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Ceský Krumlov [Krumau]

Schloßbibliothek

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Das Schloß beherrscht das noch weitgehend mittelalterliche Bild der Stadt, die von der UNESCO zum Kulturdenkmal erklärt wurde. Die umfangreiche Anlage des heutigen Schlosses geht zurück auf das 13. Jh; errichtet wurde es von der Adelsfamilie von Rosenberg, der schon im Mittelalter ein Großteil Südböhmens gehörte. Mehr als 300 Jahre lang zählte die Krumauer Herrschaft zu ihrem Besitz. Die Familie stellte die höchsten Beamten des Königreichs Böhmen und nach dem König den wichtigsten Repräsentanten des böhmischen Adels. Der letzte Angehörige des Hauses, Petr Vok von Rosenberg (1539-1611), verkaufte das Schloß an Kaiser Rudolf II. Die in ganz Europa berühmte Rosenbergsche Bibliothek brachte er gemeinsam mit dem Archiv nach Schloß Trebon [Wittingau]. Im Dreißigjährigen Krieg wurde die Bibliothek zur Kriegsbeute. Der größte Teil gelangte nach Schweden. In der Königlichen Bibliothek Stockholm wird heute der Katalog dieser Bibliothek aufbewahrt, der nach 1601 von Václav Brezan angefertigt wurde (s. u. 3.2).

1.2 Im Jahre 1622 schenkte Kaiser Ferdinand II. die Krumauer Herrschaft seinem ersten Berater und Verwalter der Alpenländer, Hans Ulrich von Eggenberg (1568-1634). Das Eggenbergsche Eigentum ging 1719 nach dem Tode des kinderlosen Ehepaares Johann Christian von Eggenberg (1649-1710) und Maria Ernestine geb. von Schwarzenberg (1649-1719) in das Eigentum des Hauses Schwarzenberg über. Diesem gehörte die Bibliothek bis 1945, als sie verstaatlicht wurde und unter die Verwaltung des Nationalmuseums in Prag kam. Heute befindet sie sich im Besitz des Denkmalamtes für Südböhmen [Památkový ústav Jizních Cech] in Ceské Budejovice [Budweis].

1.3 Die heutige Krumauer Bibliothek entstand durch die Vereinigung der älteren Bibliothek der Eggenbergs und der etwas jüngeren Sammlung der Schwarzenbergs im Jahre 1839. In den heutigen Räumen befindet sie sich erst seit Anfang des 20. Jhs, wobei sie noch um Schwarzenbergsche Erwerbungen aus Schloß Hluboká [Frauenberg] (s. Eintrag dort) und aus anderen Schlössern erweitert wurde.

1.4 Den Grundstock der Bibliothek bilden Erwerbungen von Hans Ulrich von Eggenberg, dem ersten Eigentümer des Schlosses aus diesem Hause. Er ließ die meisten seiner Bücher mit weißen Pergamenteinbänden versehen, die ein Supralibros mit dem Wappen seiner Familie tragen. In einige Bände schrieb er seine Devise Homines sumus zusammen mit Ort und Datum des Kaufs oder der Lektüre. Für eine große Bereicherung der Bibliothek sorgten in der Zeit um 1700 Johann Christian und Maria Ernestine von Eggenberg. Ihre Bücher tragen ein vergoldetes Supralibros mit den Initialen der Vornamen von Maria Ernestina unter einer Prinzenkrone.

1.5 Die Schwarzenbergsche Bibliothek geht zurück auf die Stammbibliothek des Hauses in Wien. Die meisten dieser Bücher sind mit einem großen heraldischen Exlibris versehen, das die Jahreszahlen 1690, 1704, 1712, 1732 oder 1782 trägt. Daneben finden sich aber auch Hinweise auf die alte Herrschaft Sulz, die 1687 an das Haus Schwarzenberg fiel: Aus der Bibliothek der Grafen zu Sulz im Kleggau; ferner Eigentumsvermerke einzelner Mitglieder der Familie wie Ex Bibliotheca Ferdinandi S. R. I. Principis in Schwarzenberg (Ferdinand Wilhelm, 1642-1703), Le Prince de Schwarzenberg, chanoine (Ernst Joseph, 1773-1821), Ex Bibliotheca de Colsissimi D. D. Adami Francisci S. R. I. Principis in Schwarzenberg 1707 (Adam Franz, 1680-1732). Eine Reihe der Eigentumsvermerke bezeugen den Ankauf von Büchern am Ende des 18. und Anfang des 19. Jhs aus säkularisierten Klöstern, Kirchenkollegien und Pfarrämtern, z. B. in Prag, Litomerice [Leitmeritz] und Jindrichv Hradec [Neuhaus].

1.6 Die ältesten Besitzvermerke gehen nicht auf die adligen Eigentümer der Bibliothek zurück, sondern finden sich in den Resten der Sammlung des ehemaligen Rosenberger Kanzlers und Humanisten Václav z Rovného (1449-1531), die im 19. Jh in die Bibliothek gelangt sind (25 Bde). Er hatte am Anfang des 16. Jhs eine Reihe von Büchern der Bibliothek der Krumauer Kirche zum Hl. Veit gestiftet und sie mit einem lateinischen Widmungsdistychon versehen. Es handelt sich um Inkunabeln und Drucke des frühen 16. Jhs in lateinischer Sprache. Einige von ihnen wurden von frühen deutschen Druckern angefertigt (z. B. von Anton Koberger in Nürnberg und von Martin Flach in Straßburg).

Chronologische Übersicht und Übersicht nach Sprachen

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

2.1 Die Bibliothek umfaßt 42.583 Bde, von denen mehr als 21.000 vor 1800 gedruckt wurden. Unter diesen sind 136 Inkunabeln und mehr als 600 Drucke des 16. Jhs. 40 Prozent des Bestandes sind in deutscher Sprache, 25 Prozent in französischer, je 15 Prozent in italienischer und lateinischer und 5 Prozent in spanischer Sprache. Während sich nur wenige Bücher in tschechischer Sprache finden, sind Bohemica unter den deutschsprachigen Schriften zahlreich vertreten. Die Verschiedenheit der Interessen und Berufe ihrer Begründer verleihen der Bibliothek eine enzyklopädische Prägung.

2.2 Die Drucke des 15. und 16. Jhs sind vorwiegend in lateinischer Sprache und stammen meist aus deutschen Druckereien. Dem Inhalt nach handelt es sich um philosophisch-religiöse, juristische und historische Literatur sowie um Werke der antiken Klassiker zur Geographie (Ptolemäus' Cosmographia), zum Theater (Komödien des Terenz) und zur Lyrik. Von den insgesamt 136 Inkunabeln sind 74 im deutschsprachigen Gebiet gedruckt, jedoch nur 6 in deutscher Sprache. Der Rest liegt in lateinischer Sprache vor. Bei den deutschsprachigen handelt es sich (in chronologischer Reihenfolge) um Vocabularius germano-latinus (Speyer: Peter Drach, ca. 1476); Das Buch von der Geschichten (Augsburg: Johann Schobser 1485); Gart der Gesundheit (Augsburg: Johann Schönsperger 1485); Hartmann Schedels Buch der Chroniken (Nürnberg: Anton Koberger 1493); Johann Virdung von Hassfurts Practica (Leipzig: Konrad Kachelofen 1497) und Publius Terentius Afers Comedien (Straßburg: Johann Grüninger 1499). Eine weitere deutschsprachige Inkunabel liegt aus Venedig vor.

2.3 Die 68 Inkunabeln in lateinischer Sprache verteilen sich auf 26 aus Straßburg, 11 aus Nürnberg, 10 aus Leipzig, 6 aus Augsburg, jeweils 5 aus Köln und Basel, 4 aus Speyer, 2 aus Reutlingen und jeweils eine aus Ulm, Heidelberg, Memmingen, Hagenau und Wien. Nennenswert sind u. a. Guilelmus Duranti, Ratione divinorum officiorum (Nürnberg: Anton Koberger 1481); Robert Holkots Super sapientiam Salomonis (Speyer: Peter Drach 1483); Nicolaus Stoers Expositio officii missae sacrique canonis (Reutlingen: Johannes Otmar 1483); Isidorus Hispalensis' De summo bono (Leipzig: Arnold de Colonia, ca. 1492) und Johannes Gersons Opera in zwei Ausgaben (Köln: Martin Flach 1494; Basel: Nicolaus Kessler 1489). Einige dieser Ausgaben sind nicht im GW verzeichnet. Die Sammlung der Wiegendrucke ergänzt ein Faksimile der 42-zeiligen Bibel Gutenbergs.

Systematische Übersicht

2.4 Die ältere Eggenbergsche Bibliothek ist vor allem an den Romania orientiert; aus älterer Zeit dominieren lateinische und italienische Werke, später französische und spanische. Die Sammlung enthält theologisch-philosophische Literatur (verschiedene Bibelausgaben, Schriften der Kirchenväter, Werke zur Kirchengeschichte und zu einzelnen Pontifikaten) sowie historische Schriften zur allgemeinen Geschichte europäischer Länder einschließlich Böhmens und zur Geschichte der regierenden Häuser und Adelsfamilien. Von den Naturwissenschaften sind hauptsächlich Geographie, Botanik und Astronomie vertreten. Hinzu kommen lateinische Ausgaben der antiken Schriftsteller sowie italienische und französische Theaterstücke.

2.5 Den umfangreichsten Bestand bildet die Schwarzenbergsche Bibliothek, in der sich verfolgen läßt, wie sich die Interessen der Besitzer im Laufe des 18. und 19. Jhs von italienischen und französischen kulturellen Einflüssen abwandten und auf die deutsche Kultur konzentrierten. Während in der Eggenbergschen Bibliothek mehr als zwei Drittel der Schriften in Latein und Italienisch vorliegen, finden sich hier am Anfang des 18. Jhs rund 50 Prozent französische, am Ende des 18. Jhs und im ganzen 19. Jh überwiegend jedoch deutsche Schriften.

2.6 Die Schwarzenbergsche Bibliothek thält Werke bedeutender europäischer Philosophen von der Antike bis zur Neuzeit. Dieser Bestand wird ergänzt durch philosophische Disputationen in Dissertationen aus deutschen Universitäten. Die Theologie ist vor allem durch Bibelausgaben und Literatur zur Geschichte der europäischen und außereuropäischen Kirchen und Religionen vertreten, ferner durch Heiligenviten und Papstbiographien sowie Schriften zur Geschichte der katholischen Orden. Enzyklopädisch geprägt ist der Bestand zur Geschichte. Er umfaßt die Geschichte Europas von der Antike bis zum Ende des 19. Jhs und enthält sowohl allgemeine Schriften als auch Darstellungen bestimmter Ereignisse oder Epochen (z. B. die Reformation in Deutschland, die Zeit Maria Theresias und Josephs II., die Französische Revolution, die Zeit Napoleons, den Wiener Kongreß). Eine große Untergruppe bilden Biographien von Herrschern und anderen europäischen Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaft und Literatur.

2.7 An die Geschichte schließt sich eine größere Sammlung genealogischer und heraldischer Literatur an, vor allem in Drucken des 19. Jhs. Die Kunstgeschichte ist hauptsächlich durch aufwendige Tafelwerke zu bestimmten Stilrichtungen und Sammlungen vertreten sowie durch Biographien europäischer Künstler. Zur historischen Literatur gehören auch Militaria, die sich auf Darstellungen einzelner Kriege und Biographien von Feldherren konzentrieren. Bei der juristischen Literatur überwiegen Kommentare zum Staats- und Kirchenrecht sowie praktische Werke über Diplomatie und Gesetzgebung.

2.8 Mit großem Interesse wurden naturwissenschaftliche Werke verschiedener Fachgebiete gesammelt. Der Bestand reicht von älteren allgemeinen und mehrbändigen Werken zur Zoologie und Botanik bis zu praktischen Handbüchern der Forst- und Wasserwirtschaft, zu Jagdwesen, Obst- und Gartenbau sowie Fischerei. Auch theoretische und praktische Werke über Chemie, Physik, Mathematik, Astronomie und Medizin liegen vor. Die Geographie ist durch alte Atlanten aus dem 17. und 18. Jh und neuere Spezialkarten vertreten, durch Reiseliteratur, topographische Werke und Führer durch einzelne europäische Länder. Vor allem in der Literatur des 19. Jhs dokumentiert sich das Interesse der Schloßeigentümer an der Entwicklung von Wirtschaft, Industrie und Handel in Österreich und Böhmen. Zu allen Fachgebieten liegen umfangreiche Reihen wissenschaftlicher und populärer Zeitschriften vor.

2.9 Ein großer Teil der Drucke vom Ende des 18. Jhs und aus dem 19. Jh entfällt auf die Belletristik. Zu nennen sind in erster Linie mehrbändige Gesamtausgaben der deutschen Klassiker und Reihen wie Sammlung der besten deutschen prosaischen Schriften, herausgegeben von Christian Gottlieb Schmieder (Karlsruhe 1774-1790). Französische und glische Klassiker liegen im Original und in deutschen Übersetzungen vor. Der Bestand wird durch Werke zur Literaturgeschichte ergänzt, durch Biographien von deutschen und französischen Schriftstellern und durch zahlreiche Memoiren. Eine umfangreiche Sammlung bilden deutsche, französische und italienische Opernlibretti und Theaterstücke mit 2413 Exemplaren aus den Jahren 1499 bis 1936. Auch sie sind Bestandteil der Schwarzenbergschen Bibliothek.

3. KATALOGE

3.1 Moderner Katalog

Alphabetischer Gesamtkatalog und Standortkatalog der Schloßbibliothek ==== in Krumau [3 Bde; erstellt 1963]

3.2 Historische Kataloge

Brezan, Václav: Bibliotheca Rosenbergica (1602-1613) [in der Königlichen Bibliothek Stockholm; Signatur Cod. Holm. U378: 1-4]

Inventar der Bibliothek aus dem Jahre 1649

[Hs. im Staatsarchiv in Krumau, Signatur III. 1 S. 2]

Inventar der Bibliothek aus den Jahren 1719-1721 [Hs. im Staatsarchiv in Krumau, Nr. 418]

Alphabetischer Katalog aus den zwanziger Jahren des 20. Jhs [in Zettelform; erarbeitet vom Verwalter des Archivs und der Bibliothek Dr. Karl Tennich; in 2 Exemplaren: ein Exemplar befindet sich im Schloß die Zettel des zweiten Exemplars sind Bestandteil des Gesamtkatalogs der Schloßbibliotheken im Nationalmuseum Prag]

4. DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

Lifka, Bohumír: Zámecké a palácové knihovny v Cechách. Prehled historicko-topograficky [Schloß- und Palaisbibliotheken in Böhmen. Eine historisch-topographische Übersicht] In: Ceský bibliofil [Der tschechische Bibliophile] 6 (1934) S. 41, 43, 46, 54

Kneidl, Pravoslav: Zámecká knihovna v Ceském Krumlove [Die Schloßbibliothek in Krumau]. In: Ceský Krumlov, mestská památková reservace, státní zámek a památky v okolí [Krumau, städtische Gedenkstätte, Staatsschloß und Denkmäler in der Umgebung]. Praha 1961, S. 31-34

Hejnic, Josef: O knihovne Václava z Rovného [Über die Bibliothek von Václav z Rovného] In: Sborník Národního musea v Praze, rada A [Sammelband des Nationalmuseums in Prag, Reihe A] 22 (1968) Nr. 5, S. 229-356

Hejnic, Josef; Šimáková Jitka: Ke knihovne Václava z Rovného [Zur Bibliothek von Václav z Rovného]. In: Strahovská knihovna [Die Strahover Bibliothek]. Heft 1. Praha 1968, S. 129-144

5. VERÖFFENTLICHUNGEN ZU DEN BESTÄNDEN

Šimáková, Jitka: Zámecká knihovna Ceský Krumlov [Die Schloßbibliothek Ceský Krumlov]. In: XIX. kongres mezinárodní asociace bibliofil [XIX. Kongreß der Internationalen Assoziation der Bibliophilen]. Praha 1995, S. 23 [in Tschechisch und Englisch]

Machácková, Eduarda; Šimáková, Jitka: Teatralia zámecké knihovny v Ceském Krumlove. Díl 1-3. Katalogy a inventáre c. 12-14 [Theatralia der Schloßbibliothek ==== in Ceský Krumlov. Teil 1-3. Kataloge und Inventare Nr. 12-14]. Praha 1976

Pešková, Jitrenka: Operas in the Schwarzenberg Music Collection in Ceský Krumlov. In: The Baroque Theatre in the Chateau of Ceský Krumlov. Miscellany of papers for a special seminar in Ceský Krumlov 27.9.-30.9.1993. Pardubice 1993, S. 172-223

Riedl, Mirko: Katalog prvotisk jihoceských knihoven [Katalog der Inkunabeln der südböhmischen Bibliotheken]. Praha 1974

Stand: Dezember 1995

Jitka Šimáková


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.