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Bibliothek des Bergwinkelmuseums

Adresse. Schloßstraße 15, 6490 Schlüchtern 1 [Karte]
Telefon. (06661) 2595 (Museumsleiter) oder 850 (Rathaus)

Unterhaltsträger. Stadt Schlüchtern sowie Heimat- und Geschichtsverein Bergwinkel
Funktion. Museumsbibliothek, deren Exponate nur auf Anfrage beim Leiter des Museums zugänglich sind.
Sammelgebiete. 1. Allgemeine Sammelgebiete: Lo kal-, Regional- und Landesgeschichte. 2. Besonderes Sammelgebiet: Literatur zur Kulturgeschichte Schlüchterns, insbesondere zu Ulrich von Hutten, Petrus Lotichius Secundus und den Gebrüdern Grimm.

Benutzungsmöglichkeiten. Präsenzbestand (mit Ausnahmen), der nach Vereinbarung mit dem Leiter des Bergwinkelmuseums eingesehen werden kann. Leihverkehr: nicht angeschlossen.
Technische Einrichtungen für den Benutzer. Kopiergerät im Rathaus.
Hinweise für anreisende Benutzer. Schriftliche oder telefonische Anmeldung beim derzeitigen Leiter erbeten: Adolf Gramman, Gartenstraße 6, 6490 Schlüchtern 1, Tel. s. o. Fußwegnähe vom Bahnhof (ca. 20 Minuten) oder Busverbindung bis zur Post. A 66, Richtung Fulda, B 40; A 7, Ausfahrt Fulda-Süd, B 40.

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Der Buchbestand des Bergwinkelmuseums, das seit 1971 im Schlüchterner Schlößchen untergebracht ist, umfaßt etwa 2500 Bde. Davon sind 90 Prozent historischer Bestand. Nur ein geringer Teil ist als Exponat für eine breite Öffentlichkeit zugänglich. Der Großteil des Bestandes ist im Schlüchterner Rathaus oder in der neu eingerichteten Stadthalle untergebracht. Als Träger des Museums fungiert neben dem Magistrat der Stadt der 1979 gegründete Heimat- und Geschichtsverein Bergwinkel, der vor dem Ersten Weltkrieg in dem 1908 gegründeten Verein für Heimatkunde und Heimatpflege im Kreis Schlüchtern einen engagierten Vorläufer hatte. Wenn dieser Verein auch bemüht war, eine repräsentative Sammlung zustandezubringen, so fehlte es doch an finanziellen Mitteln, die Altertümer in einem Museum zugänglich zu machen. Dies änderte sich erst durch die Initiative des 1976 verstorbenen Heimatforschers Wilhelm Praesent. Er hatte die Sammlung des Heimatvereins nach dem Zweiten Weltkrieg weitergeführt, vervollständigt und später dafür gesorgt, daß sie zur Schau gestellt werden konnte. Die Schlüchterner Stadtverordnetenversammlung beschloß einen Umbau des Museums, das am 24. April 1982 eröffnet wurde.

1.2 Der Gesamtbestand konstituierte sich auf unterschiedliche Weise. Das Zustandekommen des ältesten Bibliotheksbestandes ist eng mit der kirchen- und religionsgeschichtlichen Entwicklung des Schlüchterner Klosters verbunden. Das Kloster, im 8. Jh von Benediktinermönchen gegründet, wuchs rasch zum geistigen, kulturellen und wirtschaftlichen Zentrum des mittleren und oberen Kinzigtales. Es erhielt zahlreiche Stiftungen u. a. durch den hanauischen Amtmann Frowin von Hutten († 1377) und seine Frau Tamberg († 1354), den Stammeltern der Steckelberger Hutten. Das Ehepaar stiftete die an das Westende der Klosterkirche und die Nordwand des Westturmes angrenzende Huttenkapelle. Die traditionelle Verbundenheit seiner Familie mit Schlüchtern erklärt die Aufmerksamkeit, die man dem Humanisten und seinen Schriften in dieser Stadt zollt, und auch die Präsenz von Werken von und über von Hutten in der Bibliothek.

1.3 Neben Hutten sind Petrus Lotichius (1501-1567) und sein Neffe Petrus Lotichius Secundus (1528-1560) in der Bibliothek vertreten. Petrus Lotichius war seit 1534 Abt des Schlüchterner Klosters und betrieb dessen geistige Erneuerung im Sinne der Reformation. Mit Unterstützung seines Freundes Melanchthon versuchte er, die " neue Lehre" durch Gründung einer humanistischen Schule zu festigen. Nicht nur aus der unmittelbaren Umgebung, sondern auch aus Hanau, Würzburg und der freien Reichsstadt Frankfurt schickten Adlige und bürgerliche Patrizier ihre Söhne und Neffen in das Kloster. Aus der Gymnasialfunktion des Klosters erklärt sich die Anschaffung reformatorischen Schriftgutes im 16. und 17. Jh, das heute noch zumindest teilweise erhalten ist. Ebenso erklärt sich hieraus die reichhaltige Hinterlassenschaft des Petrus Lotichius und seines Neffen, des neulateinischen Dichters Petrus Lotichius Secundus. Das Gymnasium blieb wenn auch seine Bedeutung wechselte bis 1829 bestehen. Aus diesem Zeitraum stammt im wesentlichen die klassische Literatur, die z. T. noch den Stempel der Lateinschule trägt. Bis 1928 diente es als Lehrerseminar, um anschließend von einer Aufbauschule abgelöst zu werden, der heutigen Ulrich-von-Hutten-Schule.

1.4 Ein weiterer nennenswerter Bestandteil der Bibliothek stammt ebenfalls aus dem 18. und 19. Jh. Es handelt sich um jene malerischen und literarischen Werke, die von den Gebrüdern Jacob, Wilhelm und Ludwig Emil Grimm und ihrem Großvater Friedrich stammen oder sich um diese Werke zentrieren. Zumindest Ludwig und Wilhelm Grimm hatten einen Teil ihrer Kindheit in dem Schlüchtern benachbarten Steinau verbracht, wo ihr Großvater Friedrich als Pfarrer wirkte. Von dort hatten sie des öfteren die Familie des Salzverwalters Stickel besucht, die im Schlößchen, dem heutigen Heimatmuseum, gewohnt hatte. So zählen neben persönlichen Stücken der Familie Grimm auch Schriftgut wie Briefe und Werke zum Inventar der Bibliothek.

1.5 Auch der letzte und größte Teil des Schlüchterner Bibliotheksbestandes hat seinen Ursprung im 19. Jh: die Hinterlassenschaft des Johann Joachim Weitzel (1761-1840). Dieser hatte mit 18 Jahren seine Heimatstadt, wo er als Bäckergeselle lebte, verlassen und in den Niederlanden die Tochter seines Amsterdamer Meisters geheiratet. In seinem Testament vermachte Weitzel seiner Heimatstadt beträchtliche Mittel, legte aber auch fest, wofür die Zinsen auszugeben waren: für soziale Maßnahmen wie die Bereitstellung von Ackerland für Arme und für die Anschaffung von Büchern für eine Lesegesellschaft. Hielt sich die erste Forderung des einstigen Bäckergesellen noch in einem zu erwartenden Rahmen, so erscheint der zweite Teil des Testaments, der die Anschaffung von Büchern für eine Lesegesellschaft fordert, weit weniger selbstverständlich. Die Schlüchterner Stadtväter richteten daraufhin 1857 eine Volksbibliothek im Schlößchen ein, die auch heute noch mit ihren etwa 2000 Bdn den Grundstock des Museumsbestandes darstellt. Doch Weitzel forderte auch, daß ein Teil seines Erbes für Landkarten, Bücher und weiteres Anschauungsmaterial für die Schule verwendet werden solle. Diese Forderung ebenso wie die nach Einrichtung einer Lesegesellschaft zeigt, daß Weitzel mit aufklärerischem und liberalem Gedankengut in Berührung gekommen war und den Wunsch hegte, dessen Grundlagen für alle soziale Schichten zugänglich zu machen. Der Reiz der Weitzelschen Bibliothek liegt somit nicht so sehr in der Exzeptionalität ihres Bestandes als vielmehr in der sozialpolitischen Intention, mit der sie Mitte des 19. Jhs geschaffen wurde. Noch heute feiern die Schlüchterner jeden 1. August zum Andenken an ihren Wohltäter ein großes Fest.

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

Chronologische Übersicht und Übersicht nach Sprachen

2.1 Der Gesamtbestand umfaßt etwa 850 Titel in über 2500 Bdn. Der Anteil des historischen Bestandes liegt mit 774 Titeln bei etwa 90 Prozent. Davon sind 506 Titel (ca. 65 Prozent) magaziniert und 268 Titel (ca. 35 Prozent) im Museum und im Rathaus untergebracht bzw. aufgestellt. Von den 774 Titeln stammen 21 aus dem 16. und 69 aus dem 17. Jh. Das 18. Jh ist mit 117 Titeln vertreten, das 19. Jh mit 567.

2.2 Die Hauptsprachen sind Lateinisch und Deutsch. Im 16. und 17. Jh kommt das Griechische hinzu, im 18. und 19. Jh das Französische. Im 16. Jh sind 5 Titel deutsch, 15 lateinisch und einer griechisch. Im 17. Jh sind 20 Titel deutsch, 4 Titel griechisch und 45 lateinisch. Im 18. Jh ist das Deutsche mit 81 Titeln vertreten, das Lateinische mit 35, das Französische mit einem. Im 19. Jh sind 562 Titel deutsch, 4 lateinisch und einer französisch. Systematische Übersicht

Museums- und Rathausbestand

2.3 Die Werke von Petrus Lotichius und Petrus Lotichius Secundus machen den interessantesten Bestand aus. Johannes Petrus Lotichius ist mit 18 Titeln (sämtlich 17. Jh und lateinisch) vertreten, sein Neffe mit 9 Titeln, davon 5 Titel aus dem 17. Jh, 3 aus dem 18. und einer aus dem 19. Jh. Die Werke Ulrich von Huttens (10 Titel) verteilen sich auf das 16. Jh (einer in deutscher, 2 in lateinischer Sprache), das 17. Jh (einer in lateinischer, 2 in deutscher Sprache), das 18. Jh (ein deutscher Titel) und das 19. Jh (ein deutscher und ein lateinischer Titel). Darunter ist die überarbeitete Fassung des Nemo (Augsburg 1518).

2.4 Werke der Familie Grimm sind mit 16 Titeln vertreten (sämtlich deutsch; 3 aus dem 18. Jh, 13 aus dem 19. Jh). Es handelt sich um diverse Briefwechsel der Gebrüder Grimm mit Freunden und Kollegen (im letzten Drittel des 19. Jhs ediert) und einige wissenschaftliche Werke von Jacob Grimm. Außerdem finden sich Werke des Großvaters Friedrich Grimm, der im Nachbarort Steinau als Pfarrer tätig war und u. a. die Ordnung des öffentlichen Gottesdienstes an dem allgemeinen Danck-Feste (Hanau 1763) schrieb, nachdem er bereits 1719 ein Vorwort für den Katechismus der christlichen Religion verfaßt hatte.

2.5 Eine Gruppe von 44 Titeln dürfte aus der Bibliothek der Lateinschule stammen (einige Bücher tragen den Stempel der Schule). Es handelt sich um lateinische Texte antiker Autoren in z. T. alten Ausgaben. Weiterhin beziehen sich 39 Titel auf Religionsunterricht und Priesterausbildung oder sind kirchliche Zeitschriften, Jahrbücher und Lexika. Unter den 29 Titeln der Sachgruppe Bibeln (Bibelauszüge) und Katechismen und den 24 Titeln Gesangbücher finden sich kaum außergewöhnliche Werke. Dies gilt auch für die 19 Titel Predigt- und Andachtsbücher. Von diesen Gruppen entstammen dem 18. Jh ca. 35 Prozent und dem 19. Jh ca. 45 Prozent.

Weitzelbibliothek und Magazinbestand

2.6 Im folgenden werden zwei Bibliotheken beschrieben, wobei der Bestand des Weitzelschen Erbes jeweils zuerst, der Magazinbestand in Klammern dahinter genannt wird. Von den 279 Titeln der Weitzelbibliothek sind 278 deutsche Drucke des 19. Jhs, einer stammt aus dem 18. Jh. Im Magazinbestand finden sich 2 deutsche Titel des 17. Jhs, 23 deutsche und 2 lateinische Titel des 18. Jhs und 199 deutsche und ein französischer des 19. Jhs.

2.7 Die größte Gruppe des Weitzel- und Magazinbestandes stellt die Literatur dar, die mit 95 (24) Titeln wesentlich Werke der deutschen Klassik umfaßt (Goethe, Lessing, Schiller und Klopstock; auch Shakespeare). Mit 67 (21) Titeln bildet die Geschichte die zweitgrößte Gruppe des Weitzelbestandes (darunter Werke von F. G. Dahlmann und Heinrich von Sybel). Es folgen mit 17 (5) Titeln die Erd-, Länder- und Völkerbeschreibungen, die u. a. das im 19. Jh erwachende koloniale Interesse dokumentieren. Weitere Sachgebiete enthalten kaum nennenswerte Werke. Es handelt sich um Belletristik (12 bzw. kein Titel), um Biographien, Erinnerungen und Briefe (11 bzw. 9 Titel), naturwissenschaftliches Schrifttum (10 bzw. kein Titel), politische Schriften (9 bzw. kein Titel) sowie heimatkundliche und religiöse Werke (jeweils mit 8 bzw. keinem Titel). Juristische Werke, die jedoch nicht der Weitzelbibliothek angehören, sind mit 8 (35) Titeln vertreten, Pädagogik mit 5 (55) Titeln, Medizin mit einem (18) Titel.

2.8 An Zeitschriften und Zeitungen verfügt die Bibliothek außer über die Jahrgänge 1778 bis 1785 des Hanauischen Magazins auch über die Zeitschrift des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde (1855-1961), die Geschichte von Hessen (1820-1827), von Christoph von Rommel herausgegeben, und das Hessenland. Zeitschrift für die hessische Geschichte und Literatur (1887-1922), von F. Zwenger herausgegeben. Das Kreisblatt für die Stadt und den Kreis Schlüchtern (später Schlüchterner Zeitung) liegt ab 1850 vor, die Amts- und Gesetzesblätter für den Regierungsbezirk Kassel und für die Stadt und den Kreis Schlüchtern ab 1900.

3. KATALOGE

Inventarverzeichnisse

Autorenkatalog und Sachkatalog

[nach hauseigenen Regeln]

Die Bestände sind nicht im Hessischen Zentralkatalog nachgewiesen.

4. DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

4.1 Archivalie

Weitzel, Johann Joachim: Reglement. 1. August 1831

4.2 Darstellungen

Flemmig, Georg: Johann Joachim Weitzel und Marie de Vries, zwei Wohltäter Schlüchterns. In: Unsere Heimat 3 (1916) Nr. 7/8, S. 70-73; Nr. 9/10, S. 82-86 und Nr. 11, S. 107-109

Darüber hinaus gibt es für die Museumsbesucher verfaßte Broschüren über das Museum und die Schlüchterner Geschichte.

Stand: Februar 1990

Joachim Meißner


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.