzer. Kopiergerät.
Hinweise für anreisende Benutzer. Schriftliche oder telefonische Anmeldung erforderlich. Bahnstation (Strecke Ulm-Friedrichshafen). Fußwegnähe vom Bahnhof. A 7 oder A 8, Ausfahrt Ulm; B 30.

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Am 12. April 1605 stiftete Hans Wilhelm Tafinger, evangelischer Bürger und Ratsschreiber in Ravensburg, kurz vor seinem Tode testamentarisch seine Bibliothek von 394 Bdn (mit über 455 Titeln) dem Ministerium der evangelischen Bürgerschaft der Stadt. Der Vergleich der Kataloge zeigt, daß der Tafinger-Bestand im wesentlichen erhalten geblieben ist. Dessen Bücher, welche auf dem Buchdeckel oft die Initialen HWT tragen, umfassen neben deutsch übersetzten Ausgaben griechischer und lateinischer Autoren des 16. Jhs Flugschriften zur Zeitgeschichte vom Freiheitskampf der Niederlande bis zum Untergang der Armada. Diese historische Ausrichtung wurde im 17. und 18. Jh weiter fortgesetzt, so durch Spenden des Ulrich Christoph Tafinger. Ein kleiner Teil davon wurde zeitweise an die protestantische Schulbibliothek abgegeben, befindet sich aber heute wieder in der Alten Stadtbibliothek.

1.2 Im Dreißigjährigen Krieg hatte die Bibliothek nur wenige Neuzugänge durch Schenkungen protestantischer Bürger. So spendeten die Prediger Johann Rauch und Dr. Bartholome Henßler im Jahre 1631 30 Bde. Im Juli 1719 beschloß der evangelische Magistrat auf Antrag des Stadtsyndikus Johann Conrad von Welz, die Bibliothek allen protestantischen Gemeindemitgliedern zugänglich zu machen. Ein Organisationsstatut regelte die Benutzung. Zur Finanzierung von Neuanschaffungen sollten neben Strafgeldern und Dispensgebühren eine Hochzeitssteuer von einem Gulden je evangelischem Brautpaar für die Erweiterung der Bibliothek verwendet werden. Da nicht überliefert ist, welche Werke mit diesen Mitteln angeschafft wurden, ist nur aus einzelnen Besitzeinträgen auf die privaten Spender des 18. Jhs zu schließen (so von Welz, von Knoll, Keßler u. a.). Bis Anfang des 19. Jhs blieb die Bibliothek ein Kampfinstrument der evangelischen gegen die katholische Bürgerschaft zur " Erhaltung des status politici". Sie war lediglich der protestantischen Leserschaft zugänglich. Dementsprechend sind die Neuerwerbungen dieser Zeit, soweit es Nachweise gibt, konfessioneller und kontroverstheologischer Natur.

1.3 Grundlegend änderte sich der Charakter der Bibliothek mit der Mediatisierung der Reichsstadt Ravensburg und der Säkularisierung der Kirchengüter. Die Stadt geriet zunächst (1802) unter bayerische Verwaltung und fiel wenige Jahre darauf (1810) an das Königreich Württemberg. Im Zuge der Neuordnung sollte laut bayerischem Erlaß von 1805 die evangelische Bibliothek mit einer " Büchersammlung beider Konfessionen" zu einer allgemeinen säkularen Bürgerbibliothek vereinigt werden. Sie sollte nun ausdrücklich auch dem " ungelehrten Teil der Bürgerschaft" zugänglich sein. Diese weitreichende Forderung nach Öffnung der Bibliothek in konfessioneller und sozialer Hinsicht scheint nicht leicht gefallen zu sein, denn erst ein Jahr später begann man mit der Umstrukturierung, wovon ein von den Schulinspektoren Eben und Koch 1806 angefertigtes Bücherverzeichnis (s. u. 3.2) Zeugnis ablegt.

1.4 Zugänge kamen von verschiedenen Seiten: Es wurden säkularisierte Bestände ehemaliger geistlicher Bibliotheken, so der Ravensburger Klöster, inkorporiert. Heute sind vor allem Bücher aus dem Karmeliterkloster, weniger aus dem der Kapuziner nachweisbar. Der klösterliche Buchbestand kam zwar 1803 zunächst an den Deutschen Orden, ging aber 1805 weitgehend an die Stadt weiter. Viele der älteren Werke stammen aus dem Fundus der Karmeliter, so etliche der Inkunabeln und Postinkunabeln. Andere Bücher stammen aus Klöstern der Umgebung, Salem, Weingarten, Weißenau, welche im 18. Jh Dubletten abgetreten hatten. Viele ältere Väterausgaben, Kirchengeschichten und kontroverstheologische Schriften stammen ebenfalls aus den Klosterbibliotheken.

1.5 Auch die überwiegend juristische Literatur des Stadtammannamtes sollte in die Stadtbibliothek eingeordnet werden, d. h. der dritte wichtige Bestand aus dem Stadtgericht, welches aus Gründen des konfessionellen Proporzes (Parität) bereits Mitte des 16. Jhs vom eigentlichen Stadtregiment abgetrennt worden war. Es handelt sich vor allem um Werke juristischen Inhalts. Allerdings fehlen archivalische Angaben über Umfang und Ausrichtung dieser Bibliothek. Die Bestandsbeschreibung der heute vorhandenen zahlreichen Rechtsliteratur (s. u. 2.7) dürfte einer Wiedergabe der ehemaligen Ammannamts-Bibliothek nahekommen.

1.6 Die größte Anzahl der nachweisbaren Neuerwerbungen der ersten beiden Jahrzehnte des 19. Jhs kamen aus Ravensburger Lesegesellschaften. Dieser vierte und größte Teilbestand wurde in der kurzen bayerischen Zeit zwischen 1802 und 1810 erworben. Teils wurden nun für Neuanschaffungen öffentliche Mittel eingesetzt, teils stammen sie von den Lesegesellschaften, welche ihre Bücher nach vollendeter Zirkulation der öffentlichen Stadtbibliothek zur Verfügung stellten. Diese Neuzugänge werden in der Bestandsbeschreibung weitgehend als Belletristik dargestellt. Andererseits waren bei den Mitgliedern der Lesegesellschaften Reisebeschreibungen und historische Darstellungen populär, ferner aktuelle politische sowie technische Werke. Aus der katholischen Land-Capitels-Lesegesellschaft und der um 1820 gegründeten Museums-Gesellschaft sind kaum Werke in die alte Stadtbibliothek eingegangen.

1.7 Die Entwicklung der Stadtbibliothek im frühen 19. Jh läßt sich anhand zweier Verzeichnisse verfolgen. Laut den Angaben der Schulinspektoren Eben und Koch von 1806 umfaßte die Bibliothek damals 757 Werke (246 Bde in Folio, 193 in Quart, 592 in Oktav und 26 in Duodez, insgesamt 1057). 1818 zählten die ehrenamtlichen Bibliothekare Koch und Dehlinger bereits 1075 Werke in 1615 Bdn.

1.8 Die von der bayerischen Verwaltung initiierte Neuentwicklung fand unter der Württemberger Regierung keine adäquate Fortsetzung. " Die württembergische Sparsamkeit" (Alfons Dreher) ließ die weitere Bibliotheksentwicklung stagnieren. Sie führte über ein Jahrhundert ein Schattendasein auf Speichern im Rathaus. Nur Teile der Bibliothek waren dort in öffentlichen Kanzleiräumen aufgestellt, und es gab nur noch gelegentliche Zuwächse durch private Spender. Dies hatte jedoch den Vorteil, daß die Bibliothek in ihrem Bestand unverändert erhalten blieb, bis man sich in den dreißiger Jahren des 20. Jhs wieder dafür interessierte. Der damalige Archivar Alfons Dreher erarbeitete auf Verlangen der Stadt 1936 bis 1939 einen Band- und Zettelkatalog, worin ausdrücklich nur Titel bis 1815 aufgenommen wurden. Tatsächlich hörten im zweiten Jahrzehnt des 19. Jhs die planmäßigen Neuerwerbungen auf (außer einigen Fortsetzungen von Zeitschriften und Reihenwerken). Heute ist die Alte Stadtbibliothek in den Magazinen des Stadtarchivs untergebracht und über das Archiv benutzbar.

1.9 Vor 1800 bot die Bibliothek weitgehend ein Bild der konfessionellen Spannungen in der Reichsstadt Ravensburg. Viele der Werke sind von protestantischen Bürgern an die evangelische Kirchenbibliothek und von Katholiken den örtlichen Klöstern gespendet worden. Die Konkurrenz der protestantischen Schule mit der seit dem 16. Jh berühmten katholischen Gelehrtenschule (insbesondere durch den Humanisten Johannes Susenbrot) spielte auch eine Rolle bei den Zugängen. Selbst die Gerichtsbibliothek ist vor allem von dem protestantischen Teil des paritätisch und alternierend besetzten Gremiums bestimmt worden. Auch der Ravensburger Buchdruck wurde von diesem Gegensatz geprägt. Es gibt zwei Perioden, in denen in Ravensburg selbst gedruckt wurde; zwischen 1612 und 1669 durch die Drucker Hans Ludwig Brem, Johann Schroeter, Johann Jakob Wehrlin sowie ab 1795 durch Johann Georg Beck und ab 1803 durch Johann Anton Gradmann. Im 17. Jh sind auf diese Weise überwiegend katholische Werke durch Vermittlung der Karmeliter hier verlegt worden, während die Protestanten auch auswärts drucken ließen, so 1568, 1570 und 1571 in Nürnberg, 1733 und 1771 in Ulm und 1802 in Augsburg (s. u. 2.4).

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

Chronologische Übersicht und Übersicht nach Sprachen

2.1 Die Bestandsaufnahme erfolgte nach dem Dreherschen Standortkatalog von 1939 und am Regal. Ausgezählt wurden annähernd 2250 Titel, von denen mit über 1000 Werken etwa 50 Prozent nach 1800 gedruckt worden sind. Da der Katalog nur Werke bis 1815 verzeichnet, kann dieser Anstieg nur durch einen ungewöhnlich starken Zugang in diesen anderthalb Jahrzehnten erklärt werden. Neben 14 Inkunabeln sind aus dem 16. Jh über 230 und dem 17. Jh ca. 220 Titel vorhanden. Das Schwergewicht liegt auf je etwa 900 bzw. 1000 Titeln des 18. und 19. Jhs.

2.2 Sprachlich überwiegt das Deutsche gegenüber dem Lateinischen im Verhältnis von drei zu eins, mit einem Anteil von ca. 100 französischen Werken, besonders des 18. Jhs. Von der üblichen Sprachverteilung weicht die Bibliothek darin ab, daß aus dem 15. und 16. Jh überdurchschnittlich viele deutsche Ausgaben angeschafft wurden, bei der Rechtsliteratur aber bis ins späte 18. Jh besonders viele lateinische, während in der Theologie die protestantische Seite mehr deutsche, die katholische aber mehr lateinische Werke einbrachte. Das starke Übergewicht des Deutschen ergibt sich aber vor allem durch die reichen Neuzugänge im Übergang vom 18. zum 19. Jh in den Bereichen Literatur, Belletristik, Geschichte, Geographie, Reisen und praktische Wissenschaften.

Systematische Übersicht

2.3 Der Gesamtbestand ist fortlaufend numeriert (1-2566). Der Katalog unterteilt nach Formaten vier Gruppen. Innerhalb der ersten drei Gruppen (Oktav, Quart, Folio) sind die Bücher, bis auf Reihen, streng chronologisch geordnet, bei der vierten Gruppe, den Nachträgen, nicht durchgängig. Eine fünfte Gruppe enthält die in letzter Zeit erworbenen Bücher mit regionalgeschichtlicher Bedeutung. Für den Anhang des Katalogs wurden Signatur- oder Nummernlisten angefertigt, die den Bestand nach Autoren, Druckern, Druckorten und nach 29 Sachgruppen ordnen.

2.4 Die Theologie umfaßt mit den Bereichen Kirchenväter (75), Bibelausgaben (20), Kirchenrecht (15), Erbauung (50) und Kirchengeschichte (75) insgesamt 235 Titel. Werke nach 1800 sind in geringer Zahl vorhanden. Das Schwergewicht liegt auf dem 16. und 18. Jh, wobei bei der Systematischen Theologie und den Kirchenväter- und Bibelausgaben das Lateinische, bei den praktisch-erbaulichen Titeln das Deutsche deutlich vorherrscht. Dies erklärt sich aus der Herkunft des Bestandes aus den katholischen Klöstern und der evangelischen Stadtbibliothek. Danach läßt sich unterscheiden zwischen den katholischen, eher lateinischen Büchern aus dem Karmeliter-, weniger dem Kapuzinerkloster (manches auch mit der Provenienz Salem und Fürstenberg-Heiligenberg, selten aus der Landkapitelsbibliothek) und denen aus der evangelischen Stadtbibliothek, welche meist deutschsprachig sind. Verschiedene Spenden evangelischer Bürger lassen sich ausmachen (so von Johann Thomas von Welz 1723, Elias Kutter 1729, Johann Andreas Jordan 1761, Johann Baptist von Knoll 1771). Im praktisch-theologischen Bereich wie Predigt, Kirchengesang und Katechese lassen sich auch einige Ravensburger Drucke nachweisen. Unter den Werken, die die Ravensburger Protestanten auswärts drucken ließen, sind ein Katechismus (Ulm 1733), ein Gesangbuch (Ulm 1771) und die Schrift Über religiöse Aufklärung des Pfarrers Martin Kutter (Augsburg 1802). Erwähnenswert sind eine lateinische Ausgabe des Neuen Testaments (Venedig 1483), eine (unvollständige) Postille des Nicolaus von Lyra (Leiden, um 1495) und die Paraphrase des Neuen Testaments von Erasmus in der deutschen Übersetzung durch Leo Jud (Zürich: Froschauer, um 1542).

2.5 Die 740 Titel zur Geschichte umfassen Universalgeschichte (200), antike (72), deutsche (275) und nicht-deutsche Geschichte. Dazu sind noch etliche Flugschriften des 16. und 17. Jhs (70) zu rechnen. Weniger als 10 Prozent der Werke stammen aus dem 19. Jh. Sprachlich überwiegt das Deutsche gegenüber dem Lateinischen; dies entspricht den Bedürfnissen einer nicht akademischen Leserschaft. Erwähnenswert sind etliche Flugschriftensammelbände, die vom Stifter Hans Wilhelm Tafinger und dessen Sohn, dem Bürgermeister Ulrich Christoph Tafinger, im 17. Jh der Bibliothek vermacht wurden. Erstere betreffen die französischen Hugenottenkriege, den niederländischen Freiheitskampf, die Kölner Händel und den Untergang der Armada, letztere den Dreißigjährigen Krieg. In etlichen Schriften spielt die Türkengefahr eine wichtige Rolle. An frühen Werken aus dem Tafinger-Bestand finden sich außerdem humanistische und reformatorische Geschichtswerke des 16. Jhs, darunter Sleidan (1555 ff.), Sebastian Francks Chronicon (1531), Aventinus (1531) und mehrere Chroniken protestantischer Territorien. Zahlreiche historische Werke des 17. und 18. Jhs spiegeln die konfessionellen Auseinandersetzungen in der Reichsstadt, besonders die Interessen der evangelischen Bürgerschaft wider, so ein Druck über die Reichstandvogteien, dem handschriftlich verschiedene Rezesse und Vergleiche bezüglich Ravensburg und Überlingen angehängt sind (1660-1672). Die späten historischen Werke aus dem Übergang vom 18. zum 19. Jh sind durch die Lesegesellschaften angeschafft worden und entsprechen dem historischen Gescck der damaligen Stadtbürgerschaft.

2.6 Die 70 Werke zur Antike dienten meist dem gelehrten Schulgebrauch und kamen aus den Beständen der Ravensburger Klöster in die alte Stadtbibliothek (s. auch u. 2.11). Etliche Zugänge der Jahre ab 1779 stammen aus der Bipontina-Klassikerreihe antiker Historiker, die für Unterrichtszwecke beschafft wurden. An frühen Werken, meist aus dem Tafinger-Bestand, sind zu nennen: ein deutscher Kommentar des Heinrich von Müglein zu Valerius Maximus (Augsburg 1489), eine deutsche Ausgabe der Römischen Historien (Mainz: Schöffer 1505), welche Sebastian Scheler 1614 der evangelischen Bibliothek stiftete und eine von Hieronymus Boner, Stettmeister zu Colmar, edierte Ausgabe der Viten Plutarchs (Straßburg: Grüninger 1541) sowie Ausgaben der Werke Caesars (1507) und Sallusts (1515).

2.7 Die insgesamt ca. 530 Titel in der Rechts- und Staatswissenschaft sind in drei Gruppen aufgeteilt: rund 120 Werke enthalten Rechtsquellen und Gesetzessammlungen, 380 sind der Rechtswissenschaft und mehr als 30 den Staatswissenschaften zuzuordnen. Über die Hälfte der juristischen Titel sind in Sammelbänden zusammengebundene Dissertationen und andere juristische Hochschulschriften, zusammen 16 Bde mit 260 Kleinschriften. Nur einer dieser Bände trägt einen Eigentumsvermerk: Georg de Welz 1733. Für die Vermutung Drehers, daß dieselben " wohl in der Hauptsache aus den Studienjahren der Stadtsyndici und Kanzleiverwalter herrühren", spricht einiges. Jedenfalls sind sie dem evangelischen Ratsteil zuzuordnen, weil sie meist an protestantischen Universitäten entstanden sind und in Jena, Helmstedt, Halle, Tübingen etc. gedruckt wurden. Sie stammen fast ausschließlich aus dem 16. bis 18. Jh (20 aus dem 16., ca. 75 aus dem 17., 430 aus dem 18. Jh und nur ein Dutzend aus dem frühen 19. Jh). Während im 16. Jh noch die deutsche Sprache dominierte (oft in Übersetzungen von Klassikern), setzte sich das Lateinische im 17. Jh durch und beherrschte das 18. Jh. Das Verhältnis von Deutsch zu Latein beträgt bei der juristischen Literatur etwa 30 zu 70 Prozent. Das spricht für die weitgehende Akademisierung der städtischen Rechtsbeamten und für die lange Herrschaft des Lateins auch an den protestantischen Rechtsfakultäten.

2.8 Über die Herkunft der reichhaltigen und z. T. speziellen reichs- und landrechtlichen sowie prozeßrechtlichen Literatur läßt sich mangels Besitz- und Herkunftsvermerken nur vermuten, daß sie aus dem Rathaus oder dem Stadtammannamt kommen. Sie stammen nicht aus den Klöstern, da nur drei dieser Werke einen Eigentumsvermerk der Karmeliter tragen (ein juristisches Lexikon des späten 18. Jhs, eine Würzburger kanonistische Dissertation von 1743 und Werdenhagens Republica, Amsterdem 1632). Dreher vermutet, daß schon die ältesten Werke, das Deutsche Lehnsrecht (Librum feudorum, Augsburg 1530), die Rottweiler Hofgerichtsordnung (Frankfurt 1551), die frühe Sammlung der Land- und Stadtrechte (Frankfurt 1553), Sarcerius protestantisches Eherecht (1575), Dammhouders Straf- und Zivilrecht (1565 und 1581), in der Bibliothek des Stadtgerichts standen. Bei den Werken der namhaften Juristen des 17. und 18. Jhs kann kaum ein Zweifel über die Herkunft bestehen. Vorhanden sind Werke von Harpprecht, Besold, Pufendorf, Böhmer, Carpzov, Struve, Stryck, Cramer, Senkenberg, Moser, Pütter u. a. Die verschiedenen württembergischen Gesetzessammlungen des 17. und 18. Jhs sind eher protestantisch orientiert.

2.9 Eine Reihe von Werken tragen private Besitz- oder Stiftungsvermerke. Dies kann bedeuten, daß sie nicht in die Ratsbibliothek inkorporiert wurden. Darunter sind einige Mitglieder des Stadtregiments wie Sigmund Koleffel, J. G. de Welz, Johann Baptist de Knoll, M. Simon, J. F. Bechter, während G. H. Keßler (in 7 Büchern) und Albert Schollkopf sich selbst als " Ulmannus" bezeichnen. Archivalisch konnte nicht geklärt werden, warum eine bisher nützliche juristische Handbibliothek nun an die allgemeine Stadtbibliothek abgegeben wurde, obwohl sie noch späte, aktuell geltende Gesetzessammlungen (etwa Josef II., Leopold II. und Franz II.) sowie das preußische Landrecht und verschiedene bayerische und württembergische Gesetzessammlungen bis ins zweite Jahrzehnt des 19. Jhs enthielt.

Heinz Holeczek

2.10 Die Belletristik umfaßt 228 Titel, von denen 84 Prozent zwischen 1800 und 1810 erschienen sind. Darunter finden sich ca. 30 literarische und allgemeine Zeitungen und Periodika, von denen die meisten ebenfalls aus dem ersten Jahrzehnt des 19. Jhs stammen. Die Monographien kamen in der Mehrzahl durch Ablieferung der Lesegesellschaft in den Besitz der Stadtbibliothek. Die Bücher dieser Provenienz (87 Titel) sind an handschriftlichen Einträgen der Entleiher mit Ausleihfristen zu erkennen, deren Datierung die Ausleihtätigkeit der protestantischen Bürgerbibliothek von 1802 bis 1811 dokumentiert. Die Erscheinungsdaten der betreffenden Bücher fallen in denselben Zeitraum. Es handelt sich einerseits um zeitgenössische Unterhaltungsliteratur z. T. anonymer oder wenig bekannter Autoren und andererseits um Schriften einiger Bestsellerautoren des frühen 19. Jhs wie Theoboul Kosegarten, August Lafontaine und August von Kotzebue. Die wenigen vor 1700 erschienenen Werke stammen aus der Ravensburger Karmeliterbibliothek. Einige französischsprachige Titel (Corneille, Rabelais, Voltaire, Mme de Sévigné) sowie Werkausgaben von Wieland, Gellert, Klopstock, Lessing u. a. machen den Bestand aus dem 18. Jh aus.

2.11 Die 95 Titel in der Klassischen Philologie verteilen sich gleichmäßig auf das 16. bis 18. Jh und sind zu 90 Prozent lateinischsprachig. Die Gruppe weist 2 Inkunabeln auf, die Facta et dicta memorabilia von Valerius Maximus und eine deutsche Terenz-Ausgabe (Straßburg: Grüniger 1499). Ergänzt wird der Bestand an Werken griechischer und lateinischer Historiographen durch Ausgaben des frühen 16. Jhs (s. o. 2.6). Etwa die Hälfte des Bestandes stammt aus dem Ravensburger Karmeliterkloster und wurde dort, wie aus datierten Besitzeinträgen hervorgeht, im Zeitraum von 1650 bis 1763 angeschafft. Gesammelt wurden fast ausschließlich römische Autoren wie Cicero, Terenz, Ovid und Vergil, wobei Texte oft in verschiedenen Editionen aus dem 16. bis 18. Jh vorliegen. Unter den später durch Schenkungen oder Antiquariatskäufe hinzugekommenen Bücher sind einige in Basel von Froben, Heinrich Petri oder Hervagen gedruckte Titel. Erwähnenswert sind die von Erasmus herausgegebenen Lucubrationes des Seneca (Froben 1515) und die Opera von Horaz (H. Petri 1580). Weiterhin sind 28 von der Zweibrückener Studiengesellschaft (Societas studiis Bipontinae) herausgegebene Klassikerausgaben aus den Jahren 1779 bis 1787 vorhanden.

2.12 Die Sachgruppen Naturwissenschaften, Medizin, Technik, Ökonomie und Mathematik bilden zusammen einen Bestand von 55 Titeln (16. Jh bis frühes 19. Jh, mit Schwerpunkt im 18. Jh). Aus dem 16. Jh sind 2 Ausgaben der Historia stirpium des Botanikers Leonhard Fuchs, ein Leidener Nachdruck von 1555 und eine fünfsprachige Edition (Leiden 1552) sowie eine deutsche Ausgabe der naturwissenschaftlichen Schrift De subtilitate von Hieronymus Cardanus (Basel: H. Petri 1559) bemerkenswert. Zeitschriften über neue Erfindungen und Produktionsweisen (1802-1809) sind vorhanden, weiterhin einige technische Schriften von Leonhard Christian Sturm und mathematische Abhandlungen von Abraham Gotthelf Kästner (18. Jh).

2.13 Zur Philosophie, Pädagogik (einschließlich Ethik) sind 38 bzw. 12 Titel vorhanden. Neben 2 Schriften von Erasmus, Familiarum colloquiorum opus (Basel 1526) und Adagia (Köln 1533), sind 3 weitere Titel aus dem 16. Jh erwähnenswert: die von Konrad Gesner ins Lateinische übersetzten Sententiae von Johannes Stobaeus (Leiden 1533), eine deutsche Petrarca-Ausgabe des Trostspiegels Von der Artzney beyder Glück (Frankfurt 1559) und ein von Erasmus Sarcerius zusammengestellter Sammelband mit Texten von Luther, Melanchthon u. a. über den " heiligen Ehestand" (Frankfurt, um 1556). Ein weiterer Sammelband mit 18 Einzeltiteln aus dem 17. Jh behandelt Monogamie und Hebräisches Eherecht.

2.14 In der Sachgruppe " Lehrbücher philologischen Inhalts" sind 34 Sprachlehren, Grammatiken und Wörterbücher, fast alle mit dem Besitzeintrag " Carmeli Ravenspurgani", zusammengefaßt. Die Werke behandeln vorwiegend die lateinische, aber auch die französische (18. Jh), griechische, hebräische, spanische und italienische Sprache. Wegen ihrer Bedeutung für die Stadtgeschichte Ravensburgs sind 2 in der ersten Hälfte des 16. Jhs von Froschauer in Zürich gedruckte Bde erwähnenswert: der erste enthält die Grammaticae artis institutio des Humanisten und Ravensburger Schulmeisters Hans Susenbrot, der zweite dasselbe Werk (hier mit Widmung an den Grafen von Hohenzollern) und Susenbrots Epitome troporum ac schematum et grammaticorum et rhetorum. Zu Architektur und Kunst liegen u. a. eine umfangreiche Sammlung der Schriften des Architekturtheoretikers Leonhard Christian Sturm in Nachdrucken Augsburger Verlage aus der Mitte des 18. Jhs vor sowie von Justus Lipsius 2 Titel vom Ende des 16. Jhs.

Isolde Tröndle-Weintritt

3. KATALOGE

3.1 Moderner Katalog

Dreher, Alfons; Hengstler, Albert: Stadtarchiv Ravensburg. Verzeichnis der alten Bibliothek der Stadt Ravensburg 1470-1815. Ravensburg 1936-1939

[hschr., Bandzählung 1-2566. Später erworbene Titel Nr. 2363-2555. Nach dem Zweiten Weltkrieg entnommene Titel 37. Register der Autoren, Drucker, Druckorte und Sachgruppen von Hengstler erstellt]

Die Bestände sind weder im Zentralkatalog Baden-Württemberg noch in der Zeitschriftendatenbank (ZDB) nachgewiesen.

3.2 Historische Kataloge

Inventarium librorum Joh. Wilh. Tafingeri pro Ecclesia reformata Ravensburg: Anno Domini 1605 (12. Mai 1605)

[hschr., Folio Nr. 1-100; Quart, " schwarzes Leder", Nr. 1-122; " in weiß Pergament", Nr. 1-52, Zusatz 1-18; Oktav, Nr. 1-23; Oktav " in Pergament", Nr. 1-119]

Verzeichnis von Eben und Koch. 1806

[hschr., verzeichnet 757 Werke: 246 Folio, 193 Quart, 529 Oktav, 26 in Duodez; Bde 1057]

Catalog der gemeinschaftlichen Stadtbibliothek zu Ravensburg. Nach Format und Alter nebst gedrängter Angabe ihres Hauptinhaltes zur Erläuterung des Nachsuchens für die künftigen Bibliothekare entworfen aus Auftrag des Stadtrathes von Diakon und Rektor Dehlinger [hschr.]

4. DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

4.1 Archivalien

Archivalische Unterlagen zur Alten Stadtbibliothek sind im Stadtarchiv Ravensburg vorhanden.

Vgl. dazu die Angaben bei Renate Decke-Cornill, Repertorium bibliotheksgeschichtlicher Quellen. Wiesbaden 1992, S. 106

4.2 Darstellungen

Hafner, Tobias: Geschichte der Stadt Ravensburg. Nach Quellen und Urkundensammlungen. Ravensburg 1887

Erzberger, Matthias: Die Säkularisation in Württemberg 1802-1810. Stuttgart 1902

Fox, Wilhelm: Hans Susenbrot. Ein verschollener schwäbischer Humanist und lateinischer Schulmeister. In: Diöcesan-Archiv von Schwaben 25 (1907) S. 8-12

Zierler, Peter Baptist: Das Kapuziner-Kloster in Ravensburg. Ravensburg 1910

Dreher, Alfons: Die alte Bibliothek der Stadt Ravensburg. In: Heimatkundliche Mitteilungen des Bodenseegeschichtsvereins 3 (1939) S. 50-56 D

reher, Alfons: Geschichte der Reichsstadt Ravensburg und ihrer Landschaft von den Anfängen bis zur Mediatisierung 1802. 2 Bde. Ravensburg 1972 Eitel, Peter (Bearb.): Aus dem Leben eines oberschwäbischen Kaufmanns. Das Tagebuch des Ulrich Christoph Gradmann von Ravensburg aus den Jahren 1796-1845. Stuttgart 1982

5. VERÖFFENTLICHUNGEN ZU DEN BESTÄNDEN

Die Alte Stadtbibliothek Ravensburg: Kostbarkeiten aus der Alten Stadtbibliothek Ravensburg. Ausstellung in der Landesgirokasse Ravensburg 11. Februar bis 13. März 1987 [mschr., 7 Blatt]

Stand: Februar 1992

Heinz Holeczek

Isolde Tröndle-Weintritt


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.