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Adresse. S. Brandenburg, [Bibliothek des Domstiftsarchiv]
Bibliothekssigel. Kirchlicher Zentralkatalog Berlin <Bp 3>
Unterhaltsträger. Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg
Funktion. Depositum im Domstiftsarchiv; abgeschlossener historischer Bestand.
1.1 Im Gegensatz zum Archiv ist die ursprüngliche Bibliothek des 948 gegründeten Domstifts nur unvollkommen überliefert. Das älteste und wertvollste Zeugnis der Buchkultur, das sich noch heute in Brandenburg befindet, ist das um 1230 im Magdeburger Raum entstandene und illuminierte Evangelistar. Die übrigen erhalten gebliebenen ca. 90 Hss. des Prämonstratenser-Domkapitels sind 1822 und 1886/88 an die Königliche Bibliothek Berlin (heute Staatsbibliothek zu Berlin) abgegeben worden. Sie gehören fast alle dem 14. und 15. Jh an und umfassen auch solche aus dem Besitz des Gelehrten Stephan Bodecker (Bischof von 1421-1459).
1.2 Auch aus der Zeit nach der Reformation sind die Überreste vergleichsweise bescheiden, sicher auch deshalb, weil die Bibliothek 1675 von Schweden geplündert wurde. Den interessanten Kern aus dem 16. Jh bilden 66 Bde aus der Privatbibliothek des Dompropstes Liborius von Bredow (1526-1569). Als einziges der märkischen Domstifte überlebte Brandenburg Reformation und Säkularisation und besteht noch heute. Obwohl nicht groß, war doch die Sammlung des Domstifts von enzyklopädischem Charakter und ist an einem eigenen Exlibris erkennbar.
1.3 Wesentlichen Aufschwung erlebte die Bibliothek, als 1704 auf Initiative der Domherren die Ritterakademie als höhere Schule für Söhne des Adels gestiftet und 1705 eröffnet wurde. Zum Gebrauch der Lehrer stellte man den bescheidenen Vorrat der Dombibliothek der Schule zur Verfügung. Aber erst 1733 nahm die Bibliotheksverwaltung geregelte Formen an, als der Lehrer Andreas Hornemann (ca. 1679-1762) einen Systematischen Katalog anlegte. Die Bücher, heute an der Signatur " D: H" und dem Exlibris des Domkapitels erkennbar, sind darin auf 6 Sachgruppen verteilt. Im Jahre 1805 war die Sammlung auf über 3000 Bde gewachsen, wobei Geschichte und Geographie die wichtigsten Fächer waren. Etwa um dieselbe Zeit wurde auch eine Schülerbibliothek eingerichtet. Der Ankauf der Bücher und Zeitschriften wurde zunächst durch Beiträge der neu eintretenden Domherren und Schüler bestritten. Gelegentlich wurde die Sammlung auch aus Nachlässen einiger Lehrer vermehrt. Ab 1829 verfügte die Bibliothek über einen jährlichen Etat von 100 Talern.
1.4 Der Vorrang historischer Werke wurde noch dadurch verstärkt, daß ein auch über die Schule hinaus wirkender historischer Lesekreis ins Leben gerufen worden war. 1837 wurde ein neuer Katalog nach Sachgruppen angelegt, welche auch in den Signaturen dieser Periode erscheinen. Buchgeschenke von Behörden, Buchhändlern und Privatpersonen wurden, wie üblich, in den Schulnachrichten der Programme aufgezählt. Seit 1857 wurde ein Akzessionskatalog gemeinsam für Lehrer- und Schülerbibliothek geführt, der etwa 5000 Nummern umfaßt. Aus diesem geht hervor, daß man 1863 ca. 70 ausgesonderte Bände aus der Bibliothek des 3. Brandenburgischen Infanterieregiments Nr. 20 angekauft hat. Ab 1879 gab man den Büchern jedoch keine Signaturen mehr, so daß bei der nachträglichen Signierung die Akzessionsnummern benutzt wurden. 1875 belief sich der Bestand auf 7000 Bde in der Lehrer- und 700 Bde in der Schülerbibliothek und wuchs bis 1929 auf ca. 12.000 Bde an. 1910 hatte die Ritterakademie etwa 130 Bde sehr wertvolle ältere Werke zur brandenburgischen Geschichte von der Märkischen Ritterschaftsdirektion geschenkt bekommen.
1.5 Bereits 1937 wurde der Lehrbetrieb der Ritterakademie praktisch eingestellt. Die Pflege der Bibliothek, die noch 1921 neue Räume beziehen konnte, muß schon zuvor nachlässig gewesen sein. Otto Lerche bemerkte 1937: " Das Ganze macht heute einen verödeten Eindruck" (s. u. 4.1). Wenn auch in Unordnung, so hat doch die Bibliothek den Krieg zunächst ohne Verluste überstanden. 1945 wurde die Schülerbibliothek der Stadt zur Verfügung gestellt. Am 1. April 1946 wurde der gesamte Bestand vom Magistrat beschlagnahmt. Etwa 2000 Bücher wurden für eine städtische Lesehalle entnommen, die ihren Zweck verfehlte. Ein Prozeß führte zu dem Ergebnis, daß das Domstift als Stifter der Ritterakademie auch Eigentümer der Bibliothek blieb. 1949 wurden die entnommenen Bücher unvollständig zurückgegeben; ein Zettelkatalog ist seitdem verschollen. 1949 bis 1950 unterzog sich der ehemalige Landgerichtsdirektor Richard Behre der mühsamen Arbeit, die Bibliothek neu zu ordnen und zu katalogisieren.
1.6 In der Folgezeit wurden auch solche Werke katalogisiert, die bis dahin nicht erfaßt worden waren, vor allem Zeitschriften und Schulbücher. Der nun wieder als Teil der Domstiftsbibliothek geführte Bestand ist eine der wenigen in den neuen Bundesländern erhalten gebliebenen Schulbibliotheken. Wenn auch eine neue systematische Erschließung fehlt, so ist doch die Entwicklung der Sammlung anhand der alten Kataloge gut zu verfolgen.
2.1 Wegen der Größe der Bibliothek und des Fehlens eines Standortkataloges mußte die Zahl der Bände hochgerechnet werden. Insgesamt umfaßt der Bestand 475 Regalmeter, was nach dem durch Stichproben ermittelten Durchschnittswert auf etwa 16.500 Bde schließen läßt. Davon gehören 79 m, also ca. 2750 Bde, zum Hornemann-Bestand ( s. o. 1.3) und waren daher schon vor 1760 vorhanden. Aufgrund eines besonderen Standortkatalogs läßt sich lediglich die Zahl der Drucke des 16. Jhs genau angeben. Es handelt sich um 260 Titel, von denen 208 in lateinischer, 50 in deutscher und 2 in italienischer Sprache abgefaßt sind.
2.2 Wie bei allen Gymnasialbibliotheken lag ein Schwerpunkt bei den Werken zur Klassischen Philologie. Eine Besonderheit dieser Bibliothek ist der hohe Anteil von Büchern zur Geschichte. Eine brauchbare Vorstellung von der Gewichtung der einzelnen Disziplinen gibt die Reihenfolge der Sachgruppen des Katalogs von 1837: (A) Geschichte, (B) Geographie, (C) Jurisprudenz, (D) Medizin, (E) Neuere Sprachen, (F) Militaria, (G) Naturwissenschaften und schöne Künste, (H) Philosophie, (I) Theologie, (K) Philologie, (L) deutsche Sprache und Literatur, (M) enzyklopädische Werke, (N) Pädagogik, (O) Miscellanea, (P) Kupferwerke, (Q) Lehrmittel, (Z) Zeitschriften.
2.3 Die Abteilung Geschichte, die sich z. T. mit der Abteilung Geographie überschneidet, umfaßt vor allem Werke zur Universal- und Reichsgeschichte, zur deutschen Landesgeschichte (17. und 18. Jh) und zu Brandenburg-Preußen, insbesondere zur Genealogie märkischer Adelsfamilien. Der Bestand enthält auch einige französische Werke. Die Abteilung Jurisprudenz beinhaltet überwiegend lateinische Drucke des 16. bis 18. Jhs. Die Abteilung Medizin umfaßt ca. 70 Titel ganz überwiegend der zweiten Hälfte des 17. Jhs. Die Abteilung Neuere Sprachen besteht fast ausschließlich aus französischen Sprachlehren und französischer Literatur.
2.4 Ein wertvoller Teilbestand sind ferner ca. 28.500 Schulprogramme, die ungebunden und nach Orten geordnet in Kartons aufbewahrt werden. Da es ausreichende bibliographische Hilfsmittel gibt, sind die Programme nur nach dem Schulort und dem Jahrgang verzeichnet.
3.1 Moderne Kataloge
Mit Ausnahme der Programme ist die gesamte Bibliothek alphabetisch katalogisiert. Ein neuer Standort- oder Systematischer Katalog existiert nicht. Für die einzelnen Teilbestände müssen daher die historischen Kataloge benutzt werden.
Alphabetischer Katalog [im wesentlichen nach PI]
Sachkatalog für Geschichte
[unvollständig, aber alle Teilbestände umfassend: 21 Karteikästen mit den Hauptgruppen Allgemeines, Deutschland, Preußen, Mark Brandenburg, sonstige deutsche und außerdeutsche Länder]
Der Bestand ist im Katalog des Domstiftsarchivs und im Kirchlichen Zentralkatalog nachgewiesen.
3.2 Historische Kataloge
Hornemann, Andreas: Catalogus... nach den vornehmsten Hauptdisziplinen, 1733-1759
[Domstiftsarchiv: BDK 4441/185, 2. Ex. BDK 4442/186]
Systematischer Katalog der Lehrerbibliothek, 1837 bis ca. 1876
[Domstiftsarchiv: BR 642/387]
dass. [um 1880; unvollendet (vor allem Altphilologie); Domstiftsarchiv: BR 643/388]
Akzessionskatalog 1857-1943 mit Nachtrag
[1988 zusammengestellt; Domstiftsarchiv: BR 640/ 383 und BR 640a/579]
Systematisches Verzeichnis der wissenschaftlichen Abhandlungen der Schulprogramme bis 1882
[Domstiftsarchiv: BR 641/574]
Katalog der Schülerbibliothek
[um 1890-1943; nur Teil II erhalten; Domstiftsarchiv: BR 644/392]
Verzeichnis seltener und alter Drucke
[1920; Domstiftsarchiv: BR 646/390]
Verzeichnis der Seminarbibliothek und Verzeichnis der alt- und neusprachlichen Lesehefte
[um 1920-1939; Domstiftsarchiv: in BR 647/390]
Alphabetisches Verzeichnis für das Sachgebiet Geschichte
[um 1930; mschr.; Domstiftsarchiv: BR 648/382]
Verzeichnis der Schulbücher
[1987; Domstiftsarchiv: BR 648a/578]
4.1 Archivalien
Staatsbibliothek Berlin, Haus 2, Handschriftenabteilung: Acta III A 2, S. 123-142, 207-229
Domstiftsarchiv Brandenburg: BR 639/381 [betr. Bibliothek 1811-1829; Bl. 9-11 Verzeichnis der 1822 nach Berlin abgegebenen Hss. und Drucke] und BDK 4440/230 [französische Beschreibung von Hss. und alten Drucken durch Alphonse des Vignoles, 18. Jh]
Bundesarchiv Potsdam: Best. 51.01 Reichsministerium für die kirchlichen Angelegenheiten Nr. 23357, Bl. 154, 212-219, 266-267
Evangelisches Zentralarchiv Berlin: Best. 616 Nr. 26 [darin Bericht von Otto Lerche über die Bibliothek, 1937]
Landeshauptarchiv Potsdam: Pr. Br. Rep. 10 A Domstift Brandenburg Nr. 18, S. 13-28 [Katalog der Kapitelsbibliothek von Sprengel, Anfang 18. Jh; früher im Geh. Staatsarchiv, ausgewertet von Wentz in Germania sacra, s. u. 4.2] und
Ld. Br. Rep. 205 A Ministerium für Volksbildung Nr. 651, Bl. 56-60 [Bericht von Stadtarchivdirektor Dr. Hans Neumann über Archive und Bibliotheken der Stadt Brandenburg vom 28.9.1945]
Stadtarchiv Brandenburg: Best. 2.0.0.0. Nr. 33 und 36 [Ratsprotokolle vom 23. 6. und 25. 9. 1947. Pkt. 3 bzw. 11 zur Enteignung der Ritterakademie]
4.2 Darstellungen
Arnold, J[ohann]
D[aniel]: Kurze Geschichte der Ritter-Academie zu Dom-Brandenburg. Brandenburg 1805, S. 46
Schultze, A[lbert]
W[ilhelm]: Bericht über die Bildungszwecke, den Lehrplan, die äußeren Einrichtungen und den Entwickelungsgang der im Jahre 1829 reorganisirten Ritter-Akademie zu Brandenburg. In: Programm der Ritterakademie 1832, S. 52-54
Wentz, Gottfried: Bibliothek [des Prämonstratenser-Domkapitels]. In: Germania sacra, Bd I/1. Berlin 1929, S. 88-97 Behre, Richard: Die Bibliothek des Domkapitels in Brandenburg. Ein Beitrag zu ihrer Geschichte. [Brandenburg] 1950 [mschr. im Domstiftsarchiv: BDS 1510/426]
Bussche, Albrecht von dem: Die Ritterakademie zu Brandenburg. Frankfurt a. M. [ u. a.] 1989 [S. 154 Abb. der Bibliothek]
Brandenburger Evangelistar. Hrsg. von Josef Gülden, Edith Rothe, Bernhard Opfermann. Leipzig [zugleich Düsseldorf] 1961
Stand: Mai 1993
Uwe Czubatynski