FABIAN HANDBUCH: HANDBUCH DER HISTORISCHEN BUCHBESTÄNDE IN DEUTSCHLAND, ÖSTERREICH UND EUROPA SUB Logo
 
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Boskovice [Boskowitz]

Schloßbibliothek

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Die Anfänge des Herrensitzes in Boskowitz sind mit der alten mährischen Familie der Herren von Boskowitz verbunden, die hier am Anfang des 14. Jhs eine gotische Burg erbauten. Die lange Baugeschichte der Burg fand ihren Abschluß im 16. Jh unter den Rittern von Zástrizl. Nach dem Erlöschen dieser Familie kam die Burg 1687 durch Heirat in den Besitz der Familie von Dietrichstein, die das im Barockstil umgebaute Kloster von Boskowitz zu ihrer Residenz machte. Seine dgültige Gestalt erhielt das Schloß in den Jahren 1819 bis 1826 durch den Architekten Peter Nobile. In den siebziger Jahren des 19. Jhs wurde es durch Erbschaft Eigentum der Grafen Mensdorff-Pouilly, in deren Besitz es, mit Ausnahme der Jahre der staatlichen Verwaltung seit den fünfziger Jahren des 20. Jhs, bis heute geblieben ist. 4

1.2 Der älteste Teil der Bibliothek mit Drucken des 17. und 18. Jhs geht auf die Sammlung in Schloß Bzenec [Bisenz] zurück, wo nach 1625 Jirí Kryštof Pruskovský z Pruskova (1701) residierte, der einer alten schlesischen Adelsfamilie angehörte. Er erwarb u. a. wertvolle Drucke, die wahrscheinlich aus einer schlesischen oder mährischen Klosterbibliothek stammen. Die Sammlung, die wissenschaftliche Publikationen führender europäischer Verlagshäuser thielt, wurde von seinem Sohn Erdmann Kryštof Pruskovský z Pruskova (1753) um Fachliteratur aus der Mitte des 18. Jhs erweitert. Mit Erdmann Kryštofs Sohn, Jirí Kryštof (Georg Christoph Proskowsky von Proskau), erlosch die Familie. Die Bibliothek erbte Karl Maximilian Fürst Dietrichstein-Proskau (1702-1784). 1826 kam sie in das Schloß Boskowitz, wohin die Dietrichsteins auch Bücher aus ihrem Wiener Palais überführten. Ein Teil der Bibliothek der Pruskovskýs gelangte nach Schloß Lipník nad Becvou [Leipnik] (s. Eintrag dort). Um 1884 wurde die Boskowitzer Bibliothek um den wertvollsten Teil der Bibliothek Mensdorff-Pouilly aus Schloß Ainedt bei Celje [Cilli] in der damaligen Steiermark erweitert.

1.3 Neben heraldischen Exlibris von Georg Christoph Graf Proskowsky von Proskau finden sich auch Eigentumsvermerke mit der Jahreszahl 1895 von Ernestina Gräfin von Salm-Neuburg, der verheirateten Gräfin Proskowsky von Proskau. Die 1564 in Basel erschienene Cosmographia von Sebastian Münster trägt den Eigentumsvermerk von Franz Ritter von Gandella. In einem anderen Druck von 1514 findet sich eine Widmung an den Grafen Alphons Mensdorff-Pouilly von 1911 vom Richard Heinrich, parochia, Materhorn prope Clivii.

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

2.1 Die Bibliothek enthält 11.571 Bde, von denen 3766 vor 1800 erschienen sind. Etwa 7500 Bde stammen aus dem 19. Jh. Es überwiegen französische Drucke; deutschsprachige Schriften bilden etwa ein Drittel des Bestandes. Verhältnismäßig zahlreich sind Bohemica, darunter viele in deutscher Sprache, sowie Werke in ungarischer Sprache. Unter den englischsprachigen Publikationen überwiegen Tauchnitz-Ausgaben aus Leipzig (ca. 750 Bde). Eine Reihe von Drucken aus dem 16. und 17. Jh ist in Latein oder Italienisch.

2.2 Der älteste Druck und zugleich die einzige Inkunabel der Bibliothek ist Schedels Weltchronik (Nürnberg: Anton Koberger 1493). Aus dem 16. Jh sind 2 der Werke von Leonard Fronsperger über den Krieg zu nennen (Frankfurt a. M. 1563 und 1565). Aus dem 18. Jh stammt eine Reihe von Werken zur deutschen Geschichte und zur Geschichte des Heiligen Römischen Reiches. Zahlreich sind die deutschsprachigen Schriften zur Geschichte von Böhmen und Mähren. Juristische Literatur ist vertreten durch Werke von Stryk, Weingarten und Carpzov, philosophische Literatur durch einige Werke von Christian Wolff. Besonders zu erwähnen sind die zahlreichen Drucke aus dem nahegelegenen Znojmo [Znaim]. Hinzu kommen Silesiaca und Salzburgiana.

2.3 Die Literatur des 19. und 20. Jhs ist etwa zur Hälfte in deutscher Sprache; unter den anderen Sprachen überwiegt Französisch. Vertreten sind Werke in Tschechisch und Ungarisch; den Großteil der englischen Titel bilden die mehr als 750 Tauchnitz-Ausgaben. Aus den Jahren 1816 bis 1840 stammt Literatur mit Wiener Thematik, gesammelt von Franz von Dietrichstein. Wertvoll sind mehrere Hefte mit Stichen österreichischer Landschaften (z. T. lose Blätter) von Adolf Kunig; Alben mit Landschaftsmotiven aus Österreich, Böhmen und Mähren sowie 16 Hefte der Geschichte Boehmens in Bildern (Prag 1820) mit Illustrationen des Malers Antonín Machek. Zu den illustrierten Publikationen gehört auch eine Reihe von botanischen Atlanten. Erwähnenswert im Hinblick auf die Eigentümer der Bibliothek ist ein Album mit Stichen von Grabsteinen der Familie Dietrichstein und ein Konvolut mit Zeichnungen und Gemälden von Mitgliedern der Familie Mensdorff-Pouilly aus den dreißiger und vierziger Jahren des 19. Jhs.

2.4 Der Bestand nach 1800 enthält auch eine Reihe von politischen Schriften, einschließlich der Schriften von Alphons Mensdorff-Pouilly aus den ersten Jahrzehnten des 20. Jhs. Bei der historischen Literatur überwiegen Biographien und Memoiren, insbesondere von Feldherren; so finden sich mehrere Titel über den Marschall Graf Radetzki. Gesammelt wurde auch Literatur zur Geschichte Rußlands und der Balkanvölker sowie erwartungsgemäß zur Geschichte Österreich-Ungarns. Einige Schriften befassen sich mit dem Sprachen- und Nationalitätenkampf in Böhmen. Deutsche Belletristik ist umfangreich vertreten, bildet aber keinen bemerkenswerten Bestand. Es finden sich z. B. Werke von Wieland, Klopstock, Ossip Schubin (Lula Kirschner), Gustav Meyrink u. a.

3. KATALOGE

3.1 Moderner Katalog

Standortkatalog [erstellt 1973]

3.2 Historische Kataloge

Catalogus librorum Bibliothecae arcis Bzenecensis ... [hschr. 1774; Signatur 1010]

Catalogus librorum Arcis Bzenecensis ...

[hschr. 1789]

4. DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

Lifka, Bohumír: Zámecká knihovna v Boskovicích [Die Schloßbibliothek in Boskowitz]. In: Boskovice. Státní zámek a hrad, mesto a okolí [Boskowitz. Staatsschloß und Burg, Stadt und Umgebung]. Praha 1955, S. 6-8

Antonín, Luboš: Zámecké knihovny jizní Moravy I. [Die Schloßbibliotheken Südmährens I.]. In: Ctenár [Der Leser] 45 (1993) Nr. 11, S. 388-389

5. VERÖFFENTLICHUNGEN ZU DEN BESTÄNDEN

Mašek, Petr: K historickým knihovním fondm [Zu historischen Buchbeständen]. In: Marie Mzyková (Hrsg.): Navrácené poklady. Restitutio in integrum [Zurückgegebene Schätze]. Praha 1994, S. 157 [Ausstellungskatalog]

Stand: Februar 1995

Luboš Antonín


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.