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Knihovna františkánského kláštera

Bibliothek des Franziskanerklosters


Adresse. Jungmannovo námestí 18, 110 00 Praha 1 - Staré Mesto
Telefon. (02) 24 22 57 29
Telefax. (02) 24 22 57 29

Unterhaltsträger. Ceskomoravská provincie sv. Václava radu Menších bratrí-františkán OFM [Böhmisch-mährische Provinz des Hl. Wenceslaus des Mindere Brüderordens OFM]
Funktion. Klosterbibliothek.
Sammelgebiete. Theologie und angrenzende Gebiete.

Benutzungsmöglichkeiten. Nur für Ordensmitglieder; in Ausnahmefällen Präsenzbenutzung für wissenschaftliche Forschungen mit Genehmigung des Provinzvorstehers im Kloster. - Leihverkehr: nicht angeschlossen.
Hinweise für anreisende Benutzer. Schriftliche Anmeldung und Genehmigung erforderlich. - U-Bahnverbindung (Metrolinie A oder B) bis Station Mstek; Fußwegnähe (3 Minuten). - Parkmöglichkeiten am Kloster sehr beschränkt.

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Das Kloster und die Kirche Maria Schnee [Kostel Panny Marie Snezné] gründete König Karl IV. am 3. September 1347 für den Karmeliterorden. Durch die Hussitenkriege wurden die Karmeliter vertrieben, der Kirchenbau blieb unvollendet und das Kloster bis 1603 in Trümmern. Die Franziskaner (Observanten) siedelten ursprünglich in Prag bei der Hl. Barbara in der Prager Altstadt (1232-1419), unter König Jirí z Podebrad (Georg von Podiebrad) dann im Kloster des Hl. Ambrosius (1460-1480) bis zu ihrer Vertreibung. 1603 kam Franziskus Soss, General des Franziskanerordens, in der Absicht nach Prag, seinen Orden wiedereinzuführen. Es gelang ihm, die Unterstützung des Prager Erzbischofs und der höchsten Repräsentanten des Prager Hofes zu gewinnen. Am 11. Oktober 1603 bekam er von Kaiser Rudolf II. das zerstörte Kloster und die Kirche Maria Schnee zugesprochen. Die Franziskaner hielten am 8. November 1603 im Kloster Einzug.

1.2 Mit dem Aufbau des Klosters wurde bald eine Bibliothek errichtet. Dies belegen Büchervermerke aus dem Jahr 1607. Ihre Bedeutung trat 1627 hervor, als beim Kloster ein theologischer und philosophischer Studiengang eingerichtet wurde, der sich einen so guten Ruf erwarb, daß er 1664 zum Studium generale erklärt wurde. Das Franziskanerkloster wurde somit Ordensuniversität. Die Bibliothek wurde geordnet, 1632 ein Katalog angelegt, und 1662 bekam sie einen eigenen Raum. 1676 ließ der Ordensprovinzial Bernard Sannig (1637- ca. 1704) für die Bibliothek einen geräumigen Saal in dem neu erbauten nördlichen Teil des Klosters einrichten, in dem auch das Provinzialarchiv aufbewahrt wurde. Eine wertvolle Bestandserweiterung für die Klosterbibliothek war in dieser Zeit der Nachlaß des Klostermäzens Johann d. Ä. von Talmberk (auch Thalenberg oder Tallenberg, †1663), der ihr seine private Büchersammlung vermachte. Die Klosterbibliothek wurde außerdem durch Schenkungen und Vermächtnisse von Mitgliedern des Konvents und auch von höheren Ordensmitgliedern erweitert.

1.3 Den Großteil der Inkunabeln erwarb das Kloster wahrscheinlich im 17. Jh. Dies belegen Provenienzvermerke und Jahreszahlen, nach denen die Klosterbibliothek in den Jahren 1613 bis 1709 um 29 Bde erweitert wurde. Sie wurden nicht nur angekauft, sondern kamen auch als Geschenke oder durch Tausch in die Bibliothek. Auf diese Art erwarb das Kloster vier Inkunabeln von den Franziskanern aus Kadan [Kaaden] und je eine von den Franziskanern in Bechyne [Bechin], von den Benediktinern aus Prag-Brevnov und von den Dominikanern beim Hl. Klemens in Prag. Ein weiterer bedeutender Mäzen war der Prager Bürger Jan Sphaerinus, der in den Jahren 1613 bis 1618 dem Kloster 8 Inkunabeln schenkte.

1.4 Im Jahre 1716 wurde die Bibliothek renoviert. Sie wurde durch zahlreiche Ankäufe erweitert, und es wurde ein neuer Katalog angelegt. Eine umfangreiche Bestandserweiterung erfuhr sie durch die Schenkung des Prager Arztes Dr. Jan Polentius im Jahre 1725. Er übergab eine wertvolle Sammlung vorwiegend medizinischer Werke. Im 18. Jh verlief die Entwicklung eher ungünstig für den Orden. In Prag wiederholten sich Hunger und Epidemien. Die Ordensmitglieder widmeten sich der Krankenbetreuung; für die Bibliothek blieb keine Zeit. Die letzte Welle der Pest kam 1771-1772. Seit 1780 erschienen erste Dekrete, infolge derer das Ordensleben unterdrückt wurde. Diese Unterdrückungen endeten erst 1924, als der Prager Erzbischof die Pfarrgemeinde Maria Schnee wieder dem Franziskanerorden anvertraute. In den fünfziger Jahren des 19. Jhs verkaufte der damalige Klostervorsteher drei wertvolle illuminierte Kanzionale vom Ende des 15. Jhs ins Ausland. Der älteste ist verlorengegangen, und Fragmente der beiden anderen wurden 1889 vom Germanischen Museum in Nürnberg ersteigert. Beide Weltkriege überstanden Kloster und Bibliothek weitgehend unbeschadet.

1.5 Seit 1945 war in der Bibliothek ein Ordensmitglied als Bibliothekar tätig bis es zur Aufhebung aller Klöster, zur Vertreibung der Ordensmitglieder und Beschlagnahmung des Vermögens einschließlich der Bibliotheken kam. Die Franziskanerbibliothek durfte an Ort und Stelle im Kloster verbleiben und kam unter die Verwaltung der Nationalbibliothek in Prag. Am 16. Dezember 1991 wurde sie dem Orden im Rahmen der Restitutionsmaßnahmen zurückgegeben. Nach einer Übereinkunft verblieben die Handschriften zunächst unter der Verwaltung der Nationalbibliothek in Prag. Die Klosterbibliothek wird derzeit neu geordnet, um in Zukunft vor allem den Bedürfnissen des Ordens zu dienen.

1.6 Die Barockbibliothek befindet sich im ersten Stock des Nordflügels des Gebäudes über der Kapelle des Hl. Johannes von Nepomuk. Der 1676 erbaute Saal wurde um 1764 meisterlich von einem unbekannten Ordensholzschnitzer ausgestattet. Die geschnitzten Bücherregale umspannen in ununterbrochenen Linien den ganzen Saal in Wogen und reichen bis zur Decke. Auf den Kartuschen finden sich die Bezeichnungen der einzelnen Gruppen (s. u. 2.1).

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

2.1 Die Bibliothek umfaßt 9559 Bde, darunter 154 Handschriften und 116 Inkunabeln. Die Bücher sind seit dem 18. Jh nach Fächern und Formaten aufgestellt, und zwar in den Abteilungen: (A) Biblia sacra et concordantia; (B) Expositiones sive Scripturae; (C) Sancti patres; (D) Concilia et bullaria; (E) Theologi speculativi; (F) Theologi morales; (G) Controversistae et Catechismae; (H) Homiliarii, Postilatores et Sermonistae; (I) Concionatores; (K) Materiam pro concionibus tractantes; (L) Iuristae canonici; (M) Iuristae civiles; (N) Ritualistae et Choralistae; (O) Statum ecclesiasticum, monasticum et seraphicum concernentes; (P) Ascetici et Devotionales; (Q) Historici sacri; (R) Historici profani; (S) Ethici, Politici et Oeconomici; (T) Philosophi; (V) Medici; (W) Mathematici, Astrologici, Geographici et Arithmetici; (X) Rhetores et Poetae; (Y) Grammatici et Linguistae; (Z) Libri prohibiti.

2.2 Obwohl die Handschriftensammlung im Laufe des 18. und 19. Jhs einige Verluste wertvoller Schriften zu beklagen hatte, umfaßt sie 154 Schriften. Sie enthält Handschriften aus dem 13. bis 16. Jh, aber auch Abschriften lateinischer und tschechischer Drucke aus späterer Zeit.

2.3 Die Inkunabelsammlung, umfaßt 116 Titel in 94 Bdn. Ein Verzeichnis existiert seit 1960 (s. u. 3.1). Insgesamt ist der Erhaltungszustand der Inkunabeln, zumeist in Leder-, Halbleder oder Pergamenteinbänden, allgemein gut. Es finden sich illuminierte Werke und andere mit zahlreichen handschriftlichen Vermerken und Marginalien versehene, vorwiegend in lateinischer, aber auch in deutscher und tschechischer Sprache. Fachlich überwiegen die Theologie und das Kirchenrecht, aber auch Philosophie, Geschichte, Philologie, Astronomie und Naturwissenschaften sind vertreten. Die Mehrzahl der Inkunabeln liegt in lateinischer Sprache vor, vier sind in tschechischer und drei in deutscher Sprache - so Konrad von Megenbergs Das Buch der Natur (Augsburg: Anton Sorg 1482) sowie Reformation der Stadt Nürnberg in zwei Ausgaben (Nürnberg: Johann Koberger 1484; Augsburg: Johann Schönsperger 1498). Die älteste Inkunabel ist das Liber Bibliae Moralis von Peter Berchorius (Straßburg 1474). Aus den siebziger Jahren des 15. Jhs stammen insgesamt 14 und aus den achtziger Jahren 42 Inkunabeln. Die Inkunabeln wurden auf dem Gebiet sechs europäischer Länder gedruckt (in Tschechien, Belgien, Italien, Frankreich, Deutschland und der Schweiz). Unter den 21 Druckorten überwiegen Basel (27), Venedig (24), Straßburg (20) und Nürnberg (19). Insgesamt sind 71 Drucker und Verleger vertreten.

2.4 Den Hauptteil des Buchbestandes bilden ca. 9000 Alte Drucke aus verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen. Neben der Theologie sind die Naturwissenschaften gut vertreten (darunter fallen auch Astronomie, Mathematik und Medizin), Jurisprudenz, Ökonomie, Linguistik, Geschichte, Philosophie sowie antike und mittelalterliche Poesie. Da die Bibliothek weder bearbeitet, noch vollständig eingerichtet ist, können die Bestände nicht detailliert beschrieben werden. Der Anteil der Germanica kann nur grob auf etwa 25 Prozent geschätzt werden.

3. KATALOGE

3.1 Moderne Kataloge

Verzeichnis der Handschriften

[mschr; in der Nationalbibliothek in Prag, nur für Dienstgebrauch]

Balcar, Dalibor: Soupis prvotisk františkánské knihovny v Praze [Inkunabelverzeichnis der Franziskanerbibliothek in Prag]. Praha 1960

Alte Drucke in tschechischer Sprache sind erfaßt in Knihopis ceských a slovenských tisk od doby nejstarší do konce XVIII. století [Bibliographie der tschechischen und slowakischen Drucke von den ältesten Zeiten bis zum Ende des 18. Jhs] (Praha 1939-).

Die Bestände sind ebenfalls in der Bibliographie der gedruckten fremdsprachigen Bohemica aus den Jahren 1501-1800, die als Datenbank in der Hauptbibliothek der Akademie der Wissenschaften in Prag ausgearbeitet wird, verzeichnet.

3.2 Historische Kataloge

Standortkatalog

[hschr. Bandkatalog; aus dem 19. Jh]

Systematischer Sachkatalog

[hschr. Bandkatalog; aus dem 19. Jh]

4. QUELLEN UND DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

4.1 Archivalien

Das Archiv des Konvents übernahm 1950 das Staatliche Zentralarchiv Prag [Státní ústrední archiv Praha] (s. Eintrag dort).

4.2 Darstellungen

Volf, Josef: Prohlídka knihovny kláštera františkán u P. Marie Snezné v Praze II [Besichtigung der Bibliothek des Franziskanerklosters bei der Hl. Maria Schnee in Prag II]. In: Vitrinka [Die Vitrine] 10 (1933) Nr. 4, S. 158

Vyskocil, Jan Kapistran: Šest století kostela a kláštera u Panny Marie Snezné [Sechs Jahrhunderte Kirche und Kloster bei der Hl. Maria Schnee]. Praha 1947

5. VERÖFFENTLICHUNGEN ZU DEN BESTÄNDEN

Balcar, Dalibor: Z historie prazských klášterních knihoven spravovaných Státní knihovnou CSR v Praze [Aus der Geschichte der Prager Klosterbibliotheken verwaltet von der Staatsbibliothek der CSR in Prag]. In: Miscellanea oddelení rukopis a vzácných tisk [Miszellen der Abteilung für Handschriften und wertvolle Drucke] 2 (1985) S. 42-45

Balcar, Dalibor: Vznik, vývoj a moznosti soucasného vyuzití fond klášterních knihoven spravovaných Státní knihovnou CSSR v Praze (Se zvláštním zretelem k prvotiskm) [Entstehung, Entwicklung und Möglichkeiten der gegenwärtigen Erschließung der Bestände der Klosterbibliotheken unter der Verwaltung der Staatsbibliothek der CSSR in Prag (Mit besonderem Bezug auf die Inkunabeln)]. Praha 1962 [mschr.; Diplomarbeit am Institut für Volksbildung und Journalistik der Karls-Universität in Prag, Lehrstuhl für Bibliothekswesen]

Stand: April 1999

P. František Petr Houška OFM

Jaroslav Vrchotka


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.