FABIAN HANDBUCH: HANDBUCH DER HISTORISCHEN BUCHBESTÄNDE IN DEUTSCHLAND, ÖSTERREICH UND EUROPA SUB Logo
 
Home
HomeRegionen:Stadtregister:Abkürzungen
Volltextsuche:

trunkiert

BenutzerprofilLogin
Impressum
 Home > Oesterreich > Steiermark > Graz 

Konventsbibliothek der Barmherzigen Brüder

Adresse. Marschallgasse 12, 8020 Graz [Karte]
Telefon. (0316) 90 67-0
Telefax. (0316) 90 67-707

Unterhaltsträger. Konvent der Barmherzigen Brüder Graz
Funktion. Konventsbibliothek.
Sammelgebiete. Vorwiegend Theologie. - Der Altbestand wird nicht vermehrt.
Benutzungsmöglichkeiten. Präsenzbenützung nach Vereinbarung. - Leihverkehr: nicht angeschlossen.
Technische Einrichtungen für Benützer. Kopiergerät im Haus.
Hinweise für anreisende Benützer. Straßenbahnlinien 3, 6 und 7 ab Hauptbahnhof bis Station Südtirolerplatz.

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Die Barmherzigen Brüder - Angehörige des Ordo Hospitalarius S. Joannis de Deo - ließen sich 1615 in Graz nieder. Unmittelbarer Anlaß war laut Ordenschronik die erfolgreich verlaufene medizinische Behandlung von Erzherzog Maximilian Ernst, dem Bruder des späteren Kaisers Ferdinand II., durch den Barmherzigen Bruder und Arzt Gabriel Ferrara. Die Sicherung der Erfolge der Gegenreformation mag ein weiterer Beweggrund für die Berufung der Brüder nach Graz gewesen sein. Bereits im selben Jahr wurde mit Privileg die Einrichtung einer Apotheke verfügt.

1.2 Die ersten Brüder kamen aus Italien. Ab 1623 stand dem Konvent mit . Erasmus Schirm (1631) erstmals ein Prior aus dem deutschsprachigen Raum vor. Dies hatte zur Folge, daß von nun an nur mehr deutschsprechende Brüder in die Grazer Niederlassung aufgenommen wurden. Die Brüder waren stets auf Spenden angewiesen. Als besonderer Wohltäter gilt Bernhard Walter von Waltersweil. U. a. stiftete er 1624 zwei Krankenzimmer und sorgte sogar für deren Ausstattung, zu der auch etlich Geistlich- und History-Bücher (Prangner, s. u. 4.2) gehörten. Von den österreichischen Herrschern zeigte sich vor allem Maria Theresia dem Orden sehr zugetan. Sie unterstützte u. a. den unter Prior Fidelis Genschik (1797) begonnenen Um- und Erweiterungsbau an Kloster, Ordensspital und Apotheke.

1.3 Über die Bibliothek der Barmherzigen Brüder gibt es nur spärliche Aufzeichnungen. Den Inventaren zufolge waren 1686 Bücher dem Kloster zugehörig 185, 1781 - unter Prior Vinzenz Kneer (reg. 1775-1781 und 1785-1788) - soll der Bestand bereits rund 2000 Bde umfaßt haben. In der Amtszeit Vinzenz Kneers wurden die Umbauten am Konventsgebäude zu Ende geführt. Die Bibliothek, für deren Einrichtung der Provinzial, P. Heraklius Dangler, 100 Gulden auslegte (Prangner, s. u. 4.2), ließ Kneer in den eigens angefertigten Kästen im Betsaal unterbringen.

1.4 In der zweiten Hälfte des 19. Jhs kam es zur Gründung von Niederlassungen in Graz-Eggenberg (1864), Kainbach bei Graz (1875), St. Veit/Glan (1876) und Kandia/Rudolfswerth (heute Novomesto, gegr. 1893). Das Grazer Kloster und diese Filialklöster wurden 1879 von der österreichisch-böhmischen Ordensprovinz ausgegliedert. Von nun an existierte eine selbständige steiermärkische (Grazer) Provinz, die 1948 in der Wiener Provinz aufging.

1.5 Im Zuge der politischen Ereignisse wurden 1938 das Spital aufgelöst - es diente nun als Militärlazarett - und die Brüder sowohl aus dem Kloster als auch aus dem Spital vertrieben. Nach den Angaben der Inventare kam es in dieser Zeit und in den Nachkriegsjahren zu einer beträchtlichen Dezimierung des Bibliotheksbestandes. 1939 besaß der Konvent noch 7615 Bde, heute sind es rund 3500 - somit sind ca. 46 Prozent der Bücher abhanden gekommen. 1945 nahmen die Barmherzigen Brüder das desolate Gebäude wieder in Besitz und führten die Krankenbetreuung weiter. Der Altbuchbestand der Konventsbibliothek (Zäsur 1850) wurde in den Jahren 1993/1994 mittels EDV erschlossen.

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

Chronologische Übersicht und Übersicht nach Sprachen

2.1 Bei einem Gesamtbestand von ca. 3500 Bdn sind 836 Titel in rund 1000 Bdn bis 1850 erschienen: 32 im 16. Jh, 184 im 17. Jh, 407 im 18. Jh und 215 in der ersten Hälfte des 19. Jhs. Damit stammen knapp 22 Prozent der Titel aus dem 17. Jh und 48,6 Prozent aus dem 18. Jh. Die Sprachen Deutsch und Latein sind gleich stark vertreten (400 bzw. 404 Titel). Die restlichen Werke sind in italienischer und französischer Sprache verfaßt. Auffallend groß ist der Anteil an Drucken aus der Grazer Offizin Widmanstetter (115 Titel). Die Zahlen wurden anhand des EDV-Kataloges ermittelt.

Systematische Übersicht

2.2 Der Buchbestand der Konventsbibliothek ist weitgehend auf die praktischen Erfordernisse der Brüder in der Seelsorge ausgerichtet. 70 Prozent der Bücher (590 Titel) gehören in den Bereich der Theologie. Vertreten sind nahezu alle theologischen Disziplinen, der Schwerpunkt liegt jedoch mit rund 250 Titeln bei den Schriften zur Aszetik und Mariologie. Auch Andachts- sowie Kranken- und Sterbebücher befinden sich darunter. Rund 60 Werke befassen sich mit der Kirchengeschichte einschließlich Papst- und Konziliengeschichte. In etwa gleich umfangreich ist der Bestand an Predigten, darunter Situationspredigten, wie Mathias Winklers Kanzelrede zum Dankfest der Eroberung Belgrads (1789) und Mathäus Priegls Predigten zur Empfehlung der Blattern-Einimpfung (1817).

2.3 Unter ca. 45 Titeln zum Kirchenrecht sind 6 von Joseph Helfert (u. a. Handbuch des Kirchenrechts, 1845) und das Hauptwerk des Melker Benediktiners Ludwig Engel, Collegium Universi Juris Canonici (1712). Der Bestand zur Theologie weist den größten Anteil an - insgesamt spärlich vorhandenen - Schriften in italienischer Sprache (12 Titel) auf. Durch eine eigene Signatur von den übrigen theologischen Werken unterschieden sind jene Titel, die sich mit dem Ordensgründer, Johannes von Gott, auseinandersetzen (z. B. Ordensregeln in verschiedenen Ausgaben und Sprachen und die Biographie Vie de St. Jean de Dieu, 1691).

2.4 Während der Geographie nur 13 großteils deutschsprachige Titel zugeordnet sind - vor allem Reiseberichte, wie J. G. Kohls Hundert Tage auf Reisen i. d. österreichischen Staaten (1842) -, liegen zur Geschichte 65 Werke vor. Frühe Titel zur Weltgeschichte (z. B. Historia universalis des Gabriel Bucelin, 1672) sind ebenso vorhanden wie zusammenfassende Darstellungen des 19. Jhs, Biographien und epochengeschichtliche Abhandlungen, u. a. Adolphe Thiers' Geschichte des Consulats und des Kaiserreichs (1846-1860). Von 10 Titeln zum Recht und zur Rechtsphilosophie ist das Lexicon juris civilis (Marburg 1546) der älteste.

2.5 Unter 80 der Literatur zugezählten Titeln finden sich zahlreiche Grammatiken und Wörterbücher, aber auch Briefeditionen. Der Anteil der Werke in lateinischer Sprache ist hier etwas höher als jener der deutschsprachigen. An Texteditionen besitzt die Bibliothek u. a. mehrere Cicero-Ausgaben des 16. bis 18. Jhs, aber auch Klopstocks Messias (1775) und Schillers Sämtliche Werke (12 Bde, 1847) fehlen nicht. Die wissenschaftliche Literatur schließt z. B. Petrus Dasypodius' Dictionarium Latino-Germanicum. Et vice versa (Straßburg 1537) mit ein.

2.6 Die kleine Gruppe an Werken zu Medizin, Krankenpflege und Pharmazie (27 Titel) enthält u. a. William Cullens umfangreiche Darstellung der Anfangsgründe der praktischen Arzneywissenschaft (1778-1785) und Simon André Tissots Krankheiten vornehmer und reicher Personen an Höfen und in großen Städten (1770). Von Galen besitzt der Konvent die 1546 in Lyon erschienene Ausgabe seines Methodus medendi vel de morbis curandis. 20 Werke des 18. und 19. Jhs gibt es zu den Naturwissenschaften. Doppelt so groß ist der Bestand an Schriften zur Philosophie. Die ältesten der insgesamt 40 Titel stammen aus dem 16. Jh.

4. QUELLEN UND DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

4.1 Archivalien

Angaben zur Geschichte der Bibliothek und zu den Beständen finden sich vereinzelt in den Inventaren des Konvents und des Spitals.

Protocollum

[Hausprotokoll, verzeichnet Schenkungen, Verordnungen, Visitationsprotokolle u. ä., Archiv des Konvents der Barmherzigen Brüder]

4.2 Darstellungen

Kögler, Alfred: Graz und das Barmherzigen-Spital. In: Granatapfel 33 (1965) Heft 6, S. 169-176

Prangner, Vinzenz: Geschichte des Klosters und des Spitals der Fr. Fr. Barmherzigen Brüder in Graz und der innerösterreichischen Ordensprovinz zum heiligsten Herzen Jesu. Graz 1908 [zur Bibliothek S. 44, 114, 125]

Stand: Oktober 1994

Wilma Buchinger


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.