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Haynóczy-Bibliothek

Adresse. Evangelisches Pfarramt, Conradplatz 4, 7071 Rust [Karte]
Telefon. (02685) 347

Unterhaltsträger. Evangelische Kirchengemeinde Rust
Funktion. Historische Sammlung, Legat des evangelischen Pfarrers Johann Carl Haynóczy.
Sammelgebiete. Theologie, Philosophie, Geschichte, Naturwissenschaften, Klassische Philologie. - Der Altbestand wird nicht vermehrt.

Benutzungsmöglichkeiten. Präsenzbibliothek. Z. Z. wegen Personalmangels eingeschränkt benützbar, nach Rücksprache mit dem Pfarramt. - Leihverkehr: nicht angeschlossen.
Technische Einrichtungen für Benutzer. Kopiermöglichkeit im Rathaus.
Hinweise für anreisende Benutzer. Anmeldung erforderlich. - Regionalzüge ab Wien Südbahnhof und ÖBB-Busse bis Rust. - B 16 bis Ebreichsdorf, A 3 bis Knoten Eisenstadt, B 52 bis Rust.

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Die Haynóczy-Bibliothek ist eine der wenigen protestantischen (lutherischen) Büchersammlungen in Österreich. Die bis 1922 auf ungarischem Territorium gelegene Stadt Rust gehörte zur Herrschaft Ungarisch-Altenburg, die im Eigentum der Krone stand und 1681 zur königlichen Freistadt erklärt wurde. Die königlichen Privilegien und die große Anzahl von hier ansässigen Adeligen trugen dazu bei, daß der Protestantismus stets fest verankert blieb, auch in der Zeit der Gegenreformation, als kraft königlichen Dekrets den Protestanten 36 Kirchen - auch jene in Rust - genommen wurden.

1.2 Aufgebaut wurde die Bibliothek von dem Ödenburger Gymnasialdirektor Daniel Haynóczy. Ödenburg zählt zu jenen Städten, in die schon sehr früh reformatorisches Gedankengut eingedrungen war. Der Ödenburger Landtag brachte bereits 1681 - hundert Jahre vor Inkrafttreten des eigentlichen Toleranzpatentes - Zugeständnisse an die Protestanten. Einige Gemeinden erhielten das Recht zugesprochen, einen Prediger zu beschäftigen, Gottesdienste abzuhalten und eine Schule einzurichten. Der Umstand, daß in Ödenburg evangelisches Leben möglich war, gestattete es Daniel Haynóczy (erste Hälfte des 18. Jhs), eine Sammlung lutherischer Literatur anzulegen, die er schließlich seinem Sohn, Pfarrer Johann Karl Haynóczy, vererbte. Dieser war der erste evangelische Pfarrer der Freistadt Rust (1783-1794) nach Erlaß des Toleranzpatentes durch Josef II., das sich auch auf Ungarn erstreckte. Haynóczy vermachte die Bibliothek der evangelischen Pfarrgemeinde Rust. Nach seinem Tod fand keine Bestandserweiterung mehr statt.

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

Chronologische Übersicht und Übersicht nach Sprachen

2.1 Die Bibliothek enthält 2058 Titel in 1197 Bdn. Neben 2 Inkunabeln sind 322 Titel aus dem 16. Jh vorhanden, 607 aus dem 17. Jh und 1127 aus dem 18. Jh. 195 Werke weisen kein Erscheinungsjahr auf, sind aber ebenfalls dem historischen Buchgut zuzuzählen und finden daher in der weiteren Beschreibung Berücksichtigung. Erfaßt wurden auch beigebundene Schriften und alle in den Sammelbänden enthaltenen Titel, jedoch keine Mehrfachexemplare. Die Zahlenangaben basieren auf der Auszählung des Systematischen Kataloges. Die Überprüfung der Bestände am Regal ergab einen Fehlbestand von 50 Bänden gegenüber den Angaben des Kataloges. 2.2 1648 Titel (73 Prozent) liegen in Latein vor, 552 (25 Prozent) in Deutsch, 23 in Ungarisch, 11 in Französisch, 7 in Tschechisch, 5 in Griechisch, 4 in Hebräisch und 2 in Italienisch; ein Werk ist in Illyrisch verfaßt. Die Mehrzahl der Drucke des 16. Jhs (47 ohne Ortsangabe) stammen aus Wittenberg (81) und Basel (39). Führender Druckort der im 17. Jh erschienenen Werke (36 ohne Ortsangabe) ist wiederum Wittenberg (94), gefolgt von Leipzig (76) und Jena (45).

Systematische Übersicht

2.3 Die Bibliothek bietet neben reformatorischer Literatur Werke bedeutender Vertreter des deutschen Humanismus, einen reichen Bestand an antiker Dichtung und Geschichtsschreibung sowie Abhandlungen zur lateinischen und hebräischen Sprache. Geschichtlich bedingt kommt auch der Literatur zu Ungarn ein gewisser Stellenwert zu. Die Bibliothek ist in 17 Sachgruppen angeordnet (mit Buchstaben A-V versehen); 9 davon enthalten Literatur zu theologischen Fachbereichen (713 Titel), 8 zu profanen Wissenschaften. Überschneidungen gibt es naturgemäß in der Abteilung Sammelbände.

2.4 Die Gruppe Bibeln und ähnliches besteht aus 24 Büchern, neben einigen Bibellexika aus Psalmen- und vor allem Bibelausgaben - 4 deutschsprachigen, 6 lateinischen (Vulgata-Ausgabe von Lucas Osiander, Tübingen 1583-1591), 4 hebräischen, 3 griechischen, 2 ungarischen und einer böhmischen. Im Anschluß daran sind 68 Bibelerklärungen aufgestellt (21 aus dem 16. Jh, 13 aus dem 17. Jh und 27 aus dem 18. Jh). Es handelt sich um Schriften von Humanisten aus dem engeren Kreis um Luther, darunter Johann Bugenhagen, Philipp Melanchthon, Aegidius Hunnius und Erasmus von Rotterdam, vielfach in zeitgenössischen Ausgaben. Vom schottischen Humanisten George Buchanan liegen die Paraphrasis Psalmorum poetica (Antwerpen 1567) vor.

2.5 114 Werke sind unter Dogmatisches und ähnliches zusammengefaßt. Es dominieren die Drucke des 18. Jhs (66), darunter Johann Gerhards Locorum theologicorum (1762-1780). Aus dem 16. Jh (16 Titel) stammen u. a. Schriften Calvins (Institutio christianae religionis, Genf 1568) und Melanchthons (Corpus doctrinae christianae; das ist: Die ganze Summa der rechten wahren christlichen Lehren des h. Evangelii nach innhalt göttlicher prophetischer u. apostolischer Schriften, Frankfurt 1561). Von den 25 Drucken des 17. Jhs sei Abraham Calovs Systema locorum theologicorum (1655-1677) erwähnt.

2.6 Die kleine Abteilung Bekenntnisschriften (43 Titel, 30 lateinische und 13 deutschsprachige) schließt die deutsche Fassung der Formula concordiae (Dresden 1580) ebenso ein wie die Historia Der Augsburgischen Confession: D. Davidem Chytraeum (Frankfurt 1580), Die Augsburgische Confession und der kleine Catechismus Dr. Martini Luthers (1678) und, zum Erbsündenstreit, die Disputatio de originali peccato et libero arbitrio inter Mathiam Flacium Illyricum et Victorinum Strigelium (o. O. 1563).

2.7 In der Gruppe Religiöse Streitschriften (96 Titel, 14 des 16. Jhs, 31 des 17. Jhs, 44 des 18. Jhs) findet sich vor allem Literatur zu den Bereichen Protestantismus contra Katholizismus, Lutheranismus contra Calvinismus (Aegidius Hunnius' Calvinus judaizans, Wittenberg 1595) und, in geringer Anzahl, antijesuitisches Schrifttum. Auch Johann Salomo Semlers Umständliche Untersuchung der dämonischen Leute oder sogenannten Besessenen, nebst Beantwortung einiger Angriffe (1762) ist den Streitschriften zugezählt.

2.8 Die umfangreichste Bestandsgruppe ist mit 210 Titeln die Praktische Theologie. Unter den 73 Drucken aus dem 16. Jh sind viele Schriften Luthers zu finden, so die Colloquia mensalia oder Tischreden (Frankfurt 1571), sein Unterricht der Visitatoren an die Pfarhern ym Kurfurstenthum zu Sachsen (Wittenberg 1528) und die Deutsche Messe und Ordnung des Gottesdiensts (Wittenberg 1526). Gut vertreten sind auch Predigten und Werke zur Homiletik. Von den Postillen seien die Magyar Postilla (Rarbok 1584) und die Postilla, oder Auslegung der Evangelien der Sonntage, Fest- und Aposteltage durch weil. Martin Chemnitius (Frankfurt 1593) erwähnt.

2.9 In der Abteilung Heilige Schrift - Philologie sind 50 Lehrbücher und sprachwissenschaftliche Werke zu den Sprachen Latein, Griechisch, Syrisch und Hebräisch für den bibelwissenschaftlichen Gebrauch angeordnet. Besonders zahlreich sind die Titel zum Hebräischen (19, darunter ein hebräisches Lexikon von Johannes Avenarius, o. O. 1588). Auch Johann Buxtorfs (d. Älteren) Thesaurus linguae sanctae (1609) und desselben Lexicon hebraicum et chaldaicum (1663) fehlen nicht.

2.10 64 Titel (13 aus dem 16., 31 aus dem 17. und 14 aus dem 18. Jh) umfaßt die Gruppe Kirchengeschichte. Den Großteil stellen mit 18 Titeln allgemeine Darstellungen zur Kirchengeschichte, gefolgt von Abhandlungen über die Geschichte der reformierten Kirche (einschließlich Konzilien) vor allem in Deutschland, aber auch in Ungarn (Historia ecclesiae reformatae in Hungaria et Transylvania des Friedrich A. Lampe, 1728). Die Abteilung Theologische Bücherschau besteht aus 19 Werken (2 des 16., 2 des 17., 13 des 18. Jhs, 2 o. J.); die Scripta in academia Rostochiensi publice proposita, ab 1560-1567 (Rostock 1567) und Danielis Francis Disquisitio academica: De papistarum indicibus librorum prohibitorum et expurgantorum (Leipzig 1684) zählen zu den ältesten.

2.11 Die Literatur zu Philosophie, Logik, Metaphysik, Moral und Pädagogik ergibt 113 großteils lateinische Titel (79). Unter den Drucken des 16. Jhs finden sich 3 Schriften Melanchthons (z. B. Erotemata dialectices, Wittenberg 1548), unter jenen des 18. Jhs 11 Titel von Christian Wolff. 54 Titel (31 aus dem 17. Jh) entfallen auf die Gruppe Juridisches und Politisches, darunter Werke von Gottlieb Heineccius, Christoph Besold und Hugo Grotius (De imperio summarum potestatum circa sacra, 1647).

2.12 Der Bestand zu Weltgeschichte und Geographie setzt sich aus 121 Werken zusammen. Es dominieren die Darstellungen zur Geschichte (u. a. Georg Alts Buch der Chroniken und Geschichten, o. O. 1500; Johannes Virdungs Prognosticon, Oppenheim 1521). Matthias Bels Compendium Hungariae geographicum (1753) und Georg Peuckers Lamenta et soteria Hungarica (Jena o. J.) sind unter 25 Werken zu Ungarn.

2.13 Plinius' Historiarum naturae libri 37 e castigationibus Hermolai Barbari (Venedig 1499) ist der älteste Titel der Abteilung Naturwissenschaft, Medizin, Mathematik (insgesamt 177). 70 Werke zur Medizin schließen auch Biographien von Ärzten und Forschern mit ein. Die Literatur zu den Naturwissenschaften verteilt sich insbesondere auf die Bereiche Botanik (u. a. Carolus Clusius' Historia Stirpium rariorum per Pannoniam, Austriam; Stirpium nomenclator pannonicus, Antwerpen 1583), Physik (z. B. Melanchthons Initia doctrinae physicae, Leipzig 1563), Zoologie, Astronomie und Mathematik. Einige Schriften des 18. Jhs thematisieren den Vampirismus.

2.14 Die Abteilung Klassische Werke des Altertums umfaßt 106 originalsprachliche Werke, 38 Prozent davon sind Drucke des 16. Jhs: Schriften u. a. von Aristoteles, Euripides, Terenz, Palladius (Re rustica libri XIV, Lyon 1549), Dionysius Halycarnassus, Platon, Plautus, Cato, Cicero und Ovid (z. B. Metamorphoseon libri XV, Lyon 1543). 118 fast ausschließlich lateinische Werke sind in der Gruppe Lexikon, Grammatik, Kritik angeordnet. Neben einigen griechisch-lateinischen, griechischen, französisch-deutschen und lateinisch-ungarischen Wörterbüchern sind 26 lateinische, 18 griechische sowie 2 ungarische Grammatiken und Lehrbücher zur Rhetorik vorhanden. Unter den Drucken des 16. Jhs sind Werke bedeutender Humanisten (Nicodemus Frischlin, Philipp Melanchthon, Michael Neander) zu finden.

2.15 Die Abteilung Schöne Literatur, Poesie, Briefe besteht aus 115 Titeln. Werke in lateinischer Sprache (74 Prozent) überwiegen, darunter Eobanus Hessus' Psalterium Davidis, carmine redditum (Leipzig 1562), Melanchthons Epistolarum farrago (Basel 1565) und Jean Jacques Boissards Poemata (Basel 1574). Auch Andreas Gryphius' Vermehrte deutsche Gedichte sind vorhanden (Erstausgabe, Breslau 1698).

2.16 Die 27 Sammelbände sehr verschiedenen Inhalts verzeichnen 691 Titel (466 aus dem 18. Jh, 176 aus dem 17. Jh, einer aus dem 16. Jh). 572 Werke (83 Prozent) sind in lateinischer Sprache verfaßt. Die Sammelbände enthalten neben zumeist deutschsprachigen Trauerreden, Leichenpredigten und sonstigen Predigten theologische, philosophische und medizinische Studien sowie Abhandlungen zur Geschichte. Der Sammelband 13 weist u. a. 17 Titel aus dem 17. Jh von Hermann Conring auf, Sammelband 25 u. a. 33 Titel von Gottlieb Wernsdorff und 11 von Martin Chladny.

3. KATALOGE

Catalogus librorum Joannis Caroli Haynóczy

[systematisch geordneter, hschr. Bandkatalog, 1907 verfaßt vom evangelischen Pfarrer Josef Kasper; wurde 1991 an der Burgenländischen Landesbibliothek Eisenstadt in Maschinschrift übertragen]

4. QELLEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

Pfarramtschronik [enthält u. a. Darstellung von Senior Karl Fiedler zur Geschichte der evangelischen Pfarrgemeinde in Rust]

Stand: Mai 1991

Peter Altmann


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.