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Bibliotheken in den österreichischen Bundesländern

Waren es am Beginn (etwa vom 8. bis zum 13. Jahrhundert) vornehmlich Klöster, die in ihren Armarien, also Bücherschränken, mitunter in der Sakristei oder einem Nebenraum des Kreuzganges, die zur Liturgie notwendigen Bücher, Biblica, später auch die lateinischen und griechischen Klassiker zum Studium der alten Sprachen, aufbewahrten, daneben Skriptorien, also Schreibschulen, unterhielten und damit die österreichische Kultur nachhaltig prägten; so kam mit der Gründung der Wiener Universität (1365) und den sich daraus ergebenden wechselseitigen Beziehungen und Einflußnahmen zwischen Kirche und Welt ein neuer kulturhistorisch bedeutender Faktor ins Spiel, der die geistesgeschichtliche und bildungspolitische Entwicklung des Landes in weiterer Folge bereicherte. Dabei steht die Bibliotheksgeschichte Österreichs in dieser Phase durchaus als pars pro toto, ist also in den Grundzügen mit jener anderer europäischer Länder vergleichbar.

Die frühe Neuzeit, das Zeitalter des Humanismus und der Renaissance, setzte, nicht zuletzt durch die Erfindung des Buchdrucks ausgelöst, neue Impulse: Bibliotheken an Fürstenhöfen - oft Ausdruck der eigenen Machtfülle - sowie die Sammlungen einzelner Gelehrter, die zumeist auch untereinander in regem wissenschaftlichen und persönlichen Austausch standen, eröffneten der Wissenschaft zum einen als Foren der Gelehrsamkeit neue Möglichkeiten und sind zum andern heute Kulturdenkmäler einer weltoffenen und in vielerlei Hinsicht vom Mittelalter emanzipierten Lebensweise.

Einen entscheidenden Einschnitt stellt das Phänomen der Reformation mit all seinen Folgen dar - Aufbruch und Niedergang, reformatorischer Impetus und katholische Restauration, Zerstörung und Reform liegen hier eng beieinander und fanden auch in der Bestandsgeschichte einzelner Bibliotheken sichtlichen Niederschlag.

Die folgenden eineinhalb Jahrhunderte wurden für zahlreiche Bibliotheken vielfach ausschlaggebend für jene äußere Gestalt, die sich bis zum heutigen Tag als Symbol, ja geradezu als typologische Ausformung einer Weltsicht erhalten hat: die Barockbibliothek. Mit dem Tridentinum begann für den Katholizismus eine Phase der Identitätsfindung, verbunden mit der Suche nach innerer Reform und äußeren Formen. In gewissem Sinn aus der Renaissance hervorgegangen, ergab sich aus der Mischung von Gegenreformation, Absolutismus und naturwissenschaftlichem Fortschritt jene geistige Programmatik, die sowohl den inhaltlichen Aufbau des Buchbestandes als auch die künstlerische Gestaltung der barocken Saalbibliotheken bestimmte. Gemeinsam ist ihnen vor allem der universalistische, alles umfassende - und auch in dieser Bedeutung katholische - Charakter. Die vielen Neu- und Umbauten von Bibliotheken in dieser Epoche - vor allem im Bereich der Klöster - bilden einen wesentlichen Teil österreichischer Bibliotheks- und Kulturgeschichte (herausragendes Beispiel ist der Bibliothekssaal des Stiftes Admont mit den Fresken Altomontes, eines der bedeutenden Kunstdenkmäler dieses Bibliothekstyps).

Mit zunehmendem Fortschritt der Naturwissenschaften, den sozialen Umwälzungen und den wirtschaftlichen wie politischen Veränderungen des ausgehenden 18. sowie des 19. Jahrhunderts erlebte auch die Institution der Bibliothek einen grundlegenden Wandel. Der Aufklärung und Säkularisierung auf der einen Seite standen restaurativ-konservative Strömungen wie jene der Romantik auf der anderen Seite gegenüber; die Verlagerung der bildungspolitisch entscheidenden Vormachtstellung von bisher vor allem kirchlichen Unterhaltsträgern zu staatlichen oder privaten Einrichtungen ergab sich im Laufe des 19. Jahrhunderts nach und nach. Eingeleitet durch die Auflösung des Jesuitenordens (1773) bis hin zu den zahlreichen Klosteraufhebungen durch Joseph II. (ab 1782) - österreichische Variante der revolutionären und emanzipatorischen Bewegungen des übrigen Europa damaliger Zeit - vollzog sich der Prozeß der Loslösung von Kirche und Staat bis spätestens zur Mitte des 19. Jahrhunderts und wirkte sich auch auf die Bibliothekslandschaft entsprechend aus.

Ungeheure Umschichtungen des Bücherbestandes, verbunden mit nicht geringfügigen Verlusten, waren die Folge (die Bücher aus den aufgelassenen Klosterbibliotheken waren den neugegründeten Bildungszentren in den Kronländern, den Studienbibliotheken, zugedacht). Jene Tradition des in gewisser Weise internationalen, weil universalistisch verstandenen, kulturellen Werdens europäischer Bildung, die mit den Schreibschulen und Bibliotheken der Klöster ihren Anfang genommen und nach den Umwälzungen der Türken- und Bauernkriege sowie der Reformation in der Gegenreformation und den signifikanten Erscheinungsformen des Barock ihren Höhepunkt gefunden hatte, war damit im wesentlichen zu Ende.

Die zunehmende Spezialisierung der Naturwissenschaften (Technik und Industrie), die organisatorische Neuordnung des Staatswesens durch die Errichtung nationaler wie lokaler Behörden sowie das in der zweiten Hälfte bis zum Ende des 19. Jahrhunderts erwachte Interesse an der Historie (Historismus) initiierte nochmals eine Reihe neuer Bibliotheksgründungen (Technische Instituts- oder Fachhochschulbibliotheken, Amtsbibliotheken, Museumsbibliotheken).

Mit diesen - für den Zeitraum der im Handbuch der historischen Buchbestände in Österreich relevanten, weil zum Großteil historisches Buchgut umfassenden - jüngsten Bibliotheken findet eine geistesgeschichtliche Entwicklung ihren vorläufigen Abschluß, deren Wurzeln jedoch bis zum heutigen Tag lebendig und deren Zeugnisse als historische Monumente - trotz z. T. erheblicher Verluste durch die Geschehnisse der beiden Weltkriege - zu einem beträchtlichen Teil noch erhalten sind.

Die Quellenlage der einzelnen Bibliotheken Österreichs stellt sich, was Archivalien und wissenschaftliche Auswertung anbelangt, als sehr unterschiedlich, oft auch als ungenügend dar. Die im folgenden genannten Bibliotheken sind deshalb nicht immer repräsentativ, mögen jedoch als Illustration für die historischen Zusammenhänge genügen.

Klosterbibliotheken

Aufgrund ihrer Überzahl und ihrer historischen Priorität kommt den kirchlichen Bibliotheken Österreichs bzw. jenen der österreichischen Klöster besondere Bedeutung zu. Die Bibliothek spielte im Kloster stets eine besondere Rolle. Gemäß der Benediktsregel war sie spirituelles, später auch wissenschaftliches Zentrum eines Konventes. Aus der Bibliothek kamen die Bücher für die lectio divina (geistliche Lesung, meist die Heilige Schrift oder Texte der Kirchenväter) und für den liturgischen Vollzug des gesamten monastischen Lebens. Hier wurden Kodizes aufbewahrt, gesammelt und häufig hergestellt oder abgeschrieben.

Ältestes Zentrum klösterlicher Schreibtradition ist das Benediktinerkloster St. Peter in Salzburg (8. Jahrhundert). Die meisten der übrigen alten Klöster bewahren heute ebenfalls eine unterschiedlich große Anzahl von Handschriften auf. Genannt seien z. B. Admont, Melk, Zwettl, Heiligenkreuz, Göttweig, Kremsmünster. Nach einer ersten Blüte der Schreibkunst im 12. Jahrhundert folgte meist ein weiterer Höhepunkt um die Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert, so z. B. in St. Florian und Kremsmünster. Einzelne Klöster hatten dabei unterschiedlich großen Einfluß auf die Skriptorien anderer Klöster, und es bildeten sich verschiedene Stile und Schulen, deren Interdependenz man heute noch nachweisen kann. So fand z. B. das Salzburger Skriptorium viele Nachahmer im österreichischen und süddeutschen Raum und prägte dadurch einen eigenen Stil.

Die Klöster standen in reger Beziehung untereinander, sei es durch Gebetsverbrüderungen, den Nachrichtenaustausch mit Hilfe von Rotelbüchern oder aber durch den engen Kontakt zu einem Gründungskloster oder Klosterverband. Beispiele dafür sind die Verbindungen zur Gorzer Reformbewegung (Melk, Kremsmünster, Admont) und die Impulse aus dem Reformkloster St. Blasien im Schwarzwald (und zwar in diesem Fall zu unterschiedlichen Zeitpunkten: im 11. Jahrhundert stellte dieser Konvent den Gründungsabt des Benediktinerstiftes Göttweig, 1094; im 19. Jahrhundert gelangten infolge der Klostersäkularisierung mit dem ausgewiesenen Konvent auch reiche Kunstschätze inklusive zahlreicher wertvoller Handschriften nach St. Paul im Lavanttal, 1809). Auch die bedeutende Cluniazensische Reformbewegung mit dem deutschen Flügel der Hirsauer Reform ist in diesem Zusammenhang zu nennen.

Innerhalb Österreichs ist im 15. Jahrhundert die sogenannte Melker Reform zur Hebung der monastischen Disziplin und der Pflege der Spiritualität und Wissenschaft nicht ohne Spuren geblieben. Spätere Kongregationsbildungen unter den alten Klöstern in Österreich (benediktinischer und augustinischer Prägung), aber auch das Vorbild anderer Kongregationen, wie etwa der französischen Mauriner des 17. Jahrhunderts, als deren wohl bekanntester Proponent der Benediktinerhistoriker Jean Mabillon (1632-1707) gelten kann, waren Fundament für weiteren disziplinären wie wissenschaftlichen Fortschritt und brachten in einzelnen - nicht nur österreichischen - Konventen z. T. weit über die regionalen Grenzen hinaus bekannte Gelehrtenpersönlichkeiten hervor. Dazu zählen z. B. die an der Salzburger Benediktineruniversität tätigen drei Brüder Franz (1632-1701), Joseph (1635-1683) und Paul Mezger (1637-1702) - alle Benediktiner von St. Peter, der ebenfalls in Salzburg lehrende Ettaler Benediktiner Ludwig Babenstuber (1660-1726), die bereits in der Anfangszeit an der Wiener Universität lehrenden Kleriker der Klöster Heiligenkreuz, Melk und anderer Abteien, die beiden Melker Historiker und Bibliothekare Bernhard (1683-1735) und Hieronymus Pez (1685-1762) sowie - stellvertretend für den gebildeten Prälatenstand genannt - der Göttweiger Abt Gottfried Bessel (reg. 1714-1749). Er wurde auch als der österreichische Mabillon bezeichnet und unterhielt als Autor des Chronicon Gottwicense und als Historiker europäischen Formates Kontakte zu den wichtigsten Buchhändlern seiner Zeit.

Aus den historischen Details ergibt sich das Bild einer internationalen Vernetzung, eines kulturellen europäischen Netzwerkes, das auf dem Erbe des Mittelalters aufbauend im Zeitalter des Barock zur vollen Blüte gelangte.

Die Zeit davor - Humanismus, Reformation sowie Türken- und Bauernkriege - hinterließ ebenfalls Spuren. Vieles an gewaltsamer Zerstörung (z. B. Vernichtung zahlreicher Handschriften des Benediktinerklosters Altenburg durch die Hussiten, weitere Verluste in der Reformationszeit sowie durch Böhmen- und Ungarneinfälle, Zerstörung der Stiftsbibliothek Heiligenkreuz durch die Türken 1683 usw.) geht einher mit dem fast vollständigen Verlust der historischen Quellen. Daher sind die historischen Details der Zeit angesichts der geschilderten Kalamitäten kaum detailliert zu rekonstruieren. Dokumentiert sind jedoch Gelehrtenbesuche in den Bibliotheken der Klöster (Heiligenkreuz, Melk) sowie zahlreiche Kontakte zwischen Äbten (z. B. aus Kremsmünster, Göttweig, Fiecht, Wilten usw.) und einzelnen Humanisten, vor allem nach Wien. Unter ihnen befanden sich Nikolaus von Dinkelsbühl, Thomas Ebendorfer, Conrad Celtis, Johannes Fuchsmagen, Johannes Trapp, Johannes Hinderbach, Äneas Silvius Piccolomini, Caspar Niedbruck und Wolfgang Lazius.

Die Reformation brachte eine Fülle neuer Publikationen, die entweder von einzelnen Vertretern und Anhängern der neuen Lehre gesammelt und verbreitet wurden - es waren dies Adelige, mitunter aber auch Mitglieder des Welt- und Ordensklerus - oder im Zuge der Gegenreformation durch gewaltsame Enteignungen als libri prohibiti - verbotene Literatur - zumeist an einzelne Stiftsbibliotheken fielen (Kremsmünster, Schlägl, Göttweig, Herzogenburg usw.). Die Wirren um Reformation und Gegenreformation und die damit verbundenen sozialen Unruhen führten oft zur Zerstörung, Beeinträchtigung oder völligen Stagnation der Bibliotheken.

Ein nicht hoch genug zu veranschlagender Faktor der österreichischen Bildungs- und Bibliotheksgeschichte ist die über Jahrhunderte wahrgenommene pädagogische Tätigkeit und Verantwortung geistlicher Institutionen, vor allem der benediktinischen Orden. Die Stiftsschulen, die z. T. schon im Mittelalter bestanden hatten, wurden ab dem 16. Jahrhundert immer weiter ausgebaut, sodaß sie - oft über das 18. Jahrhundert hinaus - elitäre Stätten der Erziehung blieben. Exemplarisch mag hier die Schultradition des Stiftes Kremsmünster stehen. Den Höhepunkt wissenschaftlicher Tätigkeit erreichte das Kloster im 18. Jahrhundert. In diese Periode fällt die Gründung der sogenannten Ritterakademie (1744). Diese Einrichtung wurde mit einer eigenen Bibliothek ausgestattet. Bereits seit Anfang des 17. Jahrhunderts bestanden durch das vermehrte Interesse an Mathematik und Naturwissenschaften rege Beziehungen u. a. zu Johannes Kepler. Bücher und Geräte des berühmten Geographen Georg Matthäus Vischer (1628-um 1695) wurden um diese Zeit angekauft.

Die Sammeltätigkeit, das Anlegen diverser Kabinette, d. h. eigener Sammlungen (Raritäten, Mineralien, zoologische und botanische Kollektionen, Numismatik), ist dabei ganz allgemein ein barockes Spezifikum. Der Zuwachs an entsprechenden Druckwerken ging damit meist einher und läßt sich z. T. heute noch anhand von Einzelsammlungen dokumentieren. Das wiedererstarkte katholische Selbstbewußtsein und die Konsolidierung der politischen Machtverhältnisse begründete sicher zu einem guten Teil jene geistige Aufgeschlossenheit und wissenschaftliche Neugier, durch die sich das Phänomen des Sammelns oder die Errichtung neuzeitlicher Institutionen, wie z. B. der Kremsmünsterer Sternwarte (1758), erklären lassen.

Daneben nahmen die Klöster die Ausbildung des Ordensnachwuchses selbst in die Hand; vielfach wurden theologische Hauslehranstalten eingerichtet und entsprechende theologische Werke in großem Umfang angekauft (Kremsmünster, Göttweig, Fiecht). Dazu kamen mitunter bedeutende Nachlässe der an den Hochschulen lehrenden Professoren, meist umfangreiche fachspezifische Literatur.

Die universale Ausrichtung der großen kirchlichen bzw. monastischen und kanonischen Bibliotheken darf nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, daß alles ad maiorem Dei gloriam (das Motto der Jesuiten) oder ut in omnibus glorificetur Deus (benediktinischer Wahlspruch) geschah, d. h. mittelbar oder unmittelbar aus theologischer Motivation und mit pastoraler Intention. So gab es neben den genannten Bibliotheken auch zahlreiche pastorale Gebrauchsbibliotheken im engeren Sinne, Handreichungen für die tägliche seelsorgliche Tätigkeit der Orden, darunter auch solche, die sich bestimmter Bevölkerungsgruppen annahmen oder besondere Frömmigkeitsformen (Wallfahrtsseelsorge) pflegten. Dazu zählen die Bibliotheken der Kapuziner (Wiener Neustadt, Scheibbs, Eisenstadt, Wolfsberg, Klagenfurt, Leibnitz, Ried usw., teilweise Wiederbesiedelungen alter ehemaliger Klöster im 17. Jahrhundert) ebenso wie jene der Serviten (Maria Langegg, Maria Luggau, Gutenstein) und Franziskaner (Graz, Maria Enzersdorf). Die beiden letzteren Orden haben im Laufe der vergangenen dreißig Jahre die Bibliotheken kleinerer oder aufgelöster Niederlassungen zu Zentralbibliotheken vereint (Maria Luggau, Graz, Maria Enzersdorf). Weiters sind die Redemptoristen mit Bibliotheken vertreten, meist im Zusammenhang mit Kollegien oder Konvikten (Katzelsdorf, Eggenburg, Innsbruck), wie überhaupt auch jene geistlichen Institutionen unter die Kategorie Gebrauchsbibliothek fallen, die sich mit Schule und Erziehung im besonderen befaßten (Gymnasialbibliothek der Franziskaner in Hall, Bibliothek des Salvator-Kollegs in Lochau/Hörbranz, Ursulinen in Graz usw.). Eine Besonderheit unter den Ordensbibliotheken stellt die Missionsbibliothek St. Gabriel (Mödling) aufgrund ihrer reichhaltigen missionswissenschaftlichen Büchersammlung dar. Sie ist allerdings erst eine Gründung des 19. Jahrhunderts.

Diözesan- und Pfarrbibliotheken

Die Charakteristika der Klosterbibliotheken treffen in ähnlicher Weise auch für andere kirchliche Bibliotheken zu, z. B. bischöfliche Bibliotheken (spätere Diözesan- oder Seminar-Bibliotheken). Das Fehlen des Kontinuums einer klösterlichen Kommunität wirkte sich jedoch auf den Zustand der jeweiligen Bibliothek dahingehend aus, daß sie in ungleich höherem Ausmaß von der Dotierung des Bischofs oder einzelner Mäzene abhängig war.

Wenige Relikte erinnern noch an die einst zahlreichen Pfarrbibliotheken. Es handelte sich dabei meist um Pfarren mit Grundbesitz (Pfründe) und dementsprechender Dotierung. Heute erhalten sind z. B. Bibliotheken in Perchtoldsdorf, Riegersburg, Brixen im Thale und Rust. In Maria Taferl befinden sich die Reste der Büchersammlung des berühmten Bibliotheksgelehrten des 18. Jahrhunderts, Adalbert Blumenschein (1720-1781). Auch die zuerst genannten Sammlungen gehen z. T. auf einzelne wissenschaftlich oder literarisch interessierte Ortsgeistliche zurück (Franz Lejer in Rust, Wilhelm Taz in Brixen). Fallweise werden noch bestehende Pfarrbibliotheken in diözesanen Institutionen (Diözesanarchiv, Diözesanbibliothek) verwahrt (z. B. das Diözesanarchiv Klagenfurt).

Beispiel einer protestantischen Pfarrbibliothek - einer der wenigen protestantischen Bibliotheken überhaupt, etwa neben der Bibliothek des Evangelischen Diözesanmuseums in Fresach, die allerdings erst ab dem Jahr 1955 entstand - ist die Haynóczy-Bibliothek in Rust. Sie geht auf die Sammeltätigkeit des Ödenburger Gymnasialdirektors, Daniel Haynóczy, zurück, der die Bücher seinem Sohn, Johann Karl Haynóczy (1794), der evangelischer Pfarrer von Rust war, vermachte. Unter dem Schutz der ungarischen Krone und zahlreicher protestantischer Adeliger blieb der Protestantismus im Burgenland, auch in der Zeit der Gegenreformation, unangefochten. In anderen Teilen Österreichs konnte sich der Protestantismus nicht (z. B. in Salzburg, Vertreibung der Protestanten 1731/32) oder erst durch das Toleranzpatent Josephs II. (1781) halten. Die protestantischen Bücher waren zu diesem Zeitpunkt jedoch meist in anderen Bibliotheken inkorporiert (in Klosterbibliotheken oder in Adelsbibliotheken).

Adelsbibliotheken

War es für das herrschende Kaiserhaus seit frühester Zeit üblich, Bücher in großem Stil zu sammeln und Bibliotheken - zwar nicht ausschließlich, aber doch in erster Linie - zu Repräsentationszwecken anzulegen, so trifft dies in weiterer Folge auch für den Adel zu. Von den zahlreichen eigenständigen Bibliotheken sind bis zum heutigen Tag nicht mehr viele übrig geblieben. Mehrere sind allerdings (weil nicht öffentlich zugänglich und benützbar) nicht im Handbuch berücksichtigt (z. B. die Esterhßzy-Bibliothek in Forchtenstein). Einige überdauerten die Zeit in Klosterbibliotheken, in die sie durch Schenkung oder Nachlaß inkorporiert worden waren (z. B. die Falkenhayn-Bibliothek in Herzogenburg), andere wurden zerstört oder gingen sonstwie verloren.

Eine der größten, heute noch als geschlossene Sammlung existierende Adelsbibliothek ist die Lambergsche Schloßbibliothek in Steyr, die sich nun im Besitz der Österreichischen Bundesforste befindet. Sie geht auf das frühe 17. Jahrhundert zurück, wurde jedoch im 18. Jahrhundert nach einem Brand (1727) neu gestaltet. Das Hauptaugenmerk in ihrer bibliophilen Sammeltätigkeit legten die Lambergs auf europäische Geschichte, Literatur (auch fremdsprachige) und Naturwissenschaften, vor allem Oeconomica. Prinzipiell richtete sich das Spektrum der Bestände nach der Interessenslage der jeweiligen Besitzer und ihren Vorlieben. So weist die Bibliothek der Herrschaft Thurn-Valsassina viele Druckwerke zur italienischen Geschichte auf - über Jahrhunderte war die Familie politisch in Italien präsent -, außerdem zahlreiche Militaria (viele Mitglieder des Hauses waren einschlägig tätig) sowie land- und forstwirtschaftliche Literatur und Fachbücher über den Bergbau (seit 1604 besaß die Herrschaft die Bergbaukonzession).

Die bereits genannten Protestantica-Bestände, die z. T. an Klosterbibliotheken weitergegeben wurden, gehen oft ebenfalls auf ehemalige Adelsbibliotheken zurück. Paradebeispiel dafür ist die Bibliothek der Franziskaner in Güssing, die, im Zuge der Gegenreformation in Güssing angesiedelt, die inkriminierten Druckwerke der häretischen Autoren der Sammlung Batthyßny in ihre Bibliothek übernahmen. Die Bibliothek geht auf den Beginn des 16. Jahrhunderts zurück. Franz II. Batthyßny (1577-1625), der Sohn des 1570 zum Protestantismus übergetretenen Balthasar III. Batthyßny (1543-1590), hatte die aus den österreichischen Erbländern geflüchteten Protestanten in seinem Herrschaftsgebiet aufgenommen, nachdem sein Vater Güssing zu einem protestantischen Bischofssitz gemacht hatte. Durch die Rückkehr seines Sohnes, Adam I. Batthyßny (1610-1659), zum Katholizismus setzte die Gegenreformation ein. Sowohl die protestantischen Druckwerke aus Familienbesitz als auch die protestantische(n) Güssinger Kirchenbibliothek(en) fielen an die Franziskaner.

Einen Sonderfall stellt die im 19. Jahrhundert wiedererrichtete und ausschließlich als Schaubibliothek konzipierte Bibliothek der Grafen Hoyos auf der - nach musealen Gesichtspunkten revitalisierten - Rosenburg dar. Die Bestände sind lediglich nach optischen Gesichtspunkten aus diversen (nicht öffentlich zugänglichen) Sammlungen des Familienbesitzes ausgewählt und dekorativ angeordnet und entsprechen in dieser Zusammenstellung keiner sukzessiven Sammlungstradition.

Das Engagement des Adels, was die Errichtung von Bibliotheken betrifft, erhält im 19. Jahrhundert eine weitere Facette. Die musealen Sammlungen oder Bibliotheken des Grazer Joanneums (1811) sowie jene des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum (1823) sind schon allein durch die Namensgebung beredtes Zeugnis dafür.

Öffentliche Studienbibliotheken (Universitätsbibliotheken)

Neben der universitären (Benediktineruniversität Salzburg 1622/23) und der schulischen Lehrtätigkeit verschiedener Orden und Klöster kam es im 18. Jahrhundert durch Maria Theresia zur Gründung der ersten öffentlich zugänglichen Studienbibliotheken außerhalb Wiens (z. B. Innsbruck 1745), die sich allerdings erst durch die Auflösung des Jesuitenordens (1773) und den Wegfall des von ihnen gehaltenen Monopols an den Universitäten (viele maßgebliche theologische Werke waren von Jesuiten verfaßt, die meisten theologischen Lehrkanzeln waren von Jesuiten besetzt) entfalten konnten (Graz 1775, Klagenfurt 1775). Die jesuitischen Büchersammlungen (jene in Innsbruck ging auf Petrus Canisius zurück und umfaßte umfangreiche alte Bestände) oder die Bücher anderer aufgelöster Klöster wurden hierauf in den meisten Fällen den Studienbibliotheken inkorporiert; aber auch andere, zumal (aufgrund sozialpolitisch relevanter Tätigkeiten der Klöster im pädagogischen und pastoralen Bereich nicht aufgelöste) Klosterbibliotheken, kamen in den Besitz größerer Bestandsteile, die sie bei diversen Bücherversteigerungen erwerben oder durch anderweitige Vermittlung für sich beanspruchen konnten. Mitunter bildeten die Bücher der Jesuiten den Grundstock für spätere Landesbibliotheken (z. B. für die bundesstaatliche Studienbibliothek in Linz, 1774 als Bibliotheca publica errichtet).

Neu waren vor allem der öffentliche Charakter und die zentrale Verwaltung der Studienbibliotheken, die nach der von Franz Stephan Rautenstrauch erarbeiteten Maria-Theresianischen Bibliotheksinstruktion (1778) geführt wurden. Weiterer Zuwachs ergab sich bei den Universitäts- oder Lyzealbibliotheken (der Status änderte sich z. B. in Salzburg und Innsbruck mehrmals) infolge der josephinischen Klosteraufhebungen und später aus den wechselnden politischen Verhältnissen, wie z. B. der zeitweiligen bayerischen Herrschaft im Westen Österreichs. Diese politischen Umstände hatten den Transfer größerer Buchkontingente, z. B. aus den Klöstern Fiecht und Wilten in die Innsbrucker Universitäts- bzw. Lyzealbibliothek, zur Folge, wobei letztere Klosterbibliothek nicht mehr alle Werke zurückerhielt.

Die Entstehungsgeschichte der einzelnen Studienbibliotheken weist unterschiedliche Nuancen auf. Am Beginn der Klagenfurter Universitätsbibliothek etwa stand die Büchersammlung der 1552 gegründeten protestantischen Landschule des lutherischen Adels, die 1604 von den Jesuiten übernommen, z. T. verbrannt und in späterer Folge (1775) in die Studienbibliothek übergeführt worden war. Den Grundstock der Innsbrucker Universitätsbibliothek bildeten Bestände aus der Wiener bzw. Innsbrucker Hofbibliothek, in weiterer Folge auch die Innsbrucker Jesuitenbibliothek (1773). In Graz rekrutierte sich die 1775 gegründete Studienbibliothek ausschließlich aus der Büchersammlung des 1573 gegründeten Jesuitenkollegs. Die Linzer Studienbibliothek existierte überhaupt erst aufgrund der Auflösung des Jesuitenordens und der damit verbundenen Büchertransferierung des liquidierten Linzer Jesuitenkollegs, dessen Bestand wiederum auf bedeutende private Büchersammlungen zurückging.

Die Salzburger Universitätsbibliothek war (neben der Privatbibliothek des Juristen und Universalgelehrten Christoph Besold, 1577-1638) vor allem durch das Wirken der Benediktiner des süddeutsch-österreichischen Raumes und durch die Dotierung der Fürsterzbischöfe (z. B. Paris Lodrons) mit Büchern ausgestattet worden. Die übrigen Studien- bzw. späteren Universitätsbibliotheken erfuhren den für ihre Bestandsgröße entscheidenden Zuwachs an älterem Buchgut - dieser historische Umstand ist ihnen gemeinsam - durch die Auflösung des Jesuitenordens und die josephinischen Klosteraufhebungen oder infolge der Säkularisation (im bayerischen Herrschaftsbereich). Spätere Bestandserweiterungen unterschiedlichen Ausmaßes ergaben sich durch Schenkungen oder Nachlässe einzelner Professoren oder anderer, auch adeliger Spender.

Museums-, Stadt- und Landesbibliotheken

Die Museumsbibliothek ist eine Schöpfung des 19. Jahrhunderts. Initiiert durch adelige Kreise (z. B. das Joanneum in Graz durch Erzherzog Johann), durch das aufstrebende Bildungsbürgertum (z. B. die im heutigen Kärntner Landesmuseum befindlichen Vereinsbibliotheken des Kärntner Geschichtsvereins und des Naturwissenschaftlichen Vereins, das Salzburger Museum Carolino-Augusteum, das Innsbrucker Ferdinandeum, das Vorarlberger Landesmuseum) oder durch einzelne Forscherpersönlichkeiten (z. B. das Krahuletz-Museum in Eggenburg u. a. m.), ist allen das verstärkte Interesse an den lokalen oder regionalen historischen Wurzeln gemeinsam. In gewisser Weise stehen diese Sammlungen in der Tradition der barocken Kabinette, haben aber, was den Betrieb und den Ausbau betrifft, eine breitere Basis in den gebildeten bürgerlichen Kreisen. Die Grenzen zwischen Museums-, Landes- und Stadtbibliothek sind fließend. Die Sammlungen einzelner Persönlichkeiten oder Vereine bildeten oft den Grundstock späterer Stadt- oder Landesbibliotheken (z. B. die Bibliothek des Oberösterreichischen Landesarchivs 1835). Fallweise wurden einzelne Bibliotheken erst im Laufe des 20. Jahrhunderts gegründet und mit Sammlungen historischer Druckwerke ausgestattet, die durch Verlagerung oder Neustrukturierung diverser Institutionen (Behörden, Ämter, Archive) frei geworden waren (z. B. die Bibliotheken des Linzer und des Welser Stadtarchivs). Andere Sammlungen wiederum gehen auf sehr frühe Gründungen zurück und erfuhren im Laufe der Zeit lediglich organisatorische Veränderungen (z. B. die Stadtbibliothek Feldkirch).

Amts- und Behördenbibliotheken

Mit dem Ausbau der staatlichen Verwaltung und der Errichtung zahlreicher öffentlicher Behörden im Laufe des 19. Jahrhunderts ergaben sich wiederum neue Bibliotheken, der Typ der Behörden- und Amtsbibliothek. Diese Entwicklung trifft jedoch vor allem auf Wien zu (Ministerialbibliotheken, Verwaltungsbibliotheken), nur in geringem Ausmaß für die Bundesländer (z. B. die Bibliothek des Kärntner Landesarchivs, die Bibliotheken des Steiermärkischen Landesarchivs usw.), da viele der die Länder betreffenden wirtschaftlichen und politischen Interessen und Belange von der Bundeshauptstadt aus zentral wahrgenommen wurden.

Naturwissenschaftlich orientierte Bibliotheken

Bedingt durch den naturwissenschaftlichen Fortschritt und das industrielle Wachstum kam es zum Aufbau fachspezifischer Bibliotheken, wie z. B. jener der Montanuniversität Leoben, der technischen Universität Graz und der österreichischen Salinen AG. Interessant ist für die beiden zuerst genannten Bibliotheken die Verquickung mit dem Grazer Joan- neum, das für die 1840 zunächst in Vordernberg ansässige, 1849 nach Leoben übertragene montanistische Lehranstalt Dauerleihgaben und Büchergeschenke zur Verfügung stellte. Der Bestand der Universitätsbibliothek der Technischen Universität Graz rekrutierte sich im wesentlichen aus dem technisch-naturwissenschaftlichen Teil der am Museum bereits existenten Landesbibliothek. Auch über die naturwissenschaftlichen Bibliotheken hinaus wurden einzelne Institutsbibliotheken der Universitäten erst im späten 19. Jahrhundert oder Anfang des 20. Jahrhunderts eingerichtet.

Die Zeitläufe österreichischer Bibliotheksgeschichte und die Entstehung charakteristischer Bibliothekstypen sind damit in den wesentlichen Konturen nachgezeichnet. Die österreichische Bibliothekslandschaft ist, was die Bundesländer betrifft, ebenso abwechslungsreich wie kontinuierlich in ihrem historischen Werden. Bibliotheken sämtlicher beschriebener Typen finden sich - mit unterschiedlicher gesellschaftlicher Bedeutung - bis zum heutigen Tag darin und sind so Zeugen der Vergangenheit. Es wäre wünschenswert, wenn ihre Erhaltung nicht nur Last, sondern auch Auftrag sein könnte, sodaß sie über die museale Funktion hinaus auch als Instrumentarium zur Gestaltung der Zukunft wiederentdeckt würden.

Christoph Steiner


Quelle:Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.