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Bibliotheken in Finnland

Bis 1809 war Finnland ein integrierter Teil Schwedens, ebenso wie Svealand und Götaland. Aufgrund seiner sprachlichen Eigenart bewahrte sich Finnland jedoch eine eigene kulturelle Identität und unterschied sich damit von den übrigen Teilen des Schwedischen Reiches. Schwedisch war jedoch - wie in allen Teilen des Reiches - auch in Finnland Amtssprache. Die finnische Bibliotheksgeschichte ist unter diesen Voraussetzungen bis 1809 zunächst grundsätzlich die Geschichte der Bibliotheken der ,,östlichen Reichshälfte`` Schwedens.[1]

In der Zeit der Autonomie von 1809 bis 1917, als Finnland ein Großfürstentum unter dem russischen Zaren war, kann bereits von einer eigenständigen politischen Einheit Finnland gesprochen werden. Finnland war nie in derselben Weise in das Russische Reich integriert wie zuvor in das Schwedische Reich. Trotz der vielfältigen kulturellen und für Finnland vorteilhaften Verbindungen mit Rußland gab es in Finnland stets eine eigene, von Rußland unabhängige Kultur. Sie wurde getragen von eigenen Gesetzen, der Religion, den Nationalsprachen und von Kulturinstitutionen.

Die finnische Ostgrenze war häufigen Veränderungen unterworfen. Im Friedensschluß von 1721 trat Schweden das finnische Karelien zusammen mit der Stadt Vyborg [Viipuri (Viborg)] an Rußland ab; 1743 wurde der russische Teil noch um den südöstlichen Teil Finnlands erweitert. Nachdem Finnland ein russisches Großfürstentum geworden war, erhielt es die früher abgetretenen Gebiete zurück. Das selbständige Finnland existierte in dieser Form bis zum Zweiten Weltkrieg, als die Karelische Landenge zusammen mit Viipuri erneut an Rußland, d. h. an die Sowjetunion, abgetreten wurde.

Finnische Büchersammlungen im Mittelalter

Im Zuge der Bekehrung der Finnen zum Christentum, die ab der Mitte des 12. Jahrhunderts von Schweden aus erfolgte, wurde Finnland Teil der Einflußsphäre der römisch-katholischen Kirche. Die ersten gelehrten Institutionen, die auch über Büchersammlungen verfügten, waren die Klöster und kirchliche Schulen. In Finnland wurden sechs Klöster gegründet. In Naantali (Nådendal) entstand ein Frauenkloster des Birgittenordens mit dem Mutterkloster in Vadstena in Schweden. Die Franziskaner unterhielten Klöster in Viipuri und Rauma sowie auf der entlegenen Insel Kökar. Dominikanerklöster befanden sich in Turku (Åbo) und Viipuri. Diese überwiegend im späten Mittelalter gegründeten Klöster wurden mehrfach von Kriegen und Feuersbrünsten heimgesucht. In den Quellen erscheinen immer wieder Klagen darüber, daß wertvolle Bücher verlorengegangen waren - ,,propter incentia et incursus infidelium ruthenorum``. Aus der Bibliothek des Dominikanerklosters in Turku blieben einige Handschriftenfragmente erhalten. Das Birgittenkloster in Naantali war im Besitz einer größeren Bibliothek von 200 bis 300 Werken; es gab im Kloster ein eigenes ,,liberihus``, das als Bibliothek verstanden wurde. Einige Bände dieser Sammlung wurden ebenfalls für die Nachwelt gerettet. [2] Von besonderer Bedeutung war die Arbeit von Jöns Budde (ca. 1437-1491), der als Priester im Kloster von Naantali tätig war. Er war einer der frühesten Schriftsteller, die in schwedischer Sprache geschrieben haben, und der erste, der ganze Bücher aus der Bibel übersetzt hat. [3]

Die erste mittelalterliche Bibliothek, deren Existenz anhand schriftlicher Quellen nachweisbar ist, gehörte Bischof Thomas von Turku ( †1248), der seine Bibliothek dem Dominikanerkloster in Sigtuna hinterließ. 1354 schenkte Bischof Hemming von Turku (ca. 1290-1366) seine ca. 30 Titel umfassende und für die damalige Zeit bedeutende Bibliothek dem dortigen Dom, der im Jahre 1355 ein weiteres bedeutendes Buchgeschenk von dem Schulmeister Henrik Tempil erhielt. Der Dom zu Turku war zu dieser Zeit im Besitz einer bedeutenden Bibliothek, die der wissenschaftlichen Ausbildung des Klerus diente. Die Bestände der Dombibliothek sind jedoch nicht erhalten. Der dänische Admiral Otto Rud plünderte 1509 den Dom mit seinen Schätzen, einschließlich der Bücher. Die Bibliothek des Domes diente zeitweilig auch als Bibliothek der Kathedralschule. Über weitere Bibliotheken bei mittelalterlichen Schulen sind keinerlei Angaben überliefert.

Bücher sind auch im Besitz einzelner Pfarrkirchen gewesen. Diese wertvollen mittelalterlichen Sammlungen fielen aber der lutherischen Reformation und den Verwaltungsmaßnahmen von König Gustav Wasa zum Opfer. Unerwünschte Bücher und Handschriften auf Pergament wurden als Einbände und Einbandfüllungen für die Rechnungsbücher der Vögte benutzt. Auf diese Weise wurden wenigstens Fragmente der mittelalterlichen Literatur überliefert. In der Universitätsbibliothek Helsinki (Helsingfors) gibt es heute eine Sammlung von etwa 10.000 Pergamentblättern und Bögen, die etwa 1500 verschiedene Werke repräsentieren. Sie sind Dokumente der Vielfältigkeit ehemaliger finnischer Buchsammlungen. [4]

Die erhaltenen Quellen belegen, daß die Verbindungen Finnlands zum übrigen Europa im Mittelalter intensiv waren. Eine große Anzahl von Finnen studierte an kontinentalen Universitäten. Wenigstens 35 junge Finnen haben die Magisterprüfung in Paris abgelegt, bevor sich die Finnen von der Pariser Universität in den achtziger Jahren des 14. Jahrhunderts zurückzogen. Danach gab es in Prag in den neunziger Jahren eine finnische Studentenschaft von etwa 20 Mitgliedern. Die jungen Magister brachten von ihren Auslandsaufenthalten immer auch Bücher mit nach Hause. Die Verzeichnisse der Buchspenden an die Dombibliothek zeigen, daß die mittelalterlichen finnischen Privatbibliotheken auf dem neuesten Stand der wissenschaftlichen und theologischen Entwicklung waren. [5]

Abgesehen von dem Werk Jöns Buddes entstand in Finnland keine eigenständige Literatur. Das wichtigste Werk der Buchkultur des mittelalterlichen Finnland war das Missale Aboense, das im Auftrag des Turkuer Bischofs Konrad Bitz im Jahre 1488 von Bartholomäus Ghotan in Lübeck gedruckt wurde. Das zweite für Finnland bestellte Buch wurde 1522 in Halberstadt gedruckt. Es war das Manuale Aboense, das in aller Wahrscheinlichkeit Finnland nicht mehr vor der Reformation erreicht hat. Neben diesen gedruckten Büchern sind als Dokumente finnischer Kultur besonders die Legende über St. Henrik, den Nationalheiligen Finnlands, und die lateinischen Schullieder (Piae Cantiones) erwähnenswert. [6]

Finnland nach der lutherischen Reformation

Die lutherische Reformation unterbrach die alten Verbindungen Schwedens mit den Ländern des kontinentalen Europa. Zur wichtigsten Universität, an der Finnen während des 16. Jahrhunderts studierten, wurde Wittenberg. Als die Kathedralschule in Turku ihre Tätigkeit als protestantische Institution fortsetzte, waren ihre Rektoren Wittenberger Magister. Von ihnen ist besonders der finnische Reformator Michael Agricola erwähnenswert, der bei Luther studierte. Er übersetzte das Neue Testament und einen Teil des Alten Testaments ins Finnische und gilt daher als Vater der finnischen Schriftsprache. [7]

Der Dom zu Turku wie auch die dortige Kathedralschule hatten ihre eigenen Bibliotheken, obwohl während des 16. Jahrhunderts die Dombibliothek offensichtlich auch von der Kathedralschule benutzt wurde. Darüber hinaus gab es auf finnischem Gebiet einige Privatbibliotheken. Die wichtigste war vermutlich die Bibliothek des Herzogs Johan, des späteren schwedischen Königs Johan III., der von 1556 bis 1563 in der Burg von Turku residierte. Im 16. Jahrhundert waren in Turku sechs Buchbinder tätig. Die erste Erwähnung in den Quellen stammt aus dem Jahre 1514. [8] Die Kathedralschule in Turku wurde im Jahre 1630 in ein Gymnasium (Gymnasium academicum) umgewandelt. Die Priesterausbildung in Ostfinnland erforderte darüber hinaus eine Kathedralschule in Viipuri, die im Jahre 1641 ebenfalls zum Gymnasium erhoben wurde, aber trotz mehrerer Versuche nie eine eigene Bibliothek erhielt. Als dritte Stadt des Schwedischen Reiches, erhielt Turku - nach Uppsala und Tartu [Dorpat] - im Jahre 1640 eine eigene Universität. De facto wurde das frühere Gymnasium zur Universität (Academia Aboensis) erweitert. [9]

Das Gymnasium in Turku hatte eine eigene kleine Bibliothek besessen, die es teilweise von seiner Vorgängerinstitution, der Kathedralschule, übernommen hatte. Einen erheblichen Teil der Bücher hatte diese von Lehrern erhalten, die in Deutschland studiert hatten. Als die neue Universität ihre Tätigkeit aufnahm, wurden ihr Buchhandels- und Druckerprivilegien verliehen; eine Universitätsbibliothek war aber nicht vorgesehen. Privatbibliotheken, die die Universität nach damaligem europäischen Vorbild als Geschenk hätte erhalten können, gab es in Finnland nicht. Aus der Bibliothek des Gymnasiums konnte die Universität lediglich 21 Bücher und zwei Globen übernehmen. Darüber hinaus erhielt sie aus den als Kriegsbeute nach Schweden gelangten mitteleuropäischen Buchsammlungen ca. 400 Bände. Von größerer Bedeutung war schließlich die Schenkung, die aus der von General Torsten Stålhandske (1594-1644) in Dänemark beschlagnahmten Bibliothek des Århuser Bischofs Morten Madsen (1596-1643) bestand. Diese 898 Bände, die 1646 der Universität übergeben wurden, dienten als Grundstock der neuen Universitätsbibliothek und wurden damit zur Grundlage für die theologische und humanistische Lehre und Forschung in Turku. Die Universität Turku erhielt 1654 das Pflichtexemplarrecht auf alle Drucke der Universitätsdruckerei. Wirkliche Bedeutung gewann die Pflichtexemplarregelung jedoch erst, als der Universität 1707 neben einigen anderen schwedischen Bibliotheken das Recht auf alle im Schwedischen Reich erscheinenden Drucke verliehen wurde.

Weil die wissenschaftliche Forschung nicht die Aufgabe hatte, neue Ideen und neue Forschungsergebnisse zu erzielen, war im 17. Jahrhundert der Bedarf an Literatur zunächst nicht groß. Trotzdem konnte er mit den Beständen der Universitätsbibliothek nicht befriedigt werden. Die Bibliothek erreichte vor dem Ende des 17. Jahrhunderts einen Bestand von kaum 2000 Bänden. Ihre Aufgaben wurden zu Beginn des 18. Jahrhunderts schriftlich festgelegt: sie hatte die Literatur zu erwerben, die die Lehrer und Studenten aus Kostengründen nicht selbst kaufen konnten, wie z. B. große Handbücher, Sammelwerke und Schriftenreihen. Andere Bücher mußten von den Professoren und Studenten selbst erworben werden. Es war jedoch offensichtlich, daß die Universitätsbibliothek auch nicht imstande war, die ihr zugewiesene Aufgabe zu erfüllen. Die an der Universität betriebene Lehre und Forschung beruhte daher auf den Privatbibliotheken der Professoren, von denen zahlreiche, wie man weiß, auf ihrem Gebiet von beachtlichem Umfang waren. Darüber hinaus teilten sich die Professoren den Büchererwerb und liehen sich gegenseitig Bücher aus.

Feuer und Kriege plagten Turku gegen Ende des 17. Jahrhunderts und am Anfang des 18. Jahrhunderts. Wegen der russischen Besetzung des ganzen Landes während des Großen Nordischen Krieges wurde die Universität von 1713 bis 1722 geschlossen, und ihre Bibliothek und Buchdruckerei wurden nach Schweden evakuiert. Als die Universität 1722 ihre Tätigkeit wieder aufnahm, war dies ein Neuanfang. Der Krieg führte zu Beginn der vierziger Jahre des 18. Jahrhunderts erneut zu Unruhen und zur Evakuierung der Bibliotheksbestände. Die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts war indessen eine unvorhergesehene Blütezeit nicht nur für die Universität Turku, sondern für ganz Finnland.

Ein Aufschwung setzte für die Universitätsbibliothek 1772 mit der Ernennung Henrik Gabriel Porthans (1739-1804) zum Bibliothekar ein. Obwohl er 1777 zum Professor der Rhetorik ernannt wurde, leitete er die Bibliothek bis zu seinem Tode. Unter ihm wuchsen die Bestände der Bibliothek um ein Vielfaches. Porthan war auch ein bemerkenswerter Wissenschaftler, der bahnbrechende Forschungen zur finnischen Geschichte, Sprache und Volksdichtung betrieb. Auf seiner Deutschlandreise im Jahre 1779 lernte er u. a. die Universitätsbibliothek Göttingen kennen, die damals als die am besten geführte in Europa galt. Die Göttinger Grundsätze sowohl in der Verwaltung der Bibliothek als auch bei der Erwerbung von Literatur nahm sich Porthan für seine Tätigkeit in Turku zum Vorbild. [10]

Porthan verfolgte systematisch die bedeutenden Entwicklungen auf verschiedenen Gebieten der Wissenschaft, schuf ein effektives Netz von Bücheragenten, wahrte sorgfältig die Interessen der Universitätsbibliothek bei Bücherauktionen und verschaffte ihr auch Schenkungen. Für die spätere Entwicklung der Bibliothek war von Bedeutung, daß Porthan den Begriff der finnischen Nationalliteratur definierte und begann, die Universitätsbibliothek zur Nationalbibliothek auszubauen. Er wollte jeden Buchstaben sammeln und aufbewahren, den seine Landsleute in den vergangenen Jahrhunderten veröffentlicht hatten.

Diese systematischen Bemühungen um den Auf- und Ausbau der Bibliothek spiegeln sich auch in dem raschen Zuwachs der Bestände. Noch im Jahre 1752, als König Adolf Friedrich die Bibliothek besuchte, mußte er in seinem gebrochenen Schwedisch feststellen: ,,Det är litet Bücher`` [,,Das sind wenig Bücher``]. Bei Porthans Ernennung zum Bibliothekar hatte die Bibliothek 7000 Bände umfaßt. Im Jahre 1799 waren es 10.000 Bände, 1804, dem Todesjahr von Porthan, waren es 30.000 und 1827 bereits 40.000. Die Universität Turku war nun im Besitz einer Bibliothek, die mit den Bibliotheken der meisten europäischen Universitäten vergleichbar war.

Im 17. Jahrhundert waren in fünf finnischen Städten Elementarschulen gegründet worden, deren Bibliotheken vor dem Großen Unfrieden (1713-1721) zusammengerechnet einen Bestand von etwa 150 Bänden hatten. Diese Bibliotheken gingen während des Krieges jedoch verloren. Obwohl sie später wiederaufgebaut wurden, blieben sie verhältnismäßig klein und bestanden meist nur aus Schulbüchern. Nachdem Viipuri im Frieden von 1721 an Rußland gefallen war, wurden Bischofssitz und Gymnasium nach Porvoo (Borgå) verlegt. Die 1725 gegründete Bibliothek des Gymnasiums von Porvoo war im Einklang mit der schwedisch-finnischen Schulordnung aus dem Jahre 1724 eine wissenschaftliche Bibliothek und das Gymnasium eine Regionalakademie, die Pfarrer und Beamte ausbildete. Die Bibliothek war neben der Universitätsbibliothek in Turku die einzige wissenschaftliche Bibliothek Finnlands und diente dem ganzen Bistum. Ihre Bestände enthielten reichlich buchgeschichtlich wertvolle alte Literatur, darunter einige Dutzend Elzevier-Drucke sowie Unika der finnischen und schwedischen Literatur. Von der Bibliothek gibt es einen gedruckten Katalog. [11]

Die Bibliothek des Gymnasiums von Vaasa (Vasa) hatte die Büchersammlung der 1641 dort gegründeten Elementarschule geerbt, und sie wurde durch reiche Spenden erweitert. Der Brand Vaasas im Jahre 1852 zerstörte jedoch den größten Teil der Bibliothek. Dagegen blieb die andere wissenschaftliche Bibliothek der Stadt, die 1776 gegründete Bibliothek des Hofgerichtes (Appellationsgericht), verschont; sie besteht noch heute als historische Sammlung.

In der Blütezeit der Herrenhauskultur des 18. Jahrhunderts und zu Anfang des 19. Jahrhunderts entstanden mehrere Gutsbibliotheken, die zum Teil beachtlich waren. Einige sind bis heute erhalten. Hier wurden Bücher in schwedischer, deutscher und französischer Sprache gesammelt und gelesen. Die älteste erhaltene Gutsbibliothek Finnlands gründete Graf Gustaf Philip Creutz (1731-1785). Sie befindet sich heute auf Schloß Haga in Stockholm. [12]

Als Vorgänger der späteren öffentlichen Büchereien wurden Ende des 18. Jahrhunderts in den Küstenstädten nach deutschen Vorbildern Lesezirkel oder Lesegesellschaften gegründet, die ,,Volksbüchereien für Standespersonen`` waren und über Sammlungen von durchschnittlich 1000 Bänden verfügten. Von der Bürgerschaft der finnischen Küstenstädte war ein Teil deutscher Herkunft und ein weiterer beträchtlicher Teil war der deutschen Sprache mächtig. Gute Seefahrts- und Handelsbeziehungen ermöglichten es diesem Teil der Bevölkerung, die neuesten Entwicklungen in Deutschland zu verfolgen, so daß das Vorbild der Lesezirkel schon früh übernommen wurde. Der erste Lesezirkel wurde 1794 in Vaasa gegründet.

Der russische Teil Finnlands, das sogenannte Altfinnland, also die Gebiete, die die Russen 1721 und 1743 erhielten, war eng mit den Ostseeprovinzen Estland, Livland und Kurland verbunden. In Viipuri hatte die deutsche Kaufmannschaft eine starke Stellung bewahrt, und das Stadtregiment war noch in deutscher Hand. Die allgemeine Schulsprache war noch am Anfang des 19. Jahrhunderts Deutsch. [13] 1806 wurde in Viipuri ein deutschsprachiger Lesezirkel gegründet, der 1808, ohne daß die Stadtväter um ihre Meinung gefragt worden wären, den neuen Namen Wiburgsche Stadtbibliothek erhielt. Daneben existierte auch eine Bücherei für schwedisch-finnische Standespersonen.

Seit dem Mittelalter bestand das große griechisch-orthodoxe Kloster Valamo (Walamo) auf einer Insel im Ladogasee. Zunächst außerhalb der Grenzen Finnlands (und Schwedens) gelegen, wurde es im Friedensschluß von Stolbova 1617 dem Territorium des Königreichs einverleibt. Das Kloster wurde der Überlieferung nach schon im 10. Jahrhundert gegründet, obwohl es erst 1329 urkundlich erwähnt wird. Weil es in dem lange umstrittenen Grenzgebiet zwischen Schweden und Rußland lag, wurde es viele Male zerstört. Die ungeordneten Bücher des Klosters wurden im 19. Jahrhundert in einer Bibliothek vereinigt, die zum großen Teil noch erhalten ist. Sie umfaßte zu diesem Zeitpunkt etwa 30.000 Bände, darunter etwa 600 Handschriften, deren älteste aus dem 15. Jahrhundert stammen. Im Jahre 1959 wurden etwa 15.000 Bände der Sammlung in die Universitätsbibliothek Helsinki als Dauerleihgabe überführt und dort auch katalogisiert. Die brauchbarsten und historisch bedeutendsten Bücher blieben im Besitz der Kirche. Das Kloster besteht im heutigen Ostfinnland weiter und erhielt vor einigen Jahren ein eigenes Bibliotheksgebäude. Es bleibt abzuwarten, ob der umfangreiche Teilbestand, der zur Zeit in der Universitätsbibliothek aufbewahrt wird, in die Bibliothek des Klosters zurückkehren wird.

Bibliotheken im Großfürstentum Finnland

(1809-1917)

Nach dem Tod Porthans war die Tätigkeit der Universitätsbibliothek Turku von vorübergehendem Stillstand geprägt. Erst 1814 erhielt sie einen neuen Leiter, Fredrik Wilhelm Pipping (1783-1868), der eine aktivere Periode einleiten konnte. Für die Universität insgesamt aber waren die ersten Jahre der russischen Herrschaft ab 1809 eine neue und günstige Aufbauperiode. Der Kaiser, wie der Zar in Finnland genannt wurde, wollte das einzige unberechenbare Element der finnischen Gesellschaft, die kleine Gruppe der Intellektuellen, für sich gewinnen. Aus diesem Grund wurde 1815 das Hauptgebäude der Universität fertiggestellt, mit dessen Bau schon in schwedischer Zeit begonnen worden war. In diesem Gebäude bezog auch die Bibliothek neue Räumlichkeiten. Im Jahre 1820 erhielt die Universität das Pflichtexemplarrecht auf alle im Russischen Reich veröffentlichten Drucke, das im russischen Zensurgesetz von 1828 bestätigt wurde. Dieses Privileg war um so bemerkenswerter, als es nicht einmal der 1812 im Krieg zerstörten Universität in Moskau zugesprochen wurde. [14]

Die vielversprechende Entwicklung der Universitätsbibliothek wurde jäh unterbrochen, als beim Brand Turkus im September 1827 auch die Universität mit ihren Institutionen zerstört wurde. Von der Bibliothek blieben knappe 900 Bände erhalten, die außerhalb der Stadt ausgeliehen waren. Von den Handschriften und Inkunabeln wurde keine einzige gerettet, und die einzige Sammlung der finnischen Nationalliteratur ging völlig verloren. Es war ein glücklicher Umstand, daß man damals noch nicht begonnen hatte, wertvolle alte Literatur aus den Kirchen des Landes in der Universitätsbibliothek zusammenzuziehen.

Ein noch schlimmerer Rückschlag als der Brand war in den Augen der Bürger von Turku der Beschluß des Kaisers, die Universität nun nach Helsinki zu verlegen. Helsinki war schon zehn Jahre zuvor Hauptstadt des Landes geworden. Man wollte außerdem die Universität weiter entfernt von Schweden und näher am wachenden Auge der Behörden wissen. Im Jahre 1832 wurde das neue mächtige Universitätsgebäude am Senatsplatz in Helsinki fertiggestellt. Die Bibliothek erhielt 1840 ihr jetziges Hauptgebäude, erbaut von dem in Berlin geborenen Architekten Carl Ludwig Engel (1778-1840). Es handelt sich um das zweitälteste selbständige Bibliotheksgebäude Skandinaviens nach dem der Universitätsbibliothek Carolina Rediviva in Uppsala. Den Grundbestand der neuen, zunächst provisorisch untergebrachten Universitätsbibliothek bildete die Öffentliche Bibliothek [Offentliga Biblioteket] der Stadt. Diese für die Bedürfnisse der Beamten des Senats (der Landesregierung) 1825 eingerichtete Bibliothek bestand im wesentlichen aus der 6000 Bände umfassenden wertvollen Bibliothek des bedeutenden Rechtsgelehrten und Prokurators Matthias Calonius (1738-1817). Im Jahre 1822 war die Sammlung in Turku gekauft und ein Jahr vor dem Stadtbrand nach Helsinki gebracht worden. [15]

Die Universität erhielt eine große Zahl bedeutender Buchspenden sowohl aus Finnland als auch ganz besonders aus Rußland. Buchgeschenke kamen von den russischen Universitäten und von der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Der größte Spender jedoch war der Kaiser selbst, der der Universität große Bibliotheken zukommen ließ. Auf diese Weise erhielt die Universitätsbibliothek hervorragende Bestände älterer europäischer Literatur, die besser waren als das, was der Bibliothek während ihrer Turkuer Zeit zur Verfügung gestanden hatte. [16] Beim Umzug in das neue Gebäude 1845 beliefen sich die Bestände der Bibliothek bereits auf etwa 100.000 Bände.

Auf der Grundlage des Pflichtexemplarrechts wurden allmählich bedeutende Bestände an russischer Literatur aufgebaut, die 1848 zu einer gesonderten Russischen Bibliothek zusammengefaßt wurden, die bis 1924 bestand. Die umfangreichen Bestände von Literatur, die in Rußland in anderen Sprachen, u. a. in deutscher Sprache, veröffentlicht wurden, sammelte weiterhin die Universitätsbibliothek.

Besonders schmerzhaft und am schwierigsten zu kompensieren war der Verlust der ehemaligen Turkuer Sammlung finnischer Nationalliteratur, die ohne Zweifel die vollständigste aller Zeiten war. Es ist das Verdienst des Bibliothekars Pipping, daß die Universitätsbibliothek erneut eine erstaunlich vollständige Sammlung der finnischen Nationalliteratur aufbauen konnte. In seinen Bemühungen erhielt Pipping effiziente Hilfe von dem ungebildeten Bauern Matti Pohto (1817-1857). Der häufig für einen Landstreicher gehaltene Pohto hatte sich selbst zum damals besten Kenner der in Finnland gedruckten Bücher entwickelt und diese im ganzen Land gesammelt. [17] Pipping veröffentlichte 1857 eine Bibliographie der finnischsprachigen Literatur, Förteckning öfver i tryck utgifna skrifter p Finska, die 6603 Bände verzeichnet. Matti Pohto besaß bei seinem Tode etwa 5000 Bände, von denen er der Universitätsbibliothek alles ihr Fehlende vermachte. [18]

Die Bestände der Universitätsbibliothek waren bis zum Jahre 1915 auf 250.000 Bände angewachsen, von denen 45.000 zur finnischen Literatur gehörten. Dazu kamen 100.000 ausländische Dissertationen. Eine der wichtigsten Erwerbungen war 1902 die Privatbibliothek des Polarforschers Adolf Erik Nordenskiöld (1832-1901), die eine der vollständigsten Sammlungen alter Karten in der Welt ist und auch eine umfangreiche geographische Bibliothek enthält. [19] Im Jahre 1916 erhielt die Bibliothek als Dauerleihgabe die größte und prächtigste Gutsbibliothek des Landes, die Sammlung Monrepos aus Viipuri. Diese 9000 Bände umfassende Sammlung westeuropäischer Literatur der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und vom Anfang des 19. Jahrhunderts ging 1937 endgültig in den Besitz der Universitätsbibliothek über. Der Gründer der Bibliothek war Baron Ludwig Heinrich von Nicolay (1737-1820), ein gebürtiger Straßburger, der als hoher Beamter in St. Petersburg tätig gewesen war und dort seine Sammlung angelegt hatte. [20]

Die älteste Bibliothek in Finnland mit einer seit Anfang des 18. Jahrhunderts ununterbrochenen Geschichte ist die Bibliothek des Gymnasiums von Porvoo. Sie gehört heute dem schwedischsprachigen Lyzeum von Porvoo und wird als separate historische Einheit betreut. Es entstanden später auch andere große Schulbibliotheken, von denen die meisten in den sechziger Jahren dieses Jahrhunderts aufgelöst wurden. Die größte von ihnen war die Bibliothek des schwedischsprachigen Klassischen Lyzeums in Turku (gegründet 1828). Die Bürgerschaft der Stadt hatte große Schwierigkeiten gehabt, sich von dem Verlust der Universität zu erholen. Als Ersatz für die Universität gründete man eine höhere Schule, die mit einer systematisch gepflegten Bibliothek versehen wurde. Im Jahre 1962 umfaßte die Bibliothek etwa 45.000 Bände. Einige Jahre später ging sie in den Besitz der Universitätsbibliothek der schwedischsprachigen Åbo Akademi über und wurde aufgelöst. Einige ältere Schulbibliotheken existieren noch immer, wie beispielsweise die Lyzeumsbibliotheken in Jyväskylä (gegründet 1858) und Kuopio (gegründet 1844).

Die älteste, ununterbrochen bestehende Spezialbibliothek Finnlands ist die 1831 entstandene Bibliothek der Finnischen Literaturgesellschaft [Suomalaisen kirjallisuuden seura]. Diese Spezialbibliothek für finnische Literatur, Sprachwissenschaft und vor allen Dingen Folklore umfaßt heute etwa 220.000 Bände. Aus der Handschriftensammlung der Bibliothek wurde 1971 ein separates, ca. 10.700 Einheiten (340 Briefsammlungen) umfassendes Literaturarchiv [Suomalaisen kirjallisuuden seuran kirjallisuusarkisto] gebildet, das die meisten Nachlässe finnischer Schriftsteller in finnischer Sprache enthält.

Die erste bedeutende wissenschaftliche Gebrauchsbibliothek neben der Universitätsbibliothek entstand 1858, als die Studentenvereine ihre Bibliotheken zusammenlegten. Diese Studentenbibliothek, die zwei eigene Gebäude erhielt und bis 1974 selbständig blieb, war von 1974 bis 1996 eine Abteilung der Universitätsbibliothek und ist jetzt wieder eine separate Bibliothek, verantwortlich für die Lehrbuchsammlung der Universität (415.000 Bände).

Die größte finnische Spezialbibliothek, die Bibliothek des Reichstages [Eduskunnan kirjasto (Riksdagsbiblioteket)], wurde im Jahre 1872 gegründet und stand zunächst nur Mitgliedern des Reichstages zur Verfügung. Nach der Landtagsreform des Jahres 1906 begann sie schnell zu wachsen; schon im zweiten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts war sie eine öffentliche Spezialbibliothek für Staats- und Sozialwissenschaften einschließlich Rechtswissenschaften. Die Bibliothek der Technischen Hochschule in Espoo geht auf die Sammlung der 1849 gegründeten Technischen Realschule zurück, die nach einigen Zwischenstadien 1908 in eine Technische Hochschule umgewandelt wurde.

Öffentliche Büchereien (Volksbüchereien) wurden in Finnland seit den fünfziger und sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts gegründet. Zunächst entstanden sie bei Kirchen, danach wurden sie von verschiedenen Volksbewegungen, wie Jugend- und Arbeitervereinen oder Dorfversammlungen, gegründet und gefördert. Der Staat hielt sich lange aus dem Volksbüchereiwesen heraus, ebenso die Gemeinden, die das Büchereiwesen nicht als ihre Aufgabe verstanden. Neben Büchern wurden von den Volksbüchereien besonders Zeitungen abonniert. Die Bedeutung dieser Bibliotheken als Förderer der volkssprachlichen Kultur und des politischen Erwachens der Bevölkerung kann kaum überschätzt werden. In den größeren Städten gab es in einigen Fällen Büchereien zweierlei Art; die eine war für die sogenannten Standespersonen da, die andere für die breite Bevölkerung. Die ersteren entwickelten sich allmählich zu Fachabteilungen der Stadtbibliotheken, die in gewissem Umfang auch wissenschaftliche Literatur bereithielten.

Gewerbliche Leihbibliotheken gab es in Finnland nur in Turku und Helsinki, aber auch diese waren nicht rentabel. Die erste gründete im Jahre 1801 der in Dönitz geborene Friedrich Anton Meyer (1769?-1831), der Lektor der deutschen Sprache an der Universität und gleichzeitig Buchhändler der Universität war. Als die Universität nach Helsinki umzog, verlegte auch Meyer seine Leihbibliothek und seine Buchhandlung dorthin. In seiner Bücherei fand sich viel ausländische Literatur, die zur Hälfte deutsch war. Meyer machte die Finnen beispielsweise mit dem Werk Byrons bekannt. In Helsinki gab es zur gleichen Zeit auch einige andere gewerbliche Leihbüchereien, in den fünfziger Jahren insgesamt zehn, von denen die Jacob Delphins (1807-1837) die umfangreichste war.

Die Entwicklung der finnischen Bibliotheken wurde zunächst besonders von zwei Organisationen gefördert, vom Finnischen Bibliotheksverband, der 1910 gegründet wurde, und vom 1882 gegründeten Verein der Freunde der Schwedischen Volksschule. Sie leiteten die Arbeit der Büchereien, bis staatliche Organe diese Aufgabe übernahmen. Als dritte Organisation war auf diesem Gebiet die Volksbildungsgesellschaft tätig (gegründet 1882).

Bibliotheken seit 1917

Nachdem Finnland selbständig geworden war, verbesserten sich die wirtschaftlichen Verhältnisse der Universitätsbibliothek Helsinki beträchtlich. Die Bibliothek erhielt im Jahre 1919 eine neue Verwaltungsordnung. Neben organisatorischen Änderungen, schrieb diese auch die erforderliche bibliothekarische Ausbildung der Mitarbeiter fest. Die Arbeitsvoraussetzungen und die Verwaltung wurden damit auf einen modernen Stand gebracht. [21] Durch eine Erhöhung des Etats konnte überdies die Sammeltätigkeit intensiviert werden.

Im Jahre 1919 erhielt Finnland ein neues Gesetz über die Pressefreiheit, das auch die Lieferungen der Pflichtexemplare der in Finnland gedruckten Literatur regelte. Nach diesem Gesetz waren die Druckereien verpflichtet, der Universitätsbibliothek insgesamt fünf Pflichtexemplare abzuliefern. In der Bibliothek wurde ein Pflichtexemplarbüro eingerichtet, dessen Aufgabe es war, die Ablieferungen zu überwachen, sie in Empfang zu nehmen und an die zuständigen Bibliotheken zu verteilen. Die Universitätsbibliothek selbst erhielt ein Exemplar. Ein neues, separates Pflichtexemplargesetz wurde 1980 erlassen und die Anzahl der Exemplare der zu liefernden Drucke auf sechs erhöht. Auch audiovisuelles Material, allerdings nur in zwei Exemplaren, ist seither abzuliefern. Zur Zeit wird eine Reform des Gesetzes vorbereitet.

Durch eine 1924 erlassene Verordnung wurde die Russische Bibliothek der Universität eine Abteilung der Universitätsbibliothek, wodurch auch ihre materiellen Arbeitsbedingungen verbessert wurden. Die Bibliothek erhielt seit 1917 keine Pflichtexemplare aus Rußland bzw. der Sowjetunion mehr, so daß diese Drucke durch Tausch und Kauf erworben werden mußten. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Universitätsbibliothek umfassend erweitert und auf den neuesten Stand der technischen Entwicklung gebracht. Um den Erhalt und die Zugänglichkeit ihrer Bestände zu verbessern, hat die Bibliothek eine intensive Mikroverfilmung ihrer Bestände betrieben. Neben den finnischen Veröffentlichungen wurden insbesondere die russischen Zeitungen verfilmt sowie im Rahmen einer länderübergreifenden Zusammenarbeit auch die wichtigsten estnischen Zeitungen, die zwischen den Weltkriegen veröffentlicht wurden. Gedruckte Kataloge des verfilmten Materials stehen zur Verfügung. Die jüngste Entwicklung in der Bibliothek zielt auf Digitalisierung ausgewählter Teile der älteren Bestände, die dann im Internet zugänglich sein werden.

Die Rolle der Universitätsbibliothek als de facto Nationalbibliothek wurde 1991 in einem neuen Universitätsgesetz festgelegt. In jüngster Zeit war besonders das Unterrichtsministerium bestrebt, die Stellung und die Aufgaben der Bibliothek als finnische Nationalbibliothek zu erweitern und zu verstärken. Der besseren Benutzbarkeit der Bestände dient auch die systematische Retrokonvertierung der Kataloge, die im Internet zugänglich gemacht wurden. Die Nominalkataloge der finnischen und russischen Bestände sind bereits vollständig online zugänglich. Der Katalog der übrigen ausländischen Literatur seit 1956 ist vollständig retrokonvertiert, während etwa ein Viertel des Katalogs der früheren Bestände darauf noch wartet. Neben den katalogisierten Sammlungen gibt es weiterhin unkatalogisierte Bestände, die von erheblichem Interesse sind, wie beispielsweise die großen Bestände der frühen europäischen Dissertationen, die in westlichen Sprachen in Rußland vor 1917 gedruckten Kleinschriften, die große Privatbibliothek von Baron Johann Albrecht von Korff (1697-1766) und die Bücher der Privatbibliothek von A. E. Nordenskiöld. Die Bearbeitung dieser Sammlungen ist nur mit Hilfe von zusätzlichen Mitteln möglich. Diese Sammlungen sind jedoch so geordnet, daß sie am Ort benutzbar sind.

Nachdem Finnland selbständig geworden war, wurden auch neue Universitäten gegründet. In Turku, der alten Hauptstadt Finnlands, entstanden sogar zwei Universitäten mit wissenschaftlichen Universalbibliotheken, die Universität Turku (gegründet 1922) mit Finnisch als Unterrichtssprache sowie die schwedischsprachige Åbo Akademi (gegründet 1919). Als die finnische Universität Turku ihre Tore öffnete, verfügte sie über eine Bibliothek, die 48.000 Bände umfaßte und bereits anderthalb Jahre zuvor gegründet worden war. Die Bibliotheken beider Universitäten erhielten das Recht auf finnische Pflichtexemplare und waren darüber hinaus in großem Umfang von freiwilligen Spenden abhängig. Aus der Bibliothek der Åbo Akademi hat man bewußt eine finnlandschwedische Nationalbibliothek entwickeln wollen. Obwohl es in Finnland nur eine Nationalbibliothek gibt, hat die Bibliothek der Åbo Akademi daher für die schwedischsprachige Bevölkerung eine größere Bedeutung erhalten als es für eine Universitätsbibliothek üblich ist. Die Bibliothek ist unter anderem auch im Besitz umfangreicher Manuskript- und Bildersammlungen. Die finnische Universitätsbibliothek Turku ist eher eine typische Universitätsbibliothek. Unter ihren Sondersammlungen sind insbesondere die Bibliotheken von Professor Theodor Schiemann (2830 Bände zur Geschichte des Baltikums und Rußlands) und von Staatspräsident Juho Kusti Paasikivi (1870-1956) erwähnenswert. Paasikivi war vor seiner Tätigkeit als Politiker Professor der Rechtswissenschaft an der Universität Helsinki. Der Universität Turku hinterließ er den 7000 Bände umfassenden wissenschaftlichen Teil seiner Privatbibliothek, der unter anderem Literatur zu Geschichte, Rechtswissenschaft und Politik enthielt.

In Jyväskylä wurde 1912 mit privaten Mitteln und einem kleinen Grundbestand von nur einigen hundert Bänden die Wissenschaftliche Bibliothek [Jyväskylän tieteellinen kirjasto] gegründet, die 1916 eröffnet wurde. Die Absicht war, damit eine Vorgängerinstitution für eine Universität zu schaffen. Im Jahre 1934 wurde das Lehrerseminar von Jyväskylä (gegründet 1863) in eine Pädagogische Hochschule umgewandelt, und die Wissenschaftliche Bibliothek wurde 1936 dieser Hochschule übertragen. Im Jahre 1966 wurde die Pädagogische Hochschule schließlich in eine Universität umgewandelt. Aus der 1925 in Helsinki gegründeten und seit 1960 in Tampere arbeitenden Hochschule für Sozialwissenschaften wurde 1966 ebenfalls eine Universität. Weitere Universitätsgründungen erfolgten in Oulu, Joensuu, Kuopio, Rovaniemi und Vaasa, Technische Hochschulen entstanden überdies in Lappeenranta und Tampere. Zwei Wirtschaftshochschulen wurden in Helsinki gegründet, eine finnische 1911 und eine schwedische 1927. Andere spezialisierte Hochschulen mit Bibliotheken entstanden später, u. a. für Musik, Theater und Angewandte Kunst.

An der Universität Helsinki entstanden neben der Universitätsbibliothek auch wichtige Spezialbibliotheken, wie die Forstbibliothek (gegründet 1862), die Landwirtschaftsbibliothek (gegründet 1930) und die Medizinische Zentralbibliothek (gegründet 1966). In enger Zusammenarbeit mit der Universität war seit den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts die Bibliothek der wissenschaftlichen Gesellschaften tätig. Bei Auflösung dieser Bibliothek im Jahre 1979 wurden große Teile ihrer Bestände der Universitätsbibliothek Helsinki einverleibt. Daraus entstand u. a. auch eine ca. 200.000 Bände umfassende Naturwissenschaftliche Bibliothek, die von 1979 bis Ende 1995 eine Abteilung der Universitätsbibliothek war und jetzt zur Naturwissenschaftlichen Fakultät gehört.

Weitere Spezialbibliotheken, die in Helsinki bei verschiedenen Trägerinstitutionen entstanden, sind u. a. die Bibliothek der Geologischen Forschungsanstalt, die Statistische Zentralbibliothek, die Wehrwissenschaftliche Zentralbibliothek und der Informationsdienst der Staatlichen Technischen Forschungszentrale. Größere Museen wie das Nationalmuseum (gegründet 1893) und das Staatliche Museum für Kunst (gegründet 1887) in Helsinki verfügen ebenfalls über wichtige Fachbibliotheken. [22]

Die Öffentlichen Bibliotheken, die eine rasante Entwicklung erlebt haben, dienen vorwiegend den aktuellen Lesebedürfnissen der Bevölkerung. Über ältere Bestände verfügen nur wenige dieser Bibliotheken. Die Regionalbibliotheken haben überdies die Aufgabe, möglichst flächendeckend Literatur zu sammeln, die in der Region erschienen ist oder sie betrifft.

Esko Häkli

Anmerkungen

[1] Zur Bibliotheksgeschichte Finnlands s. Esko Häkli: Finnland. In: Christian Callmer und Torben Nielsen (Hrsg.): Bibliotheken der nordischen Länder in Vergangenheit und Gegenwart. Wiesbaden 1983, S. 227-283 (Elemente des Buch- und Bibliothekswesens 9) [mit Literaturverzeichnis, S. 281-283]; zur allgemeinen Geschichte Finnlands s. Eino Jutikkala: Geschichte Finnlands. 2. Aufl. Stuttgart 1976 (Kröner Taschenausgabe 365)

[2] Siehe hierzu Anja Inkeri Lehtinen: Böcker och bibliotek i Finland under medeltiden [Bücher und Bibliothek in Finnland im Mittelalter]. In: Boken i Finland. Utställning i Nationalmuseet i anledning av bokens jubileumsår 25.8.-31.12.1988 [Das Buch in Finnland. Ausstellung im Nationalmuseum anläßlich des Buchjubiläums, vom 25.8. bis 31.12.1988]. Helsingfors 1988, S. 15-30

[3] Siehe Anja Inkeri Lehtinen: Jöns Budde - Finlands första författare [Jöns Budde - Der erste Schriftsteller Finnlands]. In: Boken i Finland. Utställning i Nationalmuseet ..., S. 31-38

[4] Toivo Haapanen: Verzeichnis der mittelalterlichen Handschriftenfragmente in der Universitätsbibliothek zu Helsingfors. Bd 1: Missalia. Helsingfors 1922, S. IX-XXXVI (Helsingfors universitetsbiblioteks skrifter 4); Bd 2: Gradualia, lectionaria, missae. Helsingfors 1925 (Helsingfors universitetsbiblioteks skrifter 7); Bd 3: Breviaria. Helsingfors 1932 (Helsingfors universitetsbiblioteks skrifter 16). Zur Zeit stehen die Kataloge zu Musik und Philosophie vor ihrer Fertigstellung.

[5] Vgl. Jussi Nuorteva: Finländarnas studier i utlandet [Die Studien von Finnen im Ausland]. In: Boken i Finland. Utställning i Nationalmuseet ..., S. 39-52; ders.: Suomalaisten ulkomainen opinkäynti ennen Turun akatemian perustamista 1640. Finnish study abroad before the foundation of the Royal Academy of Turku (Academia Aboensis) in 1640. Helsinki 1997 (Bibliotheca historica 27); Simo Heininen: Die finnischen Studenten in Wittenberg 1531-1552. Helsinki 1980 (Schriften der Luther-Agricola-Gesellschaft A 19)

[6] Siehe hierzu Esko Häkli: Bartholomeus Ghotan. Suomen ensimmäisen kirjan painaja [Bartholomäus Ghotan. Der Drucker des ersten Buches für Finnland]. Helsinki 1991, S. 59-87 (Publications of the Helsinki University Library 53); Aarno Malin: Der Heiligenkalender Finnlands. Seine Zusammensetzung und Entwicklung. Helsingfors 1925 (Finska kyrkohistoriska samfundets handlingar 20); Timo Mäkinen: Piae Cantiones. Über Geschichte und Zusammensetzung der Liedersammlung. In: Studia musicologia Academiae Scientiarum Hungaricae 9 (1967) S. 371-394

[7] Siehe Jaakko Gummerus: Michael Agricola, der Reformator Finnlands. Helsinki 1941 (Schriften der Luther-Agricola-Gesellschaft 2); s. auch Simo Heininen, Die finnischen Studenten in Wittenberg ..., S. 47-50

[8] Vgl. hierzu J[orma] Vallinkoski: Suomen kirjansitojamestarit. Finlands bokbindarmästare [Die Buchbindermeister Finnlands] 1514-1868. Jarl Pousar (Hrsg.). Helsinki 1992, S. 175-176 (Publications of the Helsinki University Library 54)

[9] Siehe auch Matti Klinge: Eine nordische Universität. Die Universität Helsinki 1640-1990. Helsinki 1992; J[orma] Vallinkoski: The History of the University Library at Turku. Bd 1: 1640-1722. Helsinki 1948 (Publications of the University Library at Helsinki 21); Bd 2: 1722-1772. Helsinki 1975 (Publications of the University Library at Helsinki 21 und 37)

[10] Siehe hierzu Simo Heininen: Finnische Gelehrte in Göttingen während des 18. Jahrhunderts. In: Gelehrte Kontakte zwischen Finnland und Göttingen zur Zeit der Aufklärung. Esko Häkli (Red.). Göttingen 1988, S. 59-68; s. auch Erich Kunze: Nachbemerkungen zum Briefwechsel zwischen Porthan und Nicolai. In: ders.: Deutsch-finnische Literaturbeziehungen. Beiträge zur Literatur- und Geistesgeschichte. Helsinki 1986, S. 77-85 (Publications of the Helsinki University Library 51)

[11] Siehe hierzu Holger Nohrström: Borgå gymnasiebibliotek och dess förtegångare bland Finlands läroverksbibliotek [Die Bibliothek des Gymnasiums in Porvoo (Borgå) und ihre Vorgänger unter den Schulbibliotheken Finnlands]. Helsingfors 1927 (Helsingfors universitetsbiblioteks skrifter 10); Folke Nyberg: Eine Bibliothek aus dem 18. Jahrhundert in Porvoo. In: Esko Häkli und Friedhilde Krause (Hrsg.): Bibliophilie und Buchgeschichte in Finnland. Aus Anlaß des 500. Jubiläums des Missale Aboense. Berlin 1988, S. 39-49; E[rnst] L[önnberg]: Borgå lycei bibliotekskatalog [Bibliothekskatalog des Lyzeums in Porvoo (Borgå)]. Borgå 1906

[12] Zur Geschichte der Gutsbibliotheken s. Magnus Björkenheim: Äldre fransk litteratur på herrgrdar i Finland. Collections littéraires franaises conservées dans les manoirs de Finlande. Helsingfors 1981, S. 195-249 (Publications of the University Library at Helsinki 45); Esko Häkli: Gustaf Philip Creutz och hans bibliotek [Gustaf Philip Creutz und seine Bibliothek]. In: Opusculum 4 (Helsinki 1984) S. 11-12 [Zusammenfassung in englischer Sprache S. 39]

[13] Vgl. Edgar Hösch: Die historischen Voraussetzungen deutsch-finnischer Begegnungen vor 1800. In: Gelehrte Kontakte zwischen Finnland und Göttingen ..., S. 25; Eino Jutikkala: Geschichte Finnlands, S. 261; L[auri] O[skar] Th. Tudeer: ,,Die Wiburgsche Stadtbibliothek`` 1807-1809. Eräitä pikkupiirteitä [Einige Streifzüge]. In: Kirjallisuudentutkijain seuran vuosikirja - Annuaire des Historiens de la Littérature 8. Helsinki 1945, S. 338-344 [Zusammenfassung in französischer Sprache S. 442]

[14] Siehe Matti Klinge, Eine nordische Universität ..., S. 216-229

[15] Siehe Arne Jörgensen: Universitetsbiblioteket i Helsingfors 1827-1848 [Die Universitätsbibliothek Helsinki 1827-1848]. Helsingfors 1930, repr. 1980 (Helsingfors universitetsbiblioteks skrifter 14; Publications of the University Library of Helsinki 44); zu Calonius s. Erich Kunze: Zur Geschichte der wissenschaftlichen Beziehungen zwischen der Georgia Augusta und der Academia Abonsis. In: Gelehrte Kontakte zwischen Finnland und Göttingen ..., S. 105-107

[16] Sirkka Havu: Helsinki University Library. Collections from St. Petersburg. In: Pietarin kirjoja. Böcker från St. Petersburg. Näyttely. Utställning 28.8.-1.11.1991 [Bücher aus St. Petersburg. Ausstellung vom 28.8. bis 1.11.1991]. Helsinki 1991, S. 119-121; Esko Häkli: The gift of the St. Petersburg Academy of Sciences, 1829. In: Collections donated by the Academy of St. Petersburg to the Alexander University of Finland in 1829. An annotated catalogue compiled by Sirkka Havu and Irina Lebedeva. Helsinki 1997, S. 9-13 (Publications of the Helsinki University Library 61)

[17] Vgl. Tuovi Puupponen: Matti Pohto - Ein finnischer Mann aus dem Volke und ein hervorragender Sammler alter Bücher. In: Esko Häkli und Friedhilde Krause (Hrsg.): Bibliophilie und Buchgeschichte in Finnland ..., S. 31-39; Erich Kunze: Ein finnischer Bauernsohn als Bibliophile. In: ders.: Deutsch-finnische Literaturbeziehungen ..., S. 232-234

[18] Esko Häkli: Die Nationalbibliographie der ältesten finnischen Literatur. In: Suomen kansallisbibliografia. Finlands nationalbibliografi [Finnische Nationalbibliographie] 1488-1700. Tuija Laine und Rita Nyqvist (Red.). Bd 1. Helsinki 1996, S. 23-30 (Suomalaisen kirjallisuuden seuran toimituksia 642; Publications of the Helsinki University Library 59); Fredrik Wilhelm Pipping: Förteckning över i tryck utgifna skrifter på Finska. Luettelo suomeksi präntätyistä kirjoista [Verzeichnis der in finnischer Sprache gedruckten Bücher]. Helsingfors 1856-1857 (Suomalaisen kirjallisuuden seuran toimituksia 20); repr. Porvoo 1967

[19] Siehe hierzu Esko Häkli: A. E. Nordenskiöld. A scientist and his library. Helsinki 1980, 2. Aufl. Helsinki 1990; Esko Häkli: Introduction. In: The A. E. Nordenskiöld Collection in the Helsinki University Library. Annotated catalogue of maps made up to 1800. Compiled by Ann-Mari Mickwitz and Leena Miekkavaara. Bd 1. Helsinki, Stockholm und Atlantic Highlands 1979, S. IX-XXVIII

[20] Siehe Edmund Heier: L. H. Nicolay (1737-1820) and his contemporaries. The Hague 1965 (Archives Internationales d'Histoire des Ideées 9); s. auch den Handbucheintrag zur Universitätsbibliothek Helsinki

[21] Esko Häkli: Helsinki University Library - The National Library of Finland. In: Alexandria 2 (1990) Heft 1, S. 29-39; ders.: Das finnische Nationalbibliographische System. In: Informationsmittel für Bibliotheken (IFB). Berlin 1994, S. 492-500 (Besprechungsdienst und Berichte 2); ders.: The Slavonic Library at the Helsinki University Library. In: European Research Libraries Cooperation ERLC: The LIBER Quarterly 2 (1992) S. 91-96

[22] Vgl. Esko Häkli: Neue Entwicklungen im wissenschaftlichen Bibliotheks- und Informationswesen Finnlands. In: Zentralblatt für Bibliothekswesen und Bibliographie 87 (1973) S. 65-77; ders.: A unified approach to science information and research libraries in Finland. In: Unesco Bulletin for Libraries 28 (1974) S. 245-248; ders.: A unified automation system using VTLS for academic libraries in Finland. In: Program 26 (1992) S. 239-248


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.