FABIAN HANDBUCH: HANDBUCH DER HISTORISCHEN BUCHBESTÄNDE IN DEUTSCHLAND, ÖSTERREICH UND EUROPA SUB Logo
 
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Buchlov [Buchlau]

Burgbibliothek

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 In der im Renaissance-Stil umgebauten Burg war die Büchersammlung untergebracht, die Jirí Zikmund Prakšický ze Zástrizl im Jahre 1598 von dem Reformator und Nachfolger Calvins, Theodor Beza, erworben hatte. Die Bibliothek erbte sein Schwiegersohn Diviš z Petrvaldu na Strílkách. Sie blieb im Besitz des Hauses Petrvald bis zum Erlöschen dieser Familie im Jahre 1763, war aber in den Jahren nach 1730 zwischenzeitlich in der unweit gelegenen Schloßbibliothek Buchlovice [Buchlowitz] aufgestellt (s. Eintrag dort). Die Petrvald-Bibliothek bildet etwa ein Drittel des heutigen Buchbestandes in Buchlau. Zu den Förderern der Bibliothek zählte Maria Theresia Petrvald, verheiratete von Berchtold. Durch sie ging die Bibliothek in das Eigentum der Grafen von Berchtold über, die auch einen bedeutenden Anteil an ihrer weiteren Entwicklung hatten. Zu nennen ist etwa der Philanthrop, Weltreisende und Schriftsteller Leopold von Berchtold (1759-1809). Als letzter aus der Familie erweiterte Zikmund von Berchtold (1799-1869) den Bestand. Er nahm an dem ungarischen Aufstand von 1848 teil, wurde zum Tode verurteilt und später zu lebenslänglichem Hausarrest begnadigt.

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

2.1 Die Bibliothek umfaßt 10.152 Bde, davon 55 Hss., 103 Drucke aus dem 16. Jh und etwa 2700 Bde aus dem 17. und 18. Jh. Es überwiegt Schrifttum in deutscher Sprache. Umfangreich ist auch der Bestand an englischer Literatur. Daneben finden sich ältere Drucke in lateinischer Sprache sowie neuere Literatur in französischer und tschechischer Sprache. Wertvoll ist der Bestand an ungarischer Literatur und an Hungarica, der zu den umfangreichsten auf dem Gebiet der Tschechischen Republik zählt.

2.2 Die Burgbibliothek ist bekannt durch ihre Sammlung dämonologischer Literatur, darunter wertvolle Werke zu Magie, Zauberei, Astrologie und Alchemie (Cornelius Agrippa, Johann Faust, Paracelsus, Heinrich Khunrath, Giovanni Battista della Porta u. a.). Zahlreich vertreten sind verschiedene Ausgaben sogenannter Salomon's Schlüsselchen (Clavicula Salomonis), Literatur über Talismane und Weissagungsliteratur (Geomantica). Aus dem 16. Jh stammt eine Reihe von wertvollen medizinischen Werken.

2.3 Aus der Bibliothek der Familie Petrvald stammen vor allem theologische, juristische, staatskundliche und historische Schriften. Es handelt sich um lateinische Titel, die überwiegend in Deutschland um 1650 gedruckt wurden; einige sind älter. Zudem finden sich auch Merian-Drucke, das Theatrum Europaeum und weitere kosmographische und geographische Prachtwerke des 17. Jhs, ferner Literatur über die Missionarstätigkeit der Jesuiten in Übersee. Zeitgenössisches Schrifttum zur internationalen politischen Situation ist z. B. vertreten durch Werke über die Türkengefahr. Das steigende Interesse an den Naturwissenschaften dokumentieren u. a. die Physica sacra (Augsburg 1731) und eine Reihe von Werken, in denen sich wissenschaftliche Fragestellungen mit barockem Symboldenken verbinden und nicht zwischen Astronomie und Astrologie oder zwischen Chemie und Alchemie unterschieden wird. Dieses kommt auch in Sammlungen von Emblemata sacrorum oder Heiligenviten zum Ausdruck.

2.4 Charakteristisch für den Bestand sind einzelne Themengebiete, zu denen Werke aus dem 16. bis 19. Jh vorhanden sind. So findet sich z. B. eine Reihe von Büchern ägyptologischen Inhalts, die von Claus Borrichius' Hermetis, Aegyptiorum, et chemicorum sapientia (Kopenhagen 1674) über Das Alphabet der Hieroglyfen von Carl Schmidt (Breslau 1805) bis zu den Werken Champollions und den Studien über ägyptische Realien am Ende des 19. Jhs reicht. Ein weiterer umfangreicher Bestand liegt zur Frauenkunde vor, beginnend mit Schriften aus dem 16. und 17. Jh (der älteste Druck stammt aus Basel 1586) bis hin zur Literatur des 19. Jhs, die sich auch mit den Fragen der Kosmetik und Diätetik befaßt. Unter den Drucken des 18. Jhs finden sich einige Kochbücher, speziell Kochbücher für Kranke. Die Philosophie ist u. a. mit Amsterdamer Ausgaben der Werke von Leibniz und deutschen Ausgaben der Schriften John Lockes vertreten. Religiöse Literatur konzentriert sich auf Predigten, Schriften zur Morallehre, zu einzelnen Orden und kirchlichen Institutionen.

2.5 Die Literatur des 19. Jhs spiegelt die Interessen der einzelnen Angehörigen des Hauses Berchtold wider. Leopold von Berchtold sammelte Enzyklopädien, Schriften über Armenpflege, Philanthropie und Ökonomie. Erwartungsgemäß finden sich auch seine eigenen humanitären Schriften, die in fast allen europäischen Hauptstädten erschienen sind und in verschiedene Sprachen übersetzt wurden. Friedrich von Berchtold, Lehrer, Forschungsreisender und Botaniker, war Mitverfasser des Werkes Oekonomisch-technische Flora Böhmens (Prag 1836-1842) und gab eine große deutschsprachige Monographie über Kartoffelanbau heraus. Umfangreich ist die medizinische Literatur einschließlich heilkundlicher Schriften, z. B. zu Homöopathie, Mesmerismus, Diätetik und Lebensführung, zum Einfluß der Luft, zur Schädlichkeit des Kaffeetrinkens und zur Schädlichkeit von Zigaretten. Zu nennen sind auch Werke über Somnambulismus und Selbstmord. Besondere Aufmerksamkeit galt der Pädiatrie und dem Rechtsschutz der Kinder, darunter finden sich u. a. Werke über Kindesmord und Kinderkrankheiten.

2.6 Ein größerer Anteil der Drucke des 19. Jhs entfällt auf Botanik und andere Naturwissenschaften. Die Ökonomie ist vertreten durch Schriften zur Seidenraupenzucht, Bienenzucht, Bierbrauerei und Zuckerherstellung. Erwartungsgemäß findet sich auch genealogische Literatur, ferner Militaria, Jagd- und Reiterliteratur. Hervorzuheben sind Schriften zum Tarockkartenspiel, das im Hause von Berchtold offensichtlich besonders beliebt war. Zikmund von Berchtold, verurteilt zu lebenslangem Hausarrest in Buchlau (s. o. 1.1 ), bereicherte die Bibliothek mit Literatur über die politischen Verhältnisse in den vierziger bis sechziger Jahren des 19. Jhs.

2.7 Zahlreich vertreten ist weiterhin die Literatur über Siebenbürgen, so Matthias Miles' Siebenbürgischer Würgengel (Hermannstadt 1670), Ignaz Lenk von Treuenfelds Siebenbürgens geographisch-topographisch-statistisch-hydrographisch und orographisches Lexicon (Wien 1839) sowie der Schematismus Principatus Transsilvanae (Klausenburg 1842). Hinzu kommen deutsch-rumänische Wörterbücher und deutsch geschriebene Grammatiken des Rumänischen (der Walachischen Sprache) sowie slowakisch-deutsche Wörterbücher und deutschsprachige Literatur über die Nationalitätenverhältnisse in Ungarn. In deutscher Sprache ist auch heimatkundliche Literatur zur mährischen Geschichte und der Geschichte Buchlaus verfaßt.

3. KATALOGE

3.1 Moderner Katalog

Marvanová, Ludmila; Kyasová, Vera; Manásková, L.: Lokální a inventární katalog hradní knihovny Buchlov [Standort- und Inventarkatalog der Burgbibliothek Buchlau]. Praha 1978

3.2 Historische Kataloge

Heslový inventární katalog od Lucasa Hauga

[Stichwort-Inventarkatalog von Lucas Haug; erstellt 1885]

Lístkový katalog Leopolda Noppa

[Alphabetischer Zettelkatalog von Leopold Nopp; erstellt 1906]

4. DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

Elvert, Christian d': Die Bibliotheken und andere wissenschaftliche Kunst- und Alterthums-Sammlungen in Mähren und österreichisch Schlesien. In: Schriften der historisch-statistischen Sektion der k.u.k. mähr. schles. Gesellschaft zur Beförderung des Ackerbaues, der Natur- und Landeskunde. Heft 3. Brünn 1852, S. 70-132

Hrubý, František: Knihovny na moravských zámcích ve století 16. a 17. [Bibliotheken in mährischen Schlössern im 16. und 17. Jh]. In: Bibliofil [Der Bibliophile] 9 (1932) Nr. 7, S. 141-147

Lifka, Bohumír: Buchlov. Státní zámek a okolí [Buchlov. Staatsschloß und Umgebung]. Praha 1955, S. 12

Stand: November 1996

Luboš Antonín


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.