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Fürstlich Bentheimsche Bibliothek

Adresse. Postfach 1247, 4430 Steinfurt
Telefon. (02551) 1231

Unterhaltsträger. Fürst zu Bentheimsche Domänenkammer
Funktion. Privatbibliothek.
Sammelgebiete. Der Altbestand wird nicht vermehrt.

Benutzungsmöglichkeiten. Nach Vereinbarung. Leihverkehr: nicht angeschlossen.
Hinweise für anreisende Benutzer. Schriftliche Anmeldung erforderlich. Busverbindung ab Münster Hauptbahnhof. A 1, Ausfahrt Münster-Nord, B 54.

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Die Fürstlich Bentheimsche Bibliothek im Schloß Burgsteinfurt hat den Charakter einer in vielen Generationen gesammelten Adelsbibliothek. Vom ausgehenden Mittelalter bis in das frühe 19. Jh haben immer wieder Angehörige des Bentheimer Grafenhauses ihren Interessen und Neigungen folgend Bücher zusammengetragen. Es sind daher in der Bibliothek sehr unterschiedliche Wissensgebiete in verschiedenen Epochen vertreten. Die Geschichte dieser Adelsbibliothek nachzuzeichnen ist schwierig, da die alten Bestandskataloge nicht mehr oder nur fragmentarisch vorhanden sind. Durch wiederholte Aus- und Umlagerung zwischen 1910 und 1970 ist die alte Systematik verloren gegangen. Die heutige Aufstellung und Katalogisierung erfolgte in der Zeit von 1967 bis 1972. Historische Teilsammlungen können heute nur anhand der alten Besitzvermerke und Exlibris rekonstruiert werden, wobei eine Quantifizierung der Teilbestände z. Z. nicht möglich ist.

1.2 Das früheste Bücherverzeichnis stammt von dem Grafen Everwyn von Bentheim (1397-1454). Es findet sich auf der letzten Seite eines Versepos Jacob van Maerlants, der " Historie van den Grale und Boek van Merline", nach 1421 geschrieben. Dort werden 11 Bücher genannt, die einen bemerkenswerten Einblick in eine Adelsbibliothek der ersten Hälfte des 15. Jhs geben. Das bibliophile Interesse dieser Zeit war ganz von der höfischen Literatur des Artuskreises, der Heiligenlegenden, der Alexandersage, der Gralsage und Wolfram von Eschenbachs " Willehalm" geprägt. Von diesen Titeln ist lediglich das Merlin-Epos überliefert.

1.3 Einen beachtlichen Aufschwung nahm die Bibliothek nach 1580 durch den Grafen Arnold IV. von Bentheim, der als Landesherr der Grafschaften Bentheim, Tecklenburg, Steinfurt, Limburg sowie einer Anzahl kleiner territorialer Besitze die reformierten Lehren Calvins und Zwinglis einführte und zudem in Schüttorf 1588 eine calvinistische Akademie, die Hohe Schule, einrichtete, die 1593 nach Steinfurt umsiedelte. Dieser humanistisch gebildete Landesherr widmete seine ganze Kraft dem Ausbau einer modernen Landesverwaltung und der Einrichtung eines neuzeitlichen Erziehungswesens. Den religiösen und schulpolitischen Interessen des Grafen Arnold ist eine wesentliche Erweiterung der Schloßbibliothek zu verdanken. Die klassischen Fächer der Hohen Schule, Theologie, Philosophie und Jurisprudenz sowie die Artes liberales bestimmten fortan die Auswahlkriterien des Bücherkaufs.

1.4 Nach dem Tode Arnolds IV. im Jahr 1606 erfolgte eine Erbteilung seines Besitzes unter seinen fünf Söhnen. Die Grafschaft Steinfurt fiel an Wilhelm Heinrich zu Bentheim-Steinfurt (1584-1632), einen Mann mit weitreichenden philologischen Interessen, der zudem ein Mitglied einer Sprachgesellschaft, der Fruchtbringenden Gesellschaft, war, die von seinem Schwager, dem Fürsten Ludwig von Anhalt, 1617 begründet worden war. Die zweite Hälfte des Dreißigjährigen Krieges war in dem kleinen Herrschaftsgebiet Steinfurt durch die Auflösung aller bestehenden Strukturen und der Verwüstung von Burg und Stadt gekennzeichnet. Die Lehrtätigkeit der Hohen Schule kam ebenso wie das geistige Leben am Hof für etliche Jahre nahezu vollständig zum Erliegen. Auch die folgenden Jahrzehnte brachten kaum eine Besserung der Verhältnisse.

1.5 Eine Sammeltätigkeit in großem Maßstab konnte erst im 18. Jh einsetzen. Besonders in der Zeit nach dem Siebenjährigen Krieg begann eine für die Bibliothek fruchtbare Zeit. Der kunstsinnige Graf Karl Paul Ernst (1729-1780) entfaltete eine vom Geist der Enzyklopädisten geprägte Sammelleidenschaft. Unter dem Pseudonym Mr. Le Brun entwickelte er, wie auch später sein Sohn Ludwig (1756-1817), Kontakte zu zahlreichen Buchhändlern in Münster, Kleve, Köln, Amsterdam, London und Paris. Auf mehreren Reisen durch England und Frankreich wurden Bücher gekauft und die Bibliothek um eine stattliche Musikaliensammlung erweitert (heute als Depositum in der Universitätsbibliothek Münster). Das Sammelinteresse erweiterte sich auf nahezu alle Wissensgebiete, besonders aber im Bereich der schöngeistigen Literatur, des Theaters und der Gartenkunst, die in engem Zusammenhang mit der Gartenschöpfung des Bagno-Parks südlich von Steinfurt stand. Für die Zwecke der Bibliothek wurde außerhalb des Schloßbereiches in der Stadt Steinfurt 1777 ein eigenes Gebäude, das " Kunsthaus", errichtet, in dem noch weitere Sammlungen wie Bilder, Kupferstiche, Numismatik, Kuriosa, naturkundliche Präparate, Muscheln und Versteinerungen aufbewahrt wurden. Es war eines der letzten Museen in der Art der Kunst- und Wunderkammern der Spätrenaissance.

1.6 Die literarischen Interessen des Grafen Ludwig zu Bentheim-Steinfurt, dessen Ehefrau Juliane, geb. Prinzessin zu Holstein-Glücksburg, eine enge freundschaftliche Verbindung zu Friedrich Gottlieb Klopstock unterhielt, standen im Zeichen der Empfindsamkeit und des Idealismus. Rousseaus Erziehungsromane, groß angelegte Literaturanthologien bis hin zu den Werken Jean Pauls bilden den letzten Teil dieser aktiven Sammeltätigkeit.

1.7 Einen letzten, wenn auch eher willkürlichen Zuwachs erfuhr die Bibliothek nach dem Aussterben der seit 1693 existierenden katholischen Linie der Grafen von Bentheim-Bentheim. So erweiterte sich der Buchbestand der calvinistisch-reformierten Theologie um eine theologische Abteilung im Geiste der Gegenreformation und des Jesuitenordens.

1.8 Mit dem Tode des Grafen Ludwig zu Bentheim im Jahr 1817 wurde auch die lange Tradition des Büchersammelns in Steinfurt nahezu beendet. Buchtitel aus den Bereichen der Land- und Forstwirtschaft, der Pferdezucht, Offiziersranglisten und Zeitungsromane zeigen deutlich, daß die Erben andere Interessen hatten. Die Bibliothek des 1820 erworbenen Klosters Frenswegen bei Nordhorn wurde nicht mehr aufgenommen und verkam in dem verlassenen Klostergebäude. Ihre Reste wurden schließlich 1871 der Reichsuniversität Straßburg geschenkt. Die Steinfurter Bibliotheksräume waren nahezu 100 Jahre verschlossen und wurden erst 1911 wieder geöffnet, doch nur, um dem Gebäude eine andere Funktion zu geben. Die Sammlungen sollten kurzfristig im Schloßturm zwischengelagert werden, doch dauerte es nahezu weitere 60 Jahre, bis eine neue, bibliotheksgerechte Aufstellung sowie eine sachgemäße Katalogisierung erfolgen konnte.

Oskar Prinz zu Bentheim

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

Chronologische Übersicht und Übersicht nach Sprachen

2.1 Die Bibliothek besitzt heute ca. 8280 Titel, davon ca. 80 Inkunabeln. Aus der ersten Hälfte des 16. Jhs stammen ca. 300, aus der zweiten Hälfte des 16. Jhs ca. 670 Titel, aus der ersten Hälfte des 17. Jhs ca. 1500, aus der zweiten Hälfte ca. 2130 Titel, aus der ersten Hälfte des 18. Jhs 1590, aus der zweiten Hälfte ca. 1840 Titel, aus der ersten Hälfte des 19. Jhs ca. 130 und aus der zweiten Hälfte 20 Titel.

2.2 Sprachlich gliedert sich der Bestand in ca. 3470 lateinische Titel, deren Hauptanteil auf die erste Hälfte des 17. Jhs mit ca. 950 Titeln entfällt. An zweiter Stelle folgt ein umfangreicher Bestand von ca. 2130 französischsprachigen Titeln mit dem Schwerpunkt in der zweiten Hälfte des 17. Jhs. Die deutschsprachige Literatur Schwerpunkt ebenfalls zweite Hälfte des 17. Jhs ist mit 1810 Titeln vertreten. Bemerkenswert sind ca. 600 Titel in niederländischer Sprache, von denen etwa 350 aus der zweiten Hälfte des 16. Jhs stammen. Weiterhin sind kleine Gruppen englischer, italienischer, spanischer und altgriechischer Texte vorhanden. Systematische Übersicht

2.3 Den größten Teil des Bestandes machen theologische Schriften mit ca. 2130 Titeln aus. Davon sind ca. 70 Titel aus dem 15. und 16. Jh, ca. 800 Titel aus dem 17. Jh. Der Rest stammt aus dem 18. Jh. Es finden sich einige lateinische und griechische Bibeln aus dem 17. Jh. Überwiegend sind Autoren der Reformation vertreten sowie zeitgenössische Ausgaben calvinistischer, quietistischer und pietistischer Schriften, Mystiker, Kirchenväter, Geschichte häretischer Bewegungen, protestantische Kirchengeschichte, Jansenismus, Systematische Theologie, Predigtsammlungen und Erbauungsschriften.

2.4 Es folgt die Gruppe Literatur und Sprache mit ca. 1745 Titeln. Sie beinhaltet Wörterbücher und Grammatiken der klassischen und modernen Sprachen, wobei die antiken Klassiker in Originalsprache und in meist französischen Übersetzungen wie auch die französische Literatur des 17. und 18. Jhs breit vertreten sind. Weiterhin sind deutsche Autoren des 17. und 18. Jhs, hauptsächlich der Aufklärung, aber auch Jesuitendramen und vielgelesene zeitgenössische Literatur vorhanden. Die englische und italienische Literatur ist mit wenigen ihrer bekanntesten Autoren vertreten. Zu erwähnen sind noch etwa 30 Titel Zeitschriften und Almanache des 18. und 19. Jhs.

2.5 An dritter Stelle steht dem Umfang nach juristisches Schrifttum mit ca. 1370 meist lateinischen Titeln. Den größten Teil der Gruppe bilden hierbei aufgeklärte Juristen des 18. Jhs. Darunter befinden sich Schriften zum Staats-, Lehens-, Kriegs- und Vorverkaufsrecht sowie Rechtsphilosophie, Rechtsgeschichte, Inquisitionsprozesse, Kanonisches und Adelsrecht, Rechtsaltertümer, z. B. der Sachsenspiegel und Ausgaben des Codex Justinianus.

2.6 Geschichtliche Werke, Militaria, Memoiren, galante Literatur, europäische Annalen etc. sind mit 1180 Titeln, größtenteils in französischer Sprache, vertreten. Es handelt sich um Geschichte einzelner Feldzüge, Kriegsberichte, politische Schriften, bebilderte Chroniken (Schedelsche Weltchronik von 1493), Universalgeschichte, die Werke Friedrichs II., Memoirenliteratur sowie aristokratische Briefsammlungen und Reden.

2.7 Eine interessante Gruppe stellen alchemistische und hermetische Schriften dar. Durch den historisch bedingten Zusammenhang der Wissenschaften im 16. bis 18. Jh ergeben sich Überschneidungen der einzelnen Sachgebiete. So bilden medizinische, chemische, theologisch-mystische, metallurgische, kabbalistische und philosophische Werke, Freimaurerliteratur, Destillier- und Kräuterbücher eine Einheit. Insgesamt umfaßt diese Gruppe ca. 740 Titel. Auffällig ist hier ein beachtlicher Anteil an niederländischen Titeln. Diese Gruppe dokumentiert durch ihre Geschlossenheit ein über Generationen konstantes Sammlerinteresse mit Schwerpunkt im späten 17. und frühen 18. Jh.

2.8 An philosophischen Werken sind ca. 390 Titel, meist in lateinischer und französischer Sprache, vorhanden, wenige klassische griechische Philosophen, wohingegen die Entwicklung von Philosophie, Psychologie und Anthropologie im 17. und 18. Jh gut dokumentiert ist. Die nächstgrößere Gruppe umfaßt Geographie und Reiseliteratur mit ca. 365 Titeln. Die Reiseberichte, meist Weltreisen, stammen vorwiegend aus dem frühen 18. Jh. Unter dem Stichwort Geographie finden sich Atlanten aus dem späten 17. Jh, Beschreibungen von Erd- und Gesteinsformationen und Gesteinskunden.

2.9 Es folgen ca. 70 Titel zur Nationalökonomie und Hauswirtschaft, auch Bücher über Forstwesen, eine Abhandlung über den Torf und Bücher über Gärten und Parkanlagen. Die naturwissenschaftlichen Werke umfassen ca. 230 Titel, die sich aber z. T. mit der Gruppe Alchemie überschneiden. Lehrbücher der Mathematik und Arithmetik, Beschreibungen elektrischer Maschinen, Bücher zur Ätzkunst und Natur- und Universalgeschichte gehören dazu.

2.10 Erziehungswissenschaftliche Titel sind ca. 70, meist französischsprachige, vorhanden. Es handelt sich um Bücher zur Prinzenerziehung, zur Erziehung zum Hofmann u. ä., teilweise in Form von Briefsammlungen. Eine kleine Gruppe von ca. 30 Titeln machen Schriften zur Architektur, Kunst, Numismatik, Beschreibungen fürstlicher Kunst- und Raritätenkabinette aus, die überwiegend aus dem 17. Jh stammen. Die letzte und kleinste Gruppe mit nur ca. 20 Titeln sind genealogische Schriften aus dem 17. Jh, das Gothaische Genealogische Taschenbuch und fürstliche Stammbäume der Zeit.

3. KATALOGE

Alphabetischer Katalog [Mikrofilmkopie in der Universitätsbibliothek Münster]

Schlagwortkatalog [Mikrofilmkopie in der Universitätsbibliothek Münster]

Die Bestände sind weder im Zentralkatalog Nordrhein-Westfalen noch in der Zeitschriftendatenbank (ZDB) nachgewiesen.

Stand: Oktober 1991

Ingrid Peschke


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.