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Bystrice pod Hostýnem [Bistritz am Hostein]

Schloßbibliothek

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Nach dem Dreißigjährigen Krieg erbaute die Familie der rheinischen Grafen Rottal in Bistritz am Hostein ein Barockschloß, das in den Jahren 1765 bis 1768 von ihrem Erben Graf von Monte Abate umgebaut wurde. Im 19. Jh kam das Schloß in den Besitz des Hauses von Laudon, einer ursprünglich schottischen Familie, die sich im Baltikum angesiedelt hatte. Ihr gesellschaftlicher Aufstieg ist mit dem Namen des Oberbefehlshabers des österreichischen Heeres, Ernst Gideon Freiherr von Laudon (1717-1790), verbunden. Den Grundstock der heutigen Bistritzer Bibliothek bildet ein Bestand, der mit reich verzierten Barockeinbänden und heraldischen Supralibros ausgestattet ist. Er stammt aus der Bibliothek des Generals in Becváry, die später nach Hadersdorf in Österreich gebracht wurde. Von dort kam sie nach dem Ankauf des Straßnitzer Schlosses durch die Laudons nach Stráznice [Straßnitz]. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sie in das Schloß Bítov gebracht.

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

2.1 Die Bibliothek umfaßt 13.240 Bde, davon 323 Hss., eine Inkunabel und 19 Bde aus dem 16. Jh bei insgesamt 824 Bdn des 16. bis 18. Jhs. Über drei Viertel des Bestandes sind deutsche Werke; der Rest ist überwiegend in französischer Sprache, ein kleinerer Teil in Englisch und Latein. Vereinzelt sind italienische, tschechische und ungarische Schriften vertreten.

2.2 Den größten Teil des Bestandes der Alten Drucke bildet Literatur des 18. Jhs aus den verschiedensten Sachgebieten. In größerer Zahl ist juristische Literatur vertreten, die z. T. aus dem 17. Jh stammt. Hier finden sich viele lateinische Werke, die in Deutschland gedruckt wurden. Neben den Werken bedeutender Rechtsgelehrter aus der Zeit sind einige Dissertationen zu nennen, u. a. aus Bonn, Würzburg, Magdeburg, Salzburg, Mainz, Straßburg, Marburg, Jena, Göttingen, Gießen, Köln, Altdorf und Regensburg. Aus Göttingen liegen auch Studienordnungen vor. Häufig sind Berichte über Gerichtsverfahren, vorwiegend zwischen Adligen oder zwischen dem Adel und den Städten. Vertreten sind nahezu alle Rechtsbereiche wie das Reichsrecht, Gesetzessammlungen und Verordnungen des 18. Jhs aus deutschen und österreichischen Ländern (Landesgesetze), ferner kanonisches Recht und Strafrecht. Aus dem 17. Jh liegt beispielsweise die Peinliche Ordnung des ...Fürstenthumbs Salzburg (o. O. 1667) vor. Polizeiverordnungen sowie Schriften über Kriminalität und zur Problematik der Gefängnisse und Zuchthäuser ergänzen den Bestand. Einen Einzelbestand bilden in Bonn und Arnsberg gedruckte Schriften zur Verwaltung des Kurfürstentums und Erzbistums Köln.

2.3 Den wertvollsten Teil der Bibliothek bildet die Literatur zum Militärwesen, die mehrere hundert Bände umfaßt. Neben Biographien von Feldherren finden sich österreichische Militärzeitschriften, Beschreibungen von Kriegsereignissen vor allem aus der ersten Hälfte des 18. Jhs sowie die zugehörigen Berichte über Friedensverhandlungen. Zahlreich sind militärtheoretische Schriften, Lehrbücher der Taktik und Strategie sowie Statuten und Jahrbücher militärischer Erziehungsanstalten. Vertreten sind auch die Militärarchitektur und das Ingenieurwesen, ergänzt durch eine Reihe von Lehrbüchern der Mathematik und Physik. Zu den Ephemera zählen Militärvorschriften und Exerzierreglements. Besonderes Interesse galt offenbar der preußischen Infanterie und verschiedenen Dragoner- und Husarenregimentern. Vorhanden ist z. B. das Reglement wie es ... der Verpflegungs-Kleider u. vacanten Rations-Gelder bey allen Infantierie- ... und Husaren-Regimentern gehalten werden soll (Berlin 1748). Auch über Uniformen findet sich Literatur. Eine Sondersammlung bilden die mehr als 200 handgezeichneten Landkarten und einige hundert gedruckte Karten und Pläne der Schlachten und Feldzüge, bei denen Ernst Gideon Freiherr von Laudon die österreichische Armee befehligte. Der größte Teil der Karten österreichischer und deutscher Länder sowie einer Reihe von böhmischen Bezirken wurde im 18. Jh in Nürnberg gedruckt. Insgesamt sind etwa 2000 Landkarten europäischer Kriegsschauplätze vorhanden.

2.4 Unter den Drucken bis 1800 sind auch zahlreiche Werke zur Ökonomie und Finanzwirtschaft, ferner Abhandlungen zur Geschichte des Handels sowie verschiedene Handelsenzyklopädien. Hinzu kommt Literatur zur innenpolitischen Situation in Österreich oder in Ländern des österreichischen Interessenbereiches (z. B. zur Staatsverwaltung der Toscana) sowie zur Außenpolitik und zur Politik der europäischen Großmächte. Eine Reihe von Werken bezieht sich auf die Geschichte oder auf aktuelle Ereignisse in einzelnen Regionen Deutschlands und Österreichs. Die größte Gruppe bilden Salzburgiana; zahlreich sind auch Moravica, Silesiaca und Bohemica. Wie in den meisten Schloßbibliotheken finden sich auch in Bistritz Werke zu Genealogie, Jagd, Pferdezucht und Reiten. Mit der Landwirtschaft in Bistritz steht die Literatur über Forstwesen und Pomologie im Zusammenhang; einige Schriften befassen sich mit Ziergehölzen, z. B. Praktische Abhandlung über die Anlegung neuer Eichelgärten (Kassel 1796) und Beiträge zur Kenntnis der ... Akazie (Prag 1796). Im Zusammenhang mit der baltischen Herkunft der Laudons stehen in Riga und Königsberg gedruckte Bücher, darunter Erstausgaben der Schriften Kants. Bystrice pod Hostýnem [Bistritz am Hostein]

2.5 Im 19. Jh ist an erster Stelle die Reiseliteratur zu nennen, vorwiegend aus dem Bereich des Mittleren und Fernen Ostens, Asiens und Afrikas. Zahlreich sind Schematismen und Almanache, darunter 235 Bde der Gothaischen genealogischen Taschenbücher. Hinzu kommen Vereinsdrucke und Jahrbücher, z. B. mit Bezug zur Jagd und zum Forstwesen. Verhältnismäßig umfangreich ist der Bestand an Memoiren und Biographien, überwiegend von Persönlichkeiten aus Militär- und Staatswesen (z. B. Friedrich der Große, Bismarck, Moltke und Hindenburg). Zahlreich sind auch die Habsburgiana und die Literatur über den Wiener Hof. Die landwirtschaftliche Literatur umfaßt die praktische Bodenkunde sowie Milchwirtschaft, Düngerwirtschaft, Kartoffel- und Rübenanbau, Zuckerindustrie, Viehzucht und Pferdezucht. Gering ist die Belletristik vertreten, vorwiegend mit Unterhaltungsliteratur (Detektivromane und humoristische Werke). Vorhanden sind allerdings literaturgeschichtliche Werke, u. a. Handbücher, Kompendien, Lesebücher, Anthologien und Literaturzeitschriften. Es liegen 216 Bde der Allgemeinen Literatur-Zeitung (1789-1808) vor.

2.6 Neben pädagogischer Literatur und Lehrbüchern findet sich im Bestand des 19. Jhs auch Kinderliteratur, z. B. Abenteuerliteratur für Knaben. Der Bestand an religiöser Literatur ist heterogen. Eine kleine Zahl Kataloge umfaßt kunstgeschichtliche Publikationen und Sammlerhandbücher (altes Zinn, Keramik, Orientteppiche). Unter den Werken zur Bildenden Kunst findet sich eine Monographie über Hanuš Schweiger, ein tschechischer Maler deutschen Ursprungs und Professor an der Akademie der Bildenden Künste in Prag, der am Ende des 19. Jhs an der künstlerischen Ausgestaltung des Bistritzer Schlosses beteiligt war. Unter den deutsch gedruckten Bohemica sind vor allem die Sudetica bemerkenswert. Daneben findet sich auch Literatur über die Region sowie Übersetzungen von Werken tschechischer Schriftsteller (Jirásek, Zeyer, Rais, J. K. Šlejhar).

3. KATALOGE

Hájková, Alena; Jirátová, Zdenka; Poupetová, Hana; Machácková, Alena: Standortkatalog [erstellt 1975]

4. DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

Lifka, Bohumír: Hradní knihovna na Bítove [Die Burgbibliothek in Bítov]. In: Bítov, státní hrad a okolí [Bítov, Staatsschloß und Umgebung]. Praha 1956, S. 12

Stand: November 1996

Luboš Antonín


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.