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Dominikánská knihovna

Dominikanerbibliothek


Adresse. Husova 8, 110 00 Praha 1 - Staré Mesto
Telefon. (02) 24 23 57 31
Telefax. (02) 24 21 96 85

Unterhaltsträger. Ceská dominikánská provincie [Tschechische Dominikanerprovinz]
Funktion. Ordensbibliothek.
Sammelgebiete. Katholische Theologie und angrenzende Gebiete.

Benutzungsmöglichkeiten. Präsenzbibliothek für Ordensmitglieder, in Ausnahmefällen nach Anmeldung beim Provinzbibliothekar für wissenschaftliche Forschungen. - Leihverkehr: nicht angeschlossen.
Technische Einrichtungen für den Benutzer. Kopiergerät.
Hinweise für anreisende Besucher. Schriftliche Anmeldung erforderlich. - U-Bahnverbindung (Metrolinie A) bis Station Staromestská oder (Metrolinie B) bis Station Mstek. Fußwegnähe (jeweils ca. 5 Minuten). - Parkmöglichkeiten begrenzt.

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Der Predigerorden der Dominikaner, gegründet im Jahre 1203, kam wahrscheinlich 1224 auf Wunsch des Prager Bischofs Ondrej nach Böhmen. Der Bischof errichtete ein Kloster bei der Kirche des Hl. Klemens auf dem Platz des heutigen Klementinums. In diesem Kloster fanden Zusammenkünfte und Feierlichkeiten statt. Hier befand sich auch das Inquisitionsgericht. Aus diesem Grunde wurde das Kloster in den Hussitenkriegen am 8. August 1420 zerstört. Erst 1496 wurde es in bescheidenerem Ausmaß wieder aufgebaut. Im Jahre 1556 mußten die Dominikaner auf Befehl des Königs Ferdinand I. von Habsburg (1526-1564, römischer Kaiser seit 1556) den Jesuiten weichen und in das verlassene Kloster der Hl. Agnes im Stadtviertel Na Františku umziehen. Dieses Kloster genügte ihren Bedürfnissen jedoch nicht.

1.2 Am 10. Dezember 1626 wurde den Dominikanern die verlassene Kirche des Hl. Aegidius (sv. Jiljí) in der Prager Altstadt mit einem anliegenden Gebäude übergeben. Das Gebäude beherbergte einst eine bekannte Kapitelschule, deren Rektor im Jahre 1373 Príbík Pulkava z Radenína, Geschichtsschreiber und Hofhistoriograph Karls IV., war. Diese ehemalige Schule bauten die Dominikaner zum Kloster um. Das neue Kloster wurde bald auch Ordensuniversität mit einem Studium generale, das Ordensmitgliedern akademische Würden wie die des Lector, Bakkalaureus oder Magister verlieh. Für dieses Studium wurde eine Klosterbibliothek eingerichtet, die erstmals 1633 erwähnt wird. Am 16. Juli desselben Jahres ordnete der damalige Provinzial M. Godefridus Marquis bei einer Visitation an, alle Bücher, die sich im Kloster befinden, zu sammeln und in einem gesonderten Raum aufzubewahren.

1.3 Die Inkunabelsammlung wurde bereits im Kloster des Hl. Klemens begonnen, wo sie in den Jahren 1501 bis 1502 zunächst 6 Bde umfaßte. Im Kloster in Na Františku kamen in den Jahren 1613 bis 1622 weitere 19 Bde und von 1626 bis 1708 weitere Inkunabeln hinzu. Um die Bestandserweiterung machten sich Angehörige des Ordens sowie verschiedene Mäzene verdient. So kauften z. B. der Ordensprior Benedikt Barchinius von 1612 bis 1615 für das Kloster 5 Inkunabeln, die Mitglieder des Konvents Adrian Holzek 2 und Vincenc Faber 4. Die Dominikaner Herman und Hagelius Doubravský schenkten in den Jahren 1660 bis 1669 der Klosterbibliothek je eine Inkunabel. Bedeutendster Mäzen war der Schweizer Franciscus Raymundus Honneyker, der 1665 dem Kloster 6 weitere Inkunabeln schenkte. In die Sammlung gingen ferner Inkunabeln aus anderen Klöstern ein, z. B. aus Chomutov [Komotau] oder von den Dominikanern zu St. Michael in Brno [Brünn].

1.4 Die Bestände der Bibliothek wuchsen schnell, und in den dreißiger Jahren des 18. Jhs verfügte sie bereits über 5000 Bde und einen Bibliotheksraum, der den ganzen Südtrakt des Klostergebäudes einnahm. 1733 begannen die Dominikaner, die baufällige Kirche und die Bibliothek im barocken Stil zu renovieren. Für die Wände, Nischen und das Gewölbe des Bibliothekssaals wurden Eichenregale geschnitzt, in denen der Bestand noch heute nach Fächern und Formaten aufgestellt ist. Im Jahre 1784 traf die Josephinische Säkularisation das Kloster und die Bibliothek. Die Zahl der Mönche wurde auf 20 reduziert und die wertvollsten Handschriften und Bücher in die damalige Prager Universitätsbibliothek überführt.

1.5 Den Zweiten Weltkrieg überstand die Bibliothek ohne Bestandsverluste. Nach Aufhebung der Klöster durch den tschechoslowakischen Staat wurde die Klosterbibliothek im April 1950 unter die Verwaltung der Nationalbibliothek in Prag gestellt. Protokollarisch wurde sie am 30. Oktober 1953 übernommen. Glücklicherweise durfte die Bibliothek als bedeutendes kulturhistorisches Denkmal an Ort und Stelle verbleiben. Die Bestände wurden durch die Nationalbibliothek konservatorisch und fachlich betreut; sie wurden katalogisiert, und ein Inkunabelkatalog wurde angelegt (s. u. 3.1 ). Die Archivalien übernahm 1950 das Staatliche Zentralarchiv Prag [Státní ústrední archiv Praha] (s. Eintrag dort). Nach der politischen Wende von 1989 wurde die Bibliothek den Dominikanern im Rahmen der Restitutionsmaßnahmen zurückgegeben, um in Zukunft den Bedürfnissen des Ordens zu dienen.

1.6 Zusätzlich steht im Dominikanerkloster die Provinzbibliothek zur Verfügung. Sie umfaßt hauptsächlich Bestände des 20. Jhs (ca. 10.000 Bde), darunter Monographien zu Theologie, Philosophie, Geschichte, Kirchengeschichte, Linguistik und Kunst, zudem Periodika und eine Handbibliothek mit zyklopädischer Literatur.

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

2.1 Die Bibliothek umfaßt heute ca. 9000 Bde, davon 117 Inkunabeln in 82 Bdn, ca. 1000 Bde aus dem 16. Jh, 3000 Bde aus dem 17. Jh, 5000 Bde aus dem 18. Jh und 200 Bde aus dem 19. Jh. Sie verteilen sich auf die Gruppen Dogmatica, Moralis, Ius ecclesiastica et civilis, Conciones, Historia, Ascesis, Philologica, Biblica, Liturgica und Patristica. Die Inkunabeln sind jedoch gesondert aufgestellt. Ein historischer Zeitschriftenbestand liegt nicht vor.

2.2 Zur Analyse der sprachlichen Zusammensetzung wurden exemplarisch die Gruppen Dogmatica, Moralis und Ius ecclesiastica et civilis anhand des historischen Standortkatalogs ausgezählt (zusammen 2281 Bde). Als maßgeblich für die Einordnung wurde die Sprache des Titels angesehen. Die Auszählung ergab für die Bestände des 16. Jhs (243 Bde) 216 Bde in lateinischer, 20 Bde in deutscher (8,2 Prozent) und 7 Bde in tschechischer Sprache; für die Bestände des 17. Jhs (762 Bde) 714 Bde in lateinischer, 40 Bde in deutscher (5,2 Prozent), 7 Bde in tschechischer und ein Band in italienischer Sprache; für die Bestände des 18. Jhs (1232 Bde) 1111 Bde in lateinischer, 102 Bde in deutscher (8,3 Prozent), ein Band in tschechischer, 12 in italienischer und 6 in französischer Sprache. Für die Werke ohne Angabe zum Erscheinungsjahr (44 Bde) sind es 36 Bde in lateinischer, 7 Bde in deutscher und ein Band in italienischer Sprache. Durchschnittlich liegt der Anteil der deutschsprachigen Werke in diesen 3 Gruppen bei 7,4 Prozent; im Gesamtbestand dürfte er sich auf ca. 10 Prozent belaufen. Besonders hoch ist er im Bestand des 18. Jhs und in den Gruppen Conciones, Historica und Ascesis.

2.3 Die älteste Inkunabel ist Summa universae theologiae von Rainerus de Pisis (Augsburg: Günther Zainer 1474). Ihr folgt von Robertus Caracciolus Sermones de timore divinorum iudiciorum (Nürnberg: Friedrich Creussner 1479). Aus den siebziger Jahren des 15. Jhs stammen sechs Inkunabeln, aus den achtziger Jahren weitere 45. Das seltenste Werk der Sammlung ist zweifellos das Doctrinale von Alexander de Villa Dei in einer sehr frühen Ausgabe, wahrscheinlich um 1475 gedruckt von Bernhard Richel in Augsburg. Es handelt sich um 4 Bruchstücke, die vom Einbanddeckel einer anderen Inkunabel der Sammlung gelöst wurden und die im GW (938 I) nur durch Fragmente in der Staatsbibliothek zu Berlin belegt sind. Bemerkenswert ist auch das Gedicht Epithalamium (Leipzig: Jacob Thanner, ca. 1498-1500) von Gaius Valerius Catullus. Der Inkunabel ist das Gedicht In Iovis natalem lucem carmen von Laurentius Corvinus beigebunden. Der GW (6392) verzeichnet nur ein Exemplar in der Universitätsbibliothek in Rostock, so daß es sich hier um das zweite bisher bekannte Exemplar handelt.

2.4 Die Inkunabeln der Prager Dominikanerbibliothek wurden in Frankreich, Italien, Deutschland, Österreich und der Schweiz gedruckt. 19 Druckorte und 68 Drucker und Verleger sind vertreten, wobei Venedig (26), Leipzig und Basel (je 18) sowie Straßburg und Nürnberg (je 15) am häufigsten zu finden sind. Alle Inkunabeln liegen in lateinischer Sprache vor. Unter den Fächern und Fachdisziplinen überwiegt die Theologie; Philosophie, Geschichte, Recht, Philologie, Literatur, Rhetorik, Astronomie und Medizin sind jedoch auch vertreten. Die Leder- und Pergamenteinbände stammen zu ca. 65 Prozent aus dem 15. und 16. Jh, wobei der Erhaltungszustand der Werke allgemein gut ist. 11 Inkunabeln sind verziert oder typographisch wertvoll gestaltet, 12 tragen interessante handschriftliche Vermerke, zumeist in lateinischer, aber auch in deutscher oder tschechischer Sprache. In ca. 30 Exemplaren finden sich Bruchstücke verschiedener anderer Handschriften und Drucke. Interessante Hinweise auf das Entstehen der Sammlung geben zahlreiche erhaltene Provenienzvermerke (s. o. 1.3).

2.5 Der Bestand Alter Drucke weist inhaltlich einen ähnlichen Charakter wie die Inkunabeln auf. Es überwiegt die Theologie, aber auch Philosophie, Geschichte, Recht, Philologie, Rhetorik, Literaturgeschichte, Astronomie, Medizin u. a. sind vertreten.

3. KATALOGE

3.1 Moderne Kataloge

Alphabetischer Autorenkatalog

[in Zettelform; angelegt in den sechziger Jahren des 20. Jhs; unvollständig]

Balcar, Dalibor: Soupis prvotisk Dominikánské knihovny v Praze - Catalogus incunabulorum Bibliothecae ordinis praedicatorum Pragae. Praha 1963

3.2 Historischer Katalog

Standortkatalog

[in Zettel- und Bandform; angelegt vor dem Zweiten Weltkrieg; unvollständig]

Alte Drucke in tschechischer Sprache sind erfaßt in Knihopis ceských a slovenských tisk od doby nejstarší do konce 18. století [Bibliographie der tschechischen und slowakischen Drucke von den ältesten Zeiten bis zum Ende des 18. Jhs] (Praha 1939-).

Die Bestände sind in der Bibliographie der gedruckten fremdsprachigen Bohemica aus den Jahren 1501-1800, die als Datenbank in der Hauptbibliothek der Akademie der Wissenschaften in Prag ausgearbeitet wird, verzeichnet.

4. DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

Kratochvíl, Josef V.: Svatý Jiljí a jeho klášterní a farní chrám na Starém meste v Praze [Der Hl. Aegidius und seine Kloster- und Pfarrkirche in der Altstadt Prags]. Praha 1926

Balcar, Dalibor: Vznik, vývoj a moznosti soucasného vyuzití fond klášterních knihoven spravovaných Státní knihovnou CSSR v Praze (Se zvláštním zretelem k prvotiskm) [Entstehung, Entwicklung und Möglichkeiten der gegenwärtigen Erschließung der Bestände der Klosterbibliotheken unter der Verwaltung der Staatsbibliothek der CSSR in Prag (Mit besonderem Bezug auf die Inkunabeln)]. Praha 1962 [mschr. Diplomarbeit am Institut für Volksbildung und Journalistik der Karls-Universität in Prag, Lehrstuhl für Bibliothekswesen]

Balcar, Dalibor: Z historie prazských klášterních knihoven spravovaných Státní knihovnou CSR v Praze [Aus der Geschichte der Prager Klosterbibliotheken verwaltet von der Staatsbibliothek der CSR in Prag]. In: Miscellanea oddelení rukopis a vzácných tisk [Miszellen der Abteilung für Handschriften und wertvolle Drucke] 2 (1985) S. 45-47

Stand: Mai 1999

Jaroslav Vrchotka

Tomáš Pospíšil OP

Dagmar Guthová-Jarkovská


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.