FABIAN HANDBUCH: HANDBUCH DER HISTORISCHEN BUCHBESTÄNDE IN DEUTSCHLAND, ÖSTERREICH UND EUROPA SUB Logo
 
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Dacice [Datschitz]

Schloßbibliothek

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Das Renaissance-Schloß in Datschitz wurde im Jahre 1728 von Heinrich Graf von Ostein (1693-1742) gekauft. Als die Linie der Grafen von Ostein 1809 ausstarb, ging ihr Vermögen an die Freiherren von Dalberg. Dieses Geschlecht erlosch in der Mitte des 20. Jhs. Die Bibliothek wurde von den Grafen von Ostein gegründet, die von ihren ursprünglichen Adelssitzen in Coburg und Aschaffenburg Bücher mitbrachten. Durch die Gemahlin von Franz Heinrich Karl Graf von Ostein, Maria Anna Gräfin von Berlepsch, wurde die Bibliothek um einen Teil der Sammlung ihrer Familie vermehrt (s. a.

Schloßbibliothek Kout na Šumave). Der Bestand enthält Bücher mit dem Supralibros der Berlepschs, mit den Exlibris von Peter Philipp von Berlepsch (1720), der seit 1699 spanischer Gesandter beim Kaiserhof war, und des Grafen Sittich Herbold von Berlepsch (1673-1712). Es handelt sich besonders um juristische und staatswissenschaftliche Literatur des Überganges vom 17. zum 18. Jh.

1.2 Die Literatur aus dem 18. Jh sammelten zum größten Teil Philipp Franz Karl von Ostein (1742-1766), Domherr zu Mainz, Trier und Würzburg, sowie sein Onkel Johann Friedrich Karl von Ostein (1689-1763), Erzbischof und Kurfürst von Mainz und Bischof zu Worms. Im 19. Jh und zu Beginn des 20. Jhs vermehrten die Freiherren von Dalberg die Sammlung. Durch die Gemahlin von Karl Anton Dalberg (1792-1859), Maria Karolina Sturmfeder von Oppenweiler (1791-1866), kam ein Teil der Bibliothek ihrer Familie aus Hrádek u Sušice [Hradek bei Schüttenhofen] nach Datschitz. Unter Friedrich Ferdinand von Dalberg (1822-1908), der besonders an der Ornithologie interessiert war, seinem Sohn Maria Friedrich (1863-1914) und dessen Gemahlin Karoline von Raab (1874-1935) wuchs der Bestand weiter an. Die Hauptbibliothek befindet sich im monumentalen Empire-Saal des Schlosses, die Kleinere Bibliothek im Nebenraum. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam die Bibliothek unter die Verwaltung des Nationalmuseums in Prag. Heute befindet sie sich im Besitz des Denkmalamtes für Südböhmen [Památkový ústav Jizních Cech] in Ceské Budejovice [Budweis].

Chronologische Übersicht und Übersicht nach Sprachen

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

2.1 Die Gesamtzahl der Bände in beiden Datschitzer Bibliotheken beträgt 24.354, darunter 4 Hss., 16 Drucke aus dem 16. Jh, 2534 Drucke bis 1800 und ca. 18.000 Bde aus dem 19. Jh. Die Hauptbibliothek umfaßt insgesamt 17.033 Bde, die Kleinere Bibliothek 7321. Ungefähr 70 Prozent des Bestandes sind deutschsprachig. Den Rest bilden französische Bücher, englische in geringerer Zahl und einige wenige tschechische.

Systematische Übersicht

Hauptbibliothek

2.2 Im Bestand bis 1800 ist eine Gruppe von Juridica vom Ende des 16. bis zum Ende des 18. Jhs hervorzuheben, die sich aus theoretischen Werken und Gesetzesausgaben zusammensetzt. Darüber hinaus verteilt sich dieser Bestand inhaltlich über dieselben Sachgruppen wie der Gesamtbestand.

2.3 Die Literatur zur Geschichte besteht vor allem aus Biographien, Briefsammlungen und Tagebüchern bekannter Persönlichkeiten. Weitere Schwerpunkte sind die Geschichte der europäischen Staaten, besonders der Länder der Habsburgermonarchie (darunter zahlreiche Dresdner Ausgaben von P. G. Hilscher), und die Revolutionen. Hinzu kommen historische Zeitschriften und Monographien sowie umfangreiche Bestände des Gothaischen Almanachs und heraldische Werke.

2.4 Die Sammlung von Militaria enthält Biographien von Feldherren, militärische Reglements, Beschreibungen von Armeen einzelner Staaten sowie von Feldzügen mit Schwerpunken bei den mittelalterlichen Kreuzzügen und den russischen Kriegen des 19. Jhs. Neben Fachliteratur finden sich auch populäre militärische Literatur sowie Ritterromane und Heldenliteratur.

2.5 Im Bereich der Bildenden Kunst liegen Ausstellungs- und Auktionskataloge des Überganges vom 19. zum 20. Jh vor, Beschreibungen von Kunstsammlungen, Künstlermonographien (hauptsächlich des Verlags Velhagen und Klasing) und kunsthistorische Zeitschriften. Diesen Bestand ergänzt eine Sammlung von Stichen aus der ersten Hälfte des 19. Jhs.

2.6 Die politische Literatur konzentriert sich auf den Zeitraum vom Ende des 18. bis zum Anfang des 20. Jhs. Vom Anfang des 19. Jhs stammt überwiegend Literatur über Napoleon. Aus der zweiten Hälfte des 19. Jhs sind in größerer Zahl Werke über die Kirchenpolitik in Mitteleuropa und Schriften zur sozialen Frage vorhanden. Häufig wird auch die innenpolitische, hauptsächlich völkerrechtliche, Problematik in Österreich thematisiert.

2.7 Im Bereich der Theologie ist ein umfangreicher Bestand an katholischer Literatur vertreten; zudem finden sich Predigtsammlungen, Katechismen, Gebetbücher und polemische Schriften. Darüber hinaus gibt es Literatur über die Kirche im 19. Jh, die zeitgenössischen Einflüsse, denen sie ausgesetzt war, den Kampf gegen den Atheismus sowie die Missionstätigkeit; ferner zur Martyrologie, Bibelforschung und Religionsphilosophie. Hinzu kommen Kirchenväterausgaben, Nachrichten über Kirchenkonzile und päpstliche Enzykliken. Die Kirchengeschichte ist durch Biographien von Päpsten, Bischöfen und Heiligen repräsentiert. Zahlreich sind katholische Zeitschriften.

2.8 Der umfangreiche Bestand an Reisebeschreibungen erstreckt sich auf alle Länder einschließlich der Polargebiete und wird durch zahlreiche topographische Studien ergänzt. Hinzu kommen allgemeine geographische Werke und Zeitschriften, Landkarten und Reiseführer durch europäische Länder und Städte sowie ethnographische Literatur über einzelne Länder.

2.9 Im Bereich der Naturwissenschaften liegen neben allgemeinen Schriften und einer kleineren Zahl von geologischen, mineralogischen und zoologischen Werken zahlreiche Titel zur Ornithologie vor, darunter oft mehrbändige und reich illustrierte Werke, vor allem über europäische und afrikanische Vogelarten. Die landwirtschaftliche Literatur verteilt sich auf Werke über Gartenbau und Pomologie, Literatur über Haustierzucht und Feldbau sowie auf Großgrundbesitz (einschließlich Schematismen).

2.10 Die Belletristik enthält Werke deutscher Klassiker und deutsche Übersetzungen englischer Literatur sowie einen großen Bestand Abenteuerromane für Kinder. Ebenfalls erwähnenswert sind deutsche Übersetzungen antiker Dichter, Philosophen, Redner, Politiker und Historiker. Auch Werke von Mitgliedern der Familie Dalberg, Sprachlehrbücher, Wörterbücher und Enzyklopädien fehlen nicht.

Kleinere Bibliothek

2.11 Hervorzuheben ist ein bemerkenswerter Bestand deutscher Bohemica, hauptsächlich Topographien von Böhmen aus dem 17. und 18. Jh und Werke zur böhmischen Geschichte.

2.12 Die umfangreiche Sammlung katholischer Literatur enthält martyrologische Werke, Lebensläufe von Heiligen, Päpsten und anderen kirchlichen Würdenträgern. Weitere Schwerpunkte sind der Marienkult, die Liturgie, Eucharistie, Bibelforschung und Probleme der katholischen Kirche in Europa in der zweiten Hälfte des 19. Jhs. Vorhanden sind auch zahlreiche Katechismen und Sammlungen von Kirchenliedern.

2.13 Neben allgemeinen historischen Werken finden sich zahlreiche Schriften über das Leben und die politische Tätigkeit der Mitglieder des Hauses Habsburg. Bei den Militaria handelt es sich um Beschreibungen einzelner Schlachten, Kriege und Feldzüge (vor allem der napoleonischen Zeit), aber auch einzelner Armee-Einheiten, ferner um Biographien von berühmten Feldherren, Beschreibungen von Uniformen und Militärlieder.

2.14 Reisebeschreibungen, zahlreiche Landkarten und Reiseführer, hauptsächlich durch Böhmen und Österreich, aber auch durch viele andere europäische Länder, stammen aus dem späten 19. und frühen 20. Jh.

2.15 Ebenfalls größtenteils vor der Jahrhundertwende erschienen ist der Bestand zur Bildenden Kunst, darunter Bildbände, Zeitschriften über Graphik und andere Kunstsparten sowie eine Reihe von Kunstauktionskatalogen.

2.16 Unter Wirtschaft finden sich vor allem Werke über Forstwirtschaft, Haustier- und Pferdezucht sowie tierärztliche Literatur. Hinzu kommen einige Jagdbücher. Verhältnismäßig zahlreich sind botanische und pomologische Werke. Zur Entomologie liegt eine Sondersammlung über Schmetterlinge vor.

2.17 Im kleinen Bestand zur Medizin finden sich auch homöopathische Werke. Vorhanden sind des weiteren einige Kochbücher des 19. Jhs sowie Wörterbücher und Belletristik aus dem 19. Jh.

Standortkatalog der Hauptbibliothek

[2 Bde; erstellt 1962]

Standortkatalog der Kleineren Bibliothek

[Bandkatalog; 1962]

Eine Bearbeitung der Bestände mit EDV wird voraussichtlich 1998 beendet werden.

4. DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

Lifka, Bohumír: Zámecké knihovny v Dacicích [Schloßbibliotheken in Dacice]. In: Dacice. Státní zámek, mesto a památky v okolí [Datschitz. Staatsschloß, Stadt und Denkmäler in der Umgebung]. Praha 1960, S. 17-19

Kneidl, Pravoslav: Knihovna Národního musea v Praze [Die Bibliothek des Nationalmuseum in Prag]. Praha 1959, S. 146

Stand: Juli 1996

Petr Mašek


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.