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Adresse. Franziskanerkloster, Hauptplatz 13, 7540 Güssing
[Karte]
Telefon. (03322) 42 339
Unterhaltsträger. Franziskanerkloster Güssing
Funktion. Ordensbibliothek.
Sammelgebiete. Theologie (zahlreiche Protestantica), in geringerem
Ausmaß Philosophie, Geschichte, Recht und Naturwissenschaften. - Der
Altbestand wird nicht vermehrt.
Benutzungsmöglichkeiten. Präsenzbibliothek. -
Benützung nach Rücksprache
mit dem Franziskanerkloster. - Leihverkehr: nicht angeschlossen.
Technische Einrichtungen für Benutzer. Kopiergerät (nur für neuere
Werke).
Hinweise für anreisende Benutzer. Anmeldung erforderlich. -
Zugverbindung ab Graz bis Fürstenfeld, dann Postautobus bis Güssing. - A
2, Abfahrt Ilz, Richtung Fürstenfeld/Heiligenkreuz.
1.1 Die Entstehung der Bibliothek ist eng verknüpft mit der Geschichte der Familie Batthyány. 1524 übergab König Ludwig I. von Ungarn (1506-1526) Burg und Herrschaft von Güssing Franz I. Batthyány (1497-1566). Da dessen Besitzungen in Slowenien und Kroatien durch die Türkeneinfälle bedroht und z. T. verwüstet waren, baute er die Burg in Güssing zu einer Festung aus.
1.2 Balthasar III. Batthyány (1543-1590), ein Freund und Förderer der Wissenschaften sowie Bücherliebhaber, schuf sich nicht nur eine namhafte Bibliothek, sondern errichtete auch eine Mittelschule in Güssing, suchte Männer der Wissenschaft an seine Burg zu ziehen und ließ den Wanderdrucker Johann Manlius in Güssing arbeiten. In den religiösen Wirren der damaligen Zeit bekannte er sich 1570 zur Lehre Luthers und machte Güssing zu einem protestantischen Bischofssitz.
1.3 Franz II. Batthyány (1577-1625), der Sohn Balthasars III., nahm die aus den österreichischen Erbländern geflüchteten bzw. vertriebenen Protestanten in seinem Herrschaftsgebiet auf. Sein Sohn, Adam I. Batthyány (1610-1659), trat 1630 zum katholischen Glauben über. Damit begann auch hier die Gegenreformation. Vier Jahre später verwies er die protestantischen Pfarrer und Lehrer aus seinem Herrschaftsgebiet und zog deren Bibliotheken ein. Zur Bekämpfung des Luthertums berief er 1638 die Franziskaner als Seelsorger nach Güssing und erbaute für sie in rund zehn Jahren Kirche und Kloster.
1.4 Adam I. Batthyány führte nach seinem Übertritt zum Katholizismus - den damaligen kirchlichen Bestimmungen entsprechend - eine Revision der von seinen Ahnen ererbten Bibliothek durch. Ausgeschieden und den Franziskanern übergeben wurden vor allem Bücher nicht-katholischer Autoren, Bücher, die bei der Ausweisung katholischer Pfarrer Balthasar III. zugefallen waren, und Bücher, die infolge der Räumung der Franziskanerklöster in Slawonien nach Güssing gekommen waren. Dazu schenkte Adam I. den Franziskanern Werke für ihre Tätigkeit als Seelsorger und vermehrte damit deren eigene kleine Bibliothek für pastorale Aufgaben, die sie nach Güssing mitgebracht hatten. 359 Bde tragen den Besitzvermerk von Balthasar Batthyány.
1.5 Auch Bücher aus dem Besitz der Familie Beythe, insgesamt 338 Bde, fanden in die Franziskanerbibliothek Eingang. Mehrmals ist dem Namen Beythe, mit dem sämtliche Bücher versehen sind, et fratrum Christianorum beigefügt. Es könnte sich demnach um eine Gemeinschaftsbibliothek gehandelt haben, welche der gesamten protestantischen Kirchengemeinde zur Verfügung stand. Eigentumsvermerke in 182 Bdn weisen Stephan Beythe, Hofprediger der Batthyány von 1576 bis 1612 und zehn Jahre protestantischer Bischof in Güssing, als Vorbesitzer aus. In einigen Büchern scheinen - neben Stephan Beythe - auch die Namen seiner Söhne Andreas und Emmerich auf. Andreas Beythe war Praeceptor am Hofe der Batthyány, 1587/1588 Rektor des Gymnasiums in Güssing und 1591 Pfarrer in Surany. Sein Name findet sich in 152 Bdn (allein oder zusammen mit Emmerich). Emmerich Beythe, Pfarrer von Körmend, folgte 1612 seinem Vater als Senior der Kirchengemeinde von Güssing. In 4 Bdn ist sein Name eingetragen. Franziskanerkloster
1.6 Neben Büchern aus dem Besitz der Familien Batthyány und Beythe finden sich mehr als 600 Namen in Bänden des übrigen Bestands. Einige Vorbesitzer stammten aus Deutschland, andere aus den österreichischen Erbländern. Dabei handelt es sich um Personen, die zur Zeit der Gegenreformation in Güssing Aufnahme fanden, darunter Caspar Drago, Hofprediger der Batthyány (6 Bde), Anton Frey aus Lindau (59 Bde), Johann Jakob Knaus aus Sulz am Neckar (80 Bde), Peter Neubert aus Löwenberg (Schlesien) und sein Sohn Peter, Pfarrer von Güssing (insgesamt 31 Bde). In einigen Bänden sind die Namen von Stiften, Klöstern und katholischen Pfarrern vermerkt. Auf welchem Weg diese Bücher in das Kloster gelangten, liegt bislang im dunkeln. Zudem wurde die Bibliothek durch Ankäufe seitens des Klosters vermehrt. Vor allem im 18. Jh ist ein starker Zuwachs an praktischer Predigtliteratur festzustellen. Der Eigenbesitz der Franziskaner dürfte sich auf rund 2000 Bde belaufen.
1.7 Bis 1934 war die Bibliothek in zwei Räumen des Erdgeschosses an der Nordseite des Klosters (heute Pfarrsaal) untergebracht, dann wurde sie in Räumlichkeiten auf der Westseite verlagert (heute Heimzimmer). 1935 begann Hermann Göhler mit der Erstellung eines neuen Kataloges, der aber unvollendet blieb und heute nicht mehr erhalten ist (erfaßte 1735 Nummern). 1938 wurde die Bibliothek beschlagnahmt, Katalog und Schlüssel wurden eingezogen. Somit war den Ordensangehörigen der Zugang zur Bibliothek verwehrt. Anfang Jänner 1945 verlagerte man den Bestand in zwei Räume im ersten Stockwerk des Klosters, später wurde er an die Salinenverwaltung in Aussee überstellt. Ein kleiner Teil (43 Bde) kam an die Steiermärkische Landesbibliothek in Graz.
1.8 1955 gelangten die Bücher, die im Grazer Franziskanerkloster zwischengelagert waren, wieder nach Güssing. Mit finanzieller Hilfe der Burgenländischen Landesregierung wurde im ersten Stockwerk des Klosters ein Teil des Klosterumganges als Bibliotheksraum adaptiert, wo P. Theodor Tabernigg in den Jahren 1958/1959 die Bücher neu anordnete (größtenteils nach Formaten).
Chronologische Übersicht und Übersicht nach Sprachen
2.1 Das historische Buchgut umfaßt - bei einem Gesamtbestand von ca. 7000 Titeln - 5722 Titel (3576 Bde), neben 221 Inkunabeln 3642 Titel aus dem 16. Jh (mehr als 63 Prozent), 734 aus dem 17. Jh und 1125 aus dem 18. Jh. Weitere ca. 1000 Bde aus dem 18. und 19. Jh sind nicht registriert, der Bestand aus dem 20. Jh ist unbedeutend. Die Zählung erfolgte anhand der Standortkataloge und der Sachkartei.
2.2 3973 Titel liegen in Latein vor, 1538 in Deutsch, 72 in Altgriechisch, 36 in Französisch, 18 in Hebräisch, 9 in Italienisch. 71 Bücher sind zweisprachig (Latein/Griechisch, Latein/Deutsch), 5 sind in anderen Sprachen verfaßt.
Systematische Übersicht
2.3 Am umfangreichsten ist mit 3693 Titeln die Theologie vertreten. Sie verteilen sich auf dogmatische, moraltheologische und bibelwissenschaftliche Werke sowie auf Predigtliteratur (überwiegend deutschsprachig) und Erbauungsschrifttum. Hinzu kommen 66 Titel zur Kirchengeschichte und 43 zum Kirchenrecht. Bei den noch nicht katalogisierten rund 1000 Bdn handelt es sich vornehmlich um Predigten und religiöse Unterweisungsliteratur.
2.4 Ein nicht unbeträchtlicher Teilbestand stammt von Reformatoren des 16. Jhs: 134 Titel sind von Martin Luther vorhanden, 83 von Melanchthon, 68 von Jacobus Andreae, 60 von Jacobus Heerbrand, 43 von Lukas Osiander, 33 von Flaccius Matthias Illyricus, je 36 von Viktorin Strigel und Johannes Wigand, 29 von Egidius Hunnius, 21 von Heshusius Tileman, 18 von Cyriacus Spangenberg, 17 von Johannes Brentius, 13 von Heinrich Bullinger, je 10 von Johann Bugenhagen und Johannes Oecolampadius. Einige weitere sind mit weniger als 10 Titeln vertreten.
2.5 Eine Besonderheit stellen 239 Streitschriften dar, darunter 210 protestantische. 24 Werke sind in der ersten Hälfte des 16. Jhs erschienen, 150 in der zweiten Jahrhunderthälfte, 35 bis zum Jahr 1620. Sie setzen sich hauptsächlich mit Lehrmeinungen von Kalvinisten, Lutheranern und Katholiken zu den Bereichen Eucharistie und Meßopfer sowie mit dem Jesuitenorden bzw. einzelnen Jesuiten auseinander und spiegeln so das geistige Leben im 16. Jh wider. Auch Beiträge von Wiedertäufern und Zwinglianern fehlen nicht.
2.6 Der Bestand zu den Geisteswissenschaften verteilt sich auf 190 Titel zur Philosophie, 274 zur Geschichtswissenschaft und 106 griechische und lateinische Grammatiken (fast ausschließlich aus dem 16. Jh). 123 Titel gibt es zur Rechtswissenschaft, 327 sind Akademieschriften aus verschiedenen Wissensgebieten.
2.7 48 Werke befassen sich mit Naturwissenschaften, darunter das in Güssing von Johann Manlius gedruckte Werk des Carolus Clusius, Stirpium nomenclator pannonicus (1583). Der Bereich Medizin - samt Kräuterbüchern - zählt 84 Titel, von denen insbesondere das Regiment der jungen Kinder (Augsburg 1476) des Bartholomäus Mettlinger, das Buch der Arzenei (es fehlen die Blätter 1 bis 10 und 100 bis 104, Augsburg 1478) des Ortolf von Bayerland und Michael Schricks Von gebrannten Wassern (Augsburg 1478) Erwähnung verdienen. Zu Astrologie und Astronomie sind 29 Titel verzeichnet, zu Mathematik und Geographie 56. 181 Titel verteilen sich auf andere Wissensgebiete.
Sondersammlung
2.8 Unter den 221 Inkunabeln finden sich zahlreiche Werke zur Philosophie (u. a. viele Kommentare zu den Schriften des Aristoteles), Ausgaben lateinischer Klassiker mit Kommentaren (Cicero, Horatius Flaccus, Ovid, Plinius Secundus, Sallust, Tacitus, Vergil), ferner Predigten und Bücher historischen Inhalts. Bei den Druckorten nimmt Venedig die erste Stelle ein (70), gefolgt von Augsburg (15), Straßburg (15), Nürnberg (14), Leipzig (13), Köln (8) und Basel (7). 11 Inkunabeln wurden bei Heinrich Quentell (Köln) gedruckt, 9 bei Anton Koberger (Nürnberg), je 8 bei Konrad Kachelofen (Leipzig), Christophorus Pensis (Venedig) und Johannes Tacuinus (Venedig), 7 bei Martin Landsberg (Leipzig), je 6 bei Martin Flach (Straßburg), beim Drucker d. Jordanus (Straßburg) und bei Johann Hamann-Herzog (Venedig), je 5 bei Johannes Rubeus Vercellensis (Venedig) und Johann Grüninger (Straßburg), je 4 bei Johann Amerbach (Basel) und Heinrich Gran (Hagenau).
3.1 Moderne allgemeine Kataloge
Autoren- und Schlagwortkatalog
[beide mschr. und in Zettelform, nach hauseigenen Regeln]
Standortkatalog
[mschr. Bandkatalog]
3.2 Moderne Sonderkataloge
Anonymenkartei
[mschr., alphabetisch nach Titeln angelegt]
Drucker- und Druckorteverzeichnisse
[mschr., in Zettelform und mschr. Bandkatalog]
Drucker- und Druckorteverzeichnisse zum Inkunabelbestand
[mschr., in Zettelform und mschr. Bandkatalog]
Inkunabelkatalog
[mschr. Bandkatalog]
Katalog der Besitzereintragungen
[hschr., in Zettelform]
3.3 Historische Kataloge
Sachkataloge
[erstellt 1742 bzw. 1780 (mit Ergänzungen bis 1782); in beiden Fällen Sachgebiete mit den Buchstaben des Alphabets bezeichnet]
4.1 Archivalien
Klosterarchiv-Bestände Nr. 38, 39, 40 und 86 A/35
Klosterchronik. Bd 1, S. 221 und 285; Bd 3, S. 214, 244 und 326; Bd 4, S. 299 und 309
Göhler, Hermann: Bericht über die Ordnungs- und Katalogisierungsarbeiten in der Bibliothek des Franziskanerklosters zu Güssing im Burgenland, durchgeführt in der Zeit vom 5. August bis 6. September 1935 [Original im Klosterarchiv, Nr. 202]
Göhler, Hermann: Die Klosterbibliothek von Güssing. Radiovortrag 4. Mai 1936, 19.10 Uhr. In: Stunde des Burgenlandes im Wiener Radio [Original im Klosterarchiv, Nr. 202]
4.2 Darstellungen
Fejérpataky, László: A németújvári ferencrendi zárda könyvtára [Die Bibliothek des Franziskanerklosters in Güssing]. In: Magyar Könyvszemle [Ungarische Buchrevue] 1883, S. 100-137
Die Franziskanerbibliothek in Güssing. Eine viel zu wenig bekannte Schatzkammer des Geistes. In: Burgenländische Freiheit, 12. März 1975, S. 44
Magyar, Arnold (OFM): Güssing. Ein Beitrag zur Kultur- und Religionsgeschichte des Südburgenlandes bis zur Gegenreformation. Graz 1976 [zur Bibliothek S. 124]
Magyar, Arnold (OFM): 340 Jahre Franziskaner in Güssing. Franziskanerkloster Güssing 1980 [zur Bibliothek S. 236-269]
Naray, Josef: Die Franziskanerbibliothek in Güssing. In: Burgenländisches Leben. Landesmagazin für Wirtschaft-Kultur-Fremdenverkehr 34/3-4 (1983) S. 28
Ötvös, Peter: A németújvári ferenceskoloster könyvtára [Die Bibliothek des Franziskanerklosters in Güssing]. In: Vigilia 10 (1990) S. 745-747
Pukanszky, Béla: Geschichte des deutschen Schrifttums in Ungarn. Münster 1931 (Deutschtum und Ausland, Heft 34-36) [zur Bibliothek S. 56 f.]
Tabernigg, Theodor (OFM): Die Bibliothek des Franziskanerklosters in Güssing. In: Biblos 21 (1972) Heft 3, S. 167-174
Birkfellner, Gerhard: Das Güssinger glagolitische Brevierfragment. In: Wiener Slavistisches Jahrbuch 12 (1965) S. 67
Borsa, Gedeon: Zwei unbekannte Wiegendrucke in der Franziskanerbibliothek von Güssing. In: Alfred Swierk (Hrsg.): Beiträge zur Geschichte des Buches und seiner Funktion in der Gesellschaft. Festschrift für Hans Widmann zum 65. Geburtstag. Stuttgart 1974, S. 28
Borsa, Gedeon: Szenci Molnár Albert könyvtárának két kötete Németújváron [Zwei Bände aus der Bibliothek des Albert Szenci Molnár in Güssing]. In: Szenci Molnár Albert és a magyar késö renesz nsz [Albert Szenci Molnár und die ungarische Spätrenaissance]. Szeged 1978, S. 189-292
Federhofer, Hellmut: Musikdrucke von Ottaviano Petrucci in der Bibliothek des Franziskanerklosters Güssing (Burgenland). In: Die Musikforschung 16 (1963) S. 157 f.
Kaloud, Herbert: Bartholomäus Mettlingers Regiment der jungen Kinder aus dem Jahr 1476. In: Katalog der Wissenschaftlichen Ausstellung anläßlich der 60. Tagung der Deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde in der neuen Universität Heidelberg. Heidelberg 1961, S. 20
Lang, Franz: Bibliophile Schätze im Franziskanerkloster Güssing. In: Südost-Tagespost, 2. Juni 1978, S. 6
Lehmann, Michael: Das deutschsprachige katholische Schrifttum Altungarns und Nachfolgestaaten 1700-1950. München 1975 (Ungarisches Institut, Studia Hungarica 9) [führt auch Werke aus der Franziskanerbibliothek in Güssing an]
Magyar, Arnold (OFM): A németújvári Kálvinista Káté a XVI. századból [Der Güssinger kalvinistische Katechismus aus dem 16. Jh]. In: Magyar Történelmi Szemle [Ungarische Historische Rundschau] 1 (1971) S. 117-139
Soltész, Elisabeth: Missalia Hungarica. In: Beiträge zur Inkunabelkunde, III. Folge, 6 (1975) S. 58 ff.
Suppan, Wolfgang: Ein christlich Lied wider die Türken und die Doler Weise. In: Jahrbuch für Liturgik und Hymnologie 9 (1964) S. 152 [Text im Besitz des Franziskanerklosters]
Suppan, Wolfgang: Volksliedfunde aus dem südlichen Burgenland. In: Jahrbuch des Österreichischen Volksliedwerkes 24 (1975) S. 24-40 [zur Singriener-Flugschrift in der Bibliothek des Franziskanerklosters S. 27-31]
Stand: März 1994
Roman Hasenhütl
Wilma Buchinger