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Bibliothek des Geistlichen Ministeriums

Adresse. Domstr. 13, 17489 Greifswald [Karte]
Telefon. (03834) 2245

Unterhaltsträger. Kirchenkreis Greifswald-Stadt
Funktion. Ruhende Traditionsbibliothek.
Sammelgebiete. Der Altbestand wird nicht vermehrt.

Benutzungsmöglichkeiten. Präsenzbibliothek. Schriftliche Terminvereinbarung notwendig. Die Betreuung der Benutzer liegt beim Archiv der Pommerschen Evangelischen Kirche, Postfach 187, 17461 Greifswald. - Leihverkehr: nicht angeschlossen.
Hinweise für anreisende Benutzer. Fußwegnähe vom Bahnhof oder den Parkplätzen außerhalb der Altstadt. - B 96 (E 251) ab Stralsund. A 11 (E 28), Ausfahrt Prenzlau; B 109.

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Die Bibliothek für die evangelischen Prediger und Lehrer in Greifswald, die zusammen das Geistliche Ministerium bildeten und für ihre Aufgaben gemeinschaftlich verantwortlich waren, wurde 1602 errichtet. Gemäß der Pommerschen Kirchenordnung von Johannes Bugenhagen (1485-1588) aus dem Jahre 1535 hatte Herzog Philipp I. von Pommern-Wolgast nach der Auflösung der beiden Greifswalder Klöster, des Grauen Klosters der Franziskaner und des Schwarzen Klosters der Dominikaner, 1558 in einem Visitationsrezeß darauf gedrängt, " eine gute gemeyne Liberey, der gantzen Statt zu gute vnnd Ehren" aufzurichten, um die alten Bücherschätze zu retten und Bücher mit reformatorischer Ausrichtung anzuschaffen. Der Rat der Stadt zögerte, darauf einzugehen, weil er die Einrichtung einer Bibliothek in der Marienkirche mit den Büchern des Dominikanerklosters vor 1545, für die er auch die Werke Luthers angeschafft hatte, sehr kritisch beurteilte. Es sei zu viel Streit über die Benutzung entstanden, zu viel weggekommen und ohne Ordnung aufgestellt. Nach weiterem Drängen hat sich der Rat dann entschlossen, eine für die Kirchendiener bestimmte Bibliothek, für die diese selbst die Verantwortung übernahmen, zu fördern und in ihr die beiden Klosterbibliotheken zu vereinen. Dafür wurden 1599 die Bücher des Grauen Klosters, die dort unbenutzt im Bibliotheksraum geblieben waren, inventarisiert, 1602 in die St. Nikolaikirche überführt und mit den meisten Büchern aus der St. Marienkirche sowie der kleinen, von Magister Petrus Sager (*1595) begonnenen Büchersammlung der St. Nikolaikirche vereinigt. Das erhaltene Inventarium von 1602 mit Titelaufdruck ist das Dokument dieser Gründung.

1.2 Das Inventar von 1602 weist für die Franziskanerbibliothek 241 Nummern aus, für die Dominikanerbibliothek nur 122 Nummern, zu denen 1755 noch 12 weitere gekommen sind, die zunächst in der Marienkirche verblieben. Die heutige Zählung rechnet mit 380 Druckbänden und 93 Hss. aus diesem Bestand. Sieht man von den Liturgica ab, so ist wahrscheinlich von den Franziskanern der gesamte spätmittelalterliche Bestand erhalten, zu welchem auch Reste der Bibliothek des Zisterzienserklosters Eldena und Teile der Büchersammlung des Priesters Johannes Erp gehört haben sollen, während bei den Dominikanern mit größeren Verlusten zu rechnen ist. Die Annahme, daß die in der Dominikanerbibliothek enthaltenen juristischen Hss. und vielleicht auch Druckschriften von dem Gründer der Universität, dem Juristen Heinrich Rubenow († 1462), stammen, hat sich als Irrtum herausgestellt. Der Stifter war vielmehr der 1485 in das Dominikanerkloster eingetretene Greifswalder Jurist Johannes Meiloff, der auch Bücher von Kollegen übernommen hatte. Eine genauere Analyse der alten Bestände nach Provenienzeintragungen und Einbänden steht noch aus.

1.3 In den ersten 14 Jahren nach der Gründung der Ministerialbibliothek wurde die Bibliothek in großem Maße vermehrt, vor allem durch die Ausgaben der Kirchenväter, die Werke der Reformatoren Luther und Calvin, exegetische Literatur und Literatur der dogmatischen Auseinandersetzung. Aus dem Angebot der Buchhändler wurden neuerschienene und alte Werke gekauft, daneben aber auch Wertvolles aus Nachlässen. Aus Spenden der Gemeindemitglieder standen dafür ansehnliche Mittel zur Verfügung. Später hat man auf Abgaben der zu ordinierenden Pfarrer und das sogenannte Skandalosengeld zurückgegriffen, das heißt Bußgeld zur Abgeltung von Kirchenstrafen bei Verstößen gegen das Eherecht.

1.4 Nach dem Dreißigjährigen Krieg wurde die Bibliothek zuerst durch die Nachlässe zweier Generalsuperintendenten, die an der St. Nikolaikirche amtierten, vermehrt: Mag. Mövius Völschow (1588-1650) und Matthäus Tabbert (1624-1675). Von 1684 an wurden wieder größere exegetische Werke angekauft. Zwischen 1719 und 1731 wurde, offenbar um Lücken zu füllen, überwiegend aus Auktionen gekauft. Verantwortlich dafür war der Diaconus und spätere Theologieprofessor Georg Brockmann (1723-1800), der seine eigene Sammlung von 359 Büchern aus dem 16. bis 17. Jh der Bibliothek schenkte. Eine weitere Stiftung hat Archidiaconus und Konsistorialrat D. theol. Hermann Biederstedt (1762-1824) mit einer Sammlung von Greifswalder Predigten und Kasualreden sowie seiner eigenen Schriften gemacht. Im 19. Jh ist nur noch das seit 1770 erscheinende Journal für Prediger bis 1820 weitergeführt und die Allgemeine Kirchenzeitung von 1822 bis 1854 angeschafft worden. In der jüngsten Zeit sind nur wenige Titel hinzugekommen, die für die Geschichte der Bibliothek Bedeutung haben.

1.5 Die Verwaltung der Bibliothek lag regelmäßig bei dem Diaconus, dem zweiten Pfarrer der Nikolaikirche, in der sie verwahrt wurde. Er führte die Kataloge und die Bibliothekskasse, hatte auch entscheidenden Einfluß auf die Anschaffungen. Zeitweise wurde die Betreuung von Benutzern und die Ausleihe von der Universitätsbibliothek Greifswald übernommen. Heute erfolgt eine Beauftragung durch den Kreiskirchenrat und das Konsistorium.

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

2.1 Die Zahlen sind aufgrund des gedruckten Alphabetischen Kataloges ermittelt worden. Die insgesamt 3099 Titel verteilen sich auf 268 Inkunabeln, 1212 Drucke des 16. Jhs, 1414 des 17. Jhs, 179 des 18. Jhs und 26 des 19. Jhs.

2.2 Aus dem 15. Jh finden sich 267 Titel in lateinischer Sprache und nur einer (eine Leichenpredigt) in deutscher Sprache. Im 16. Jh stehen 719 lateinischen Titeln 476 in deutscher und 2 in niederdeutscher Sprache gegenüber. Dazu kommen 11 griechische, 3 hebräische und ein französischer im Zusammenhang mit der Bibelüberlieferung. Auch im 17. Jh bleibt das Übergewicht der lateinischen Texte erhalten: 791 lateinische Titel stehen neben 618 deutschen; dazu kommen 3 griechische, eine hebräische und eine polyglotte Bibelausgabe. Im 18. Jh stehen nur noch 34 lateinische Titel 145 deutschen gegenüber. Aus dem 19. Jh stammen nur ein lateinischer, 23 deutsche und 2 schwedische Titel. Obwohl Pommern in Personalunion mit Schweden verbunden war, zeigten die Greifswalder Pastoren offenbar wenig Interesse an der schwedischen Literatur.

2.3 Die Anzahl der Bibelausgaben ist mit 16 Titeln, von denen die meisten aus dem 15. und 16. Jh stammen, begrenzt. Bei der Bibelwissenschaft liegt mit 380 Titeln, von denen 348 lateinisch geschrieben sind, der Nachdruck auf der wissenschaftlichen Orientierung. Kirchengeschichtliche Quellenwerke der Kirchenväter (89 Titel) und der Reformatoren (145 Titel) sind in beachtlichem Maße vertreten, dagegen Darstellungen zur Kirchengeschichte nur mit 69 Titeln. Die Bekenntnisschriften (112 Titel) und ebenso die Polemik mit dem Katholizismus, den Reformierten und dem Pietismus (832 Titel) spielen die beherrschende Rolle. Auch die vorrangig an Sachaussagen orientierten dogmatischen Werke (362 Titel) nehmen noch einen ansehnlichen Raum ein, während nur 55 Titel ethische Fragen behandeln.

2.4 Im Bereich der Praktischen Theologie behandeln nur 28 Titel Grundfragen. Agenden und Werke zur Liturgie kommen mit 30 Titeln vor. Daß nur 2 Gesangbücher vorhanden sind, ist in einer Kirchenbibliothek ungewöhnlich. In großem Umfang sind dagegen Predigten gesammelt worden: insgesamt 361 Titel, von denen 67 schon in die Inkunabelzeit gehören. Auch an Leichenpredigten (113 Titel) bestand größeres Interesse. Erbauungsschriften (50 Titel, überwiegend aus dem 17. Jh) und katechetisches Schrifttum (57 Titel, meist aus dem 16. Jh) sind angemessen vertreten. Größeres Gewicht hatte aber das Kirchenrecht mit 82 Titeln, davon 23 Titel aus dem 15. Jh, 19 Titel aus dem 16. Jh und 35 Titel aus dem 17. Jh.

2.5 Die Wissensgebiete außerhalb der Theologie sind bei einer begrenzten Sammlung mit insgesamt 316 Titeln in respektabler Weise berücksichtigt. Lexika und Grammatiken zum Hebräischen und Griechischen (40 Titel) dienen noch unmittelbar der theologischen Arbeit. 17 Titel aus der lateinischen klassischen Antike weisen ebenso wie 26 Titel zur deutschen Dichtung auf weitergehende Interessen. Einen bedeutenden Anteil hat mit 83 meist lateinischen Titeln die Philosophie, dabei stammen 26 Titel aus dem 15. Jh. Das historische Interesse wird durch 60 aktuelle Flugschriften aus dem 16. und 17. Jh und durch 52 historische Darstellungen bekundet. Allgemeines Recht ist mit 32 Titeln vertreten, darunter 10 Inkunabeln. Naturwissenschaft (6 Titel) lag deutlich am Rande.

3. KATALOGE

3.1 Moderner Katalog

Lühder, Robert: Die Druckschriften der Bibliothek des Geistlichen Ministeriums zu Greifswald in alphabetischem Verzeichnis mit einer Geschichte der Bibliothek. Greifswald 1908

[auf der Basis eines alphabetischen Zettelkatalogs aus den Jahren 1901-1904, nach hauseigenen Regeln]

Die Bestände sind nicht im Kirchlichen Zentralkatalog nachgewiesen.

3.2 Historische Kataloge

Inventarium von 1602 s. u. 4.1

Catalogus bibliothecae rev. ministerii Greifswaldensis 1755

Inventarium impressorum bibliothecae ministerii ecclesiastici Gryphiswaldi [Standortkatalog, aus dem 18. Jh]

Nominalkatalog (Alphabetischer Katalog)

[erstellt von Mag. Georg Brockmann mit Zusätzen von Dietrich Hermann Biederstedt, 15. Oktober 1810]

Standortkatalog [1840 erstellt von Diaconus Nicolaus Hasert]

4. DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

4.1 Archivalien

Inventarium bibliothecae ecclesiae Anno 1602 Oder Verzeichniß, So wol der Bücher, welche in der Liberey, so den gantzen Ehrwirdigen Ministeriums zum besten, allhie zu Gryphißwald, in S. Nicolai Kirchen Anno 1602 auffgerichtet vnnd angeordnet/ vorhanden seyn [enthält (1) Verzeichnis der Bücher aus dem Grauen Kloster; (2) Von vorigen Predigern wie M. Petrus Sager für die Nicolaikirche gekaufte Bücher; (3) Seit 1602 neu gekaufte Bücher. Einzeichnungen bis 1720; (4) Handschriftenverzeichnis; (5) Spendenverzeichnis für die Jahre 1602-1622, 1795, 1810, 1819]

Rationes bibliothecae. Verzeichniß der Einnahmen und Außgaben wegen der Bibliothec Zu S. Nicolai in Greifswald [aus dem 17. Jh] Schriftwechsel der jüngeren Zeit bei dem Bibliotheksbeauftragten

4.2 Darstellungen

Palthenius, Johann Philipp: Historia ecclesiae collegiatae S. Nicolai Gryphiswaldensis. Greifswald 1704

Dähnert, Johann Carl: Pommersche Bibliothek. Greifswald 1752, Bd 1, Teil 2, S. 177-180; Teil 3, S. 37-38, 44-45 [Liste aus der Zeit von 1471 bis 1506 mit zusätzlichen Bemerkungen von Jakob Heinrich von Balthasar]

Biederstedt, Dietrich Hermann: Denkwürdigkeiten aus der Geschichte der Nikolaikirche zu Greifswald. Greifswald 1812, S. 17-23

Koner, Wilhelm: Statistik der Bibliotheken Deutschlands. In: Zeitschrift für Statistik 1848, S. 984

Pyl, Theodor: Geschichte der Greifswalder Kirchen und Klöster. Greifswald 1885, Teil 1, S. 277 ff.

Lühder, Robert: Geschichte der Bibliothek. In: ders.: Die Druckschriften der Bibliothek des Geistlichen Ministeriums zu Greifswald. Greifswald 1908, S. 3-42

Wahrmann, Martin: Einiges aus mittelalterlichen Bibliotheken Pommerns. In: Johannes Luthers Leben und Werk. Johannes Luther zum 70. Geburtstag. Greifswald 1931, S. 28

Heyden, Hellmuth: Kirchengeschichte Pommerns. Bd 2, Köln 1957, S. 226

Stand: April 1995

Konrad von Rabenau


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.