FABIAN HANDBUCH: HANDBUCH DER HISTORISCHEN BUCHBESTÄNDE IN DEUTSCHLAND, ÖSTERREICH UND EUROPA SUB Logo
 
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Dombibliothek

Adresse. Kath. Pfarramt, Dr.-Jestädt-Platz, 3580 Fritzlar [Karte]
Telefon. (05622) 3015 oder 5780
Bibliothekssigel. <AKThB 139>

Unterhaltsträger. Kath. Kirchengemeinde St. Petri
Funktion. Verwaltung der Bestände.
Sammelgebiete. Der Altbestand wird nicht vermehrt.

Benutzungsmöglichkeiten. Präsenzbibliothek; Benutzung nach schriftlicher Voranmeldung. Leihverkehr: kirchl. Leihverkehr.
Hinweise für anreisende Benutzer. Fußwegnähe vom Bahnhof (Nahverkehrsstation). A 49, Ausfahrt Fritzlar.

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Die heutige Dombibliothek setzt sich aus drei historischen Beständen zusammen: der Bibliothek der Stiftsherren des St. Petri-Stifts, der Parochialbibliothek, also der Buchsammlung der Pfarrer, und aus den Beständen des 1811 unter König Jérome von Westfalen aufgelösten Franziskanerklosters.

1.2 Die Ursprünge der Bibliothek lassen sich nicht genau rekonstruieren. Bonifatius gründete 724 ein Benediktinerkloster, aus dem die erste hessische Klosterschule hervorging. Wahrscheinlich besaß die Gemeinschaft von Anfang an Bücher. Nachweisbar ist, daß sich im 9. Jh zumindest eine Vulgata und ein Priscian im Besitz der Kirche befand. Den Zerstörungen und Plünderungen Fritzlars 1079 und 1232 sind die Bücherschätze nicht vollständig zum Opfer gefallen. Erhalten blieb aus dem 11. Jh ein eindrucksvolles Missale. Erwähnt wird 1387 eine Kettenbibliothek, und noch heute ist an einigen Bdn festzustellen, daß sie " catenati" waren. Ob es je einen festen Ankaufsetat gab, ist nicht bekannt. Die Vermehrung der Bibliothek erfolgte durch Eigenherstellung, durch Kauf oder Nachlaß, wie z. B. 1457, als die Privatbibliothek des Stiftsherrn Martin von Geismar einverleibt wurde. Verluste erlitt der Buchbestand 1724 durch Erzbischof Franz von Schönborn (Bestände heute in Pommersfelden) und 1803 durch die Säkularisierung (Bestände heute in Kassel) sowie durch unsachgemäße Behandlung und den teilweise schlechten Bauzustand der Stiftsgebäude im 17. und 18. Jh.

1.3 Im Jahre 1928 wurde nach einem kleinen Brand eine Neuaufstellung der Bibliothek notwendig; im Rahmen der bis heute letzten Revision erstellte der Regierungsrat Dr. Ludwig Florian einen handschriftlichen Katalog (1936). Während des Zweiten Weltkrieges wurden Teile der Bibliothek ausgelagert. Seit 1945 befinden sich die Bestände der Dombibliothek wieder in den Räumen über dem Kreuzgang. Bereits für die Neuaufstellung von 1928 ist keinerlei Systematik mehr erkennbar. Nach der Rückholung 1945 wurden die Bestände offensichtlich nach Größe der Bücher und nach Einbandfarbe geordnet. Die folgende Übersicht ist der erste Versuch einer systematischen Beschreibung der Bibliothek.

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

2.1 Die Bestandsbeschreibung folgt einer Auszählung des handschriftlichen Katalogs von Ludwig Florian. Der Katalog hat eine numerische Gliederung. Gezählt wurde im Jahre 1936 nach Bdn. Nicht mit Sicherheit kann festgestellt werden, ob alle aufgeführten Bücher noch vorhanden sind, da häufig Streichungen von unbekannter Hand vorgenommen wurden. Alle im weiteren folgenden Zahlenangaben beruhen daher auf Hochrechnung. Eine systematische Gliederung der Dombibliothek gibt es nicht, obwohl der Verfasser des Katalogs die Bestände in 24 Abteilungen unterschieden hat. Chronologische Übersicht und Übersicht nach Sprachen

2.2 Von den ca. 4300 Titeln sind ca. 200 nicht datierbar, 40 Inkunabeln, ca. 340 aus dem 16. Jh, ca. 1100 aus dem 17. Jh, 1300 aus dem 18. Jh und weitere 1420 aus dem 19. Jh.

2.3 Mit etwa 2200 Titeln erreicht der Anteil der lateinischsprachigen Literatur etwas über 50 Prozent, während weitere 45 Prozent deutschsprachig sind. Die verbleibenden ca. 5 Prozent fallen auf französische (etwa 150) und italienische Bücher (20) sowie sonstige Sprachen. Systematische Übersicht

2.4 Etwa 75 Prozent der Bücher sind theologischen Inhalts. Bei den Bibelausgaben und Konkordanzen finden sich ca. 180 Titel. Etwa 40 sind in deutscher Sprache, im wesentlichen aus dem 19. Jh, während der überwiegende Teil (ca. 130 Titel) in lateinischer Sprache abgefaßt ist und sich, abgesehen von 5 Inkunabeln, fast gleichmäßig auf das 16. bis 18. Jh verteilt. Bei der Exegese (ca. 170 Titel) herrscht ebenfalls die lateinische Sprache vor (2 Inkunabeln, ca. 95 Titel aus dem 17. und 18. Jh). Der deutschsprachige Teil beschränkt sich erneut fast völlig auf das 19. Jh. Einen inhaltlichen Schwerpunkt bildet die Evangelieninterpretation.

2.5 Bei der Patristik (ca. 100 Titel) ähneln die Zahlenverhältnisse zwischen deutschsprachigen und lateinischen Titeln bzw. den Erscheinungszeiträumen der Verteilung bei den Bibelausgaben (2 Inkunabeln). Der inhaltliche Schwerpunkt liegt bei Schriften zur Patrologie im allgemeinen und bei Augustinus-Ausgaben sowie Albertus-Magnus-Ausgaben.

2.6 Dogmatik und Moraltheologie umfassen etwa 340 Titel (ca. 185 lateinisch, ca. 145 deutsch). Etwa 100 deutsche Titel stammen aus dem 19. Jh. Sie befassen sich mit der Sakramentenlehre, mit dem Leben Jesu und Mariae, der Lehre von der unbefleckten Empfängnis und mit der päpstlichen Unfehlbarkeit. Der lateinische Anteil weist 2 Inkunabeln auf und hat das 16. bis 18. Jh als Schwerpunkt. Dementsprechend sind häufig vor allem jesuitische, aber auch benediktinische oder andere einem Orden angehörende Moral- und Kontroverstheologen vertreten. Meist handelt es sich um zeitgenösssische Veröffentlichungen. Für das 16. Jh finden sich einige auch als Inquisitoren bekannte Autoren, etwa Lindanus und Agricola.

2.7 Bei der Kontroverstheologie und Apologetik (ca. 150 Titel, davon etwa 80 deutschsprachig und 70 lateinisch) liegt der Schwerpunkt auf jesuitischen und anderen antireformatorischen Verfassern. Es finden sich auch einige anti-jansenistische Autoren (wie z. B. Marchant oder Gury).

2.8 Zu Kirchenrecht und Kirchenordnung liegen ca. 170 Titel vor (eine lateinische Inkunabel, ca. 53 deutschsprachige Titel aus dem 19. Jh, ca. 115 lateinische aus dem 17. und 18. Jh) mit allgemeinen Lehr- und Handbüchern zum Kirchenrecht bis hin zu den Schematismen verschiedener Bistümer.

2.9 Die Kirchengeschichte (etwa 265 Titel, davon 170 Titel deutsch aus dem 19. Jh und ca. 75 Titel lateinisch aus dem 17. und 18. Jh) enthält neben den allgemeinen Gesamtdarstellungen eine Häufung von Titeln zur Papst- und Konziliengeschichte, insbesondere des Konzils von Trient. Im 19. Jh liegen Schwerpunkte im Bereich Kirche und Gesellschaft, bei der sozialen Frage (Ketteler) sowie bei Kirchenkampf und Schulwesen. Im Bereich der lateinischsprachigen Literatur findet sich eine Anzahl von Titeln zu Hexerei und Exorzismus (u. a. von Del Rio und Sprenger).

2.10 Die Homiletik hat mit über 880 Titeln inhaltlich den größten Anteil am Gesamtbestand. Neben 10 lateinischen Inkunabeln sind etwa 590 Titel deutschsprachig (15 aus dem 16., 45 aus dem 17., 150 aus dem 18. und 270 aus dem 19. Jh; von den rund 270 lateinischen Werken stammen 32 aus dem 16. Jh, 110 aus dem 17., 73 aus dem 18. und 12 aus dem 19. Jh). Neben den allgemeinen Predigtsammlungen (z. B. der Kirchenväter) bilden Andachtsbücher, Marienpredigten und vor allem im 19. Jh " Predigten für den Landmann" Schwerpunkte.

2.11 Die Heiligen- und Märtyrerviten (ca. 145 Titel insgesamt, eine deutsche und eine lateinische Inkunabel, etwa 90 deutsche und 55 lateinische Titel) haben Bonifatius und Elisabeth zum wichtigsten Thema, konzentriert mit etwa 55 deutschen Titeln im 19. Jh.

2.12 Die Pastoraltheologie (ca. 360 Titel, eine lateinische Inkunabel, deutschsprachiger Schwerpunkt im 19. Jh mit 130 Titeln, lateinischsprachiger Schwerpunkt im 17. und 18. Jh mit ca. 200 Titeln) ist inhaltlich neben allgemeinen Lehr- und Handbüchern (Introductiones und Enchiridien) ausgerichtet auf die Priesterausbildung oder Handreichungen für die Seelsorge (z. B. Unterweisungen für die Erstkommunion).

2.13 Katechetik sowie Asketik und Mönchswesen umfassen ca. 350 Titel (eine lateinische Inkunabel, etwa 170 deutsche Titel, davon etwa 120 aus dem 19. Jh und weitere ca. 170 lateinische Titel, davon 10 aus dem 16., 55 aus dem 17., 50 aus dem 18. und 55 aus dem 19. Jh). Der Bereich Katechetik enthält Darstellungen der christlichen Tugenden und des christlichen Lebens bis hin zu Handreichungen für die Gewissensforschung bzw. die Ausgestaltung des Religionsunterrichts. Bei der Asketik finden sich neben den Beschauungsbüchern und Anweisungen zum Leben in der Nachfolge Christi und Mariae auch zahlreiche Vertreter der Askese, wie Thomas à Kempis oder Jeremias Drexel. Im Themenbereich Mönchswesen treten zahlreiche, auch lateinische Werke zu den in Fritzlar ansässigen Orden der Jesuiten, Franziskaner und Ursulinen auf.

2.14 Die Gruppe Philosophie (ca. 140 Titel, 60 deutsche aus dem 18. und 19. Jh sowie 85 lateinische aus dem 16. bis 19. Jh) enthält neben Ausgaben von Aristoteles oder Kant Bestände zum Thema Logik, politische Theorie und fachspezifische Lexika. In der Gruppe " jus civile" (etwa 140 Titel; 55 deutsche, davon 40 aus dem 19. Jh sowie 90 lateinische aus dem 16. bis 18. Jh) sind allgemeine Gesetzessammlungen und Nachschlagewerke enthalten.

2.15 Der Bereich Philologie, Rhetorik und Literatur stellt mit ca. 410 Titeln den zweitgrößten nach der Homiletik dar. Neben 2 Inkunabeln liegen ca. 210 deutsche Titel vor, davon 130 aus dem 19. Jh. Die lateinischen Titel belaufen sich auf etwa 180 (15 ohne Jahr, 15 aus dem 16., ca. 70 aus dem 17., ca. 65 aus dem 18., ca. 20 aus dem 19. Jh). Dazu kommen etwa 20 französische Titel. Neben Lexika, Grammatiken sowie Ausgaben antiker Klassiker (Cicero, Ovid oder auch Homer in Ausgaben aus dem 16. Jh) finden sich im wesentlichen aus dem 19. Jh Werkausgaben deutscher Klassiker wie Klopstock, Goethe, Schiller.

2.16 Die Gruppe Geschichte, Politik, Geographie, Kunst enthält ca. 300 Titel (eine deutsche Inkunabel; 175 deutschsprachige Titel, davon 55 aus dem 18. und 120 aus dem 19. Jh; 95 lateinische Titel, davon 15 aus dem 16., 25 aus dem 17., 27 aus dem 18. Jh; 20 französische Titel, davon 10 aus dem 18. Jh). Abgesehen von diversen historischen Monographien sind Werke zu Politik und Staatswesen, zur Landeskunde (auch Reisebeschreibungen) und historische Lexika vorhanden.

2.17 Naturwissenschaften und Medizin umfassen ca. 100 Titel (60 deutschsprachige, 35 lateinische). Während die lateinischen Titel sich gleichmäßig auf das 16. bis 18. Jh verteilen, finden sich die meisten deutschen Titel im 18. und 19. Jh. Es sind mathematische Werke und Rechenlehrbücher sowie medizinische und botanische Werke.

3. KATALOGE

Florian, Ludwig: Katalog der Dombibliothek zu Fritzlar. Fritzlar/Oppeln 1936 [hschr.]

Thiele, Karl-J.: Die Wiegendrucke der Stifts-Bibliothek Fritzlar. Fritzlar 1935 [hschr.]

4. DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

4.1 Archivalien

Demandt, Karl E.: Quellen zur Rechtsgeschichte der Stadt Fritzlar im Mittelalter. Marburg 1939 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen und Waldeck XII, 3) [u. a. zu Personen und Einrichtungen des Stifts]

4.2 Darstellungen

Drach, C. Alhard von: Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Cassel, Bd II, Kreis Fritzlar. Marburg 1909, S. 95-99, Tafel 132-137 [enthält Abschnitt über " geschriebene und gedruckte Bücher"]

Niederquell, Theodor: Aus dem Briefwechsel Stephan Alexander Würdtweins. In: Archiv für Hessische Geschichte und Altertumskunde N. F. 76 (1969/70) Heft 3/4, S. 246-273

Denecke, Ludwig: Bibliotheken im mittelalterlichen Fritzlar. In: Fritzlar im Mittelalter. Festschrift zur 1250-Jahrfeier, hrsg. vom Magistrat der Stadt Fritzlar. Fritzlar 1974, S. 222-241

Denecke, Ludwig: Bücher und Menschen im alten Fritzlar. In: St. Peter Fritzlar. Bilder aus seiner 1250jährigen Geschichte, hrsg. von der Katholischen Kirchengemeinde Fritzlar. Fulda 1974, S. 118-126

Demandt, Karl E.: Das Chorherrenstift St. Peter zu Fritzlar. Quellen und Studien zu seiner mittelalterlichen Gestalt und Geschichte. Marburg 1985 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen 49)

Stand: April 1990

Clemens Lohmann


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.