FABIAN HANDBUCH: HANDBUCH DER HISTORISCHEN BUCHBESTÄNDE IN DEUTSCHLAND, ÖSTERREICH UND EUROPA SUB Logo
 
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Hluboká [Frauenberg]

Schloßbibliothek

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 An der Stelle des heutigen Schlosses Hluboká stand einstmals eine gotische Burg der böhmischen Herrscher, die ebenso wie das spätere Renaissance- und Barockschloß häufig den Besitzer wechselte, bis das Schloß 1661 von Johann Adolf von Schwarzenberg erworben wurde. Mit dem im Jahre 1719 von den Eggenbergs ererbten Krumauer Herzogtum wurden die Schwarzenbergs die begütertsten Magnaten in Südböhmen. 1802 wurde das Schwarzenbergische Vermögen geteilt. Die Primogenitur, zu der auch Hluboká, Trebon [Wittingau] und Protivín gehörten, hatte ihren Sitz in Ceský Krumlov [Krumau], die Sekundogenitur in Orlík. Der Krumauer Zweig der Familie baute Schloß Hluboká in der zweiten Hälfte des 19. Jhs im neugotischen Stil um. Es diente vor allem der Repräsentation und der Erholung und war Sammelstätte wertvollen Familieneigentums.

1.2 Die ältere Geschichte der Bibliothek ist detailliert in der Schloßbibliothek von Ceský Krumlov [Krumau] dokumentiert (s. Eintrag dort). Dorthin wurden die älteren Buchbestände im Jahre 1904 überführt, um für die zahlreichen Neuerwerbungen aus dem 19. und 20. Jh Platz zu machen. Von den Drucken des 16. Jhs und aus der Zeit des Barocks verblieben nur einige repräsentative Werke, die als Sammlerstücke die künstlerischen, kunstgewerblichen und historischen Sammlungen des Schlosses ergänzten. Zuletzt wurden Bestände verlagert, als man in Hluboká Platz für die 1936 eingegliederte Bibliothek aus Schloß Protivín (ca. 1700 Bde deutsche Drucke aus dem 19. Jh) brauchte. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam die Bibliothek unter die Verwaltung des Nationalmuseums in Prag. Heute befindet sie sich im Besitz des Denkmalamtes für Südböhmen [Památkový ústav Jizních Cech] in Ceské Budejovice [Budweis].

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

2.1 Die Bibliothek zählt 11.338 Bde; davon sind 1166 Alte Drucke, vorwiegend des 18. Jhs, der Rest ist Schrifttum des 19. und frühen 20. Jhs. 50 Prozent des Bestandes sind deutschsprachig, etwa 25 Prozent in französischer und 20 Prozent in englischer Sprache. Lateinische, italienische und tschechische Werke bilden zusammen 5 Prozent.

2.2 Die Bibliothek ist nach Sprachen und innerhalb derer nach Fächern gegliedert. Beschrieben wird die deutsche Abteilung, die auch deutsche Übersetzungen von englischen, französischen, tschechischen und anderen Autoren einschließt.

2.3 Zu den in Hluboká verbliebenen wertvollen ältesten Beständen gehören die Handschrift des Wappenbuches von Konrad Bergreiter (1550), das Theatrum orbis terrarum von Ortelius (Antwerpen 1570), topographische Werke Matthäus Merians vom Ende des 17. Jhs, Zeichnungen von von der Meulen aus dem Jahre 1685, Johann Elias Riedingers Vollkommene und grundliche Vorstellungen ...der edlen Jagtbarkeit (Augsburg 1729) sowie Jean Barbaults Monumens antiques (Rom 1783).

2.4 Umfangreich ist die Gruppe Historia (ca. 1000 Bde), in der einige Alte Drucke zur allgemeinen europäischen Geschichte vorliegen. Die neueren Titel befassen sich hauptsächlich mit der Geschichte einzelner europäischer Staaten bis in die dreißiger Jahre des 20. Jhs (z. B. mit der Reformationsgeschichte, der Französischen Revolution und der Oktoberrevolution in Rußland). Daneben finden sich Biographien von Herrschern und Staatsmännern sowie Werke zur Geschichte einzelner Städte. Das Fach Philosophie enthält vor allem theologisch-philosophische und theologische Schriften (ca. 300 Bde), Werke der Kirchenväter und Kirchengeschichte in Drucken vom Ende des 18. Jhs; ferner Heiligenviten, Katechismen und Bibelausgaben aus der Zeit nach 1800.

2.5 Die Pädagogik (ca. 200 Bde) ist durch Lehrbücher, vor allem für Sprachen, Mathematik und Chemie vertreten, ferner durch Werke deutscher Klassiker in Auszügen, Schriften über Erziehung, Kinderliteratur und Lesebücher. Alle Titel stammen aus dem 19. Jh. Umfangreich ist die Abteilung Artes (ca. 600 Bde), die repräsentative Werke (vor und nach 1800) zur Geschichte der Malerei, Bildhauerei, Architektur und dekorativen Kunst enthält. Zu nennen sind Monographien von bedeutenden Künstlern sowie Kataloge von Museen, Ausstellungen und Auktionen aus verschiedenen europäischen Ländern und Städten. Hinzu kommen Kunstzeitschriften aus dem 19. und 20. Jh.

2.6 Zur Genealogie (ca. 300 Bde) finden sich Werke über einzelne europäische Herrscher- und Adelshäuser sowie genealogische Handbücher und Gothaische genealogische Taschenbücher in einer Reihe von Ausgaben. Politische Schriften konzentrieren sich auf die Innen- und Außenpolitik Österreichs, die internationalen wirtschaftlichen und sozialen Beziehungen nach dem Ersten Weltkrieg sowie auf Sozialismus und Faschismus. Zu den Militaria (ca. 300 Bde) gehören Darstellungen der Kriege im 19. Jh und zahlreiche des Ersten Weltkrieges (Beschreibungen einzelner politischer Ereignisse und Schlachten, belletristische Werke, Bildpublikationen). Hinzu kommen Biographien und Memoiren von Feldherren und Schriften zur Geschichte einzelner österreichischer Regimenter.

2.7 Die Gruppe Historia naturalis umfaßt Naturwissenschaften im weitesten Sinne (ca. 500 Bde). Bemerkenswert viele Alte Drucke finden sich bei den Atlanten und allgemeinen zoologischen und botanischen Werken. Aus dem 19. und 20. Jh finden sich eher spezialisierte Werke, z. B. zur Mineralogie, Geographie (Reisebeschreibungen, Beschreibungen der Fauna und Flora einzelner Länder, statistische Jahrbücher), Medizin (anatomische Atlanten, populäre medizinische Literatur, Geschichte der Kurorte in Böhmen), Chemie und Astronomie. Zu den Lexica (ca. 80 Bde) zählen sowohl Konversationslexika als auch Wörterbücher. Hier sind auch die Schwarzenbergischen Jahrbücher ... (1882 ff.) eingeordnet, die bis 1938 in tschechischer und deutscher Sprache erschienen. Die Abteilung Practica (ca. 100 Bde) enthält Handbücher über Gartenbau, Haustierzucht, Kynologie, Jagdwesen, Fischzucht sowie praktische chemische und medizinische Schriften.

2.8 Die Literaturgeschichte (Historia liter., ca. 150 Bde) umfaßt Werke zur deutschen, französischen, englischen und tschechischen Literatur sowie Biographien und Werkausgaben der deutschen Klassiker. Etwa 40 Titel stammen vom Ende des 18. Jhs. Unter Poetica wurden Romane und Erzählungen, Poesie und Theaterstücke der deutschen Klassiker sowie neuerer Schriftsteller zusammengefaßt (ca. 2500 Bde). In deutschen Übersetzungen sind auch englische, französische und tschechische Autoren sowie Klassiker aus anderen europäischen Ländern vertreten.

2.9 In der Abteilung Periodika (ca. 700 Bde) finden sich Kunstzeitschriften sowie literarische, geographische, wirtschaftliche und kirchliche Zeitschriften, aber auch Blätter zur Unterhaltung u. a. Eine kleinere Sondergruppe bilden Werke der antiken Schriftsteller einschließlich Sekundärliteratur, vorwiegend in Deutsch. Unter Vermischtes (ca. 200 Bde) wurden Memoiren aus der Zeit um 1900 eingeordnet sowie Schriften zur Geschichte der Familie Schwarzenberg und anderer Adelshäuser.

3. KATALOGE

3.1 Moderner Katalog

Standortkatalog [erstellt 1962]

3.2 Historische Kataloge

Systematischer Katalog

[erstellt 1888; die 1904 und später nach Krumau überführten Bücher sind mit dem Buchstaben K gekennzeichnet]

Katalog der Bibliothek aus Protivín

[erstellt 1899; der Bestand ist heute in der ganzen Bibliothek verstreut]

4. DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

Lifka, Bohumír: Zámecké a palácové knihovny v Cechách. Prehled historicko-topografický [Schloß- und Palaisbibliotheken in Böhmen. Eine historisch-topographische Übersicht]. In: Ceský bibliofil [Der tschechische Bibliophile] 6 (1934) S. 51

Kneidl, Pravoslav: Zámecká knihovna na Hluboké [Die Schloßbibliothek in Hluboká]. In: Hluboká, státní zámek a památky v okolí [Hluboká, Staatsschloß und Denkmäler in der Umgebung]. Praha 1961, S. 35-37

Stand: Oktober 1996

Jitka Šimáková


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.