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Dombibliothek St. Nikolai

Adresse. Am Dom 18, 39576 Stendal [Karte]
Telefon. (03931) 21 21 36 (Pfarramt) oder 21 21 34 (Kreiskirchenamt)
Bibliothekssigel. Kirchlicher Zentralkatalog Berlin <Sa 1>

Unterhaltsträger. Domgemeinde St. Nikolaus
Funktion. Kirchenbibliothek.
Sammelgebiete. Abgeschlossener historischer Bestand, gelegentlich durch Ankäufe vermehrt. Benutzungsmöglichkeiten. Präsenzbibliothek. Öffnung nach Vereinbarung. - Leihverkehr: Fernleihe mit Genegung des Gemeindekirchenrates nur in Ausnahmefällen.
Hinweise für anreisende Benutzer. Schriftliche oder telefonische Anmeldung erwünscht. - Fußwegnähe vom Hauptbahnhof. A 2 (E 30), Ausfahrt Magdeburg-Zentrum, B 189. Parkmöglichkeiten in der Nähe.

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Auffällig ist das Fehlen von Büchern aus dem Besitz des 1188 gegründeten Kollegiatstiftes in der heutigen Bibliothek. Die in der Literatur verbreitete Annahme, daß die Neugründung bereits auf den Reformator Conrad Cordatus (1476-1546) zurückgeht, läßt sich nicht beweisen. 1590 stiftete die Ehefrau des altmärkischen Landeshauptmanns, Bertha von der Schulenburg, einen Betrag von 200 Joachimsthalern zur Gründung der Bibliothek, die eine kontinuierliche Weiterbildung für die Generalsuperintendenten der Altmark und Prignitz ermöglichen sollte. Bedingt durch die Wirren des Dreißigjährigen Krieges und familiäre Schwierigkeiten, konnte das Kapital erst später durch die Erben ausgezahlt werden. Zinsen und ein Legat hatten es inzwischen auf 400 Taler erhöht, so daß für Anschaffungen nunmehr ein solider Etat vorhanden war.

1.2 In der Anfangsphase der Bibliothek wurden neben Exegetica vor allem Werke der Kirchenväter und Reformatoren gekauft. Zu den Förderern der Sammlung gehörten die Generalsuperintendenten Daniel Bernhardi (1622-1707), der die Bibelsammlung anlegte, Johann Christoph Meurer (1671-1740) und Johann Rudolf Nolten (1691-1754). Im 18. Jh kam eine große Zahl Schriften des Hallischen Pietismus hinzu. Interesse bestand in dieser Zeit auch an historischer, juristischer und naturwissenschaftlicher Literatur. Die bereits seit 1818 bestehende Synodalbibliothek führte die Tradition der Dombibliothek auch im 19. Jh weiter. Dieser Bestand umfaßt ca. 600, bisher nur z. T. katalogisierte Bde. Die Erwerbungen konzentrierten sich nun vornehmlich auf homiletisches und z. T. auch missionarisches Schrifttum. Schenkungen gab es für die Bibliothek nur wenige.

1.3 Bis 1929 war die Bibliothek in einem Raum über der Sakristei untergebracht. Nach ihrer Reinigung, verbunden mit einer Neukatalogisierung, wurde sie im gleichen Jahr auf Initiative des Superintendenten Hermann Alberts (1869-1960) in das Obergeschoß des Domstiftsgebäudes überführt und dort aufgestellt. Durch einen Bombenangriff am 8. April 1945 wurden der Dom und die Bibliothek schwer beschädigt. Eine erste Revision des Bestandes erfolgte im April 1951. Im Verlauf einer vollständigen Neuaufnahme, die 1990 beendet wurde, erfolgte im Sommer 1987 eine zweite Revision. In beiden Fällen mußten erhebliche Verluste festgestellt werden.

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

2.1 Die Bibliothek umfaßt einen Bestand von 1746 Titeln. Diese Zahl wurde durch Auszählung des Systematischen Kataloges ermittelt. Es ist eine Inkunabel vorhanden; aus dem 16. Jh stammen 242 Titel (14 Prozent), aus dem 17. Jh 543 (31 Prozent), aus dem 18. Jh 522 (30 Prozent), darunter 8 Hss., aus dem 19. Jh 296 (17 Prozent) und aus dem 20. Jh 97 (6 Prozent). Weitere 45 Titel sind nicht datiert.

2.2 Es überwiegen die deutsche (50 Prozent) und die lateinische Sprache (45 Prozent). Der Rest, meist Bibelausgaben, verteilt sich vorrangig auf griechische und hebräische Werke sowie Titel in französischer, englischer, niederländischer, polnischer, gotischer, wendischer, malabarischer und syrischer Sprache.

2.3 Die Beschreibung folgt dem Systematischen Katalog. Entsprechend dem Benutzerkreis setzt sich der Bestand vornehmlich aus theologischer Literatur zusammen.

2.4 Die Sachgruppe Bibelwissenschaft umfaßt 86 Ausgaben der Bibel und ihrer Teile; 56 davon stammen aus dem 16. Jh. Hervorzuheben ist eine Bibel von 1541 mit eigenhändigen Eintragungen Luthers und Melanchthons sowie 2 niederdeutsche Drucke des Neuen Testaments von 1524 und 1530, die in der Literatur als Unikate bekannt sind. Ferner sind 26 Konkordanzen sowie Lexika zur Bibel in Deutsch, Latein, Griechisch, Hebräisch und Syrisch vorhanden. Besonders reich ist mit 166 Werken, vornehmlich aus dem 17. und 18. Jh, die exegetische Literatur vertreten.

2.5 Ihnen voraus geht eine Sammlung von 7 theologischen Zeitschriften und Enzyklopädien, denen sich Werkausgaben und Einzelschriften der Kirchenväter (25 Titel), Luthers und Melanchthons (30 Titel) sowie von Theologen des 17. und 18. Jhs (56 Titel) anschließen.

2.6 Die Systematische Theologie ist mit 127 Titeln vertreten. Hinzu treten 6 Titel polemisches Schrifttum und 35 zur Symbolik gehörende Titel. Die umfangreiche Gruppe der Praktischen Theologie enthält 410 Titel, darunter 289 Predigten und Erbauungsschriften. Für den gottesdienstlichen Gebrauch finden sich 13 Gesangbücher und Chorsätze, u. a. das Missale des Matthäus Ludecus von 1589 und mehrere Ausgaben des Altmärkisch-Prignitzischen Gesangbuches. Großen Raum nehmen auch die kirchengeschichtlichen Werke ein. Sie zählen unter Einschluß der Biographien namhafter Theologen 256 Titel.

2.7 Bei der nichttheologischen Literatur (312 Titel) verdienen neben der Abteilung Allgemeine Geschichte (70) vor allem Werke mit philosophischem (48), rechtsgeschichtlichem (34, davon 20 zum Kirchenrecht) und naturwissenschaftlichem Inhalt (25 zur Physik und 21 zur Astronomie) Beachtung. In der Gruppe der Zeitschriften und Enzyklopädien ist auf die (nicht vollständige) Ökonomisch-technologische Enzyklopädie von Krünitz zu verweisen. Abgerundet wird der Bestand durch eine Sammlung von heimatkundlicher Literatur.

3. KATALOGE

3.1 Moderne Kataloge

Alphabetischer Katalog

[nach PI; auch als Bandkatalog]

Systematischer Katalog [nach PI]

Sonderkatalog für die Drucke des 16. Jhs

[entsprechend VD 16]

Alle drei Kataloge wurden 1990 abgeschlossen.

Die Bestände sind im Kirchlichen Zentralkatalog Berlin (Mikroficheausgabe 1997) nachgewiesen.

3.2 Historische Kataloge

Alphabetischer Katalog [Kartei]

Systematischer Bandkatalog

[beide 1929 von Bibliotheksrat Dr. Franz Zimmermann angelegt]

Alfred Zimmermann

4. DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

4.1 Archivalien

Potsdam, Landeshauptarchiv: Pr. Br. Rep. 23 A Kurmärkische Stände Nr. P 117, Bl. 4, 15, 19 [drei Quittungen von 1643, 1705, 1716]; Pr. Br. Rep. 40 A

Kurmärkisches Konsistorium Nr. 777, Bl. 23-25 [Bibelsammlung Bernhardi] und Pr. Br. Rep. 86 Universität Frankfurt/O. Nr. 1441, Bl. 43-46 [Übergabe an J. R. Nolten 1740]

Magdeburg, Konsistorialarchiv, alte Signatur IX/171: Bericht von Traugott Otto Radlach über die Besichtigung der Dombibliothek Stendal, 1893 Magdeburg, Landeshauptarchiv: Rep. A 12 Spec. Stendal Nr. 367, Bl. 15-20 [Verzeichnis der von Generalsuperintendent Georg Christoph Silberschlag (amt. 1779-1790) vermachten Bücher] ebd. Nr. 376e [betr. Übergabe 1740]

4.2 Darstellungen

Bekmann, Johann Christoph; Bekmann, Bernhard Ludwig: Historische Beschreibung der Chur und Mark Brandenburg. Bd 2. Berlin 1753, Teil 5, Buch 1, Kap. 2, Sp. 46-47

Büsching, Johann Gustav: Reise durch einige Münster und Kirchen des nördlichen Deutschlands im Spätjahr 1817. Leipzig 1819, S. 102

Radlach, O[tto]: Die Bibliotheken der evangelischen Kirche in ihrer rechtsgeschichtlichen Entwicklung. In: Zentralblatt für Bibliothekswesen 12 (1895) S. 172

Zimmermann, Franz: Wiederentdeckung einer alten Bibliothek in Stendal. In: Montagsblatt. Wissenschaftliche Beilage der Magdeburgischen Zeitung 72 (1930) S. 155-157 (Nr. 20)

Verzeichnis der Museen, Heimat- und Geschichtsvereine, Büchereien, Archive und Lichtbildstellen in der Provinz Sachsen und in Anhalt. 2., erw. Aufl. Merseburg 1935, S. 114

Alberts, Hermann: Lebenserinnerungen. [Stendal] 1949, S. 258 [mschr. im Pfarrhausarchiv Eisenach]

5. VERÖFFENTLICHUNGEN ZU DEN BESTÄNDEN

Alberts, Hermann: Dat Evangelium Sancti Johannis des Apostolen und Evangelisten aus der Halberstädter plattdeutschen Bibel in der Dombücherei zu Stendal vom Jahre 1522 als Fest-Schrift zur Einweihung des wiederhergestellten Dom-Stifts-Gebäudes ... Stendal 1926

Alberts, Hermann: Die Stendaler Lutherbibeln. Ein Beitrag zum Deutschen Bibeljahr 1934. In: Die Provinzialkirche 14 (1934) S. 122-123

Alberts, Hermann: Zwei Bugenhagenfunde aus zwei alten Büchereien. In: Theologische Studien und Kritiken 106 (1934/35) S. 61-72

Hase, Martin von: Bibliographie der Erfurter Drucke von 1501-1550. 3. erw. Aufl. Nieuwkoop 1968, S. 146, Nr. 988 [niederdeutsches Neues Testament von 1530]

Müller, Julius: Conrad Cordatus, der erste evangelische Superintendent in Stendal. In: Zeitschrift des Vereins für Kirchengeschichte der Provinz Sachsen 14 (1917) S. 111-114 [betr. einen jetzt in der Dombibliothek befindlichen Sammelband mit biographischen Notizen des Cordatus]

Stand: August 1993

Uwe Czabutynksi


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.