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Von den Anfängen bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts Die Mark Brandenburg lag im Mittelalter am Rande des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation und gehörte zu den dünn besiedelten und rückständigen Gebieten des alten Reiches. Lange Zeit konnten daher von hier keine geistigen Impulse ausgehen. Als letzte der mittelalterlichen Universitätsgründungen wurde 1506 von Kurfürst Joachim I. (1499-1535) die Alma mater Viadrina in Frankfurt a. d. Oder als brandenburgische Landesuniversität eröffnet. Sie erfreute sich eines ungewöhnlichen Zuspruchs. Ulrich von Hutten wurde 1506, Thomas Müntzer 1512 an der Viadrina immatrikuliert. Die Mark Brandenburg hatte endlich einen Mittelpunkt geistigen Lebens, der besonders auf das hundert Kilometer entfernte Berlin ausstrahlte.
Im Vergleich mit anderen europäischen Metropolen ist Berlin eine junge Stadt. Sie hat sich spät, dann aber schnell zur Großstadt entwickelt. Ihre beiden Ursprungsgemeinden Kölln (Cölln) und Berlin, an günstigen Stellen der Spree gelegene Handelsplätze, sind erstmals 1237 und 1244 urkundlich erwähnt. Bereits 1307 schlossen sich die beiden Städte zusammen. 1432 bekräftigten sie ihre Vereinigung erneut und bildeten vorübergehend eine gemeinsame Stadtverwaltung. Die Bedeutung der aufstrebenden Doppelstadt wuchs, nachdem die Hohenzollern hier seit 1486 als Kurfürsten der Mark Brandenburg ihre ständige Residenz nahmen. Die Zahl der Einwohner stieg von schätzungsweise 6000 zur Zeit des ausgehenden Mittelalters auf etwa 9000 um das Jahr 1600.[1] Gleichzeitig kamen Adlige und Beamte in die Stadt, während die bis dahin vorherrschenden Händler und Handwerker ihre dominierende Stellung verloren.
Die Anfänge der Bibliotheken in Berlin[2] liegen im Dunkeln, da schriftliche Zeugnisse fehlen. Sie sind aber sicher in den Klöstern der Mönchsorden zu suchen, die sich im 13. Jahrhundert in der Doppelstadt niedergelassen hatten: die Dominikaner in Kölln und die Franziskaner in Berlin. Eine Darstellung der vorreformatorischen Bibliotheken erweist sich als schwierig, weil als Folge der Reformation kein einziger Bestand geschlossen überliefert ist. Aus je fünf in Halle und Berlin erhaltenen Bänden des Dominikanerklosters ist aufgrund von mittelalterlichen Signaturenschildern immerhin ersichtlich, daß diese Bibliothek schätzungsweise 300 bis 400 Bände umfaßte, die katalogisiert waren.[3] 1539 kam es durch den Kurfürsten Joachim II. (1535-1571) zur Einführung des lutherischen Glaubens in der Mark Brandenburg. Infolge der Säkularisierung der Klöster wurden ganze märkische Kirchen- und Klosterbibliotheken zur Zeit Joachims der kurfürstlichen Privatbibliothek einverleibt,[4] darunter auch die fünf Bücher aus der Bibliothek des Dominikanerklosters in Kölln. Diese Klostersammlungen bildeten später den Grundstock der Churfürstlichen Bibliothek zu Cölln an der Spree.[5] Die Bibliothek des Franziskanerklosters muß, wie die meisten vorreformatorischen Klostersammlungen, spurlos untergegangen sein. Bei der Beschlagnahme des Kirchenschatzes im Jahre 1540 wurden keine Bücher des aufgehobenen Franziskanerklosters erwähnt.
Das Sammeln von Büchern in Bibliotheken hängt im hohen Maße von der Entwicklung des Buchdrucks und des Verlagswesens ab. Im Verhältnis zu den anderen deutschen Territorien schneidet die Mark Brandenburg für die Frühzeit des Buchdrucks denkbar schlecht ab. Von verstreuten Drucken abgesehen, die meist von Wanderdruckern herrühren dürften, förderte erst die Gründung der Viadrina das Druckgewerbe in Frankfurt a. d. Oder, wo nachweisbar ab 1507 gedruckt wurde. Eine Blüte erlangte die Druckerkunst Mitte des 16. Jahrhunderts mit dem aus Nürnberg stammenden Drucker Johannes (Hans) Eichorn (1524-1583). Ihm erteilte Kurfürst Joachim II. 1549 das Privileg für die Mark und beauftragte ihn mit dem Druck aller amtlichen und sonstigen Schriften. Die unbedeutende Residenz hatte zunächst des Buchdrucks noch nicht bedurft. Erst die Einführung der Reformation ließ es wünschenswert erscheinen, einen zuverlässigen Drucker in der Nähe zu haben. So berief Kurfürst Joachim II. den Wittenberger Hans Weiß (auch Weis) als Unseren Buchdrucker nach Berlin und erteilte ihm das Privileg. Weiß druckte ab 1540 die neue Kirchenordnung und amtliche Texte sowie Erzeugnisse des geistigen Berlins jener Zeit. Er war gleichzeitig der erste Druckerverleger der Doppelstadt. Bereits nach wenigen Jahren (1543) starb er, und nicht lange danach erlosch auch seine Druckerei (1547), nachdem vermutlich die Witwe Weiß' den Betrieb zunächst weitergeführt hatte.[6]
Nach längerer Pause sollte erst 1574 wieder in Berlin gedruckt werden. Kurfürst Joachim II. rief den aus Basel stammenden, vielfach begabten und in der Geschichtsschreibung als widersprüchlicher Charakter dargestellten Leonhard Thurneysser zum Thurn (1531-1596) nach Berlin.[7] Von Beruf ursprünglich Goldschmied, wurde er hier als Leibarzt des Kurfürsten, als Apotheker und Alchimist tätig. Er richtete in einigen Räumen des leerstehenden Franziskanerklosters an der alten Stadtmauer, genannt Graues Kloster, ein Laboratorium und außerdem eine Buchdruckerei mit Schriftgießerei ein. Seit 1574 druckte Thurneysser hier seine mannigfaltigen Werke in beachtlichem Formenreichtum und mit hoher Qualität, bis er 1584 Berlin wieder verließ. Seine Druckerei druckte jedoch noch bis 1596. Nach ihm folgte in der brandenburgischen Residenzstadt eine ununterbrochene Reihe von Druckern und Verlegern. Der zögernden Ausbreitung von Druckereien im 16. Jahrhundert entsprach der geringe Bestand der Bibliotheken in der an Einwohnern kleinen Doppelstadt Berlin-Kölln.
Die ältesten Büchersammlungen, die noch in Restbeständen vorhanden sind, gehen auf drei im 16. Jahrhundert gegründete Kirchenbibliotheken zurück: die seit 1532 aktenkundlich belegte Bibliothek der St. Nikolai-Kirche in Spandau,[8] heute in wenigen Exemplaren in den Räumen des kirchlichen Museums Spandovia Sacra in Berlin-Spandau erhalten; die Bibliothek an der ältesten Berliner Kirche St. Nikolai (gegr. 1588); und die Bibliothek der Marienkirche zu Berlin (gegr. 1592). Im Zweiten Weltkrieg wurde die Nikolaibibliothek bei Bombenangriffen fast völlig vernichtet. Ihre Restbestände sind heute zusammen mit der nahezu vollständig erhaltenen Marienbibliothek ein Depositum der Zentralbibliothek des Evangelischen Konsistoriums von Berlin-Brandenburg.[9]
Zu den Anfängen des Bibliothekswesens in der brandenburgisch-preußischen Residenzstadt gehören auch Schulbibliotheken. Die Landesuniversität in Frankfurt a. d. Oder verlangte seit ihrer Gründung einen gut vorbereiteten studentischen Nachwuchs, den die Lateinschulen nicht mehr zu bieten vermochten. Der Kurfürst benötigte Geistliche und Beamte, die ausgebildet werden mußten. So wurde 1574 durch den Kurfürsten Johann Georg (1571-1598) in den Räumen des ehemaligen Berliner Franziskanerklosters die neue Landesschule eröffnet. Im Laufe der Zeit hat sich für sie der Name Berlinisches Gymnasium zum Grauen Kloster (1766-1824 Berlinisch-Köllnisches Gymnasium) eingebürgert. Dieses Gymnasium brachte in der Folgezeit viele hervorragende Gelehrte hervor, die das geistige Leben Berlins bereicherten. Eine eigene Bibliothek läßt sich für das Gymnasium erst seit 1674 nachweisen. Nach bescheidenen Anfängen entwickelte sich ihre Sammlung schnell zu einer bedeutenden Schulbibliothek, die später zu den größten in Deutschland zählte.[10] Ihre Bestände, soweit sie die Zerstörung im Zweiten Weltkrieg und andere negative Einwirkungen der unmittelbaren Nachkriegszeit überstanden haben, sind in der Berliner Stadtbibliothek erhalten.
Der seit 1598 regierende Kurfürst Joachim Friedrich (1598-1608) begründete 1607 in dem märkischen Städtchen Joachimsthal bei Eberswalde eine Fürstenschule nach dem Vorbild der sächsischen Fürstenschule St. Afra zu Meißen. 1636 im Dreißigjährigen Krieg völlig zerstört, wurde diese Anstalt durch den Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm (1640-1688) 1650 in Berlin erneut eingerichtet, wo sie bis zu ihrer Übersiedlung nach Templin (1912) verblieb. In Berlin erlebte sie als Königliches Joachimsthalsches Gymnasium ihre große Zeit. Sie bereicherte mit ihren Gelehrten und ihrer berühmten Bibliotheca Joachimica das Geistesleben der preußischen Hauptstadt.[11] Reste dieser Bibliothek sind in den Beständen der Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz erhalten geblieben.
Die brandenburgische Residenzstadt erlitt im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) einen erheblichen Rückschlag in ihrer Entwicklung. Als Folge direkter Kriegseinwirkung, aber auch durch Hungersnöte, Ruhr-, Pocken- und Pestepedemien, zählte ihre Bevölkerung 1648 nur noch ca. 6000 Personen und war damit gegenüber 1619 um die Hälfte reduziert; von 1200 Häusern standen rund 350 leer oder waren verwüstet.[12] Die Wirtschaft war völlig zerrüttet. Kurfürst Friedrich Wilhelm hatte bei seinem Regierungsantritt 1640 ein schwieriges Erbe von seinem ewig taktierenden Vater Georg Wilhelm (1619-1640) übernommen. Er mußte Energie und Konsequenz aufbieten, um sein Programm zu verwirklichen. Entscheidend für eine Entfaltung von Wirtschaft und Kultur in seiner Residenz waren politische Impulse, die von seiner Regierung ausgingen. Im Jahre 1685 erließ Friedrich Wilhelm das Edikt von Potsdam, wodurch die Mark Brandenburg in den folgenden Jahren zu einem Zufluchtsort zahlreicher Glaubensflüchtlinge aus Frankreich wurde. Von den 15.000 Hugenotten, die bis Ende des 17. Jahrhunderts in die Mark einwanderten, siedelten sich etwa 6000 in Berlin an. Im Jahre 1698 erreichte der Anteil der Réfugiés an der Berliner Bevölkerung seinen Höhepunkt: Jeder vierte Einwohner der Stadt war französischer Herkunft. Aus ihrem fortschrittlichen Heimatland brachten die Hugenotten vierzig bis dahin in Berlin nicht gekannte Berufe in die Stadt.[13] Zahlreiche durch die Zuwanderer aufgrund besonderer Privilegien ins Leben gerufene Einrichtungen sind ein weiteres Indiz für ihren Einfluß. Noch heute erinnern daran die Lehrerbibliothek des 1689 als Collège Français gegründeten Französischen Gymnasiums und die erhalten gebliebenen Buchbestände verschiedener Provenienz in der Hugenottenbibliothek im Französischen Dom.
In die Regierungszeit des Kurfürsten Friedrich Wilhelm fällt 1681 die Errichtung der Friedrichswerderschen Lateinschule, der 1701 zum Friedrichswerderschen Gymnasium umgebildeten Bildungsanstalt.[14] Sie besaß eine reiche Bibliothek und erfreute sich im 18. Jahrhundert eines hervorragenden Rufes in Gelehrtenkreisen. Reste ihrer Büchersammlung sind in der Berliner Stadtbibliothek erhalten. Preußischer Absolutismus und Aufklärung (1661-1810) Wie andere absolutistische Herrscher seiner Zeit sah der Große Kurfürst das geistige Leben seines Landes als eine Komponente für die Entwicklung absolutistischer Hoheit und persönlichen Glanzes. Besonders bedeutsam für die Entfaltung der Wissenschaft in Berlin wurde seine während seines Feldzuges gegen das Königreich Dänemark im Jahre 1659 getroffene Entscheidung, die fürstliche Privatbibliothek als Churfürstliche Bibliothek zu Cölln an der Spree im zweiten Stockwerk des Apothekenflügels des Berliner Schlosses einem begrenzten Lesepublikum, vor allem aus Hof- und Gelehrtenkreisen, zur Nutzung zu öffnen. Friedrich Wilhelm hatte erkannt, daß die Förderung der Wissenschaft eine Voraussetzung für die kulturelle und wirtschaftliche Entwicklung seines während des Dreißigjährigen Krieges schwer verwüsteten Kurfürstentums darstellte. Das persönliche Interesse des bücherliebenden Kurfürsten an der Bibliothek hat sehr zur Förderung dieser Anstalt beigetragen. Zum Zeitpunkt ihrer Eröffnung (1661) besaß die Bibliothek zwischen 5000 und 10.000 Bände, darunter einige große Kostbarkeiten. 1687 wurde auf Veranlassung des Kurfürsten mit dem Bau eines speziellen Bibliotheksgebäudes zwischen Schloß und Spree begonnen, das für 40.000 Bände geplant war. Wäre der Bau nicht nach seinem Tod 1688 eingestellt worden, wäre die Churfürstliche Bibliothek zu Cölln an der Spree die erste deutsche Bibliothek mit einem eigens für sie errichteten Gebäude geworden.
Im Jahre 1688 besaß die Bibliothek 20.000 Drucke und 1600 Handschriften, ein für Berliner Verhältnisse bedeutender, im europäischen Vergleich jedoch bescheidener Bestand. Trotz mancher Schwierigkeiten entwickelte sich die Bibliothek in der Folgezeit zur wichtigsten Schatzkammer der Berliner Wissenschaft und zur größten deutschen wissenschaftlichen Universalbibliothek. Nach verschiedenen Namensänderungen - ab 1701 Königliche Bibliothek und ab 1918 Preußische Staatsbibliothek - ist schließlich aus ihr die heutige Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz hervorgegangen.
Auch in Brandenburg-Preußen fanden die Gedanken der Aufklärung nach einer längeren Vorbereitungsphase Eingang in Politik und Geistesleben. Als Hauptstadt des 1701 zum Königreich proklamierten und im Verlauf des 18. Jahrhunderts unter Friedrich II. zur Großmacht aufsteigenden Preußens wurde Berlin eine Stadt von internationaler Bedeutung. Am 1. Januar 1710 wurden die in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts entstandenen neuen Vorstädte Friedrichswerder, Dorotheenstadt und Friedrichstadt mit Berlin und Kölln zu einer einzigen Stadt zusammengeschlossen. Für die neue zentralisierte Stadtgemeinde, die den Namen Berlin zu führen hatte, wurde ein einziger Magistrat gebildet. Die Einwohnerzahl stieg durch den Zusammenschluß auf 57.000, und schon 1750 zählte Berlin 113.000 Einwohner, am Ende des 18. Jahrhunderts sogar gut 170.000. Damit lag Berlin an sechster Stelle unter den großen europäischen Städten.
Friedrich Wilhelms Nachfolger, Friedrich III. (1688-1713), der sich 1701 in Königsberg zum König Friedrich I. von Preußen krönen ließ, setzte die Politik der Wissenschafts- und Bildungsförderung seines Vaters fort. In seiner Regierungszeit kam es 1696 nach dem Vorbild der französischen und der italienischen Lehranstalten für Malerei, Bildhauerei und Baukunst zur Gründung der Akademie der Künste und mechanischen Wissenschaften,[15] der ältesten der zahlreichen Vorgängerinstitutionen der heutigen Hochschule der Künste. Die Reste der anfangs bescheidenen Büchersammlung dieser Akademie flossen Ende des 19. Jahrhunderts in die Bibliothek dieser Hochschule. Von besonderer Bedeutung für den Wissenschaftsbetrieb im Königreich Preußen war die 1700 gegründete Kurfürstlich Brandenburgische Societät der Wissenschaften, 1701 umbenannt in Königliche Societät der Wissenschaften.[16] Aus ihr ging 1812 die Königliche Akademie der Wissenschaften (ab 1918 Preußische Akademie der Wissenschaften, 1946 Deutsche Akademie der Wissenschaften) und schließlich die heutige Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften hervor. Ihr erster Präsident war Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716), der, ab 1676 in Hannover tätig, seit 1694 mit dem Berliner Hof in Verbindung gestanden hatte. Die bedeutendsten Gelehrten des 18. Jahrhunderts versammelten sich in der Berliner Wissenschaftsakademie. Seit ihrer Gründung besaß sie eine Bibliothek, die nach ihren vier Klassen gegliedert war. Als zweite wissenschaftliche Bibliothek in Berlin entwickelte sich die Akademiebibliothek neben der Königlichen Bibliothek jedoch langsam.
Für die Hofbibliothek in Berlin beanspruchte Friedrich III. (ab 1701 als König Friedrich I.), angeregt durch das Pariser Beispiel, ab 1699 das brandenburgisch-preußische Pflichtexemplar. Mit diesem auch später nicht mehr aufgegebenen Rechtsanspruch gegenüber dem einheimischen Verlagshandel (oder den Druckern) festigte er die Stellung der Königlichen Bibliothek als eine Einrichtung des Hofes im öffentlichen Bewußtsein. Als Ergebnis der erfolgreichen Bestandsvermehrung unter Friedrich I. wuchs die Königliche Bibliothek bis zum Ende seiner Regierungszeit auf etwa 50.000 Bände.
Der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. (1713-1740) verstand die Wissenschaft vor allem als Hilfsmittel zum Auf- und Ausbau des Militärs. Unter seiner Regierung entstanden daher vorwiegend diesem Zweck dienende Einrichtungen, wie z. B. 1727 die Charité, die aus dem 1710 errichteten Pesthaus hervorging und zu dieser Zeit vor allem Wundärzte und Sanitäter für die Armee ausbildete. Sie ist heute das älteste und traditionsreichste Krankenhaus Berlins und gleichzeitig die älteste medizinische Bildungseinrichtung Deutschlands. Als wissenschaftliche Lehr- und Forschungsstätte baute die Charité später eine bedeutende medizinische Fachbibliothek auf.
Berlin bildete sich im 18. Jahrhundert als Gewerbestandort heraus. Zahlreiche Manufakturen entstanden und die ersten Fabriken wurden gegründet. Zu Beginn des Jahrhunderts hatte Berlin gegenüber traditionellen Handelsstädten wie Leipzig, Frankfurt am Main, Hamburg und der Kunststadt Dresden einen großen Nachholbedarf, ehe es als geistig-kulturelles Zentrum dauerhaft konkurrieren konnte. Das änderte sich in der Regierungszeit Friedrichs II. (des Großen, 1740-1786). Unter ihm wurde Berlin zu einem Zentrum der Aufklärung, namentlich der französischen.
Verhältnismäßig spät hatte der Buchhandel Einlaß in Berlin gefunden, und zwar zu einer Zeit, als er in West- und Süddeutschland in Städten wie Nürnberg, Augsburg, Mainz und Frankfurt am Main schon Perioden der Blüte erlebt hatte. Erst unter Friedrich II. setzte die ununterbrochene Entwicklung des Berliner Buchhandels zu seiner späteren Größe und Bedeutung ein. 1750 besaß Berlin 11 Buchdruckereien[17] und 13 Buchhandlungen, darunter in der Folgezeit so bedeutende wie Haude & Spener, Voß und Nicolai.[18] Sie deckten den Bedarf des sich schnell entwickelnden Berliner Lesepublikums und der Bibliotheken. Friedrich II. widmete sich seit etwa 1770 mit großem Eifer der Königlichen Bibliothek. Am Ende seiner Regierungszeit (1786) war ihr Bestand auf 150.000 Bände angewachsen. 1783/84 konnte sie endlich, hundert Jahre nach dem erstmals geplanten Bibliotheksbau am Schloß, in ein neues selbständiges Gebäude am Opernplatz einziehen, wo sie 130 Jahre verblieb.
Friedrich Nicolai nennt für die Amtszeit Friedrichs des Großen in Berlin Büchersammlungen der Kirchen, Schulen, Gerichte und gelehrter Institute.[19] Unter den Fachbibliotheken waren: die 1770 gegründete Bibliothek des Séminaire de Théologie zur Ausbildung von Theologen der französischen Gemeinde, heute mit Resten als Grundstock der Hugenottenbibliothek erhalten; die Bibliothek des 1770 begründeten Königlichen Bergwerks- und Hüttendepartements, der späteren Bergakademie, deren Restbestände 1916 in die Bibliothek der Technischen Hochschule eingingen; die Bibliothek der 1773 gegründeten Gesellschaft Naturforschender Freunde, deren Existenz Paul Schwenke noch 1906 registrierte,[20] bevor ihr Bestand 1907 als Schenkung an die Humboldt-Universität ging; und die nur für Logenmitglieder zugängliche Bibliothek der Freimaurerloge zu den Drei Weltkugeln, begründet in der Regierungszeit Friedrichs II. und ebenfalls noch bei Schwenke erwähnt.[21]
Besonders interessant ist bei Nicolai 1787 die Aufzählung von 61 größeren Privatbibliotheken in Berlin.[22] Zu ihren Besitzern gehörten Prinzen, hohe Staats- und Stadtbeamte, Theologen, Ärzte, Juristen, Philologen, Privatgelehrte und Kaufleute. Sie alle waren bereit, Studierende mit ihren Sammlungen zu fördern. Diese Privatbibliotheken reichten aber an Umfang und thematischer Vielfalt nicht an die eigene Sammlung des Verlegers, Schriftstellers und Aufklärers Nicolai (1753-1811) heran. Sie umfaßte 16.000 Bände.[23] Teile seines Nachlasses gelangten 1811 in die Königliche Bibliothek, später auch in die Universitätsbibliothek und Berliner Stadtbibliothek. Wie auch anderswo, sind im 18. und 19. Jahrhundert große Privatbibliotheken in die öffentlichen Bibliotheken Berlins gelangt. In die Königliche Bibliothek kam 1817 als Vermächtnis die Privatbibliothek des Diplomaten und Gelehrten Heinrich Friedrich von Diez (1751-1817) mit 17.000 Drucken und 836 Handschriften; 1850 wurde die einzigartige Sammlung des Juristen Freiherr Karl Hartwig Gregor von Meusebach (1781-1847) gekauft, die rund 36.000 Bände zählte.
In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entwickelte sich in Berlin durch das ökonomische Erstarken des Bürgertums und seiner Emanzipation im Zeichen der Aufklärung eine Art von nicht-höfischer Öffentlichkeit. Nach Berichten von Friedrich Nicolai hielten ab 1770 gelehrte Persönlichkeiten öffentliche Vorlesungen und Privatvorlesungen in verschiedensten wissenschaftlichen Disziplinen[24] und sorgten so für die Verbreitung neuester Ideen und Erkenntnisse unter dem bildungshungrigen Bürgertum. Schon vorher hatten gebildete Schichten in privaten Salons, wie denen von Henriette Herz (1764-1847) und Rahel Levin (später Varnhagen von Ense, 1771-1833), eine literarische und künstlerische Geselligkeit in Berlin gepflegt. Dem steigenden Lesebedürfnis eines breiten bürgerlichen Publikums entsprach gegen Ende des Jahrhunderts eine Welle von Verlags-, Zeitschriften- und Zeitungsgründungen. Auch Lesegesellschaften und erste kommerzielle Leihbibliotheken entstanden. So soll der Bestand der um 1745 gegründeten Leihbibliothek des Christian Noack Ende des 18. Jahrhunderts fast 50.000 Bände sowohl wissenschaftlicher als auch belletristischer Literatur umfaßt haben, die gegen eine geringe Gebühr ausgeliehen werden konnten.[25] In die Königliche Bibliothek gelangte später (1907/08) die private Leihbibliothek von Behrendt aus Berlin, die 1794 Bände zählte.
Das Wachstum von Bevölkerung und Wirtschaft wie auch die zunehmenden Aufgaben und Bedürfnisse des Staates führten gegen Ende des 18. Jahrhunderts zur Schaffung weiterer wissenschaftlicher Einrichtungen, die ihrerseits bedeutende Fachbibliotheken aufbauten. So wurde 1790 die Tierarzneischule, die spätere Tierärztliche Hochschule, gegründet, die über eine reiche Büchersammlung verfügte.[26] Diese Hochschule wurde 1934 der Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin angegliedert, und ihre Bibliothek wurde zu einer Abteilung der Universitätsbibliothek. Bis 1939 entwickelte sich die tierärztliche Bibliothek zu einer der größten veterinärmedizinischen Sammlungen der Welt. 1791 erfolgte die Gründung der Artillerie-Akademie, deren Büchersammlung an die 1919 gebildete Deutsche Heeresbücherei überging.[27] 1795 entstand die Berliner Pépinière, eine chirurgisch-medizinische Anstalt für das preußische Militär, die spätere Kaiser-Wilhelm-Akademie für das militärische Bildungswesen, deren Bibliothek nach dem Ersten Weltkrieg den Grundstock für die Deutsche Ärzte-Bücherei gebildet hat[28] und von der heute noch alte medizinische Dissertationen in der Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlins erhalten sind. 1799 wurde die Bauakademie gegründet, deren Büchersammlung zu einem Teil nach Verschmelzung mit der Akademie der Künste in die Sammlung der Hochschule der Künste gelangte. Um 1800 war Berlin vor allem durch sein vielfältiges wissenschaftliches und kulturelles Leben eines der Zentren der Aufklärung in Europa. Von der Reformära bis zur Reichsgründung (1810-1871) Nach der schweren Niederlage Preußens gegen die Franzosen in der Schlacht bei Jena und Auerstedt 1806 war auch Berlin von Oktober 1806 bis Dezember 1808 von napoleonischen Truppen besetzt. Durch tiefgreifende gesellschaftliche Erneuerungen gelang es Preußen anschließend, sich zu einem modernen Staatswesen umzugestalten und so den Anschluß an die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen des beginnenden 19. Jahrhunderts zu finden. Berlin baute im Zuge der Industrialisierung des europäischen Kontinents seine Stellung als Gewerbezentrum aus, und zu den bestehenden Manufakturen kamen neue Industrien hinzu. Berlin wurde die größte Textilstadt Deutschlands und einer der bedeutendsten deutschen Bankplätze. Die Bevölkerung wuchs rapide. 1850 wurden rund 420.000 und 1871, als die preußische Residenzstadt zur Hauptstadt des Deutschen Reiches avancierte, bereits 825.000 Einwohner gezählt. Zu diesem starken Bevölkerungswachstum haben auch die Eingemeindungen von Moabit, Wedding und Gesundbrunnen in das Berliner Stadtgebiet im Jahre 1861 beigetragen.
Von entscheidender Bedeutung für den erneuten Aufschwung Preußens waren die zwischen 1807 und 1818 durchgeführten Reformen auf den Gebieten Haushalt und Finanzen, Militär, Verwaltung und im Bildungswesen, so besonders die Aufhebung der Leibeigenschaft 1807 und die Einführung der Gewerbefreiheit 1810. Mit der Zentralisierung der Steuergesetzgebung bahnte sich in Preußen während dieser Reformzeit eine Stabilisierung der Staatsfinanzen an und somit auch der Bibliotheksetats, in deren Folge der allmähliche Übergang zur geregelten, etatmäßig geordneten Haushaltsführung erfolgen konnte.
Die neue Städteordnung, die zu einer größeren Selbständigkeit der Städte in Verwaltungsangelegenheiten führte, verlieh Berlin 1808 erstmals durch Bildung des Magistrats eine kommunale Selbstverwaltung und gab ihm die Autonomie im Finanzwesen. Sie bedingte 1815 die Einrichtung einer Magistratsbibliothek im Berliner Rathaus. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts verfügte diese über umfangreiche und wertvolle Sammlungen. 1934 wurde sie in Ratsbibliothek umbenannt. Nach erheblichen Kriegsverlusten sind die noch erhaltenen geringen Restbestände in der Berliner Stadtbibliothek aufgegangen.
Besondere Aufmerksamkeit widmeten die Reformer der Verbesserung des preußischen Bildungswesens. Auf Drängen von Berliner Gelehrten und durch Betreiben von Wilhelm von Humboldt (1767-1835) kam es 1810 zur Gründung der Berliner Universität. War die Königlich Preußische Akademie der Wissenschaften in erster Linie eine Gelehrtengesellschaft, so diente die Universität (ab 1828 Friedrich-Wilhelms-Universität und ab 1949 Humboldt-Universität) vor allem der Ausbildung von Studenten. Zunächst übernahm die Königliche Bibliothek die Versorgung der Universität mit Literatur. Die rasch steigenden Studentenzahlen machten jedoch die Einrichtung einer eigenen Universitätsbibliothek unumgänglich. 1831 als Abteilung der Königlichen Bibliothek gegründet, verblieb sie bis 1873 unter deren Oberaufsicht. Bis 1879 ohne festen Etat, entwickelte sich die Universitätsbibliothek nur langsam von einer studentischen Handbibliothek zu einer größeren wissenschaftlichen Bibliothek. 1863 verfügte sie über nicht mehr als 70.000 Bände.[29]
Im Zuge der preußischen Bildungsreform kam es zu einem stürmischen Aufschwung in der Entwicklung der Gymnasien, namentlich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die meisten verfügten über eine eigene Bibliothek. So gab es 1893 in Berlin 26 Bibliotheken höherer Schulen mit einem Bestand von fast 170.000 Bänden gedruckter Schriften und 679 Handschriften. Der jährliche Vermehrungsetat betrug 18.050 Mark.[30] Die Bestände dieser Schulbibliotheken wurden später auf andere Sammlungen verstreut.[31]
Dem Gedanken der deutschen Aufklärung, breiten Schichten der Bevölkerung Information und Wissen zu vermitteln, entsprach die Forderung nach volksnahen Büchereien oder nach einer Öffnung der Bibliotheken auch für ärmere Schichten. Diesem Anliegen kamen die in Berlin existierenden bibliothekarischen Einrichtungen damals keineswegs nach. Der Zugang zu wissenschaftlicher und auch politischer Information war faktisch bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts für den größten Teil der Bevölkerung nur sehr beschränkt möglich. Um diese Zeit entstanden dann aber neben den bereits vorhandenen kommerziellen Leihbüchereien allmählich und zögerlich die ersten Volksbibliotheken. Den Impuls zur Gründung des Berliner städtischen Büchereiwesens gab der Historiker und Kulturpolitiker Friedrich von Raumer (1781-1873), der 1841 auf einer Reise durch die Vereinigten Staaten einen nachhaltigen Eindruck von den amerikanischen Volksbibliotheken erhalten hatte und mit seiner Denkschrift vom 27. April 1846 dem Berliner Magistrat 4000 Taler zur Errichtung von vier Volksbüchereien anbot. Tatsächlich wurden am 1. August 1850 in bescheidenen Schulräumen diese vier Bibliotheken mit einem Gesamtbestand von 4700 Bänden eröffnet. Sie wurden nebenamtlich von Lehrern verwaltet und hauptsächlich von Handwerkern und Gewerbetreibenden benutzt. 1883 hatte Berlin bereits 24 Volksbüchereien mit einem Gesamtbestand von rund 99.700 Bänden.[32] Die weitere Entwicklung des Bibliothekswesens in Berlin ist, wie in ganz Deutschland, gekennzeichnet durch die Herausbildung zweier Bibliothekszweige: der wissenschaftlichen Bibliotheken und der Volksbibliotheken, aus denen sich die heutigen Öffentlichen Bibliotheken ergeben haben.
Die preußischen Reformen führten vor allem zur Gewerbefreiheit, die eine Befreiung des wirtschaftlichen Lebens von den Fesseln des feudalen Zunftzwanges bedeutete. Die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch in Preußen einsetzende industrielle Revolution verlangte mit der Ausprägung der technischen Wissenschaften auch nach Verbreitung technischer Kenntnisse unter Handwerkern und Kaufleuten. 1821 wurde in Berlin ein Gewerbeinstitut eingerichtet, d. h. eine Schule für angehende Werkmeister und Fabrikanten; 1866 umbenannt in Gewerbeakademie, baute sie eine respektable Fachbibliothek mit Büchern und Zeitschriften meist technologischen Inhalts auf.[33] Im Zusammenhang mit der industriellen Entwicklung in Preußen stand auch die Schaffung der Bergakademie zur Ausbildung von Ingenieuren, die 1860 aus dem 1770 gegründeten Bergwerks- und Hüttendepartement hervorging. Ende des 19. Jahrhunderts verfügte ihre Bibliothek über knapp 40.000 Bände technischer und naturwissenschaftlicher Literatur.[34]
Von den vor der Reichsgründung in Berlin entstandenen Hochschulbibliotheken können, ebenso wie von den Bibliotheken wissenschaftlicher Gesellschaften und Vereine und den Bibliotheken wissenschaftlicher Institute und Museen, hier nur einige genannt werden. 1869 wurde die Bibliothek der Königlichen Hochschule für Musik gegründet, die heute mit ihren Restbeständen Teil der Bibliothek der Hochschule der Künste ist. Unter den Bibliotheken wissenschaftlicher Institute und Museen sind die Bibliothek des Botanischen Gartens und des Botanischen Museums (gegr. 1815, heute Teil der Freien Universität) sowie die Zentralbibliothek der Staatlichen Museen zu Berlin (gegr. 1830), zu der zahlreiche Bibliotheken gehörten, wie die Bibliothek des Kupferstichkabinetts (gegr. 1831), die Bibliothek des Museums für Völkerkunde (gegr. 1873), die Bibliothek des Museums für Volkskunde (gegr. 1889) und die Kunstbibliothek (gegr. 1867), seit 1894 Teil der Staatlichen Museen.
Im 19. Jahrhundert schlossen sich in Berlin wie anderswo Wissenschaftler zu gelehrten Vereinigungen zusammen, die beachtliche Spezialbibliotheken aufbauten. Dazu gehören die Bibliothek der Berlinischen Gesellschaft für Deutsche Sprache (gegr. 1814; bestand bis 1894), heute mit Restbeständen in der Berliner Stadtbibliothek; die Bibliothek der Deutschen Gartenbau-Gesellschaft (gegr. 1822), seit 1965 eingegangen in die Bücherbestände der Technischen Universität;[35] die Bibliothek der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin (gegr. 1828), heute wieder Eigentum der Gesellschaft, vorläufig mit Standort in der Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz; die Bibliothek des Vereins für die Geschichte Berlins (gegr. 1865), die 1941 mit einem Bestand von rund 20.000 Bänden als Depositum an die Berliner Stadtbibliothek gelangte, wo sie noch in Resten erhalten ist; die Bibliothek der Chemischen Centralstation und Laboratoriums des Vereins für die Rübenzuckerindustrie (gegr. 1867), heute Bestandteil der Universitätsbibliothek der Technischen Universität; die Bibliothek des Vereins Herold (gegr. 1869), die noch heute als Bibliothek der ältesten Fachgesellschaft für Wappen-, Siegel- und Familienkunde in Europa existiert.
Im Bereich der Evangelischen Kirche ist die 1824 als Bibliothek der Gesellschaft zur Beförderung der evangelischen Missionen unter den Heiden zu nennen (ab 1908 Bibliothek der Berliner Missionsgesellschaft bzw. des Berliner Missionswerkes). Zu den wenigen vor der Reichsgründung geschaffenen Behördenbibliotheken, deren Bestände in fast allen Fällen nicht mehr nachgewiesen werden können, gehören zwei noch existierende Sammlungen von Kirchenbehörden: die Bibliothek des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD; gegr. 1849) und die Bibliothek der Kirchenkanzlei der Evangelischen Kirche der Union, 1850 als Bibliothek für den Evangelischen Oberkirchenrat (EOK) eingerichtet.[36] Die Bibliothek der Kriegsakademie wurde 1810 gegründet und gehörte zum Großen Generalstab. Als 1919 auf Grund des Versailler Vertrages die Auflösung des deutschen Generalstabes verfügt wurde, übergab die oberste Heeresleitung die wertvolle Kartensammlung der Akademie der Preußischen Staatsbibliothek,[37] wo sie noch erhalten ist. Von der Reichsgründung bis zum Ende der Weimarer Republik (1871-1932) Zwischen der Reichsgründung 1871 und dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges erlebte Berlin einen beispiellosen wirtschaftlichen Aufschwung und enorme Zuwanderungen. In nur vierzig Jahren stieg die Zahl der Einwohner innerhalb der traditionellen Stadtgrenzen um das Eineinhalbfache auf zwei Millionen. Den größten Teil dieses Zuwachses stellte das städtische Proletariat. Der gesamte Ballungsraum Berlins mit den stadtnahen Siedlungen hatte 1914 rund 3,7 Millionen Einwohner, ebenso viele wie Paris.
Der Erste Weltkrieg und das Ende des Kaiserreichs im Jahre 1918 belasteten die wirtschaftliche Entwicklung Berlins in starkem Maße. Das Wachstum der Bevölkerung wurde jedoch nur kurz unterbrochen. 1920 wurde Berlin mit den angrenzenden Städten, Landgemeinden und Gutsbezirken zur Einheitsgemeinde Groß-Berlin verschmolzen. Damit waren die administrativen Voraussetzungen für die Entwicklung Berlins zur Metropole geschaffen. Die neue Stadt, in zwanzig Bezirke mit weitgehendem politischem Selbstverwaltungsrecht gegliedert, erstreckte sich über ein Gebiet von 878 Quadratkilometern und war damit eine der größten Städte der Welt. Mit 3,86 Millionen Einwohnern rangierte Berlin hinter New York und London an dritter Stelle. Gleichzeitig wuchs Berlin zum bedeutendsten Industriestandort des Kontinents. Es war Handels-, Finanz- und Dienstleistungszentrum des Reichs sowie ein wichtiger europäischer Verkehrsknotenpunkt. Etwa ein Zwölftel aller deutschen Unternehmen war in der Stadt niedergelassen und beschäftigte etwa 2,5 Millionen Menschen, zehn Prozent aller Beschäftigten im Deutschen Reich. Inflation und Weltwirtschaftskrise bedeuteten zwar einen tiefen Einschnitt für das Wirtschaftsleben, dennoch erlebte die Stadt kulturell eine weltweit beachtete Blütezeit. Bis 1933 stieg die Bevölkerungszahl der Metropole weiter auf 4,24 Millionen.
Mit der Intensivierung der wissenschaftlichen Arbeit im 19. Jahrhundert, im naturwissenschaftlichen, geisteswissenschaftlichen und technischen Bereich sowie in der Medizin, wurde Berlin am Ende des Jahrhunderts zu einem Zentrum der Wissenschaften von weltweiter Bedeutung. Mit der Reichsgründung von 1871 wurde es auch zum administrativen Mittelpunkt des Landes, in dem sich wichtige politische Entscheidungsprozesse bündelten. Das Bibliothekswesen in Berlin reagierte auf diese veränderten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedingungen in erster Linie durch den Aufbau der wissenschaftlichen Bibliotheken und durch die Verbesserung der breite Bevölkerungsschichten mit anspruchsvoller Literatur versorgenden Volksbüchereien. In beiden Bibliothekszweigen vollzogen sich daher in Berlin um die Jahrhundertwende tiefgehende Reformprozesse.
Die Zahl der Volksbüchereien war bis 1895 zwar auf 27 gestiegen, diese befanden sich aber zumeist in einem kümmerlichen Zustand. Durch private Initiative des sozialdemokratischen Verlegers Hugo Heimann (1859-1951) kam es 1899 zur Eröffnung der ersten Arbeiterbibliothek. Sie trug den Namen Öffentliche Bibliothek und Lesehalle zur unentgeltlichen Benutzung für jedermann. Von ihrem Gründer bis 1919 finanziert, wurde sie ab 1920 vom Magistrat als Volksbücherei weitergeführt bis zu ihrer Zerstörung durch Luftangriffe im Zweiten Weltkrieg. Mehr als tausend Bände der Heimannschen Bibliothek wurden 1920 in die Berliner Stadtbibliothek übernommen und sind hier erhalten geblieben.[38] Eingerichtet nach dem Vorbild der angelsächsischen Public Library, wurde die Heimannsche Arbeiterbibliothek für die Berliner Volksbüchereien zum Vorbild.
Ebenfalls auf private Initiative ging 1892 die Gründung der Deutschen Gesellschaft für ethische Kultur zurück, auf deren Betreiben im Januar 1895 die erste öffentliche Lesehalle in Berlin eröffnet wurde, gleichfalls nach dem Vorbild entsprechender Einrichtungen in Großbritannien und den USA. 1913 standen der Berliner Bevölkerung insgesamt 13 Lesehallen zur Verfügung.[39] 1898 wurde auf Initiative eines privaten Komitees und zum Teil mit Hilfe von Spenden die Charlottenburger Stadtbücherei eröffnet, die erste städtische Bücherei Berlins und damit Preußens. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude ihrer Hauptstelle bei einem Bombenangriff völlig zerstört. Von den Berliner Stadtbüchereien muß die in Wilmersdorf besonders genannt werden. Gegründet 1919 und eröffnet 1920 in den Bibliotheksräumen des früheren Joachimsthalschen Gymnasiums, bewahrt sie seit 1931 die einzige geschlossene Privatsammlung mit historischem Buchbestand eines jüdischen Gelehrten, des Berliner Kultur- und Literaturhistorikers Ludwig Geiger (1848-1919).
Ein neuer Abschnitt in der Entwicklung des städtischen Büchereiwesens wurde 1901 mit der Gründung der Berliner Stadtbibliothek eingeleitet. Zunächst nur als Zentralbibliothek für die Volksbüchereien gedacht, entwickelte sie sich nach ihrem Umzug in den Marstall im Januar 1920 zu einer der gesamten Bevölkerung zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen Allgemeinbibliothek.
Auch das wissenschaftliche Bibliothekswesen bedurfte der Reformen, denn den steigenden Anforderungen von Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft konnten nach der Reichsgründung von 1871 weder die Königliche Bibliothek noch die Universitätsbibliothek entsprechen. Die Forderung namhafter Berliner Gelehrter, die Königliche Bibliothek zur Nationalbibliothek bzw. Reichsbibliothek nach dem Beispiel der Bibliothèque Nationale in Paris auszubauen und ihr damit mehr Mittel, ein neues, größeres Gebäude und überhaupt umfassende Möglichkeiten zur Befriedigung des wissenschaftlichen Lesebedarfs zu geben, scheiterte an der Kulturhoheit, die nicht an das Reich überging, sondern bei den Ländern verblieb. Daß das Reich höhere Aufgaben im kulturellen Bereich zu erfüllen hatte, als sie von der Mehrzahl der Länder wahrgenommen werden konnten, erkannte vor allem Friedrich Althoff, von 1882 bis 1907 Ministerialdirektor im Preußischen Kultusministerium. Er sah eine vordringliche Aufgabe darin, die Königliche Bibliothek als Landesbibliothek Preußens so auszubauen, daß sie einer Reichsinstitution gleichkam. Bis 1913 konnte eine mehrmalige Anhebung des Etats der Königlichen Bibliothek und schließlich der Umzug in einen für sie errichteten Monumentalbau erreicht werden, der im März 1914 feierlich eröffnet wurde. Der Bestand der Königlichen Bibliothek wuchs unter diesen Maßnahmen von ca. 600.000 Bänden im Jahre 1870/71 auf 1,5 Millionen im Jahre 1913 an.
Trotz intensiver Sammeltätigkeit genügte die Königliche Bibliothek seit etwa 1880 mit ihrem Prinzip des Universalismus beim Bestandsaufbau nicht mehr den Ansprüchen der Spezialforschung in ihrer fortschreitenden Differenzierung. Das galt auch für die Universitätsbibliothek, deren Bestand bis 1913 auf 278.000 Bände anwuchs und die die zweite große wissenschaftliche Universalbibliothek in Berlin darstellte. Die unverkennbare Tendenz zur Auffächerung der Einzeldisziplinen forderte seit Ende des 19. Jahrhunderts an der Universität die Gründung einer Vielzahl von Fakultäts-, Instituts- und Seminarbibliotheken, die, in verschiedenen Teilen Berlins gelegen, eine bewußte Autarkie gegenüber der Zentralbibliothek vertraten.
Auf Betreiben von Friedrich Althoff gelang es der Königlichen Bibliothek und den preußischen Universitätsbibliotheken, um die Jahrhundertwende durch Gemeinschaftsunternehmen den ersten Schritt ins Überregionale zu tun und damit zum ersten Mal Bibliothekare an den verschiedenen Orten zu gemeinsamer Arbeit zusammenzuführen. Dieser kooperative Verbund wurde in den folgenden Jahren auf alle deutschen wissenschaftlichen Bibliotheken ausgedehnt und erlangte schließlich internationale Dimensionen. Organisatorischer Mittelpunkt und Zentrale dieser bibliothekarischen und bibliographischen Gemeinschaftsunternehmen war die Königliche Bibliothek in Berlin und, ab 1918, ihre Nachfolgerin, die Preußische Staatsbibliothek. Bis 1913/14 entwickelte sie sich zur größten deutschen wissenschaftlichen Gebrauchsbibliothek. In der Folgezeit entfaltete sie eine weltweite Wirksamkeit und gewann auch weltweit Anerkennung. Damit spielte Berlin auch zwischen den beiden Weltkriegen eine führende Rolle im deutschen Bibliothekswesen und in der internationalen Bibliothekswelt.
Die fortschreitende Industrialisierung und technische Entwicklung machte organisatorische Veränderungen im Ausbildungswesen unumgänglich. So wurde 1879 in Berlin durch Zusammenlegung der Gewerbeakademie und der Bauakademie die Technische Hochschule gegründet. Nach ihrem Umzug in den Charlottenburger Neubau (1884) wurden auch die Bibliotheken der Vorgängerinstitute vereinigt. Mit etwa 40.000 Bänden verfügte die Hochschule zu jener Zeit bereits über eine herausragende Sammlung technischer und naturwissenschaftlicher Literatur in Deutschland. 1931/32 besaß sie 200.000 Bände (ohne Dissertationen) und war damit unter den Bibliotheken der elf Technischen Hochschulen Deutschlands zur größten und bedeutendsten aufgestiegen.[40]
Auf Pläne Friedrich Althoffs ging die 1911 gegründete Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften zurück. Führenden Wissenschaftlern sollte die Möglichkeit gegeben werden, außerhalb der Hochschulen, d. h. frei von der Belastung des Lehrbetriebes, vor allem naturwissenschaftliche Grundlagenforschung zu betreiben. Damit trat neben die vorwiegend geisteswissenschaftliche Forschung an der Königlichen Akademie der Wissenschaften mit entsprechendem Schwergewicht die naturwissenschaftliche. Bis 1933 umfaßte die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft 33 Institute und Einrichtungen. Für 1927 wurden auf ihrem Gelände der ehemaligen Domäne Dahlem sieben Spezialbibliotheken zu einzelnen Fachgebieten registriert.[41] In der Regel waren diese nur Angehörigen der jeweiligen Forschungseinrichtungen zugänglich.
So fächerte sich das wissenschaftliche Bibliothekswesen Berlins nach der Reichsgründung mit jedem neu gegründeten Institut und mit vielen neuen wissenschaftlichen Gesellschaften weiter auf. Unter den neuen Spezialbibliotheken waren: die Bücherei des Deutschen Geometervereins (gegr. 1873), heute als Eigentum des Deutschen Vereins für Vermessungswesen e. V. mit einem wertvollen und umfangreichen Altbestand in der Technischen Universität vorhanden;[42] die Bibliothek der Landwirtschaftlichen Hochschule (gegr. 1881), die bei ihrer Übernahme durch die Berliner Universität (1934) ca. 96.500 Bände hatte, 1944 einen Bestand von ca. 106.500 Bänden aufwies und 1945 durch die Bombardierung 80 Prozent ihres Bestandes verlor; die Bibliothek des Instituts für Infektionskrankheiten (gegr. 1891), heute mit reichem Altbestand als eine der führenden Spezialsammlungen erhalten im Robert-Koch-Institut in Berlin[43] (ein Teilbestand zur Geschichte der Pockenimpfung befindet sich als sogenannte Impfbibliothek in der Berliner Stadtbibliothek); und die Bibliothek der Treptower Sternwarte (gegr. 1896), heute Bibliothek der Archenhold-Sternwarte. Überdies gehören dazu die Bibliothek des Märkischen Museums (gegr. 1874); die Deutsche Lehrerbücherei (gegr. 1875), heute mit Restbeständen erhalten in der Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung; die Bibliothek des Touristenclubs für die Mark Brandenburg (gegr. 1884), aufgegangen in der Bibliothek der Landesgeschichtlichen Vereinigung für die Mark Brandenburg e. V.; und die Bibliothek des Ibero-Amerikanischen Instituts (gegr. 1930), heute eine Einrichtung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz.
Seit 1871 war Berlin als Hauptstadt Standort einer ganzen Reihe von neugeschaffenen Reichsbehörden; viele bestehende Verwaltungen wuchsen sich zu großen bürokratischen Apparaten aus. Nach Gründung der Weimarer Republik gab es hier zwar Reduktionen, aber es kamen auch wieder neue Reichsbehörden hinzu. Unter den Bibliotheken staatlicher Institutionen mit beachtlichem Bestand waren die Reichstagsbibliothek (gegr. 1872), die 1927 bereits über ca. 268.000 Bände verfügte;[44] die 25 Jahre ältere Bibliothek des Preußischen Abgeordnetenhauses (gegr. 1848, organisatorisch aber erst 1896 selbständig geworden); die Bibliothek des Reichsamtes des Innern (begründet mit dem Bundeskanzleramt 1866), die spätere Bücherei des Reichsministeriums des Innern; die Bibliothek des Reichsjustizministeriums (gegr. 1877); die Bücherei des Reichspatentamtes (gegr. 1877), die 1927 über 280.000 Bände und 6,4 Millionen Patentschriften verfügte;[45] die Bibliothek des Reichswirtschaftsministeriums (gegr. 1919); und die Bibliothek des Preußischen Oberverwaltungsgerichts (gegr. 1875), die erhalten geblieben ist und seit 1953 den Grundstock der Bibliothek des Bundesverwaltungsgerichts in Berlin bildet.[46]
Mit der Aufhebung der staatlich sanktionierten Diskriminierung der Juden im Jahre 1850 wurden diese den Bürgern Preußens juristisch gleichgestellt. Es setzte ein Emanzipations- und Assimilationsprozeß ein, der die jüdische Bevölkerung auf das allmähliche Verschwinden politischer und wirtschaftlicher Benachteiligungenn hoffen ließ. 1895 lebten in Berlin 94.000 Juden; das entsprach einem Bevölkerungsanteil von 5,7 Prozent. Innerhalb dieser jüdischen Gemeinde entwickelte sich allmählich ein reges kulturelles Leben, das auf die Wahrung jüdischer Identität gerichtet war. So wurden 1872 der Verein für Kultur und Wissenschaft der Juden und die Hochschule für die Wissenschaft des Judentums ins Leben gerufen. Die Bibliothek der Hochschule zählte 1927 ca. 45.000 Bände.[47] 1873 wurde das Rabbinerseminar in Berlin gegründet, das zugleich eine Bibliothek einrichtete, die 1927 ca. 21.000 Bände besaß.[48] Mittelpunkt vielfältiger kultureller Aktivitäten war das Jüdische Gemeindezentrum in der Oranienburger Straße, das ab 1902 auch eine Bibliothek beherbergte. Um 1930 war ihr Bestand auf mehr als 60.000 Bände angewachsen.[49] 1938 erzwangen die Nationalsozialisten die Schließung der inzwischen auf über 100.000 wissenschaftliche und belletristische Werke angewachsenen Bibliothek des jüdischen Gemeindehauses. Berliner Bibliotheken während des Nationalsozialismus Durch die faschistische Machtergreifung geriet auch die Berliner Wissenschaft innerhalb kürzester Zeit unter den Einfluß der nationalsozialistischen Diktatur. Der totalitäre Staat setzte brutal die Ideologisierung, Gleichschaltung und Neuordnung des Wissenschafts- und Hochschulbetriebes durch. Sichtbares Zeichen der nationalsozialistischen Machtübernahme im wissenschaftlichen und künstlerischen Bereich war die Aktion wider den undeutschen Geist, die in einigen deutschen Universitätsstädten im April und Mai 1933 zu öffentlichen Bücherverbrennungen führte, organisiert vom Hauptamt für Aufklärung und Werbung der Deutschen Studentenschaft. Die Berliner Aktion fand am späten Abend des 10. Mai auf dem Opernplatz vor dem ehemaligen Gebäude der Königlichen Bibliothek statt. Nationalsozialistische Studentengruppen hatten schon Tage zuvor die zur Vernichtung bestimmte Literatur auf Lastkraftwagen aus Öffentlichen Bibliotheken und einzelnen Institutsbibliotheken abtransportiert. Ihrer Zerstörungswut hatten sie vor allem in der Bibliothek des Instituts für Sexualforschung im Tiergarten freien Lauf gelassen. Der jüdische Mediziner Dr. Magnus Hirschfeld (1868-1935) hatte 1919 dieses Institut begründet und hier eine in ihrer Vielfalt einzigartige Bibliothek mit über 40.000 Bänden aufgebaut, bevor er sich bereits 1930 zur Emigration aus Deutschland gezwungen sah. Über 10.000 Bände dieser Bibliothek wurden am 10. Mai auf dem Opernplatz verbrannt.[50]
Den Bücherverbrennungen folgte bis 1935 die Aussonderung undeutschen Schrifttums, d. h. politisch und ideologisch unerwünschter Literatur, aus den massenwirksamen Volksbüchereien und die strenge Separierung solcher Titel sowie ihre maximale Benutzungseinschränkung in den wissenschaftlichen Bibliotheken. Die im Oktober 1935 von der Reichsschrifttumskammer herausgegebene offizielle und bindende Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums mit rund 5580 Titeln nahm (gemäß Paragraph 5) wissenschaftliche Bibliotheken von den Säuberungsmaßnahmen ausdrücklich aus.[51]
Ab 1934 wurden von dem nationalsozialistischen Regime ganze Bibliotheken aufgelöst, so in Berlin einige Behördenbibliotheken aus der Zeit der Weimarer Republik, ferner nach der erzwungenen Selbstauflösung der Freimaurerlogen deren Sammlungen und schließlich nach der Kristallnacht von 1938 die Bibliotheken aus jüdischem Besitz, etwa die Bibliothek der Berliner Jüdischen Gemeinde. Das weitere Schicksal der Buchbestände der Freimaurer und der jüdischen Einrichtungen läßt sich nicht mehr rekonstruieren. In die Preußische Staatsbibliothek gelangten nach 1934 Teilbestände u. a. aus der aufgelösten Bibliothek der Stiftung Preußenland (früher Bibliothek des Preußischen Abgeordnetenhauses), aus der Bibliothek des früheren Preußischen Staatsrates und des ehemaligen Preußischen Heroldsamtes sowie aus der Bibliothek der SPD. Aus dem Besitz von Freimaurerlogen wurde einige Literatur zwischen 1937 und 1940 in die Bestände der Preußischen Staatsbibliothek eingearbeitet.
Das nationalsozialistische Regime löste auch viele Verbände und Gesellschaften auf, so daß deren Bibliotheken ebenfalls ein ungewisses Schicksal hatten. 1938 wurde die Gesellschaft für deutsche Literatur, die unter dem Vorsitz des als Halbjude diskriminierten Berliner Theaterwissenschaftlers Max Herrmann (1865-1942) stand, zwangsweise aufgelöst. Aufgrund eines Vertrages der Gesellschaft mit der Königlichen Bibliothek aus dem Jahre 1906 übergab Professor Herrmann die von ihm 1897 begründete Bibliothek deutscher Privat- und Manuskriptdrucke der Preußischen Staatsbibliothek. Diese einzigartige Sammlung von 10.000 Theaterstücken und 5000 Privatdrucken überdauerte die Kriegseinwirkungen nur in wenigen Drucken. Professor Herrmann verstarb 1942 im Konzentrationslager Theresienstadt.[52]
Keinerlei Unterschiede zwischen Wissenschaftlichen und Öffentlichen Bibliotheken machte das nationalsozialistische Regime bei seinen personalpolitischen Maßnahmen. Eine ganze Reihe von Berliner Bibliotheksmitarbeitern in beiden Bibliothekszweigen wurde unmittelbar nach der Machtergreifung auf Grund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 aus politischen oder rassischen Gründen aus dem Dienst entfernt oder zwangsweise versetzt. Den größten Aderlaß erlitt die Preußische Staatsbibliothek, die 14 Mitarbeiter, darunter namhafte Gelehrte, bis Ende 1935 verlor.
Der Nationalsozialismus bediente sich in seinen programmatischen Entwürfen des Fundus der völkisch-nationalen Traditionen seit der Jahrhundertwende. Mit gigantischen stadtplanerischen Entwürfen des Generalinspektors für die Reichshauptstadt, Albert Speer, wollte man Berlin in ein Germania nationalsozialistischer Prägung verwandeln. Im Juni 1938 berichtete Ministerialrat Dr. Rudolf Kummer aus dem Reichserziehungsministerium auf der 34. Versammlung des Vereins Deutscher Bibliothekare in Passau emphatisch von dem Bauvorhaben für die Universitätsbibliothek und die Bibliothek der Technischen Hochschule in der neuen Universitätsstadt Berlins, die unter der Leitung des Generalbauinspektors für die Reichshauptstadt, Prof. Speer, erstehen soll.[53] Nur wenig wurde von den hochfliegenden Plänen des nationalsozialistischen Regimes realisiert, schon gar nicht diese Bibliotheksbauten.
Was die innere Struktur der deutschen Bibliotheken betraf, ergaben sich während der nationalsozialistischen Herrschaft keine wesentlichen Veränderungen. Nach der massenhaften Aussonderung oder Sekretierung verfemter Bücher und der Entfernung politisch sowie rassisch unerwünschter Mitarbeiter, wurden die existierenden Bibliotheken, einschließlich der meisten Büchersammlungen aus der Weimarer Republik, in den weiterbestehenden Reichsministerien fortgeführt. Die Nationalsozialisten bauten kein eigenes Büchereiwesen auf, da sie erstaunlich schnell die Gleichschaltung des bestehenden staatlichen Bibliothekswesens erreichen konnten. Wenn von einem Büchereiwesen der NSDAP gesprochen werden kann, so nur im Zusammenhang mit parteieigenen Einrichtungen und Aufgaben, deren Lösung sich das NS-Regime vorgenommen hatte. In der Mehrzahl hatten diese Parteibibliotheken einen ausgesprochen ideologischen Schulungs- und Erziehungscharakter.[54] Unter den Bibliotheken der NSDAP in Berlin waren (mit Bestandsangaben aus dem Jahre 1942[55] ): die Bücherei des Amtes für Schrifttumspflege (Reichsstelle zur Förderung des Deutschen Schrifttums), das Alfred Rosenberg als Beauftragter des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP leitete, mit 53.000 Bänden; die Bibliothek des Außenpolitischen Schulungsamtes der NSDAP mit rund 22.000 Bänden; die Zentralbücherei der Deutschen Arbeitsfront (gegr. 1934 und 1936 überführt in das Arbeitswissenschaftliche Institut der Deutschen Arbeitsfront) mit 132.000 Bänden (ihr Grundstock wurde nach der Machtergreifung aus ehemaligen Gewerkschafts- und Angestelltenbüchereien zusammengetragen[56] ); und die Reichsjugendbücherei der Hitler-Jugend (gegr. 1933) mit rund 20.000 Bänden.
Wie für das gesamte deutsche Bibliothekswesen, so hatte der Zweite Weltkrieg auch für die Berliner Bibliotheken katastrophale Folgen. Bereits in den ersten Kriegstagen ergriffen fast alle deutschen Bibliotheken besondere Sicherungsmaßnahmen für Bücher und Kataloge, die sie bis zum Kriegsende beibehielten. Auch in Berlin war bereits in den ersten Kriegsjahren ein großer Teil der Bücherbestände unbenutzbar geworden, da sich fast alle Bibliotheken angesichts des eskalierenden Luftkrieges, zunächst mit ihren Rara, nach 1941 aber mit Teilen ihres Hauptbestandes, auf der Flucht aus der Hauptstadt zu verschiedenen, über das ganze damalige Reichsgebiet verstreuten Bergungsorten befanden. Millionen von Bänden wurden durch ganz Deutschland bewegt. Die Preußische Staatsbibliothek nahm bis Anfang 1945 eine nahezu vollständig durchgeführte Gesamtverlagerung ihrer über 3,03 Millionen Bände Druckwerke und etwa 71.000 Handschriften an 30 Bergungsorte vor, die später zu drei Besatzungszonen, zur Tschechoslowakei und zu Polen gehörten. Die Verluste der Bibliotheken erreichten ein ungeheures Ausmaß, da auch an den Zufluchtsorten die Bestände nicht sicher waren.
Die Preußische Staatsbibliothek, jahrzehntelang richtunggebend für die Verwaltung aller deutschen wissenschaftlichen Bibliotheken, hat während des Krieges aufs stärkste gelitten. Mit ihren Verlusten und Schäden waren auch die Gemeinschaftsunternehmen der deutschen wissenschaftlichen Bibliotheken zunichte gemacht worden. Georg Leyh schrieb 1947 in einer Analyse der Situation der deutschen wissenschaftlichen Bibliotheken: Es ist nicht die eine oder andere Bibliothek zerstört worden, sondern das hoch gesteigerte deutsche Bibliothekswesen als Ganzes ist zusammengebrochen und muß aus den Ruinen wiederaufgebaut werden .... Es ist eine Katastrophe, die in der Geschichte der Bibliotheken und in der Geschichte der Wissenschaft keinen Vergleich hat.[57] Im Hinblick auf Berlin stellte er fest, daß die Bibliotheken in Berlin weitgehend vernichtet sind.[58]
Besonders stark waren das Zentrum und der Westteil Berlins durch Bombenangriffe in Mitleidenschaft gezogen worden. Bis zu den letzten Apriltagen 1945 kam es in der Stadtmitte durch erbitterte Straßenkämpfe zu weiteren sinnlosen Zerstörungen. Das monumentale Gebäude der Preußischen Staatsbibliothek, in dem seit 1914 auch die Akademiebibliothek und seit 1922 die Berliner Universitätsbibliothek untergebracht waren, trug eine Zerstörung von fast 50 Prozent davon. Schon im November 1943 waren das Gebäude und die Bibliothek der Technischen Hochschule mit rund 250.000 Bänden, 100.000 Dissertationen und einer großen Patentschriftensammlung nahezu vollständig vernichtet worden. Verbrannt ist damals die unersetzliche Bibliothek des Botanischen Gartens (gegr. 1815) mitsamt Katalogen und Inventarbüchern.
Während die nicht verlagerten Bestände der Berliner Universitätsbibliothek in einer Größenordnung von fast einer Million Bänden wie durch ein Wunder unversehrt in dem teilweise zerstörten Gebäude geblieben waren, hatten die Spezialsammlungen von Universitätsinstituten in anderen Gebäuden große Schäden erlitten. Die Bibliothek des Instituts und Museums für Meereskunde (gegr. 1900), die 1927 einen Spezialbestand von 11.300 Bänden aufgewiesen hatte, verbrannte nahezu vollständig im zerstörten Gebäude. Die Einrichtung wurde 1947 aufgelöst. Die Bibliothek des Juristischen Seminars (gegr. 1875), die 1943 mit ihren 150.000 Bänden zu den größten juristischen Fachbibliotheken Deutschlands gehörte, verlor den größten Teil ihrer Bestände und auch die Kataloge. Die Bibliothek des Kunstgeschichtlichen Seminars (gegr. 1875) muß praktisch als Kriegsverlust bezeichnet werden. Die Bibliothek des Seminars für Romanische Philologie (gegr. 1896) verlor im November 1943 durch Bombenangriffe den größten Teil ihres Bestandes und die Kataloge. Die Bibliothek des Slavischen Seminars (gegr. 1925), die 1944 ca. 32.000 Bände besaß, wurde durch Kriegseinwirkungen auf ca. 12.000 Bände reduziert.
Verbrannt war auch die Handbibliothek des Lesesaals der Berliner Stadtbibliothek im Marstall; ferner in dem zerstörten Teil des Schlosses die Spezialsammlung zur Geschichte der Hohenzollern in Gestalt der Bibliothek des Brandenburgisch-Preußischen Hausarchivs (gegr. 1850). Vollständig vernichtet wurde hingegen die Bibliothek der Deutschen Hochschule für Politik (gegr. 1920).
Diese Aufzählung ließe sich fortsetzen. In Trümmer zerfielen ebenfalls nahezu alle im Zentrum Berlins gelegenen Gebäude der Reichsministerien, die Spezialbibliotheken mit zum Teil wertvollem Altbestand enthielten. In den Fällen, wo diese Spezialsammlungen nicht oder nur teilweise ausgelagert waren, verbrannten sie in ihren Gebäuden. In jenen Fällen, wo ein zufälliger Restbestand dieser Bibliotheken übrigblieb, muß dennoch von ihrer totalen Vernichtung gesprochen werden, denn dieser Restbestand hatte keine Bedeutung mehr. Die Geschichte der zerstörten Bestände ist heute schwer rekonstruierbar, weil kaum Unterlagen die Nachkriegswirren überdauert haben und möglicherweise vorhandene Akten über verschiedene Archive verstreut sind. Georg Leyh hat sich 1947 bemüht, einen Überblick über die im Zweiten Weltkrieg erlittenen Verluste an Berliner Spezialbibliotheken zu geben.[59] Hier seien nur einige wenige Sammlungen genannt, deren Umfang noch 1942[60] beachtlich war und die ihre Bestände in der zweiten Kriegshälfte ganz oder größtenteils verloren haben: die Bibliothek des Reichstages mit fast 400.000 Bänden; die Bibliothek des Reichswirtschaftsministeriums mit rund 200.000 Bänden; die Deutsche Heeresbibliothek[61] mit rund 416.200 Bänden. Ein Teilbestand war nach Liegnitz (Schlesien) ausgelagert und ging dort wahrscheinlich verloren. Verbrannt ist mit ihrem Restbestand im zerstörten Roten Rathaus noch im März 1945 die Ratsbibliothek.[62] Von den rund 405.000 Bänden der Patentamtsbibliothek befanden sich 1945 noch 10.000 in Berlin, der Rest war ausgelagert und gelangte nicht mehr nach Berlin zurück. Mit dem größten Teil des Altbestandes wurde 1949 in München die Bibliothek des Deutschen Patentamtes gegründet, während in Berlin nur eine Dienststelle verblieb, die inzwischen über eine ansehnliche Bibliothek verfügt.[63] Von den 114 Volksbüchereien des Jahres 1938 existierten im August 1945 noch 43. Das Bibliothekswesen in Berlin war ein großes Trümmerfeld. Von der Spaltung des Berliner Bibliothekswesens bis zu seiner Wiedervereinigung (1945 bis 1990) Der Zweite Weltkrieg endete für Berlin am 2. Mai 1945 durch die Kapitulation der deutschen Truppen in der von sowjetischen Truppen eingeschlossenen und fast vollständig besetzten Stadt. Mit der Unterzeichnung der Urkunde über die bedingungslose Kapitulation am 8. Mai 1945 durch die Vertreter des Oberkommandos der Wehrmacht in Berlin-Karlshorst endete der Zweite Weltkrieg in Europa.
Nach der deutschen Kapitulation im Mai 1945 wurde zunächst die gesamte administrative und politische Macht in Berlin dem Chef der sowjetischen Besatzung und Stadtkommandanten von Berlin übertragen. Er hatte schnelle und wirksame Maßnahmen zu ergreifen, damit das Leben in die Stadt zurückkehrte und sie wieder zu funktionieren begann. Am 19. Mai fand die Amtseinführung des Magistrats von Groß-Berlin statt. Am 9. Juni 1945 wurde die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) mit Sitz in Berlin-Karlshorst gebildet, die als oberste Regierungsgewalt der Sowjetischen Besatzungszone fungierte. Ähnlich wurde in den drei anderen Besatzungszonen verfahren, wo die USA, Großbritannien und Frankreich die Ausübung dieser obersten Macht ebenfalls dem jeweiligen Oberbefehlshaber der Streitkräfte übertrugen. Zwischen Anfang Juli und August 1945 trafen die amerikanischen, britischen und französischen Besatzungstruppen in Berlin ein, und die Stadt wurde in vier Sektoren geteilt. Es begann ein neues Kapitel in der Geschichte Berlins.
Zur gemeinsamen Leitung der Verwaltung Berlins wurde am 11. Juli 1945 die Alliierte Kommandantur geschaffen, die dem Ende August 1945 gebildeten Alliierten Kontrollrat mit Sitz Berlin unterstellt wurde. Die Beschlüsse des Alliierten Kontrollrats waren bis zu seiner Auflösung im Jahre 1948 für Deutschland und damit auch für Berlin verbindlich. Nur für diese kurze Zeit wurde Berlin von den vier Siegermächten gemeinsam regiert. Der Widerstand der USA, Großbritanniens und Frankreichs gegen die Einbeziehung ihrer Sektoren in das Wirtschafts- und Währungssystem der sowjetisch besetzten Zone Deutschlands führte im Juni 1948 zum Bruch der Anti-Hitler-Koalition und gab den Anstoß für die administrative Spaltung der Stadt. Am 30. November 1948 trennte sich der Berliner Magistrat. Es gab von nun an zwei separate Stadtregierungen, die bis zum 2. Oktober 1990 existierten. Aus den Besatzungszonen entstanden 1949 ein westdeutscher und ein ostdeutscher Staat.
Am 7. Oktober 1949 wurde der sowjetische Sektor von Berlin mit 1,2 Millionen Einwohnern zur Hauptstadt der DDR erklärt. Berlin-West wurde daraufhin weitgehend in die Bundesrepublik Deutschland integriert. Wegen der irregulären Lage und Entwicklung der Stadt blieben die vier Siegermächte jedoch bis zur Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten am 3. Oktober 1990 Inhaber der Obersten Gewalt und vertraten den Vier-Mächte-Status von Berlin. Berlin-West mußte sich von 1949 bis 1990 in einem erzwungenen Inseldasein behaupten. Der Kalte Krieg wurde besonders in Berlin ausgetragen und verschärfte sich von Jahr zu Jahr. Er führte am 13. August 1961 zum Bau der Mauer und damit zur totalen Abriegelung der beiden Stadtteile voneinander. Über Jahrzehnte mußte Berlin eine doppelte, mit schärfsten Widersprüchen belastete Geschichte durchleben.
Unmittelbar nach Kriegsende, im Mai 1945, sahen sich die Berliner Bibliotheken vor schier unlösbaren Aufgaben. Ihre Mitarbeiter standen vor einem Chaos, in das mit ungeheuren Anstrengungen Ordnung gebracht werden mußte. Räume mußten wiederhergestellt, ganze Bibliotheken neu aufgebaut werden. Nicht zuletzt kam es darauf an, die Massen ausgelagerter Bücher so bald wie möglich nach Berlin zurückzuführen.
Ende Mai 1945 erließ der Berliner Magistrat eine Anweisung zur Sicherstellung von Bibliotheksgut aus Trümmern, Kellern, aufgelösten NSDAP-Dienststellen und verlassenen Privatwohnungen aktiver NSDAP-Mitglieder. Bei der Abteilung für Volksbildung, Amt für Büchereiwesen des Magistrats, wurde im Juli eine Bücherbergungsstelle gebildet, die mit Erfassungsstellen in den einzelnen Stadtbezirken gearbeitet hat, zeitweilig auch in Berlin-West. Diese Maßnahme war dringend. In einem zeitgenössischen Bericht heißt es: Zur Zeit ist in Berlin schon ein schwunghafter Handel mit den aus öffentlichen Bibliotheken ehemaliger Institutionen, Ministerien usw. gestohlenen Büchern im Gange.[64] In einem Aktenvermerk wird betont, daß die angelaufene Teilaktion zur Sicherstellung herrenloser Literatur und die Lenkung von einer Zentralstelle (der Bergungsstelle) notwendig sei, um einerseits Berlins zentrale Bibliotheken wie die Bezirksbüchereien neu aufzubauen, andererseits faschistische Literaturreste gründlich zu erfassen und eine unterirdische Kolportage unter der Bevölkerung zu verhindern.[65] Während ihrer sechsmonatigen Tätigkeit bis zum 27. Februar 1946 hat die Bücherbergungsstelle über eine Million Bücher geborgen, darunter 45 Bibliotheken ehemaliger Reichs- und Landesbehörden und sonstiger ehemaliger NSDAP-Dienststellen im Stadtgebiet Berlin sowie die der aktiven NSDAP-Mitglieder und Kriegsverbrecher.[66] Zu den letzteren gehörte z. B. die wertvolle Privatbibliothek von Dr. Alfred Rosenberg, die im Sommer 1945 aus einem unter Wasser stehenden Keller sichergestellt und in der Bücherbergungsstelle im Ermelerhaus in der Breiten Straße zum Trocknen ausgebreitet wurde.[67] Über den späteren Verbleib dieser Sammlung ist nichts bekannt.
Aufgrund von Archivdokumenten in Moskau konnte festgestellt werden, daß Privatbibliotheken oder Teilbestände dieser Bibliotheken aus dem Besitz anderer NSDAP-Größen nach Moskau gelangten und im März 1946 wahrscheinlich großen staatlichen Bibliotheken übergeben wurden; so die Bibliothek des ehemaligen Reichsaußenministers Joachim von Ribbentrop (4 Kisten) an die Staatliche Leninbibliothek der UdSSR in Moskau (heute Russische Staatsbibliothek), die Bibliothek des ehemaligen Propagandaministers Dr. Josef Goebbels (42 Kisten) an die Allunionsbibliothek für Ausländische Literatur in Moskau (heute Allrussische Staatliche Bibliothek für Ausländische Literatur) und die Bibliothek des ehemaligen Reichserziehungsministers Dr. Bernhard Rust (35 Kisten) an die Staatliche Öffentliche Saltykow-Šcedrin-Bibliothek in Leningrad (heute Russische Nationalbibliothek in St. Petersburg). Siebenundzwanzig Kisten mit 2430 Bänden dieser Privatbibliothek gelangten am 27. August 1947 in die Library of Congress in Washington, D. C. Diese Sammlung war in das Salzbergwerk Merkers in Thüringen ausgelagert worden.[68]
Unter den Bibliotheken ehemaliger Reichsbehörden wurden im September 1945 Restbestände der bedeutenden Fachbibliothek des Auswärtigen Amtes (1798 als Handbibliothek des Departements der auswärtigen Affairen begründet, 1942 ca. 172.000 Bände) in Berlin geborgen und auf die Staatsbibliothek, die Ratsbibliothek und das Geheime Staatsarchiv in Berlin-Dahlem verteilt.[69] Über die Bücherbergungsstelle wurden an mindestens 150 Stellen in Berlin sichergestellte Bestände erneut in Bibliotheken untergebracht.[70] Dabei wurden vor allem die schwergeschädigten wissenschaftlichen Bibliotheken Berlins bedacht.
An der Bergung herrenloser Bibliotheken beteiligte sich im Sommer 1945 auch die Staatsbibliothek. Der Ende Mai mit der kommissarischen Leitung der Staatsbibliothek, der Berliner Universitätsbibliothek und der Bibliothek der Technischen Hochschule beauftragte Bibliothekswissenschaftler Dr. Rudolf Hoecker (1889-1976) konnte in einem Bericht vom 9. November 1945 erklären: Nebenbei läuft die Sorge um die zahlreichen herrenlosen wissenschaftlichen Bibliotheken der Umgebung. Am 12. Juli konnte ich der Abteilung für Büchereiwesen mitteilen, daß die Bibliotheken des Instituts für politische Pädagogik, des Karl-Marx-Engels-Archivs, des Ungarischen Instituts, des Collegiums Hungaricum, des Slawischen Instituts, des Englischen und Juristischen Seminars und ein Teil des Auslandswissenschaftlichen Instituts im Gebäude der Staatsbibliothek sichergestellt sind."[71] Über die Bücherbergungsstelle wurden der Staatsbibliothek große Teile der Bibliothek des aufgelösten Deutschen Auslandswissenschaftlichen Instituts übergeben, die 1942 über einen Bestand von 160.000 Bänden verfügt hatte. Aus gleichem Schreiben von Rudolf Hoecker ist zu erfahren, daß im Juli 1945 die Bücher der Luftkriegsakademie aus Gatow, im Britischen Sektor von Berlin, der Technischen Hochschule zugewiesen worden sind. Diese Bibliothek hatte 1942 einen Bestand von rund 20.300 Bänden und 18.160 Kartenblättern gehabt.[72] Im Oktober 1949 schätzte man in der Staatsbibliothek (die ab 1. Oktober 1946 Öffentliche Wissenschaftliche Bibliothek hieß) den Umfang der aus aufgehobenen Bibliotheken stammenden Zugänge auf mehr als 500.000 Bände.[73] Eine besondere Arbeitsgruppe unter dem Namen Sonderaktion sorgte bis 1955 für die Einarbeitung von mehr als 136.000 Bänden in den Bestand als Ersatz für die Kriegsverluste oder auch als Ergänzung früher nicht vorhanden gewesener älterer Literatur. Seit 1953 nutzte die Bibliothek für die gleichen Zwecke in großem Umfang die Angebote der im gleichen Jahr in Gotha eingerichteten Zentralstelle für wissenschaftliche Altbestände, die 1959 der 1954 in Deutsche Staatsbibliothek umbenannten Institution zugeordnet wurde.
Nachdem 1946 die Bücherbergungsstelle beim Magistrat von Berlin ihre Arbeit eingestellt hatte, sollte die Bibliothek der neugegründeten Zentralstelle für Zeitgeschichte die Reste von Bibliotheken nationalsozialistischer Behörden aufnehmen. Dieses Institut wurde jedoch bald wieder aufgelöst und seine Bestände gingen an das Deutsche Institut für Zeitgeschichte, 1971 aufgegangen im Institut für Internationale Politik und Wirtschaft (IPW). Über den endgültigen Verbleib der in Berlin zurückgebliebenen und nicht ausgelagerten Bestände ehemaliger Reichs- und Landesbehörden sowie sonstiger ehemaliger NSDAP-Dienststellen läßt sich nichts Zuverlässiges sagen. Die meisten Sammlungen wurden auf verschiedene Bibliotheken aufgeteilt. Mehrere gelangten in die durch Kriegseinwirkungen besonders in Mitleidenschaft gezogene Ratsbibliothek, die 1955 als Abteilung der Berliner Stadtbibliothek angeschlossen wurde. Wegen der schlechten Aktenlage aus jener Zeit bleiben die Informationen auf diesem Gebiet lückenhaft und widersprüchlich.
Von Juli 1945 bis Februar 1946 hat nicht allein die Bücherbergungsstelle des Magistrats von Berlin herrenlose Büchersammlungen beschlagnahmt und sichergestellt. Schon seit Mai 1945 müssen Vertreter der Sowjetischen Besatzungsmacht im Auftrag der sogenannten sowjetischen Trophäenkommissionen Bestände, besonders von NSDAP-Dienststellen, in Berlin beschlagnahmt und nach Moskau abtransportiert haben, als Reparationsleistungen für die von den deutschen Okkupanten in der Sowjetunion in großem Umfang vernichteten und verschleppten Kulturgüter. Über diese Vorgänge gelangten erst in jüngster Zeit Informationen an die Öffentlichkeit, während vieles aus verschiedenen Gründen weiterhin im Dunkeln bleibt und nur wenige gesicherte Angaben zum Verbleib dieser Trophäenliteratur gemacht werden können. Aus den erwähnten Archivstudien in Moskau ist bekannt, daß im März 1946 u. a. folgende Berliner Bücherbestände oder Teile von Sammlungen in staatliche russische Bibliotheken gelangt sein müssen: an die Staatliche Leninbibliothek der UdSSR in Moskau (heute Russische Staatsbibliothek) die Bibliothek des Innenministeriums (48 Kisten); an die Staatliche Historische Bibliothek in Moskau die Bibliothek der Reichskanzlei (268 Kisten) und die Bibliothek des Völkerkundemuseums (182 Kisten); an die Saltykow-Šcedrin-Bibliothek in Leningrad (heute Russische Nationalbibliothek in St. Petersburg) im Juli 1946 die Bibliothek der Technischen Hochschule Berlin (720 Kisten).[74] Bekannt ist ferner durch Augenzeugen, daß im Sommer 1945 die nicht ausgelagerten Bestände der reichen Deutschen Ärzte-Bücherei - 1942 zählte sie 133.000 Bände und 120.000 Dissertationen und ging auf die Pépinière des 18. Jahrhunderts zurück - aus dem stark beschädigten Gebäude durch sowjetisches Militär abtransportiert worden sind.[75] Ebenfalls bekannt ist, daß im Sommer 1945 von Mitarbeitern der Berliner Stadtbibliothek im Stadtzentrum herrenlose Bestände des ehemaligen Reichswirtschaftsministeriums (gegr. 1919/20, 1942 ca. 200.000 Bände) sichergestellt wurden, kurze Zeit darauf aber von der Sowjetischen Besatzungsmacht beschlagnahmt und abtransportiert worden sind. Wenn alle entsprechenden Archivmaterialien in Rußland zugänglich gemacht sein werden, sind weitere Angaben über den Verbleib von Beständen aus Berliner Bibliotheken zu erwarten, die als Trophäenliteratur abtransportiert wurden.
Große Schwierigkeiten bereitet heute auch die Beschreibung der Rückführung von Berliner Bibliotheksbeständen aus ihren Auslagerungsorten außerhalb von Berlin. Es fehlt eine detaillierte Dokumentation über die Auslagerungen in den Jahren 1941 bis 1945. Viele Bibliotheken und Dienststellen, die unter dem Bombenhagel mit Bücherbeständen an vermeintlich sichere Bergungsorte im gesamten damaligen Deutschen Reichsgebiet flüchteten, existieren schon ein halbes Jahrhundert nicht mehr; ihr Aktenmaterial, soweit gerettet, ist schwer auffindbar. Die Depots in den Bergungsorten wurden spätestens 1948 aufgelöst. Kenntnisreiche Augenzeugen dieser gewaltigen Umlagerungsaktionen sind längst verstorben, und nur in Ausnahmefällen wurde ihr Wissen schriftlich festgehalten.[76] Eins steht indessen fest: Den Verlusten in Berlin standen weit größere Verluste in den Auslagerungsorten gegenüber, besonders jenseits von Oder und Neiße.
Die polnische und die sowjetische Regierung ließen unmittelbar nach Kriegsende durch ihre Streitkräfte und durch Kommissionen die Bergung deutschen Bibliotheksgutes vornehmen. Sie sahen sich im Recht, diese Sammlungen in den meisten Fällen als Kompensation für ihre durch die deutsche Okkupation massenhaft vernichteten Kulturgüter zu betrachten. So erklärte die polnische Regierung am 6. Mai 1945 alle deutschen Vermögenswerte auf ihrem zukünftigen Territorium zu polnischem Staatseigentum. Von Mitte 1945 bis 1947 ergingen auf dieser Grundlage Verordnungen für das polnische Bibliothekswesen, die konkrete Bestimmungen über das an polnischen Orten, also auch in Pommern und Schlesien, sichergestellte deutsche Bergungsgut enthielten.[77] Daß Abtransporte aus Bergungsorten in den Westgebieten Polens, aber auch - besonders 1945 und 1946 - aus der Sowjetischen Besatzungszone ebenso verschwiegen wurden wie die neuen Standorte deutscher Sammlungen in Polen und in der ehemaligen UdSSR, hat den meisten ursprünglichen deutschen Eigentümern die Suche nach dem Verbleib der Bestände jahrzehntelang unmöglich gemacht. Es hat auch die Benutzung dieser Literatur an ihren neuen Standorten ausgeschlossen.
Erst am 26. April 1977 wurde durch Polen offiziell zugegeben, daß kostbare Bestände der ehemaligen Preußischen Staatsbibliothek in der Jagiellonischen Bibliothek in Kraków (Krakau) existieren.[78] Dorthin sind sie wahrscheinlich bereits im Juli 1946 von ihrem Auslagerungsort, dem Kloster Grüssau in Schlesien, abtransportiert worden. Am 18. September 1990 brachte ein junger russischer Journalist im Zuge von Glasnost und Perestroika in der renommierten Moskauer Zeitung Literaturnaja gazeta erstmalig die sensationelle Nachricht von der Existenz größerer Mengen deutscher Trophäenliteratur auf russischem Boden,[79] darunter auch aus Berliner Bibliotheken. Seither sind die Dinge in Bewegung geraten, da das den polnischen und sowjetischen Bibliothekaren auferlegte Tabu beseitigt war. In Beratungen von deutsch-polnischen und deutsch-russischen Expertenkommissionen und anläßlich von Dienstreisen verantwortlicher Bibliothekare konnten seitdem die Kenntnisse über die in der Universitätsbibliothek Krakau und an anderen Orten Polens noch vorhandenen Bestände aus dem Besitz der Preußischen Staatsbibliothek sowie über die Abtransporte deutscher Sammlungen nach Rußland wesentlich erweitert und konkretisiert werden.[80] Die Suche nach Restitutionsgut aus Bibliotheken und die Bekanntgabe heutiger Standorte geht auf allen beteiligten Seiten, auch der deutschen, weiter und wird noch lange nicht abgeschlossen sein.
Die Westalliierten zogen seit Mitte 1945 in ihren Besatzungszonen das während des Dritten Reiches in Deutschland aus anderen Ländern geraubte Kulturgut und die aus deutschen Kulturinstitutionen stammenden Auslagerungen an Sammelstellen, den sogenannten Collecting Points, zusammen. Diese organisierten die Rückgabe der Vermögenswerte an ihre Eigentümer oder bestimmten neue Standorte für Kunst- und Kulturgüter. Auf diese Weise gelangten ausgelagerte Bücherbestände Berliner Bibliotheken in der Amerikanischen Besatzungszone zunächst in die Collecting Points von Offenbach, Wiesbaden und München, in der Britischen Besatzungszone nach Celle und in der Französischen Besatzungszone nach Tübingen.
Am 25. Februar 1947 faßten die vier Siegermächte im Alliierten Kontrollrat den Beschluß, Preußen aufzuheben. Damit hörte der Preußische Staat auf zu bestehen. Die Westalliierten lösten einige Jahre später ihre Sammelstellen auf und übergaben die dort noch vorhandenen Kulturgüter in deutsche Treuhandverwaltung. Das Eigentum an kulturellen Vermögenswerten des ehemaligen Staates Preußen, also auch Bücherbestände aus Berliner Bibliotheken preußischer Institutionen, ging treuhänderisch auf das Land über, in dem sich solche Vermögenswerte zu diesem Zeitpunkt befanden. Erst nach Gründung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (1957) mit Sitz in Berlin, nach Erlaß ihrer Satzung (1961) und ihrer Arbeitsaufnahme (April 1962) gelangten diese Kunst- und Kulturgüter nach Westberlin. So wurden auch ausgelagerte Bestände der Berliner Bibliotheken nach Westberlin überführt.
Eine umfangreiche Dokumentation über Auslagerung und Rückführung von Beständen liegt für die Preußische Staatsbibliothek, die heutige Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz vor.[81] Sie hatte von 1941 bis Anfang 1945 nahezu ihren gesamten Bestand von 3,03 Millionen Bänden an Druckschriften, 70.000 Handschriften, fast 500.000 Autographen und über 300.000 Karten auf dreißig Orte verstreut nach Süd-, West-, Mittel- und Ostdeutschland sowie in den damaligen Sudetengau ausgelagert. Bei Kriegsende lagen dreizehn Depots in der Sowjetischen, vier Depots in der Amerikanischen und ein Depot in der Französischen Besatzungszone. Hinzu kamen elf Auslagerungsorte in Schlesien und Pommern, die 1945 an Polen fielen, sowie das Stift Tepl in der späteren Tschechoslowakischen Republik. Die Rücktransporte aus den Auslagerungsorten in der Sowjetischen Besatzungszone dauerten von August 1945 bis 1947. Im April 1946 trafen über den Collecting Point in Offenbach etwa 350.000 Bände, darunter 250.000 Musikalien ein, die in das Stift Tepl evakuiert worden waren. Die Amerikaner hatten sie beschlagnahmt und in den Westen abtransportiert.
Die Bestände im Depot Waldenburg in Sachsen (205 Kisten) wurden, bevor die Rote Armee dort eintraf, von den amerikanischen Truppen zunächst nach Heidelberg gebracht. Einer von Dr. Rudolf Hoecker formulierten und vom Oberbürgermeister Berlins, Dr. Arthur Werner, am 23. Mai 1946 als Antrag an General Lucius D. Clay, stellvertretender Militärgouverneur der Amerikanischen Besatzungszone, gerichtete Bitte[82] um Freigabe und Rückführung der im Kalibergwerk bei Hattorf (Hessen), knapp westlich der späteren Zonengrenze, ausgelagerten Bestände wurde nicht stattgegeben. Es handelte sich um etwa 1,5 Millionen Bände, die im Schacht Heimboltshausen etwa 750 Meter unter Tage geborgen worden waren. Sie wurden zwischen dem 31. Juli 1946 und dem 31. März 1947 nach Marburg überführt. Schließlich kam auf Beschluß der Amerikanischen Militärregierung das gesamte in der Amerikanischen Besatzungszone lagernde Bibliotheksgut der Preußischen Staatsbibliothek nach Marburg, darunter auch der Bestand aus Banz in Oberfranken (218 Kisten), der im Collecting Point in München gelegen hatte, sowie die aus Waldenburg in Sachsen mitgeführten und in Heidelberg zwischengelagerten Bücherkisten.
Die Marburger Bestände (insgesamt 1,7 Millionen Bände) wurden ab 1946 als Hessische Bibliothek und ab 1949 als Westdeutsche Bibliothek (bis 1957 mit dem Zusatz zum Namen Sammlung der ehemaligen Preußischen Staatsbibliothek) geführt. 1962 kam diese Bibliothek unter die Obhut der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und nannte sich fortan Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz.[83] Die im Kloster Beuron (Hohenzollern) in der Französischen Besatzungszone evakuierten Zimelien (260 Kisten) bildeten seit 1948 ein besonderes Depot an der Universitätsbibliothek Tübingen und wurden 1962 Bestandteil der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz.
Am 30. September 1957 übergab die sowjetische Regierung der Deutschen Staatsbibliothek Bestände deutscher Bibliotheken, die als Trophäenliteratur 1945 und 1946 abtransportiert worden waren. Darunter befanden sich wertvolle Handschriften und Gelehrtennachlässe sowie zahlenmäßig geringe Teile ausgelagerter Druckwerke der Preußischen Staatsbibliothek. Zwischen Mai und September 1965 gab die polnische Regierung auf Initiative polnischer Bibliothekare etwa 127.000 Bände, die während des Krieges nach Schlesien und Pommern ausgelagert worden waren, an die Regierung der DDR zurück. Darunter befanden sich fast 92.000 Bände aus dem Besitz der Preußischen Staatsbibliothek, vorwiegend Zeitungen und alte naturwissenschaftliche sowie technische Literatur. Die Spitzenkostbarkeiten der Preußischen Staatsbibliothek, die sich in der Universitätsbibliothek Kraków (Krakau) befanden, werden bis heute dort verwaltet, desgleichen die in einigen Universitätsbibliotheken wie Lódz (Lodz), Lublin und Poznan (Posen) eingearbeiteten Restbestände aus Berlin. 1977 wurden an die Deutsche Staatsbibliothek durch polnische Regierungsvertreter sechs sehr kostbare Musikhandschriften von Bach, Mozart und Beethoven aus der Krakauer Sammlung zurückgeführt. Trotz der sehr sorgfältigen, seit 1989 von Werner Schochow auf polnischem Territorium betriebenen Recherchen bedarf das Schicksal vieler Auslagerungen der Preußischen Staatsbibliothek auch weiterhin der Aufklärung.[84] Erst recht trifft das auf ihre Bestände zu, die als Trophäengut nach Rußland gelangt sind.
Die zentrale Museumsbibliothek auf der Museumsinsel Berlin, die älteste bibliothekarische Einrichtung innerhalb der Staatlichen Museen (gegr. 1830), war 1930 in das neue Gebäude des Pergamonmuseums umgezogen, das während des Krieges stark beschädigt wurde. Die Bibliothek, die man erst Anfang 1945 evakuiert hatte, verlor etwa 60 Prozent ihrer ca. 100.000 Bände. Ein geringer Rest kehrte Anfang der fünfziger Jahre aus dem Kunstlager in Celle nach Westberlin zurück und bildete den Grundstock für die neuaufgebaute Museumsbibliothek in Berlin-Dahlem. Schon 1948/49 war aus Celle in der Britischen Besatzungszone ein Teil der 1944 in den Westen verlagerten Bibliothek des Winckelmann-Instituts der Berliner Universität (1851 als Bibliothek des Archäologischen Seminars begründet) nach Westberlin zurückgekehrt. Diese Sammlung lag der Neugründung der Bibliothek des Seminars für Klassische Philologie, Bereich Altertumskunde, an der Freien Universität zugrunde. Die Berliner Stadtbibliothek hatte von Mitte 1943 bis Anfang 1945 den weitaus größten Teil ihres Bestandes auf verschiedene Bergungsorte verteilt untergebracht, darunter auch in Niederschlesien und der Neumark (heute polnisches Staatsgebiet) sowie in Böhmen und Mähren. Zwischen 1952 und 1963 wurden ihre evakuierten Sammlungen aus der Tschechoslowakei zurückgeführt. Ihre jenseits von Oder und Neiße ausgelagerten Bestände blieben verschollen.
Die Bibliothek der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte (gegr. 1863) galt als die wichtigste und größte ethnologische Fachbibliothek Deutschlands (1942 rund 15.700 Bände, 5135 Broschüren). Sie wurde von der Roten Armee beschlagnahmt und ist nur teilweise erhalten geblieben. Durch Auslagerung gelangte ein Rest in die Gegend von Posen und befindet sich heute in der Universitätsbibliothek Poznan (Posen); ein anderer kleiner Rest wird in der jetzigen Bibliothek des Museums für Ur- und Frühgeschichte der Staatlichen Museen zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz verwaltet. Bei der Rückgabe von abtransportiertem deutschen Trophäengut aus Moskau in den Jahren 1958/59 gelangten in die Deutsche Staatsbibliothek auch Reste eines ausgelagerten Bestandes der Bibliothek des Staatlichen Instituts für Musikforschung. Diese ca. 4000 Bände wurden 1992 von der Staatsbibliothek an das Institut zurückgegeben.
Ein interessantes Beispiel ist die Kunstbibliothek, die wertvolle Spezialsammlungen besaß. Seit 1894 den Staatlichen Museen eingegliedert, war ihr im sowjetisch besetzten Sektor von Berlin gelegenes Gebäude völlig zerstört worden. 1946 gelangten durch private Hilfe 360 Kisten Bibliotheksgut nach Berlin-Dahlem und wurden dort im Museum aufgestellt.[85] Die übrigen Bestände der Kunstbibliothek waren nach West- und Süddeutschland ausgelagert worden und befanden sich nach 1945 in Tübingen (Französische Besatzungszone), in Celle (Britische Besatzungszone) und in Wiesbaden (Amerikanische Besatzungszone). Im Juli 1950 kamen 214 Kisten aus Tübingen zurück, bis Dezember 1953 gelangten die in Celle lagernden Kataloge sowie 36.000 Bände kunst- und kostümwissenschaftliche Literatur nach Berlin-Dahlem, und erst im März 1956 wurden auch die im Wiesbadener Depot befindlichen Restbestände der Kunstbibliothek zurückerstattet. Alle Transporte erfolgten auf dem Luftwege.
Ein besonderes Schicksal hatte die Bibliothek der Deutschen Chemischen Gesellschaft, die 1868 von dem Chemieprofessor der Berliner Universität August Wilhelm von Hofmann (1818-1892) begründet worden war und als bedeutende chemische Fachbibliothek galt. Während des Zweiten Weltkrieges in die Rüdersdorfer Kalkwerke bei Berlin ausgelagert, wurde sie im Sommer 1945 nach Moskau abtransportiert und dort der Bibliothek der Akademie der Wissenschaften der UdSSR zugewiesen. Nach Rückführung von Beständen aus Moskau nach Berlin 1956 gelangte diese sogenannte Hofmann-Bibliothek wieder an die Deutsche Chemische Gesellschaft, die inzwischen der Deutschen Akademie der Wissenschaften angeschlossen und in Chemische Gesellschaft der DDR umbenannt war. Nach Auflösung dieser Fachvereinigung im Jahre 1990 wurde ihre Bibliothek (ca. 40.000 Bände) schließlich von der Zweigbibliothek Chemie/Pharmazie der Humboldt-Universität übernommen, wo sie heute in einer Sonderaufstellung genutzt werden kann.
Erst im April 1995 kam aus Polen die Nachricht, daß Restbestände aus zwei Berliner Bibliotheken aufgefunden wurden.[86] Es handelt sich einerseits um die Bibliothek des Reichsministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (1942 rund 150.000 Bände), deren größter Teil in die Gegend von Küstrin (heute polnisches Staatsgebiet) verlagert worden war. In Berlin konnte 1945 nur ein Rest von 10.000 Bänden geborgen werden. Der zweite Fund ist ein Teilbestand der Zentralbibliothek der Deutschen Arbeitsfront, der 1944 mitsamt Katalogen wahrscheinlich nach Schlesien ausgelagert worden war und seitdem als verschollen galt. 150.000 Bände dieser bedeutenden Bibliothek des NS-Regimes wurden nach dem Krieg in den Kellern des Buchdrucker-Verbandhauses in Berlin aufgefunden. Da sich in dieser Sammlung viele von den Nationalsozialisten beschlagnahmte Gewerkschaftsbibliotheken befanden, bildete dieser Bestand den Grundstock der späteren Zentralbibliothek des FDGB in der DDR.
In diesem Zusammenhang muß auf die Säuberung der Bibliotheksbestände von nationalsozialistischer und militaristischer Literatur hingewiesen werden, die auch in den Berliner Bibliotheken vom Sommer 1945 bis Ende 1947 erfolgte. In den Dokumenten der Potsdamer Konferenz hatten die Alliierten als bildungspolitische Forderung verankert, das Erziehungswesen in Deutschland so zu überwachen, daß nationalsozialistische und militaristische Lehren völlig entfernt und eine erfolgreiche Entwicklung demokratischer Ideen ermöglicht würden. Mit dem Befehl vom 15. September 1945 schuf die Sowjetische Militäradministration für ihr Verwaltungsgebiet eine verbindliche Grundlage, die unter dieser Maßgabe unerwünschte Literatur aus den Bibliotheken, Buchhandlungen und Verlagen zu entfernen. Als das höchste Verwaltungsorgan für Deutschland folgte der Alliierte Kontrollrat mit Befehl Nr. 4 vom 13. Mai 1946 dieser sowjetischen Initiative und verfügte für alle vier Besatzungszonen die Einziehung von Literatur nationalsozialistischen und militaristischen Inhalts.[87] Eine begrenzte Menge dieses verbotenen Schrifttums wurde für Forschungs- und Studienzwecke von der Vernichtung ausgenommen und z. B. im Ostteil von Berlin in der Öffentlichen Wissenschaftlichen Bibliothek, der späteren Deutschen Staatsbibliothek, aufbewahrt. Die Aussonderung der Literatur wurde nach der Liste der auszusondernden Literatur durchgeführt, die von der Deutschen Bücherei in Leipzig zusammengestellt und im April 1946 herausgegeben worden war.[88]
Im Herbst 1948 erfolgte die politische und administrative Teilung der Stadt Berlin. Sämtliche Verwaltungsabteilungen des Magistrats, die Polizei und wichtige Versorgungseinrichtungen wurden getrennt. Für das Berliner Bibliothekswesen hatte diese politische Entwicklung schwerwiegende Folgen, da die Teilung der Stadt auch die Teilung des gesamten Bibliotheksnetzes bedeutete. Im Hinblick auf die Literaturversorgung der Westsektoren kam diese Situation fast einer Katastrophe gleich.[89] Westberlin zählte damals zwölf Bezirke und hatte über zwei Millionen Einwohner. Seine Bibliotheken besaßen schätzungsweise zwei Millionen Bände, von denen sich etwa 500.000 bis 600.000 Bände in den Volksbüchereien befanden. Mit Ausnahme der Bibliothek der Hochschule der Bildenden Künste und der - weitgehend vernichteten - Sammlung der Technischen Hochschule befanden sich die großen wissenschaftlichen Bibliotheken, wie die Öffentliche Wissenschaftliche Bibliothek, hervorgegangen aus der Preußischen Staatsbibliothek, und die Universitätsbibliothek, im Ostteil der Stadt. Die wissenschaftliche Literatur war in Westberlin auf zahlreiche kleine Spezialbibliotheken verteilt. Es gab hier keine wissenschaftliche Universalbibliothek, auf deren Bestände hätte zurückgegriffen werden können und die durch ihre organisatorischen und personellen Möglichkeiten den Aufbau eines eigenen Bibliothekswesens hätte bestimmen können. Auch die Berliner Stadtbibliothek lag im sowjetischen Sektor und fiel künftig als Zentrale der Öffentlichen Büchereien in den Westsektoren aus. Der Westmagistrat, ab 1951 Senat genannt, sah sich deshalb vor die Aufgabe gestellt, in den Westsektoren ein eigenes und neues Bibliothekssystem sowohl für den wissenschaftlichen als auch den öffentlichen Bereich aufzubauen.
In beiden Teilen Berlins entwickelten sich in der Folgezeit zwei voneinander getrennte Volksbüchereistrukturen. Ein entscheidendes Ereignis war im Jahre 1954 die Eröffnung der Amerika-Gedenkbibliothek (AGB) in einem neuen Gebäude als öffentliche Berliner Zentralbibliothek, aufgebaut nach dem Vorbild einer amerikanischen Public Library. Ein dringendes Problem war die Versorgung der Westsektoren mit wissenschaftlicher Literatur, denn Westberlin mußte über das entsprechende Rüstzeug verfügen, um seine Forschung fortführen und ausbauen zu können. Am 4. Dezember 1948 wurde die Freie Universität eröffnet. In Berlin-Dahlem entstand das neue wissenschaftliche Forschungszentrum Westberlins. Dazu gehörten, neben der Freien Universität mit ihren zahlreichen Instituten, die Museen, die sich dort in größerer Anzahl seit 1948 etablierten, und die Forschungsinstitute der Max-Planck-Gesellschaft. Die Alliierten hatten bereits 1946 die Auflösung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft verfügt, die aber erst 1951 vorgenommen wurde. Ihre Nachfolge trat die 1948 in Göttingen begründete Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften an. Durch Bewilligung von Sondermitteln erhielt die Freie Universität die Möglichkeit, Seminar- und Institutsbibliotheken für die einzelnen Fachgebiete aufzubauen, die zunächst von einer zentralen Bibliotheksstelle verwaltet wurden. Am 12. Januar 1949 beschloß der Westmagistrat, einen Katalog aller in Westberlin vorhandenen wissenschaftlichen Werke in Form des Berliner Gesamtkataloges herstellen zu lassen und zugleich, im Verein mit der Freien Universität, eine wissenschaftliche Zentralbibliothek zu errichten.
Ende Januar 1949 wurde mit der Herstellung des Berliner Gesamtkataloges begonnen und dabei zunächst die Zeitschriften erfaßt. Dieser Katalog erschloß die in Westberlin vorhandene periodische und monographische wissenschaftliche Literatur ab 1945 in größtmöglicher Breite und nahm auch ältere Bestände auf. Er wurde bis zur Wiedervereinigung geführt, d. h. er berücksichtigte das Impressum bis 1990. Geschaffen aus einer örtlichen Notlage, stellte der Berliner Gesamtkatalog die erste Zusammenfassung von Beständen einzelner Berliner Bibliotheken dar. Er bildete ein Glied in der Kette der Zentralkataloge, die in der Bundesrepublik Deutschland entstanden sind. Das wissenschaftliche Bibliothekswesen des Landes Berlin war darüber hinaus seit 1949 durch seine Einbindung in Sondersammelgebiets-Programme mit dem Bibliothekswesen der anderen Bundesländer verbunden und erfuhr wie diese die finanzielle Förderung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die 1951 aus der 1949 gegründeten Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft hervorgegangen war.
Am 1. Juli 1950 nahm in Dahlem die Wissenschaftliche Zentralbibliothek ihre Arbeit auf. Sie bestand jedoch nur vier Jahre und bildete ab 1954 mit dem größten Teil ihres Bestandes den Grundstock für die Amerika-Gedenkbibliothek. Der Berliner Gesamtkatalog, zunächst der Wissenschaftlichen Zentralbibliothek angeschlossen, wurde nach deren Auflösung eine eigene Dienststelle in der Universitätsbibliothek der Freien Universität, ab 1978 in der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz. Offiziell am 1. Mai 1952 gegründet, konnte die Universitätsbibliothek der Freien Universität am 19. Juni 1954 in ihrem neuen Domizil in Dahlem den Betrieb aufnehmen. Neben der Universitätsbibliothek bestehen an den einzelnen Fachbereichen oder Zentralinstituten der Freien Universität heute mehr als 210 selbständig organisierte Institutsbibliotheken.[90] Es dauerte jedoch viele Jahre, bis Westberlin seinen bibliothekarischen Mittelpunkt durch eine große wissenschaftliche, durch Jahrhunderte gewachsene Universalbibliothek erhielt und sein Bibliothekswesen ein organisatorisches Ganzes bilden konnte. Erst im Dezember 1978 wurde der nach Entwürfen des Architekten Professor Hans Scharoun errichtete Bibliotheksneubau eingeweiht, in dem nun die Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, eine der beiden Nachfolgebibliotheken der Preußischen Staatsbibliothek, ihren Betrieb aufnehmen konnte. Seit 1964 war sie in mehreren Etappen mit 2 Millionen Büchern und Handschriften von Marburg und Tübingen nach Berlin umgezogen; dreizehn Jahre hatte sie ihre Arbeit durch zwei Dienststellen in Marburg und in Berlin organisieren und viele Provisorien hinnehmen müssen. Als wissenschaftliche Zentralbibliothek mit einer Reihe zentraler Aufgaben hat sie ganz entscheidend die Bedeutung des Bibliothekswesens im Lande Berlin für das Bibliothekswesen der gesamten Bundesrepublik unterstrichen und ist auch international wirksam geworden.
Durch die Spaltung Berlins entstanden in den Westsektoren auch Behördenbibliotheken in größerer Anzahl. Im Februar 1949 wurde die neue Magistratsbibliothek (seit 1951 Senatsbibliothek) als Nachfolgeinstitution der ausgefallenen Ratsbibliothek gegründet. Diese zentrale Behördenbibliothek übernahm Leitfunktionen für rund 80 Büchersammlungen in Bezirksverwaltungen, Senats- und Bundesdienststellen. 1983 wurde in ihren Bestand ein Teil der ehemaligen Medizinischen Zentralbibliothek (gegr. 1947, aufgelöst 1981) integriert; ein anderer Teil dieser Bibliothek gelangte in die Universitätsbibliothek der Freien Universität.
Auch für das Bibliothekswesen im Ostteil Berlins bedeutete die Spaltung der Stadt einen tiefen Einschnitt, denn mit ihr verließen die Bibliotheken jetzt und auch später zahlreiche sehr qualifizierte und langjährige Mitarbeiter, vor allem die mit Wohnsitz in Westberlin; damit gingen den Bibliotheken in Ostberlin wichtige Kenntnisse verloren. Ferner gab es wissenschaftliche Einrichtungen, die über ganz Berlin verstreut waren. So mußte sich die Berliner Universität 1948 von 13 im Westteil der Stadt gelegenen Instituten und deren Bibliotheken trennen. Nach der Spaltung lagen bedeutende Spezialbibliotheken in Westberlin und entfielen mit ihren Beständen für Ostberlin, so insbesondere die Bibliothek der Technischen Hochschule in Charlottenburg. Das hatte etwa bei der technischen, naturwissenschaftlichen und medizinischen Literatur zur Folge, daß sich die Öffentliche Wissenschaftliche Bibliothek bereits ab 1948 - und in noch größerem Umfang die Deutsche Staatsbibliothek ab 1954 - bei ihrem Bestandsaufbau dieser Fachliteratur annehmen und hier bedeutende Sammlungen aufbauen mußte.
Am 7. Oktober 1949 wurde mit der Gründung der DDR der sowjetische Sektor von Berlin zur Hauptstadt der neuen Republik erklärt. Ostberlin hatte zu diesem Zeitpunkt acht Stadtbezirke, in denen etwa 1,2 Millionen Einwohner lebten. Im Gegensatz zu der aus historischen Gründen föderalistisch aufgebauten Bundesrepublik wurde die DDR streng zentralistisch regiert. Stärker als die Bundesrepublik hat die DDR ihre wissenschaftlichen Einrichtungen hauptsächlich auf einen Ort, nämlich Berlin, konzentriert. So waren 1983 20 Prozent aller in der DDR in der Forschung und Entwicklung Beschäftigten in Ostberliner Betrieben und Einrichtungen tätig.[91] 54 Prozent des Potentials der Akademie der Wissenschaften waren hier ansässig, so daß der Forschung in den Akademie-Instituten ca. 12.000 Wissenschaftler zur Verfügung standen. An der Humboldt-Universität, den künstlerischen Hochschulen, der Hochschule für Ökonomie sowie den Ingenieurhochschulen Wartenberg und Lichtenberg studierten rund 25.000 Studenten.[92]
Um ihre Forschungs- und Ausbildungsaufgaben erfüllen zu können, benötigten diese wissenschaftlichen Einrichtungen und Lehranstalten das notwendige Rüstzeug in Form von Literatur und aktuellen Informationen. Hinzu kamen die Anforderungen zahlreicher Ministerien und Behörden, die ab 1949 in Ostberlin als Hauptstadt der DDR entstanden waren. Zunächst wurden die traditionsreichen und bedeutenden Universalbibliotheken in ihrem Bestandsaufbau besonders gefördert, so vor allem die Deutsche Staatsbibliothek als die zentrale wissenschaftliche Bibliothek der DDR, die Universitätsbibliothek, die Berliner Stadtbibliothek und die Hauptbibliothek der Akademie der Wissenschaften. Die ab 1968 als Rechtsgrundlage für die Bibliotheksentwicklung verbindliche Bibliotheksverordnung des Ministerrats der DDR[93] definierte Stellung und Aufgaben auch der Berliner Bibliotheken und umriß ihre Rolle im Gesamtsystem der Bibliotheken in der DDR. Seit 1966 waren die wissenschaftlichen Bibliotheken der DDR in einen Sammelschwerpunktplan eingebunden, der 1982 neugefaßt wurde. Die neuen Anforderungen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik, die sich mit der Spaltung der Stadt ergaben, führten im Ostteil Berlins zu Neugründungen zahlreicher Bibliotheken unterschiedlichen Typs, vor allem von Spezialbibliotheken. 1947 wurde die Bibliothek der Kammer der Technik (1985 65.000 Bände),[94] 1948 die Bibliothek der Akademie für ärztliche Fortbildung der DDR (1985 82.930 Bände) und die Bibliothek des Instituts für Marxismus-Leninismus (1985 380.000 Bände)[95] gegründet. 1949 kam es zur Gründung so umfangreicher Sammlungen wie der Zentralbibliothek des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB) (1985 165.840 Bände), der Zentralbibliothek des Ministerrates der DDR (1985 90.000 Bände) und der Bibliothek des Obersten Gerichts der DDR (1985 200.000 Bände, darunter 237 Inkunabeln und 238 Handschriften). Die letztgenannte wertvolle Sammlung geht zurück auf die Bibliothek des 1871 gegründeten Reichsgerichts in Leipzig. Sie wurde dem 1949 begründeten Obersten Gericht zugeordnet und zog 1950 nach Berlin um.[96] 1950 entstanden das Amt für Erfindungs- und Patentwesen der DDR mit seiner Bibliothek (1985 12.600.000 Patentschriften) und die Bibliothek der Hochschule für Ökonomie (1985 263.280 Bände).
Bereits in den frühen fünfziger Jahren wurde eine Reihe bedeutender wissenschaftlicher Bibliotheken gegründet. Im Jahre 1951 wurde die Akademie der Pädagogischen Wissenschaften mit der Pädagogischen Zentralbibliothek (1985 245.000 Bände) gegründet, deren Grundstock die 1875 entstandene Deutsche Lehrerbücherei bildete, sowie die Bibliothek der Bauakademie (1985 125.000 Bände), mit fünf weiteren Institutsbibliotheken. Die Bibliothek der Akademie für Gesellschaftswissenschaften (1985 115.350 Bände), die Landwirtschaftliche Zentralbibliothek der Akademie der Landwirtschaftswissenschaften der DDR (1985 368.000 Bände) und die Bibliothek des Museums für Deutsche Geschichte (1985 153.350 Bände) wurden 1952 ins Leben gerufen. 1954 entstand die Theaterwissenschaftliche Fachbibliothek im Zentralen Klub der Gewerkschaft Kunst Die Möwe (1985 44.150 Bände).
In die sechziger Jahre fiel die Gründung zahlreicher Fachbibliotheken. Hierzu gehören die Bibliotheken der Interflug (gegr. 1961; 1985 25.000 Bände), des Zentralinstituts für sozialistische Wirtschaftsführung (gegr. 1965; 1985 25.000 Bände) und des VEB Ökonomisches Forschungszentrum des Binnenhandels (gegr. 1966; 1985 28.360 Bände). Erwähnung verdient in den siebziger Jahren nur die Gründung der Bibliothek des Instituts für Internationale Politik und Wirtschaft (gegr. 1971; 1985 157.000 Bände), die auf zwei Vorläufereinrichtungen basierte. Hinzu kamen 81 hauptamtlich geleitete Gewerkschaftsbibliotheken und 156 Öffentliche Bibliotheken,[97] ferner die Fachbibliotheken der zahlreichen Behörden und Betriebe sowie Kombinate, die Bibliotheken der Museen, der Verlage, Theater, Kirchen, Parteien und gesellschaftlichen Organisationen. 1985 waren 215 Ostberliner Bibliotheken in der Sigelliste der Deutschen Staatsbibliothek verzeichnet und damit in den Leihverkehr der DDR eingebunden.[98] Bis 1989 hat ihre Zahl sicher noch zugenommen.
Eine im Auftrag des Magistrats für den Ostteil Berlins von der Berliner Stadtbibliothek 1989 erarbeitete Statistik stellte mehr als 500 Bibliotheken fest. Damit war Ostberlin wohl eine der an Bibliotheken reichsten Metropolen der Welt. Auf jeden Fall hat es sich durch seine bedeutenden wissenschaftlichen Universalbibliotheken, durch einige zentrale wissenschaftliche Fachbibliotheken und fachliche Bibliotheksnetze sowie seine hier stationierten methodischen Zentren für die Anleitung der beiden Zweige des Bibliothekswesens zum Mittel- und Angelpunkt für das gesamte Bibliothekswesen der DDR entwickelt. Die Verbindung der Bibliotheken im Ostteil Berlins, d. h. in der Hauptstadt der DDR, mit den Bibliotheken im Westteil, d. h. im Land Berlin, mußte sich, insbesondere nach dem Mauerbau im Jahre 1961, auf Leihverkehr und Schriftentausch beschränken. Die Bibliotheken im vereinigten Berlin (seit 1990) Die Maueröffnung am 9. November 1989 und der rasche Zusammenbruch der DDR 1989/90 trafen den Ostteil und den Westteil Berlins unvorbereitet. Die Wiedervereinigung der Stadt führte in ihrer wachsenden Beschleunigung, namentlich nach der Währungsunion am 1. Juli 1990, zu einem kulturellen Anpassungsdruck, der Berlin auf Jahre hinaus fordern und prägen wird. Von den 3,43 Millionen Einwohnern, die Ende 1990 mit Hauptwohnsitz in Berlin gemeldet waren, entfielen 2,16 Millionen (63 Prozent) auf die zwölf Stadtbezirke des Westteils und 1,27 Millionen (37 Prozent) auf die elf Stadtbezirke des Ostteils. Hier waren nach 1973 drei neue Stadtbezirke (Marzahn, Hohenschönhausen und Hellersdorf) dazugekommen. Für ehemals staatlich geleitete und finanzierte Einrichtungen in Ostberlin mußten mit Inkrafttreten des Einigungsvertrages am 3. Oktober 1990 neue Trägerschaften, die Privatisierung oder die Schließung verfügt werden. Berlin wurde eine Metropole im Wartezustand.
Neben Problemen im kulturellen und zwischenmenschlichen Miteinander ihrer Bevölkerung muß vor allem die organisatorische Neuordnung der Stadt bewältigt werden. Die aus der Spaltung Berlins resultierende Doppelung von wissenschaftlichen und kulturellen Einrichtungen mußte in den ersten schweren Übergangsjahren nach 1990 auf ein notwendiges und ökonomisch vertretbares Maß reduziert werden. Diese Maßnahmen haben, insbesondere im Ostteil der Stadt, große Veränderungen bewirkt; doch der Prozeß ist noch nicht abgeschlossen. Berlin ist und bleibt eine polyzentrisch strukturierte Metropole - voller Gegensätze und Spannungen im deutschen und europäischen Kontext.[99] Auch im Bibliothekswesen der Stadt, besonders bei den wissenschaftlichen Bibliotheken, sind die Konturen durch Umstrukturierungen und Neuordnungen weiterhin in Bewegung.
Die in beiden Teilen der Stadt voneinander getrennt wirkenden Bibliotheksnetze wurden im Zuge der Vereinigung neu untereinander verknüpft. Bereits Anfang 1990 wurde im Bereich der Öffentlichen Bibliotheken zielstrebig eine Integration der bezirklichen Bibliotheken in die Wege geleitet, wobei u. a. der Bestandsaufbau der Bibliotheken im Ostteil Berlins stark gefördert wurde. Zugleich erfolgten Angleichungen in der Bestandserschließung und in Strukturfragen, so daß bereits 1991 wesentliche Probleme der Zusammenführung gelöst werden konnten. Es gab allerdings auch starke Etat- und Stellenkürzungen sowie in vielen Fällen eine radikale Bestandsreduzierung von Literatur, die in DDR-Verlagen erschienen war.[100]
Im wissenschaftlichen Bibliothekswesen vollzog sich die Integration langsamer und komplizierter. Der Einigungsvertrag nennt in Artikel 35, Absatz 5 die notwendige Zusammenführung der ehemals preußischen Sammlungen, besonders der Staatlichen Museen und der beiden Staatsbibliotheken, unter dem Dach der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Mit dem Artikel 38, Absatz 2 wird die Auflösung der Akademie der Wissenschaften der DDR verfügt. Am deutlichsten hat sich die Integration der beiden ehemaligen Staatsbibliotheken vollzogen. Mit Inkrafttreten des Einigungsvertrages wurde die Deutsche Staatsbibliothek in Ostberlin Teil der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, mit Wirkung vom 1. Januar 1992 erfolgte die Vereinigung der beiden Nachfolgebibliotheken der Preußischen Staatsbibliothek in zwei Häusern, aber unter einer gemeinsamen Leitung zur Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz.
Jede dieser Bibliotheken hatte nach der Teilung Deutschlands das gesamte Spektrum der Aufgaben und Funktionen einer Universalbibliothek übernommen; beide hatten dabei auch überregionale Aufgaben wahrzunehmen, die Deutsche Staatsbibliothek aufgrund der zentralistischen Organisation der DDR in einem größeren Umfang, als es der bundesdeutsche Kulturföderalismus für die Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz zugelassen hatte. Unter Berücksichtigung der neuen gesellschaftlichen Bedingungen nach der Vereinigung wurde ein umfassender Umstrukturierungsprozeß eingeleitet, der unter Einschluß der erforderlichen Baumaßnahmen noch einen größeren Zeitraum in Anspruch nehmen wird.
Auch die Staatlichen Museen zu Berlin mit ihren Sammlungen und Bibliotheken wurden als Teil der Stiftung Preußischer Kulturbesitz mit Wirkung vom 1. Januar 1992 unter einer gemeinsamen Leitung vereinigt. Nach großen Kriegs- und Nachkriegsverlusten der einzelnen Museumsbibliotheken im Ostteil der Stadt, waren ausgelagerte Teilbestände aus den westlichen Besatzungszonen in Berlin-Dahlem zusammengeführt und den dort neugegründeten Museen übergeben worden. 1991 bis 1993 erfolgte die Überführung der Buchbestände der Ostberliner Museumsbibliotheken in die entsprechenden Museen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz im Westteil der Stadt, soweit sie nicht nach ihrer Eingliederung einstweilig in ihren alten Gebäuden verblieben. Das betrifft die zentrale Museumsbibliothek auf der Museumsinsel (gegr. 1830), die seit 1992 mit der Kunstbibliothek organisatorisch verbunden ist. Der Kunstbibliothek war 1986 die erst nach 1945 in Dahlem aufgebaute neue Museumsbibliothek inkorporiert worden. Die alte, zentrale Museumsbibliothek wird künftig die Aufgaben einer Handbibliothek für die wissenschaftlichen Mitarbeiter auf der Museumsinsel wahrnehmen. Die Bibliothek des Museums für Volkskunde (gegr. 1889 und 1904 den Königlichen Museen angeschlossen), wurde mit der seit 1959 in Westberlin aufgebauten Partnerbibliothek vereinigt, desgleichen die Bibliothek des Ostberliner Museums für Ur- und Frühgeschichte mit der Bibliothek des Westberliner Museums für Vor- und Frühgeschichte (gegr. 1947). 1993 erfolgte die Überführung der Buchbestände des Ostberliner Kupferstichkabinetts (gegr. 1831) in das Westberliner Kupferstichkabinett.
Mit der Vereinigung der beiden deutschen Staaten erfolgte die Rückführung der seit 1949 in Merseburg als Zentrales Staatsarchiv der DDR verwalteten Archivalien und Buchbestände des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz. Dieses Archiv geht auf das Jahr 1468 zurück und befindet sich seit 1924 in Berlin-Dahlem. Von den 56.000 Bänden aus Merseburg wurden ca. 15.000 Bände für Dahlem ausgewählt und der Rest dem neugegründeten Zentralarchiv des Landes Sachsen-Anhalt übergeben.
Besondere Beachtung verdient die Umstrukturierung und Neuordnung der Akademiebibliothek. Die Preußische Akademie der Wissenschaften war bis 1945 eine Gelehrtengesellschaft ohne Institute. Nach ihrer Wiedereröffnung 1946 als Deutsche Akademie der Wissenschaften nahm sie zahlreiche herrenlos gewordene Forschungseinrichtungen auf, auch aus der Industrie. Dieser zunächst spontane Prozeß mündete, unter Bevorzugung der Grundlagenforschung, in die Neugründung von zahlreichen Einrichtungen vor allem der experimentellen Forschung. Diese Institute waren über die ganze DDR verstreut. Hatte die Akademie bis 1945 nur über die 1700 gegründete Akademiebibliothek und einzelne Handbibliotheken bei Kommissionen und Forschungkomplexen verfügt, so gab es jetzt eine Vielzahl von Institutsbibliotheken, die in einem Bibliotheksnetz mit einer Hauptbibliothek an der Spitze zusammengefaßt wurden. 1975 umfaßte das gesamte Bibliotheksnetz der Akademie eine Hauptbibliothek, zwei Zentralbibliotheken (Buch bei Berlin und Leipzig) und 58 Instituts- oder Instituts-Teilbibliotheken der unterschiedlichsten Größe, von denen mehr als 30 im Ostteil Berlins lagen. Auf der fachlichen Kooperationsebene bemühte sich die Akademiebibliothek in Berlin sogar um den Aufbau von Bibliotheksfachnetzen der Grundlagenforschung, insbesondere auf den Gebieten Mathematik und Physik. Es sollten jeweils die fachlich kompetenten Bibliotheken kooperieren - unabhängig davon, ob sie zur Akademie, zum Hochschulbereich oder zu Industrieeinrichtungen des Landes gehörten.[101]
Mit Artikel 38, Absatz 2 des Einigungsvertrages wurde ... die Akademie der Wissenschaften der Deutschen Demokratischen Republik als Gelehrtensozietät von den Forschungsinstituten und sonstigen Einrichtungen getrennt und ab 1. Januar 1992 als Bibliothek der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften geführt, die erneut nur eine Gesellschaft herausragender Gelehrter darstellt.[102] Die Akademiebibliothek gliedert sich heute in die Zentrale Bibliothek mit vier übernommenen Teilbibliotheken (Altorientalistik, Deutsche und Allgemeine Geschichte, Griechisch-römische Altertumskunde und Wirtschaftsgeschichte) sowie die Handbibliotheken in den Akademievorhaben und interdisziplinären Arbeitsgruppen. Der Gesamtbestand umfaßt 1995 850.000 Bände, davon 360.000 Bände in der Zentralen Bibliothek. Die zahlreichen Institutsbibliotheken der Akademie in Berlin wurden entweder aufgelöst, oder es wurden Teilbestände von Hochschuleinrichtungen, auch außerhalb von Berlin, übernommen. Die Bibliothek des aufgelösten Instituts für Theorie des Staates und des Rechts (1985 ca. 22.900 Bände) ging in die Senatsbibliothek ein.
Der Einigungsvertrag verfügt in Artikel 38, Absatz 4 die Auflösung der Bauakademie der DDR und der Akademie der Landwirtschaftswissenschaften der DDR. Damit verloren bedeutende wissenschaftliche Fachbibliotheken Ende 1990 den Unterhaltsträger und hörten auf zu bestehen. Restbestände der ehemaligen Zentralen Bibliothek der Bauakademie haben sich in der Spezialbibliothek Bauwesen in Tegel als Archivbestand sowie im Institut für Erhaltung und Modernisierung von Bauwerken e. V. als Arbeitsbibliothek für die wissenschaftlichen Mitarbeiter erhalten. Die ehemalige Landwirtschaftliche Zentralbibliothek der Akademie für Landwirtschaftswissenschaften, die an der Spitze eines ausgedehnten Fachnetzes stand, wurde Ende 1993 mit einem Gesamtbestand von 420.000 Bänden zunächst geschlossen von der Humboldt-Universität übernommen und der Zweigbibliothek Agrarwissenschaften überwiesen. Aussonderungen von Dubletten und Angebote von Literaturgruppen an andere Institute erwiesen sich schon bei der Übernahme als erforderlich. Der wertvolle Bestand zur Bienenkunde ging an die Zweigbibliothek im Naturkundemuseum.
1990 stellte die 1970 gegründete Akademie der Pädagogischen Wissenschaften der DDR ihre Tätigkeit ein. Ihr war die Pädagogische Zentralbibliothek unterstellt worden, die auf die Deutsche Lehrerbücherei (gegr. 1875) zurückging und an der Spitze eines seit langem funktionierenden Fachnetzes stand. Seit dem 1. Januar 1992 ist diese Bibliothek als Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung dem in Frankfurt a. M. ansässigen Deutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung zugeordnet. Im Januar 1994 bezog sie mit einem inzwischen auf 630.200 Bände angewachsenen Gesamtbestand neue Räume im Ostteil Berlins.
1993 erfolgte die Vereinigung der Akademie der Künste Ost (gegr. 1950) und der Akademie der Künste West (gegr. 1954) zur Akademie der Künste Berlin-Brandenburg. Die Stiftung Archiv der Akademie der Künste Berlin-Brandenburg übernahm die Finanzierung der Bibliotheken und Archive. Der fast ausschließlich aus Literatur des 20. Jahrhunderts bestehende Buchbestand ist 1995 durch Übernahme von Beständen des ehemaligen Ministeriums für Kultur (DDR-Verlagsliteratur der Hauptabteilung Verlage) von 250.000 Bänden auf 350.000 Bände angewachsen. Ebenfalls 1995 konnte die Bibliothek der Akademie der Künste Berlin-Brandenburg die wertvolle Theaterwissenschaftliche Fachbibliothek bei dem ehemaligen Künstlerklub Die Möwe mit 50.000 Bänden übernehmen. Der Hauptbestand der Akademiebibliothek befindet sich auch weiterhin im Osten Berlins.
Die Bibliotheken von zwei als Akademien bezeichneten Ausbildungsstätten waren ebenfalls von der Neuorganisation des Berliner Bibliothekswesens betroffen. Die Bibliothek der Akademie für ärztliche Fortbildung wurde nach Verlust ihrer Trägerinstitution der Bundesanstalt für Arbeitsmedizin in Berlin unterstellt. Der Diözesanbibliothek bei der Theologisch-Pädagogischen Akademie, Katholisches Bildungszentrum des Bistums Berlin (1990 ca. 28.000 Bände), wurde 1993 eine seinerzeit nach Erfurt gelangte Bibliothek der Pfarrei Stralsund vom Bischöflichen Ordinariat Erfurt zurückgegeben. Sie enthält einen historischen Bestand (bis 1900) von mehr als 1500 Bänden, namentlich des 18. Jahrhunderts.
Im Zuge der Umstrukturierung wissenschaftlicher Einrichtungen in Berlin gab es nach 1991 auch Veränderungen an den Hochschulbibliotheken. Verlagerungen von Beständen und Zusammenfassungen von Teilbibliotheken zu größeren Einheiten müssen als ein noch nicht abgeschlossener Prozeß gesehen werden. So wurde 1992 die Veterinärmedizinische Fakultät der Humboldt-Universität mit dem Fachbereich Veterinärmedizin der Freien Universität vereint und der Freien Universität zugeordnet. Das betraf natürlich auch die Vereinigung und Zuordnung der entsprechenden Fachbereichsbibliotheken. Seit 1993 gehört der Fachbereich Nahrungsgüterwirtschaft/Lebensmitteltechnologie der Humboldt-Universität mit den 11 Institutsbibliotheken zur Technischen Universität Berlin. Der Fachbereich Internationale Agrarentwicklung der Technischen Universität hingegen wurde mit 7 Bibliotheken dem Fachbereich Agrar- und Gartenbauwirtschaft der Humboldt-Universität angeschlossen. Am 1. Januar 1995 erfolgte die Fusion der Kirchlichen Hochschule Berlin-Zehlendorf mit der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität. Damit wurde ein Bestand von ca. 210.000 Bänden der Kirchlichen Hochschule der Zweigbibliothek Theologie eingegliedert und erhielt seinen neuen Standort im Berliner Dom. Schließlich wurde die Bibliothek des ehemaligen Instituts für Internationale Politik und Wirtschaft (IPW) mit ihrem großen Fundus an moderner Literatur zu Politik und Wirtschaft in die Bibliothek des Fachbereichs Sozialwissenschaften der Humboldt-Universität aufgenommen.
Einschneidende Veränderungen vollzogen sich nach der Vereinigung Berlins auch für andere bedeutende Fachbibliotheken. Die Bibliothek der Hochschule für Ökonomie wurde nach der Auflösung der Hochschule im Jahre 1991 von der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin-Lichtenberg übernommen. Ihr historischer Bestand (ca. 35.000 Bände) aus der Bibliothek der Industrie- und Handelskammer wurde an diese in Westberlin gelegene Institution zurückgegeben und mit deren Bestand wiedervereinigt. Die Kammer der Technik bildete seit 1946 den ingenieurtechnischen Verband für die DDR. Ihre Bibliothek wurde mit inzwischen ca. 120.000 Bänden 1991 nach Auflösung des Verbandes dem 1982 vom Berliner Senat gegründeten Museum für Verkehr und Technik übergeben. Die Zentralbibliothek des Verkehrswesens beim Zentralen Forschungsinstitut des Verkehrswesens der DDR wurde nach Verlust ihrer Trägerinstitution aufgelöst (1990 106.000 Bände). Ein Teilbestand gelangte an die Fachbibliothek Verkehrswissenschaften der Technischen Universität Dresden. Dorthin ging auch die Fachbibliothek (ca. 33.000 Bände) der 1992 aufgelösten Fluggesellschaft Interflug.
Aufgelöst wurde 1992 die Zentralbibliothek des ehemaligen Zentralen Geologischen Instituts (gegr. 1873), die als die bedeutendste Bibliothek auf dem Gebiet der Geowissenschaften in Deutschland galt (1985 250.000 Bände, 25.000 Karten). Ihr Sonderbestand, die Bibliothek der Deutschen Geologischen Gesellschaft, ging an die Universitätsbibliothek Potsdam und bildet dort die Fachbibliothek für die neu eingerichtete Fachrichtung Geowissenschaften. Ihr historischer Bestand, die Bibliothek der Preußischen Geologischen Landesanstalt, wurde 1992 von der Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz übernommen und wird dort mit 30.000 Druckwerken als Sondersammlung geführt.[103] Das Deutsche Bibliotheksinstitut, das Zentralinstitut für Bibliothekswesen und das Methodische Zentrum für wissenschaftliche Bibliotheken wurden 1992 zusammengefaßt. Damit gehört die Fachbibliothek des ehemaligen Zentralinstituts für Bibliothekswesen (gegr. 1950; 1992 47.500 Bände) organisatorisch zum Deutschen Bibliotheksinstitut, behielt aber ihren alten Standort im Ostteil Berlins.
Im medizinischen Bereich wurde die kleine Sammlung des ehemaligen Instituts für Wissenschaftsinformation der Medizin (IWIM) 1991 im wesentlichen vom Klinikum Buch aufgenommen. Die Bibliothek des Robert-Koch-Instituts im Westteil Berlins nahm geringe Teilbestände von drei Fachbibliotheken im Ostteil zunächst unter ihre Obhut, und zwar des aufgelösten Staatlichen Amtes für Atomsicherheit und Strahlenschutz der DDR, des Zentralinstituts für Hygiene beim ehemaligen Ministerium für Gesundheitswesen und des ehemaligen Staatlichen Kontrollinstituts für Seren und Impfstoffe. Nach der Vereinigung wurden auch die Krankenhausbibliotheken im Ostteil Berlins aufgelöst, die einen beachtlichen und gepflegten Bestand an Belletristik und Sachliteratur verwalteten. Im Jahre 1953 hatte sich die Berliner Jüdische Gemeinde in eine Westberliner und eine Ostberliner Gemeinde getrennt. Die Vereinigung der beiden deutschen Staaten führte im Januar 1991 auch zur Vereinigung der beiden Berliner Jüdischen Gemeinden und zur Reorganisation ihrer beiden Bibliotheken. Die Gemeindebibliothek im Ostteil (gegr. 1902, wiedereröffnet 1977) fungiert jetzt als Zweigbibliothek der in Westberlin befindlichen Hauptbibliothek (gegr. 1959) der Jüdischen Gemeinde zu Berlin.
Mit Wirkung vom 1. Januar 1993 kamen unter die Obhut des Bundesarchivs in Koblenz mehrere in der Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv vereinigte Bibliotheken, und zwar vor allem die Bibliothek des Verbundes, d. h. die ehemalige Bibliothek des Instituts für Marxismus-Leninismus beim Zentralkomitee der SED, und die Johannes-Sassenbach-Bibliothek, d. h. die ehemalige Zentralbibliothek des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB). Die erstgenannte übernahm ihrerseits für die Stiftung den nach 1991 als Bibliothek im Haus am Köllnischen Park entstandenen Bücherbestand, der sich aus den aufgelösten Bibliotheken der ehemaligen Parteihochschule Karl Marx, der ehemaligen Akademie für Gesellschaftswissenschaften und der Bibliothek des Zentralkomitees der SED gebildet hatte und insgesamt 360.000 Bände umfaßte. Die Johannes-Sassenbach-Bibliothek übernahm aus den in den Ostberliner Gewerkschaftshäusern angelegten Zweigbibliotheken Literatur, die für die Geschichte der Gewerkschaftsbewegung wichtig ist, sowie historische Teilbestände (fast 30.000 Bände) der 1991 stillgelegten Bibliothek der Hochschule der Gewerkschaften in Bernau bei Berlin. Nach Auflösung des FDGB 1990 gingen die zahlreichen Gewerkschaftsbibliotheken in den Berliner Einrichtungen zum größten Teil verloren, soweit ihre Bestände an Belletristik und Sachliteratur nicht in seltenen Fällen von den Öffentlichen Bibliotheken übernommen wurden. Leider gibt es keine zuverlässigen Informationen über diese Vorgänge.
1952 war im Zeughaus das Museum für Deutsche Geschichte gegründet worden, das in der Folgezeit eine umfassende historische Fachbibliothek aufgebaut hat. Mit der Wiedervereinigung wurde bereits im Oktober 1990 dieses Museum in das 1987 in Westberlin gegründete Deutsche Historische Museum überführt. Die Bibliotheken beider Museen wurden mit Sitz im Zeughaus vereinigt, wobei die Bibliothek des ehemaligen Museums für Deutsche Geschichte ca. 170.000 Bände und die Bibliothek des Deutschen Historischen Museums 2876 Bände einbrachten. Die ehemalige, ursprünglich bedeutende Zeughaus-Bibliothek war durch Auslagerung im Zweiten Weltkrieg und durch Liquidation des Zeughauses auf Beschluß der Alliierten Kommandantur vom Oktober 1945 verloren gegangen.
Die Bibliothek des Museums für Post und Kommunikation - ursprünglich Bibliothek des Postmuseums (gegr. 1872) - ging im Juni 1995 in eine Museumsstiftung für Post und Telekommunikation ein und bekam die 1966 in Westberlin eröffnete kleine Bibliothek des Post- und Fernmeldemuseums zugewiesen. Während des Zweiten Weltkrieges war die sehr reiche Bibliothek des Postmuseums aus Berlin nahezu vollständig verlagert worden und bildete später den Grundstock für die Bibliothek des 1958 in Frankfurt a. M. errichteten Deutschen Postmuseums. Den heutigen Gesamtbestand von ca. 30.000 Bänden hat die Bibliothek des Museums für Post und Kommunikation nach 1956 aufgebaut. Seit dem 2. Juni 1995 sind auch die Bibliothek des Märkischen Museums (gegr. 1874) und die Bibliothek des Berlin Museums (gegr. 1962) in einer Stiftung Stadtmuseum Berlin - Landesmuseum für Kultur und Geschichte Berlins mit dem gemeinsamen Standort im Osten Berlins vereinigt. Die Bibliothek des Märkischen Museums brachte nach ihren großen Kriegsverlusten einen Gesamtbestand von 30.000 Bänden ein, die Bibliothek des Berlin Museums 12.500 Bände.
Zu den von der Neuordnung des Berliner Bibliothekswesens betroffenen Institutionen gehören schließlich auch die Behördenbibliotheken. Die Bibliothek des aufgelösten Obersten Gerichts der DDR gelangte mit ihrem kostbaren historischen Bestand aus Berlin und aus den Auslagerungen in Forst 1991 und 1992 in die Bibliothek des Bundesgerichtshofes in Karlsruhe. Ein kleinerer Teilbestand wurde 1991 der Fachbibliothek für Rechtswissenschaften an der neugegründeten Juristischen Fakultät der Technischen Universität Dresden übergeben. Wiedervereinigt wurden die Bestände der Bibliothek des Kammergerichts (gegr. 1750), einer der ältesten noch bestehenden preußischen Behörden neben dem Geheimen Staatsarchiv. Während des Zweiten Weltkrieges waren etwa zwei Drittel ihres Bestandes durch Verlagerung in später sowjetisch besetzte Gebiete verloren gegangen. Rund 60.000 Bände gelangten später an die Deutsche Staatsbibliothek und wurden im März 1991 an das Kammergericht des Landes Berlin zurückgegeben. Im Sommer 1991 kam es zum Zusammenschluß des Berliner Stadtarchivs mit der Bibliothek des Landesarchivs. Beide Bibliotheken verblieben in ihren bisherigen Räumlichkeiten; die Bibliothek des Berliner Stadtarchivs wurde zur Außenstelle des Berliner Landesarchivs.
Ende 1995 werden die Berliner Stadtbibliothek in Berlin-Mitte und die Amerika-Gedenkbibliothek in Kreuzberg zu einer Zentral- und Landesbibliothek Berlin fusionieren. Bereits im Herbst 1995 sollen im Ribbeck-Haus, neben der Berliner Stadtbibliothek, die Berlin-Sammlungen beider Bibliotheken zu einem Zentrum für die Berlin-Forschung zusammengeführt werden. Die Berliner Stadtbibliothek wird die Funktion einer Landesbibliothek der Hauptstadt und die Amerika-Gedenkbibliothek die einer Zentralbibliothek für die Öffentlichen Bibliotheken Berlins übernehmen.
Diese Übersicht ist der erste Versuch, die Entwicklung des Berliner Bibliothekswesens vor dem Hintergrund einer wechselvollen und durch die jahrzehntelange Teilung der Stadt auch ungewöhnlichen und tragischen Geschichte in einer Gesamtschau von den Anfängen bis zur unmittelbaren Gegenwart darzustellen. Sie ist weniger eine Bibliotheksgeschichte als eine Bestandsgeschichte. Im Vordergrund stehen Fragen wie die nach der Gründung bedeutender Bibliotheken, nach ihrer Entwicklung und dem Verbleib ihrer Bestände. Unabhängig davon, ob die Bibliotheken über einen historischen Buchbestand verfügten oder verfügen, wurden sie hier berücksichtigt. Ihre Anzahl ist daher bedeutend größer als die der Bestandsbeschreibungen des Handbuches. Die Recherchen nach dem Verbleib aufgelöster, verlagerter und fusionierter Bestände von Berliner Bibliotheken in Vergangenheit und Gegenwart dürften nicht nur für den Bibliothekshistoriker, sondern auch für den Leser und Nutzer von Spezialsammlungen von Bedeutung sein. Wie keine andere Stadt in Deutschland hat Berlin in den letzten hundert Jahren besonders viele Veränderungen und Verschiebungen von Bibliotheksbeständen erfahren. Dieser Prozeß ist sicher noch nicht abgeschlossen, denkt man an die künftige Funktion Berlins als Regierungs- und Parlamentssitz der Bundesrepublik Deutschland. Die hier vorgelegte Bestandsgeschichte der Bibliotheken Berlins wird deswegen noch der Ergänzung und der Präzisierung bedürfen. Sie versteht sich nur als Einstimmung in ein großes Thema.
Oktober 1995
Friedhilde Krause
Anmerkungen
[1] Peter Ring: Bevölkerung. In: Berlin Handbuch. Das Lexikon der Bundeshauptstadt. Berlin 1992, S. 236 [Auch die folgenden Angaben über die Berliner Bevölkerung stammen aus diesem Artikel, S. 236-248.]
[2] Thomas Flemming: Berliner Bibliotheken einst und jetzt. Zugleich Begleitheft zur Ausstellung. Berlin 1988
[3] Paul Schwenke: Altberliner Bücher und Einbände. In: Zentralblatt für Bibliothekswesen 35 (1918) S. 237; Uwe Czubatynski: Armania Ecclesiar. Studien zur Geschichte des kirchlichen Bibliothekswesens am Beispiel der Mark Brandenburg. Diss. Berlin: Humboldt-Universität 1993, S. 17-21 [mschr.]
[4] Andreas Tacke: Zu den Anfängen der Berliner Staatsbibliothek in kurfürstlicher Zeit (vor 1661). In: Gutenberg-Jahrbuch 1992, S. 374-382
[5] Friedrich Wilken: Geschichte der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Berlin 1828, S. 15. - 1663 wurde beispielsweise ein Teilbestand der Dreifaltigkeitskirche Berlin, später Domkirche, in die Churfürstliche Bibliothek zu Cölln an der Spree übernommen.
[6] Arthur Georgi: Die Entwicklung des Berliner Buchhandels bis zur Gründung des Börsenvereins der deutschen Buchhändler 1825. Berlin 1926, S. 30-41; Hans-Joachim Beeskow: Der Buchdrucker Hans Weiß im Dienst der Berlin-brandenburgischen Reformation. In: Dem Wort nicht entgegen ...Aspekte der Reformation in der Mark Brandenburg. Berlin 1988, S. 111-114
[7] Gabriele Spitzer: Leonhard Thurneysser zum Thurn und seine Berliner Druckerei im Grauen Kloster 1574 bis 1596. Diss. Berlin: Humboldt-Universität 1987 [mschr.; erscheint 1996 im Druck]
[8] Eckhard Plümacher: Die Bibliothek der St. Nicolai-Kirche in Spandau. Ein Beitrag zur Geschichte vom 16. bis zum 18. Jahrhundert. In: Jahrbuch für Berlin-Brandenburgische Kirchengeschichte 46 (1971) S. 35-101
[9] Adolf Laminski: Die Kirchenbibliotheken in St. Nicolai und St. Marien. Ein Beitrag zur Berliner Bibliotheksgeschichte. Berlin 1990 (Zentralblatt für Bibliothekswesen, Beih. 98)
[10] Peter P[aul] Rohrlach: Die Bibliothek des ehemaligen Berlinischen Gymnasiums zum Grauen Kloster. Ein Beitrag zur Berliner Bibliotheksgeschichte. In: Beiträge zur Berliner Bibliotheksgeschichte 1 (1981) S. 7-36
[11] Siegfried Joost: Bibliotheca Joachimica. Werden und Vergehen einer deutschen Schulbibliothek. In: Bibliotheca docet. Festgabe für Carl Wehmer. Amsterdam 1963, S. 233-256
[12] Friedrich Nicolai: Beschreibung der Königlichen Residenzstädte Berlin und Potsdam und aller daselbst befindlichen Merkwürdigkeiten und der umliegenden Gegend. 3. völlig umgearb. Aufl. Bd 1. Berlin 1786, S. XLV
[13] Alexander Eickelpasch: Wirtschaft. In: Berlin Handbuch. Das Lexikon der Bundeshauptstadt. Berlin 1992, S. 1399 [Auch die folgenden Angaben über die Berliner Wirtschaft stammen aus diesem Artikel, S. 1395-1423.]
[14] Friedrich Nicolai: Beschreibung der Königlichen Residenzstädte Berlin und Potsdam. Bd 2, S. 741-747
[15] Ebda, S. 714-719
[16] Wissenschaft in Berlin. Von den Anfängen bis zum Neubeginn nach 1945. Autorenkollektiv unter Leitung von Hubert Laitko. Berlin 1987, S. 38-95
[17] Ernst Crous: Der Werdegang des Berliner Buchdrucks. Berlin 1929, S. 9
[18] Arthur Georgi: Die Entwicklung des Berliner Buchhandels, S. 79
[19] Friedrich Nicolai: Beschreibung der Königlichen Residenzstädte Berlin und Potsdam. Bd 2, S. 769-781
[20] Paul Schwenke; Adalbert Hortzschansky: Berliner Bibliothekenführer. Berlin 1906, S. 133-134
[21] Ebda, S. 142-143
[22] Friedrich Nicolai: Beschreibung der Königlichen Residenzstädte Berlin und Potsdam. Bd 2, S. 781-791
[23] Paul Raabe: Friedrich Nicolai, 1733-1811. Die Verlagswerke eines preußischen Buchhändlers der Aufklärung 1759-1811. Weinheim 1988, S. 11
[24] Friedrich Nicolai: Beschreibung ..., S. 723-728
[25] Thomas Flemming: Berliner Bibliotheken einst und jetzt, S. 27
[26] Schwenke & Hortzschansky: Berliner Bibliothekenführer, S. 64
[27] Thomas Flemming: Berliner Bibliotheken, S. 25
[28] Ebda
[29] Joachim Krüger: Die Universitätsbibliothek Berlin von ihrer Gründung bis zum Jahre 1945. In: Joachim Krüger und Waltraud Irmscher: Zur Geschichte der Berliner Universitätsbibliothek. Berlin 1981, S. 12 (Beiträge zur Geschichte der Humboldt-Universität zu Berlin 3)
[30] Anne-Katrin Kollatzsch: Zur Geschichte Berliner Gymnasialbibliotheken. Abschlußarbeit. Berlin: Institut für Bibliothekswissenschaft und wissenschaftliche Information der Humboldt-Universität Berlin 1989, S. 10 [mschr.]
[31] Ebda, S. 74-76
[32] Arend Buchholz: Die Volksbibliotheken und Lesehallen der Stadt Berlin 1850-1900. Berlin 1900, S. 106
[33] Sabine Schilfert: Die Bibliothek des Berliner Gewerbehauses - ein Beitrag zur historischen Entwicklung von Bibliotheken unter dem Einfluß der industriellen Revolution. In: Beiträge zur Berliner Bibliotheksgeschichte 2 (1983) S. 47-61
[34] Thomas Flemming: Berliner Bibliotheken, S. 41
[35] Heidemarie Schade: Berliner Bibliotheken. Naturwissenschaften. Berlin 1987, S. 104
[36] Heidemarie Schade: Berliner Bibliotheken. Recht, Staat, Verwaltung. Berlin 1985, S. 65
[37] [Notiz in] Zentralblatt für Bibliothekswesen 36 (1919) S. 179
[38] Norbert Stroscher: Die Heimannsche Öffentliche Bibliothek und Lesehalle zur unentgeltlichen Benutzung für jedermann 1899-1919. Eine Bibliothek für die Berliner Arbeiterschaft. In: Beiträge zur Berliner Bibliotheksgeschichte 5 (1987) S. 1-98
[39] Erwin Marks: Von der Volkslesehalle zum Büchereisystem einer Weltstadt. Berlins städtische Büchereien 1890 bis 1926. In: Beiträge zur Berliner Bibliotheksgeschichte 4 (1986) S. 78
[40] Technische Universität Berlin. Aus der Chronik der Universitätsbibliothek 1884-1984. Hrsg. von Helmut Sontag. Berlin 1985, S. 55
[41] Minerva-Handbücher. Abt. 1: Die Bibliotheken. Bd 1: Deutsches Reich. Bearb. von Hans Praesent. Berlin, Leipzig 1929, S. 51-53
[42] Heidemarie Schade: Berliner Bibliotheken. Naturwissenschaften. Berlin 1987, S. 25
[43] Ebda, S. 23-24
[44] Minerva-Handbücher, Abt. 1, S. 37
[45] Ebda, S. 36
[46] Gunnar Stehr: Die Bibliothek des Preußischen Oberverwaltungsgerichts 1875-1945. Köln 1987
[47] Minerva-Handbücher. Abt. 1, S. 82
[48] Ebda, S. 86
[49] Wegweiser durch das jüdische Berlin. Berlin 1987, S. 27
[50] Verbannt, verboten, verbrannt. Vergessen? Zur Erinnerung an die Bücherverbrennung 1933. Bibliographie zur Schwarzen Liste - Schöne Literatur. 2. überarb. und erw. Auflage. Zusammengestellt und bearbeitet aus Anlaß des 60. Jahrestages der Bücherverbrennung in Dresden am 8. März 1933 von Juliane Krummsdorf und Ingrid Werner. Dresden 1993
[51] Volksbücherei und Nationalsozialismus. Materialien zur Theorie und Politik des öffentlichen Bibliothekswesens in Deutschland 1933-1945. Hrsg. von Friedrich Andrae. Wiesbaden 1970, S. 177
[52] Renate Gollmitz: Max Herrmann, ein jüdischer Germanist an der Berliner Universität. In: Beiträge zur Geschichte der Humboldt-Universität zu Berlin Nr. 23 (1989) S. 77-85
[53] Rudolf Kummer: Das wissenschaftliche Bibliothekswesen im nationalsozialistischen Deutschland. In: Zentralblatt für Bibliothekswesen 55 (1938) S. 402
[54] Joachim Petzold: Das Büchereiwesen der NSDAP unter besonderer Berücksichtigung der wissenschaftlichen und Spezialbibliotheken. In: Zentralblatt für Bibliothekswesen 55 (1938) S. 524-533
[55] Vgl. Jahrbuch der Deutschen Bibliotheken 33 (1942). Berlin 1943
[56] E. Leipprand: Die Zentralbücherei der Deutschen Arbeitsfront. In: Zentralblatt für Bibliothekswesen 55 (1938) S. 88-90
[57] Georg Leyh: Die deutschen wissenschaftlichen Bibliotheken nach dem Krieg. Tübingen 1947, S. 3 und 5
[58] Ebda, S. 10
[59] Ebda, S. 50-54
[60] Vgl. Jahrbuch der Deutschen Bibliotheken 33 (1942). Berlin 1943
[61] Friedrich Stuhlmann: Die Deutsche Heeresbücherei in Berlin. Berlin 1927
[62] Helmut Herbig: Die Ratsbibliothek von 1945 bis zu ihrem Anschluß an die Berliner Stadtbibliothek. Zerstörung und Wiederaufbau der Verwaltungsbibliothek des Magistrats. In: Beiträge zur Berliner Bibliotheksgeschichte 2 (1983) S. 23-46
[63] Heidemarie Schade: Berliner Bibliotheken. Recht, Staat, Verwaltung. Berlin 1985, S. 26
[64] Zitiert nach H[ans] D[ieter] Heilmann: Die Bibliotheken in Zeit und Räumen. In: Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin. Bibliotheks-Informationen Nr. 26 (1994) S. 15
[65] Ebda, S. 16
[66] Ebda, S. 17 und 19
[67] Ebda
[68] Ingo Kolasa: Sag mir wo die Bücher sind .... Ein Beitrag zu Beutekulturgütern und Trophäenkommissionen. In: Daniela Lülfing und Günter Baron (Hrsg.): Tradition und Wandel. Festschrift für Richard Landwehrmeyer aus Anlaß seines Ausscheidens aus dem Amt des Generaldirektors der Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz - am 28. Februar 1995. Berlin 1995, S. 114-115; Günter Wermusch: Tatumstände (un)bekannt. Kunstraub unter den Augen der Alliierten. Braunschweig 1991, S. 94
[69] Johannes Sass: Zur Geschichte der Bibliothek des Auswärtigen Amtes. In: Zentralblatt für Bibliothekswesen 29 (1912) S. 1-19; Bericht über die Bergungsaktion der Bibliothek des Auswärtigen Amtes. In: Landesarchiv Berlin, Außenstelle Breite Straße. Akte: Rep.120, Nr. 512
[70] H[ans] D[ieter] Heilmann: Die Bibliotheken in Zeit und Räumen, S. 17
[71] Dr. Rudolf Hoecker am 9. November 1945 an die Deutsche Zentralverwaltung für Volksbildung in Berlin. (Archiv der Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz. Akte Auslagerungen Nr. A 36/5)
[72] Jahrbuch der Deutschen Bibliotheken 33 (1942). Berlin 1943
[73] Zehn-Jahresbericht der Deutschen Staatsbibliothek 1946-1955. Berlin 1956, S. 196-202
[74] Ingo Kolasa: Sag mir wo die Bücher sind, S. 113-115
[75] Ich beziehe mich auf eine Information des Berliner Mediziners Prof. Dr. Wolfram Körner.
[76] Eine solche Ausnahme stellt der maschinenschriftliche Bericht eines Magaziners der Deutschen Staatsbibliothek dar: Walter Schwarzenecker: Erinnerungen an die Stabi. [Berlin 1961] (Archiv der SBB-PK)
[77] A[ntoni] Knot: Polskie prawo biblioteczne. Zbiór przepisów prawnych dotyczacych bibliotek. Wroclaw 1947, S. 103 ff. [Polnisches Bibliotheksrecht. Sammlungen von Rechtsvorschriften zum Bibliothekswesen]
[78] Vgl. Wlodzimierz Kalicki: Pruski skarb w Krakowie. In: Gazeta swiateczna. [Samstag/Sonntag-Ausgabe der Gazeta wyborcza] vom 22./23. Oktober 1994, S. 17 [Preußischer Schatz in Krakau]
[79] Jevgenij Kuzmin: Tajna cerkvi v Uskom [Das Geheimnis der Kirche in Uskoje]. In: Literaturnaja gazeta (1990) 38 vom 18. September. In deutscher Übersetzung: Jewgeni Kusmin: Griff in den Staub. Uskoje, nahe Moskau: Warum verrotten in der Kirche St. Anna eineinhalb Millionen Bände? In: Die Presse, Wien (1990) vom 20./21. Oktober
[80] Peter Kittel: Bestände aus der früheren Preußischen Staatsbibliothek in Polen. In: Jahrbuch Preußischer Kulturbesitz 29.1992 (1993) S. 115-120; Jan Pirozynski: Buchbestände aus Berlin in der Jagiellonen-Bibliothek. Die Berliner-Sammlung, ebda, S. 121-126. Vgl. den Bericht über die erste gemeinsame Beratung in Moskau: Restitution von Bibliotheksgut. Runder Tisch deutscher und russischer Bibliothekare in Moskau am 11. und 12. Dezember 1992. Hrsg. von Klaus-Dieter Lehmann und Ingo Kolasa. Frankfurt a. M. 1992 (Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie, Sonderheft 56)
[81] Werner Schmidt: Die Verlagerung der Bestände im Zweiten Weltkrieg und ihre Rückführung. In: Deutsche Staatsbibliothek 1661-1961. Bd 1. Geschichte und Gegenwart. Leipzig 1961, S. 77-86; Werner Schochow: Von den Kriegs- und Nachkriegsschicksalen der Bestände der Preußischen Staatsbibliothek. In: Mitteilungen, SBB (PK) N. F. 3 (1994) S. 1-9; Gudrun Voigt: Die kriegsbedingte Auslagerung von Beständen der Preußischen Staatsbibliothek und ihre Rückführung. Eine historische Skizze auf der Grundlage von Archivmaterialien. Hannover 1995 (Kleine historische Reihe 8)
[82] Archiv der SBB-PK. Akte Auslagerungen Nr. A 36/5
[83] Ekkehart Vesper: Die Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz - Aufbau und Entwicklung 1946 bis 1978. In: Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Festgabe zur Eröffnung des Neubaus in Berlin. Hrsg. von Ekkehart Vesper. Wiesbaden 1978, S. 95-122
[84] S. die tabellarische Übersicht über die aus ihren Bergungsorten noch nicht zurückgekehrten Bestände: Werner Schochow: Von den Kriegs- und Nachkriegsschicksalen der Bestände der Preußischen Staatsbibliothek, S. 9
[85] Wieland Schmidt: Die Entwicklung des wissenschaftlichen Bibliothekswesens im Lande Berlin. Berlin 1956, S. 4, 16-17
[86] Drei Bibliotheken entdeckt. Keine Einigung mit Polen über Beutekunst. In: Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 29. April 1995
[87] J[oris] V[orstius]: Dokumente über die Aussonderung der nationalsozialistischen und militaristischen Literatur in deutschen Bibliotheken. In: Zentralblatt für Bibliothekswesen 62 (1948) S. 128-132
[88] Nachträge erschienen 1947, 1948 und 1953
[89] Wieland Schmidt: Die Entwicklung des wissenschaftlichen Bibliothekswesens, S. 3-5
[90] Thomas Flemming: Berliner Bibliotheken einst und jetzt. Berlin 1988, S. 82 [Für 1988 werden hier 210 Bibliotheken genannt.]
[91] Zur Entwicklung der Hauptstadt der DDR Berlin 1980 bis 1983. Berlin 1984, S. 22
[92] Rainer Thiem: Wissenschaft und Forschung. In: Berlin Handbuch. Das Lexikon der Bundeshauptstadt, S. 1436
[93] Verordnung über Aufgaben des Bibliothekssystems bei der Gestaltung des entwickelten gesellschaftlichen Systems des Sozialismus in der Deutschen Demokratischen Republik vom 31. Mai 1968 - Bibliotheksverordnung (BVO). In: Rechts-ABC für Bibliotheken. Ausgabe 1983. Leipzig 1983, S. 205-259
[94] Für das wissenschaftliche Bibliothekswesen Berlins stehen als letzte statistische Angabe leider nur die gedruckten Zahlen aus den Jahren 1983-1985 zur Verfügung; s. Jahrbuch der Bibliotheken, Archive und Informationseinrichtungen der DDR. Hrsg. vom Bibliotheksverband der DDR. Bearb. von Heinz Gittig und Wolfgang Horscht 13 (1983/85). Leipzig 1987, S. 45-84
[95] Die einzelnen Einrichtungen mit ihren Bibliotheken werden mit ihrer letzten Bezeichnung aus dem Jahre 1990 benannt.
[96] Ulrich Gericke: Zur Geschichte der Bibliothek des Obersten Gerichts der Deutschen Demokratischen Republik. In: Zentralblatt für Bibliothekswesen 71 (1957) S. 142-144
[97] Friedhilde Krause: Wo sind sie geblieben ...? Über die Situation des wissenschaftlichen Bibliothekswesens in Ostberlin. In: Marginalien 126 (1992) S. 68
[98] Vgl. Jahrbuch der Bibliotheken, Archive und Informationseinrichtungen der DDR 13 (1983/85). Leipzig 1987
[99] Klaus Siebenhaar: Kultur. In: Berlin Handbuch. Das Lexikon der Bundeshauptstadt, S. 723
[100] Friedhilde Krause: Wo sind sie geblieben? S. 63-76
[101] Joachim Rex: Das Bibliothekswesen der Akademie der Wissenschaften der DDR. Zu einigen Fragen seiner Entwicklung und weiteren Gestaltung, anläßlich des 275. Jahrestages der Gründung der Akademie. In: Zentralblatt für Bibliothekswesen 89 (1975) S. 309-318
[102] Joachim Rex: Die Akademiebibliothek. Grundzüge ihrer Entwicklung. In: Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (vormals Preußische Akademie der Wissenschaften) Jahrbuch 1994 (1995) S. 419-430
[103] Hartmut Böhrenz: Übernahme von Bibliotheksbeständen der Preußischen Geologischen Landesanstalt und des Reichsamts für Bodenforschung durch die Staatsbibliothek zu Berlin. In: Mitteilungen. SBB (PK) N. F. 3 (1994) S. 24-32