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Butendach-Bibliothek

Adresse. Evangelisch-reformierte Kirchengemeinde Lübeck, Breite Str. 17, 23552 Lübeck [Karte]
Telefon. (0451) 7 61 24

Unterhaltsträger. Evangelisch-reformierte Kirchengemeinde Lübeck
Funktion. Verwaltung der Bestände der Butendach-Bibliothek, einer ehemaligen Privatbibliothek.
Sammelgebiete. Der Altbestand wird nicht vermehrt.

Benutzungsmöglichkeiten. Präsenzbibliothek. Einzelne Bände können nach Anfrage im Lesesaal der Bibliothek der Hansestadt Lübeck eingesehen werden (Hundestr. 5-17; Tel. 0451/122-4110). - Leihverkehr: nicht angeschlossen. Bestellungen können jedoch über die Bibliothek der Hansestadt Lübeck erfolgen.
Hinweise für anreisende Benutzer. Schriftliche Anmeldung unbedingt erforderlich. Fußwegnähe vom Hauptbahnhof (ca. 15 Minuten). - Parkplätze oder -häuser in der Nähe.

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Bei der historischen Buchsammlung des Lübecker Predigers Otto Friedrich Butendach (1730-1798) handelt es sich um eine Privatbibliothek, die sich entsprechend der testamentarischen Verfügung Butendachs heute im Besitz der Evangelisch-reformierten Kirchengemeinde Lübeck befindet. Sie wurde von 1979 bis 1984 im Rahmen des Forschungsvorhabens der Joachim-Jungius-Gesellschaft der Wissenschaften e. V. " Sichten, Bewahren und Erschließen von historischen Privatbibliotheken im norddeutschen Raum" mit finanzieller Unterstützung der Stiftung Volkswagenwerk erschlossen.

1.2 Butendach wurde am 7. November 1730 in Königsberg (Mark Brandenburg) als Sohn eines königlichen Beamten mittlerer Position geboren. Nach dem Besuch des Joachimsthaler Gymnasiums in Berlin studierte er Theologie an der reformierten Universität Frankfurt/Oder. 1755 kehrte er an die Berliner Schule zurück, um dort zu unterrichten. Im Jahre 1762 erfolgte seine Anstellung als Prediger der deutschen und französischen reformierten Kirchengemeinde Lübeck, die er bis 1798 innehatte. Butendach führte seine Gemeinde in einer Phase beginnender religiöser Duldung. Die Gleichberechtigung der Reformierten mit den Lutheranern bestand allerdings noch nicht. Er war ein aufgeschlossener Theologe, der anderen religiösen Gruppen tolerant gegenüberstand und gehörte zu den Gründern der 1789 entstandenen philanthropischen " Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Tätigkeit", die bis in die Gegenwart für die Geschichte Lübecks von großer Bedeutung ist.

1.3 Neben der engagierten Tätigkeit in seiner Gemeinde war Butendach ein vielseitig interessierter Gelehrter, der sich besonders auf den Gebieten Geschichte, Philosophie und Literatur ein fundiertes Wissen aneignete. Als Grundlage diente seine zu Lebzeiten ca. 6000 Bde umfassende Bibliothek. Die Mittel zum Aufbau dieser Sammlung flossen Butendach teilweise aus seiner Gemeinde zu; zum anderen scheint er über ausreichende eigene Mittel verfügt zu haben. Über die Erwerbungsmethoden Butendachs lassen sich ebenfalls nur Vermutungen anstellen. Da sich damals der Bücherumschlag im wesentlichen auf Versteigerungen vollzog, ist es naheliegend, daß auch Butendach viele seiner Bücher dort erwarb. Er tätigte seine Ankäufe nicht allein in Lübecker Antiquariaten, sondern im gesamten norddeutschen Raum. Über drei Jahrzehnte vervollständigte er seine Bibliothek. Der Schwerpunkt seiner Anschaffungen lag bei der Aufklärungsliteratur, wobei er sein Augenmerk vor allem auf geisteswissenschaftliche Primär- und Sekundärliteratur richtete, während er naturwissenschaftliches Schrifttum weitgehend vernachlässigte. In einem Großteil der Bücher findet sich sein Exlibris, teilweise auch sein Namenszug; bei einer Reihe von Bänden lassen sich durch Exlibris oder Namenszüge Vorbesitzer ermitteln.

1.4 Die Bibliothek umfaßte zu Butendachs Lebzeiten rund 4500 Titel, von denen noch 2869 vorhanden sind. Die hohen Verluste sind mit der Auslagerung von etwa einem Drittel der Sammlung während des Zweiten Weltkriegs in das Gebiet der ehemaligen DDR zu erklären. Als vermißt müssen besonders wertvolle Werkausgaben antiker Autoren, Reisebeschreibungen und historische Literatur gelten.

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

Chronologische Übersicht und Übersicht nach Sprachen

2.1 Die Bibliothek umfaßt einen historischen Bestand von 2869 Titeln in ca. 7500 Bdn. Die Auszählung erfolgte anhand des Systematischen Katalogs, der nach der von Butendach selbst eingeführten Systematik im Rahmen des Forschungsvorhabens der Joachim-Jungius-Gesellschaft angelegt wurde ( s. u. 3.1). Chronologisch verteilt sich der Bestand auf 68 Titel des 16. Jhs, 420 Titel des 17. Jhs und 2380 Titel des 18. Jhs; ein Titel ist ohne Erscheinungsjahr. Der Schwerpunkt liegt demnach im 17. und 18. Jh (15 und 83 Prozent). In der Bibliothek befinden sich 1417 Titel in lateinischer Sprache (49 Prozent) und 1217 in deutscher (42 Prozent). Dagegen liegen lediglich 167 französische Titel, 31 englische Titel und 37 in sonstigen Sprachen vor. Systematische Übersicht

2.2 Die Beschreibung des Bestandes erfolgt ebenfalls anhand des Systematischen Katalogs. Butendach ordnete seine Büchersammlung 8 Hauptsachgruppen (" Classes") zu, die ihrerseits eine differenzierte Systematik erkennen lassen.

2.3 Die umfangreichste Gruppe stellt mit 1361 Titeln (47 Prozent) die " Classis I" dar, in die Butendach die " libri theologici" einordnete. Der Schwerpunkt liegt eindeutig auf Titeln des 18. Jhs (1047, davon 732 in deutscher Sprache). Des weiteren gibt es 269 Titel des 17. Jhs (davon 221 in lateinischer Sprache) und 44 des 16. Jhs (ein Titel ohne Angabe). Hierbei handelt es sich zum einen um zahlreiche Bibeln in der Originalsprache, Polyglotten sowie nationalsprachliche Übersetzungen, die Butendachs Interesse an Textüberlieferung und Textkritik dokumentieren. Darunter finden sich seltenere Ausgaben wie etwa ein hebräischer Druck von van der Hooght (Amsterdam und Utrecht 1705), die Jansenistische Bibel von Port Royal (1710) sowie auffallend viele Bibelwerke verschiedener pietistischer Richtungen (Johann Albrecht Bengel, Graf von Zinzendorf bzw. aus der Cansteinschen Bibelanstalt). Daneben wird die ganze Breite der theologischen Strömungen des 17. und 18. Jhs einschließlich der Kontroverstheologie abgedeckt: Sozinianismus und älterer Unitarismus, Dordrechter Synode und englischer Deismus. Unter den Kommentaren zur Bibel und zu den einzelnen Büchern des Alten und Neuen Testaments sind die namhaften Dogmatiker des 17. und 18. Jhs vertreten. Hinzu kommen Predigtsammlungen (ca. 70 Titel), Katechismen (ca. 30), Gesangbücher (ca. 15) sowie einige Kirchenordnungen.

2.4 In der " Classis II" faßte Butendach die " libri philologici, critici et antiquarii" zusammen. Die Gruppe beinhaltet heute noch 137 Titel, weitgehend des 18. Jhs (97). Sprachlich liegt der Schwerpunkt auf Texten in lateinischer Sprache (96). Die ehemals bedeutende Sammlung römischer Autoren ist während des Zweiten Weltkriegs ausgelagert worden, so daß diese Gruppe heute primär sprachtheoretische und sprachgeschichtliche Abhandlungen, Sprachlehren, Grammatiken und Lexika, aber auch Konkordanzen zur Bibel enthält.

2.5 Der " Classis III" ordnete Butendach " libri mathematici, philosophici et ad historiam naturalem spectantes" zu. Diese Gruppe umfaßt 65 Titel, davon 58 aus dem 18. Jh und 38 in deutscher Sprache. Es finden sich hier sowohl mathematische, zoologische und astronomische Lehrbücher als auch Werke der bedeutendsten Philosophen des Aufklärungszeitalters. Anhand der hier gesammelten Literatur läßt sich Butendachs Auseinandersetzung mit der Physikotheologie ablesen. Erwähnenswert ist Friedrich Christian Lessers Insecto-Theologia oder vernunft- und schriftmäßiger Versuch, wie ein Mensch durch aufmerksame Betrachtung derer sonst wenig geachteten Insecten zu lebendiger Erkänntnis und Bewunderung der Allmacht ... des großen Gottes gelangen könne (Frankfurt und Leipzig 1738 u. ö.).

2.6 Von den der " Classis IV" zugeordneten Titeln (" libri artium et elegantiorum literarum") sind nur noch 12 vorhanden, davon 8 aus dem 18. Jh und 4 aus dem 17. Jh. In diese weitgehend dezimierte Gruppe waren nach Butendachs Katalog Werke zur Ästhetik, Kunstgeschichte, Poetik und Schauspielkunst eingereiht. Den größten Raum nahmen Werke zeitgenössischer Schriftsteller ein.

2.7 An den in der " Classis V" (" historia civilis") gesammelten Werken wird Butendachs Interesse an historischen Themen deutlich. Unter den noch vorhandenen 46 Titeln finden sich Universal- und Spezialabhandlungen zur deutschen, europäischen und außereuropäischen Geschichte und ihren Hilfswissenschaften. Einen weiteren Schwerpunkt bildete die Reiseliteratur, von der aber nur noch wenig erhalten ist. Von 46 Titeln dieser Gruppe sind 39 aus dem 18. Jh und 7 aus dem 17. Jh; 28 Titel sind deutschsprachig, 14 in lateinischer Sprache und jeweils 2 in Englisch und Französisch.

2.8 Im Gegensatz zur " Classis V" ist die " Classis VI" (" historia ecclesiastica") vollständig erhalten. Es handelt sich um 319 Titel, von denen 82 Prozent aus dem 18. Jh, 15 Prozent aus dem 17. Jh und 3 Prozent aus dem 16. Jh stammen. 174 Werke sind in deutscher, 113 in lateinischer Sprache, die restlichen Titel sind überwiegend französischsprachig (29). Hier sind kirchengeschichtliche Darstellungen zu einzelnen Epochen, Regionen oder zu speziellen thematischen Aspekten zusammengefaßt.

2.9 Die " Classis VII" (" historia literaria") umfaßt 280 Titel. Der größte Teil ist aus dem 18. Jh (238 Titel), aus dem 17. Jh sind 34 und aus dem 16. Jh 8 Titel vorhanden. Es handelt sich um 146 Werke in lateinischer, 110 in deutscher, 22 in französischer und 2 in englischer Sprache. Sie stellen Butendachs Handapparat für bio-bibliographische Recherchen dar, der sich aus Lexika, Handbüchern, Einführungen in die verschiedenen Gebiete der Wissenschaft sowie einer stattlichen Reihe von Bibliothekskatalogen und -verzeichnissen sowie Versteigerungskatalogen von Privatsammlungen (ca. 80 Titel) zusammensetzt. Hinzu kommen anthropologische, kulturgeschichtliche und pädagogische Schriften, Briefsammlungen und Biographien von Theologen und Philosophen. Die " Classis VIII" (" libri miscellanei") setzt sich aus nur noch 12 Titeln zusammen, alle aus dem 18. Jh und in deutscher Sprache.

2.10 Eine besondere Stellung kommt aufgrund der 637 Titel dem Kleinschrifttum zu. Es sind Dissertationen, Schulschriften, Festreden, Leichenpredigten und Schriften geringeren Umfangs, die von Butendach zwar thematisch geordnet, nicht jedoch katalogisiert wurden. Die Titel stammen fast ausschließlich aus dem 18. Jh (612) und sind zu 93 Prozent lateinischsprachig.

3. KATALOGE

3.1 Moderne Kataloge

Tiemann, Barbara; Ottermann, Annelen: Katalog der Butendach-Bibliothek der Ev.-Reformierten Gemeinde Lübeck. 4 Bde. Hamburg 1984

[mschr.; Systematischer Katalog, innerhalb der Systematik nach Formaten geordnet; erschlossen über ein Register der Verfasser und der beteiligten Personen; jeweils Gegenüberstellung von Titelblattkopie und Short-Title-Katalogaufnahmen nach RAK; aufgeführt werden nur die heute noch vorhandenen Werke, bei beigefügten und enthaltenen Werken jedoch nur maximal 3 Werke pro Bd; liegt auch als Mikrofiche-Ausgabe vor; die Originale der Titelblattkopien befinden sich in der Geschäftsstelle der Joachim-Jungius-Gesellschaft: 20146 Hamburg, Edmund-Siemers-Allee 1, Tel. (040) 41 74 44]

Systematischer Zettelkatalog

[identisch mit dem gedruckten Katalog; enthält aber zusätzlich auf nachgestellten blauen Karteikarten Butendachs Annotationen und Kommentare zu den in seiner Bibliothek befindlichen Werken]

Kartei der im Zweiten Weltkrieg ausgelagerten Bibliotheksbestände

Zettelkatalog nach RAK]

Vorbesitzerkartei [in Zettelform]

Die Bestände sind im Norddeutschen Zentralkatalog, nicht aber in der Zeitschriftendatenbank (ZDB) nachgewiesen.

3.2 Historische Kataloge

Butendach, Otto Friedrich: Alphabetischer Katalog

[2. Hälfte 18. Jh; hschr.]

Butendach, Otto Friedrich: Systematischer Katalog

[2. Hälfte 18. Jh; hschr.]

Butendach, Otto Friedrich: Systematischer Katalog

[2. Hälfte 18. Jh; hschr.; ca. 10 Jahre später als der vorgenannte Katalog entstanden; teilweise mit Annotationen Butendachs]

Geibel, Johann: Systematischer Katalog

[unvollständige Abschrift des Systematischen Katalogs von Butendach; 1798; hschr.]

4. DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

4.1 Archivalien

Akzessionslisten 1798-1842 [in der Geschäftsstelle der Joachim-Jungius-Gesellschaft]

4.2 Darstellungen

Deiss, Wilhelm: Geschichte der evangelisch-reformierten Gemeinde in Lübeck. Lübeck 1866, S. 175-197

Niemeyer, Heinrich Friedrich: Versuch über den Charakter und die Verdienste des hochehrwürdigen und hochgelahrten Herrn Otto Friedrich Butendach [Nachruf vom 16. März 1798; Archiv der Hansestadt Lübeck, Archiv der Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Tätigkeit 19, S. 1-17: Vorträge und Vorlesungen 1789-1898, hier 1798 Nr. 8]

Ottermann, Annelen: Einleitung. In: Katalog der Butendach-Bibliothek der Ev.-Reformierten Gemeinde Lübeck. Hamburg 1984, Bd 1, S. 1-16

Stricker, Hans-Peter: Das Kirchengebäude, die Gemeinderäume und die Bibliothek in der Königstraße. In: Evangelisch-reformierte Gemeinde zu Lübeck 1666-1966. Lübeck 1966, S. 59-67

Tiemann, Barbara: Zum Forschungsprojekt " Privatbibliotheken in Norddeutschland". In: Rudolf Vierhaus (Hrsg.): Kultur und Gesellschaft in Nordwestdeutschland im Zeitalter der Aufklärung. Wolfenbüttel 1980, S. 51-54

5. VERÖFFENTLICHUNGEN ZU DEN BESTÄNDEN

Tiemann, Barbara: Die Butendach-Bibliothek in der Reformierten Kirche zu Lübeck. Der Sammler und seine Sammlung. In: Zeitschrift des Vereins für Lübeckische Geschichte und Altertumskunde 65 (1985) S. 143-221 [beschreibt auch die verlorengegangenen Werke der Bibliothek]

Stand: März 1992

Alwin Müller-Jerina


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.