FABIAN HANDBUCH: HANDBUCH DER HISTORISCHEN BUCHBESTÄNDE IN DEUTSCHLAND, ÖSTERREICH UND EUROPA SUB Logo
 
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Bludov [Blauda]

Schloßbibliothek

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Die Schloßbibliothek Blauda geht zurück auf den Buchbestand im Schloß Velké Losiny [Groß Ullersdorf], das 1496 in den Besitz der Grafen von Zierotin gelangte (s. Eintrag dort). Begründer der Bibliothek waren Peter von Zierotin (1488-1528) sowie Johann d. J. von Zierotin (1608). Johanns Sohn Bernard (1615), Rektor der Prager Universität, erweiterte die Bibliothek um einen großen Bestand an protestantischer religiöser Literatur, zudem um historische Werke und Literatur der Antike. In den folgenden Generationen trugen Premek I. von Zierotin (1590-1652), sein Sohn Premek II. (1629-1673) und Maximilian Franz (1706) zur Vermehrung des Bestandes bei. Besonderes Interesse an der Bibliothek zeigte Graf Johann Joachim von Zierotin (1666-1716), der 1713 einen Katalog erarbeiten ließ (s. u. 3.2) und die Einbände neu gestaltete. So ließ er die Rücken vieler Bücher mit schwarzer Farbe streichen, einen anderen Teil der Sammlung ließ er in weißes Leder binden. Zu seiner Zeit, am Anfang des 18. Jhs, enthielt die Bibliothek ca. 1000 Bde.

1.2 Graf Josef Karl von Zierotin (1728-1818), der seine Bücher mit einem großen, als Kupferstich ausgeführten heraldischen Exlibris versah, ergänzte die Bibliothek hauptsächlich mit juristischer Literatur. Auch seine Gemahlin, Gräfin Johanna von Schrattenbach (1742-1818), erweiterte den Buchbestand. Zur gleichen Zeit wurde die Zierotiner Bibliothek durch die Büchersammlung des Grafen Johann Nepomuk Podstatzký von Prussinowitz (1758) vermehrt. Im Jahre 1802 wurde Groß Ullersdorf von den Zierotins verkauft. Die Familie siedelte mit ihrer wertvollen Bibliothek, die damals ca. 2000 Bde umfaßte, in das unweit gelegene Schloß Blauda über. Im 19. Jh ist vor allem Franz Josef von Zierotin (1772-1845) zu erwähnen, der deutsche und ins Deutsche übersetzte Werke der Klassik und Romantik sammelte. Diese Werke ließ er in einheitliche Ledereinbände mit Goldverzierung und dem Supralibros FJZ binden. Die letzten wichtigen Bestandserweiterungen der Blaudaer Bibliothek erfolgten durch Zdenko Otto von Zierotin (1812-1887) und seinen Sohn Karl Emanuel (1850-1934). Heute ist die Blaudaer Bibliothek der Zierotins wieder in den Räumen des Schlosses Groß Ullersdorf untergebracht. Sie befindet sich im Besitz des Nationalmuseums in Prag.

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

2.1 Die Bibliothek umfaßt 12.593 Bde, davon 250 Hss., 8 Inkunabeln, 153 Drucke des 16. Jhs, ca. 700 Bde des 17. Jhs, ca. 1300 Bde des 18. Jhs und ca. 7000 Bde des 19. Jhs.

2.2 Aus dem 16. Jh stammen überwiegend lateinische, in Deutschland gedruckte Bücher. Es handelt sich um theologische Literatur, hauptsächlich um protestantische Wittenberger und Leipziger Drucke, darunter etliche Schriften Luthers sowie Ausgaben zeitgenössischer Humanisten, u. a. Melanchthons. Weiterhin finden sich die Psalmen und andere Teile der Bibel, Bibelkommentare, Werke der Kirchenväter und antiker Autoren sowie historische Chroniken.

2.3 Von den Drucken des 17. und 18. Jhs sind ungefähr 60 Prozent deutsche Werke; außerdem liegen französische, italienische und tschechische Publikationen vor. Neben hippologischer Literatur und Werken zur Tierheilkunde findet sich mathematische und allgemeine naturwissenschaftliche Literatur; ein Schwerpunkt liegt beim Gartenbau. Einen weiteren Bestand bilden geographische Werke, Landkarten und Reisebücher, hauptsächlich aus der zweiten Hälfte des 18. Jhs. Die Geschichte ist vor allem vertreten durch Biographien von Königen und deutsche Werke über die böhmische Geschichte, oft herausgegeben in Olomouc [Olmütz].

2.4 Sehr zahlreich sind Juridica, Gesetzessammlungen und Verordnungen, hauptsächlich aus der Zeit der Regierung Maria Theresias und Josephs II. Die theologische Literatur ist fast ausschließlich katholisch; ein häufiges Thema sind Wunder. Einen großen Bestand bildet Theaterliteratur des 18. Jhs, die in deutscher oder italienischer Sprache in Wien gedruckt wurde. Auch zahlreiche Ausgaben antiker Autoren liegen vor. Die Belletristik ist hauptsächlich vertreten durch englische und französische Autoren in englischsprachigen Ausgaben. Deutsche Dichtung liegt vornehmlich aus der zweiten Hälfte des 18. Jhs vor. Ein anderer Teil des Bestandes ist der Bildenden Kunst gewidmet. Die Bibliothek wird ergänzt durch verschiedene Wörterbücher und Taschenbücher vom Ende des 18. Jhs.

2.5 Der Bestand der Drucke aus der Zeit nach 1800 umfaßt annähernd 10.000 Bde, davon ungefähr 90 Prozent in Deutsch; ungefähr 25 Prozent stammen vom Anfang des 20. Jhs. Es überwiegt die landwirtschaftliche Literatur - zu Ackerbau, Weinbau, Teichwirtschaft und vor allem Schriften zur industriellen Herstellung von Lebensmitteln. Zahlreich sind politische Schriften über die Konstitution Österreich-Ungarns, soziale Themen und nationalistische Bestrebungen, oft speziell zu Böhmen. Zu diesem Bereich gehört auch Literatur über die Staatsökonomie und die Zollpolitik. Ein kleiner Teil der Schriften befaßt sich mit Verkehrsverbindungen, der Eisenbahn und der Schiffahrt. Die naturwissenschaftliche Literatur stammt hauptsächlich vom Ende des 19. Jhs und aus dem 20. Jh. Bemerkenswert sind einige Werke über Homöopathie. Die Bildende Kunst ist vor allem durch Auktionskataloge vertreten, aber auch durch kunsttheoretische Werke und Zeitschriften. Der Bestand wird ergänzt durch Jahresberichte verschiedener Vereine, Kalender, Schulbücher des 19. und vom Anfang des 20. Jhs - hauptsächlich Sprachlehrbücher und mathematische und geometrische Lehrwerke - ferner durch Zeitschriften und ca. 10 Kochbücher.

3. KATALOGE

3.1 Moderne Kataloge

Gesamtkatalog der Schloßbibliotheken unter der Verwaltung des Nationalmuseums in Prag

Standortkatalog [erstellt 1974]

Gesamtkatalog der Drucke bis 1800

[3Bde; erstellt 1973-1974]

3.2 Historische Kataloge

Alphabetischer Katalog der in der gräflich Zierotinischen Bibliothek in Blauda befindlichen Bücher, verfaßt im Jahr 1805 [Alphabetischer Autorenkatalog der Blaudaer Bibliothek; Nr. 113 in Bohácek und Cáda, s. u. 5]

Katalog der Blaudaer Gräflich Zierotin'schen Bibliothek. I. Band [Schlagwortkatalog; aus der Mitte des 19. Jhs, geführt bis zum Anfang des Ersten Weltkrieges; Nr. 246 in Bohácek und Cáda]

Realverzeichnis [Sachkatalog aus dem 19. Jh; Nr. 230 in Bohácek und Cáda]

Dreifacher Catalogus aller Bücher u. Schriften, welche sich in der Hochreichsgräfl. Zierotisischen Bibliotheca zu Ullersdorf befinden im jar, Da Der LöVV DIe LILIen Liebte [Alphabetischer Katalog; erstellt 1713; Sachkatalog und Inventar der Bibliothek in Groß Ullersdorf; Nr. 144 in Bohácek und Cáda]

Zur Blaudaer Bibliothek existierte auch ein Zettelkatalog, der heute als verloren gilt.

4. DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

Bohatta, Johann; Holzmann, Michael: Adressbuch der Bibliotheken der Oesterreich-ungarischen Monarchie. Wien 1900, S. 6, Nr. 18

Tobolka, Zdenek Vaclav: Zerotínská knihovna [Die Zierotiner Bibliothek]. Praha 1926

Lifka, Bohumír: Zámecká knihovna Bludov [Die Schloßbibliothek Blauda]. In: Velké Losiny, Státní zámek a okolí [Groß Ullersdorf, Staatsschloß und Umgebung]. Praha 1954, S. 8-11

Lifka, Bohumír: Knihovna Zerotín Lilgenavských z Velkých Losin a Bludova [Bibliothek der Lilgenauer Zierotins aus Groß Ullersdorf und Blauda]. In: Sborník Národního musea v Praze, rada C [Sammelband des Nationalmuseums in Prag, Reihe C] 3 (1958) Nr. 3-4, S. 47-50

Kneidl, Pravoslav: Nekatolické tisky 16. století v bludovské knihovne [Nicht-katholische Drucke des 16. Jhs in der Blaudaer Bibliothek]. [mschr.; aus den sechziger Jahren des 20. Jhs; in der Bibliothek des Nationalmuseums Prag]

Spurný, František: Knihovny na velkolosinském zámku [Bibliotheken im Schloß Groß Ullersdorf]. In: Vlastivedné zajímavosti Okresního vlastivedného muzea v Šumperku [Heimatkundliche Besonderheiten des heimatkundlichen Bezirksmuseums in Mährisch Schönberg]. Šumperk 1989

5. VERÖFFENTLICHUNGEN ZU DEN BESTÄNDEN

Bohácek, Miroslav; Cáda, František: Zerotínské rukopisy bludovské [Die Zierotiner Handschriften aus Blauda]. In: Sborník Národního musea v Praze, rada C [Sammelband des Nationalmuseums in Prag, Serie C] 3 (1958) Nr. 1-4, S. 51-221

Stand: September 1996

Petr Mašek


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.