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Hoffmannsche Bibliothek im Evangelisch-Lutherischen Pfarrarchiv

Adresse. Evangelisch-Lutherisches Pfarramt Gerstungen, An der Kirche 6, 99834 Gerstungen [Karte]
Telefon. (036922) 2 02 96

Unterhaltsträger. Evangelisch-Lutherische Kirchgemeinde Gerstungen
Funktion. Historische Kirchenbibliothek.
Sammelgebiete. Theologie und Kirchengeschichte des 17. und 18. Jhs. Benutzungsmöglichkeit. Präsenzbibliothek. Benutzung nach Vereinbarung. Leihverkehr: nicht angeschlossen.
Technische Einrichtungen für den Benutzer. Kopiergerät.
Hinweise für anreisende Benutzer. Schriftliche Anmeldung erforderlich. Vom Bahnhof Gerstungen Fußwegnähe (ca. 10 Minuten). A 4 (E 40), Ausfahrt Gerstungen. Parkplatz Markt.

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Gerstungen gehört zu den ältesten Orten Thüringens, wurde im Jahre 744 zum ersten Mal erwähnt und besaß bereits 1282 eine Kirche. Das heutige Kirchengebäude wurde vermutlich 1434 eingeweiht, um 1525 wurde in Gerstungen die Reformation eingeführt. Ob gegen Ende des 16. Jhs bereits eine Kirchenbibliothek bestand das Kirchenschiff wurde 1588 nach einem Brand erbaut ist nicht bekannt. Die heute noch vorhandenen Werke aus dieser Zeit dürften wohl erst später angeschafft worden sein.

1.2 Unter den Pfarrern Johann Adam Arnold (um 1629-1696, im Amt 1674-1696) und Johann Christian Sesemann (1657-1725, im Amt 1696-1725) wurde die Kirchenbibliothek seit den siebziger Jahren des 17. Jhs durch Ankäufe vermehrt. In den Bestand gelangten z. B. eine Nürnberger Bibel von 1682, die Clavis Scripturae (Jena 1674) des Matthias Flacius Illyricus, der Commentarius historicus et apologeticus de Lutheranismo (Frankfurt und Leipzig 1688-1692) von Veit Ludwig von Seckendorff sowie Opera omnia (Leipzig 1702) und Teutsche Schrifften (Leipzig 1702) von Hieronymus Weller.

1.3 Wesentlich vergrößert wurde die Kirchenbibliothek durch die Stiftung des Pfarrers Johann Heinrich Christoph Hoffmann (1692-1773) aus Madelungen bei Eisenach. Seine Büchersammlung entstand in seiner Studienzeit und enthält in der Mehrzahl Autoren des ausgehenden 17. Jhs und des beginnenden 18. Jhs. Zahlreiche Bände tragen die Namen von mehreren Vorbesitzern. Viele Bände haben Randbemerkungen von seiner Hand. Hoffmann begründete ein Schullegat und hinterließ seine Bücher der Gerstunger Adjunktur und Kirche zum Gebrauch für seine Nachfolger. In Hoffmanns Bibliothek sind Autoren wie Martin Chemnitz, Cyriacus Spangenberg, Johann Arndt, Johann Gerhard und Salomon Glass vertreten, weiterhin Christoph Cellarius, August Hermann Francke, Johann Franz Buddeus, Joachim Lange, Johann Anastasius Freylinghausen, Ernst Salomon Cyprian, Ernst Valentin Löscher, Barthold Heinrich Brockes und Johann Gustav Reinbeck. Den pietistischen Auseinandersetzungen galt sein besonderes Interesses.

1.4 Von Hoffmann haben sich handschriftliche Materialien aus seiner Eisenacher Studienzeit erhalten, so Mitschriften oder Abschriften der Vorlesungen von 1713/14 " Synopsis iuris naturalis", " Compendium totius philosophiae" und " Dissertatio de politica privata" (Übersetzung ins Deutsche) von Christoph August Heumann (1681-1764), Literarhistoriker, Gymnasiallehrer und Inspektor des Eisenacher Theologischen Seminars. Vorhanden ist auch ein " Auszug aus [Johann Friedrich] Stapfers Grundlegung zur wahren Religion", der auch gedruckt vorliegt (Zürich 1746). Von Hoffmann selbst sind u. a. ein " Entwurff des wahren Christenthums" (Ms., 1741/42) und von ihm gehaltene Festpredigten und Predigtentwürfe überliefert.

1.5 Nachfolger Hoffmanns wurde 1774 sein aus Jüterbog stammender Neffe Johann Heinrich Hoffmann (1735-1785). 1777 legte er einen " Catalogus" der Bibliothek an, wie er ausdrücklich betonte, unter Abzug derjenigen Bücher, die Hoffmann sen. noch zu seinen Lebzeiten an ihn und andere abgegeben hatte. Während seiner Amtszeit (1781) taucht für die Sammlung der Begriff " Adjuncktur-Bibliothek" auf. Nach dem Tod von Hoffmann sen. kamen nur noch wenige Bände aus anderen Provenienzen hinzu. Durch Besitzvermerke nachweisbar sind die " Bibliotheca Seren. Domus Saxo-Isenacensis", Johann Christian Rebhan (ein 1671 in Jena gekaufter Band) und Caspar Rebhan (1606-1683), Generalsuperintendent in Eisenach, dem die Sammelbände mit Dissertationen gehörten, die er vermutlich von dem Herzoglich Sächsischen Geheimrat Zacharias Prüschenk (von Lindenhofen, 1610-1679) übernommen hatte.

1.6 Ursprünglich war die Bibliothek auf dem Boden des Pfarrhauses untergebracht. 1933 wurde sie durch Max Hauschild (1898-1964), von 1920 bis 1945 Lehrer in Gerstungen, ins Kirchenschiff verlagert und später auf der Kirchen-Empore aufgestellt. 1945 verlor Gerstungen den Superintendentursitz und wurde der Eisenacher Superintendentur angegliedert, ab 1970 gehörte es zu Marksuhl. Die Bibliothek wurde als geschlossene Sammlung weiter am Ort aufbewahrt, heute befindet sie sich in einem Raum des Pfarrhauses.

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

Chronologische Übersicht und Übersicht nach Sprachen

2.1 Die Bibliothek besteht aus 926 Bdn, von denen 37 (4 Prozent) im 16. Jh erschienen sind, 488 (52,7 Prozent) im 17. Jh, 388 (41,9 Prozent) im 18. Jh und 13 im 19. Jh. Hinzu kommt eine Inkunabel.

2.2 Der Bestand ist fast zur Hälfte deutschsprachig (458 Bde; 16. Jh 12, 17. Jh 226, 18. Jh 210, 19. Jh 10). 465 Bde (50,2 Prozent) sind in Latein (16. Jh 25, 17. Jh 262, 18. Jh 176, 19. Jh 2), 2 Bde in Französisch und einer in Niederländisch.

2.3 Bei der Inkunabel handelt es sich um die Opera Vergils (Nürnberg: Anton Koberger 1492; H 6070; Exemplar defekt), denen Ovids De arte amandi (Venedig 1506) angebunden ist. Systematische Übersicht

2.4 Theologische Schriften (einschließlich Dissertationen), Bibeln und Gesangbücher umfassen 374 Bde (40,4 Prozent; 16. Jh 13, 17. Jh 223, 18. Jh 134, 19. Jh 4). Neben Augustinus' Commentarius in Vetus et Novum Testamentum (Basel 1542) sind vorhanden die Paraphrases in Novum Testamentum (Mainz 1548) von Erasmus, das Corpus doctrinae Christianae (Leipzig 1560) von Melanchthon, Der vier Evangelisten Warhaffte eigentliche und kurtze Beschreibung (Frankfurt a. M. 1579) von Georg Raudt und Psalterium Davidis (Leipzig 1594) von Hieronymus Mencelius. Von Luther sind u. a. die KirchenPostilla (Wittenberg 1562), der letzte Teil der Bücher (Wittenberg 1572) und die Altenburger Ausgabe (1661-1664) im Bestand.

2.5 Die Außlegung Der Evangelien (Eisleben o. J.) durch den Erfurter Theologen Esaias Silberschlag ist vorhanden, ebenso die Methodi theologiae libri tres (Basel 1568) von Andreas Hyperius. Hoffmann erwarb die Theosophia [Hamburg 1715] von Jacob Böhme, Des Jüdischen Thalmuds fürnehmster Inhalt und Widerlegung (Leipzig 1685) von Christian Gerson, das Compendium theologiae viatorum & regenitorum practicae (Halle 1723) von Johann Porst, Der wohlgeplagte Priester und Der Exemplarische Priester (beide Leipzig und Dresden 1691) von Johann Samuel Adami. Die Theologia positiva acroamatica (Rostock und Leipzig 1706) hat Anmerkungen von seiner Hand. Zu erwähnen sind ferner die Biblia Latinogallica (Genf 1558), eine Amsterdamer Bibel von 1750 und die Andachts-Bibel (Hildburghausen 1845) in 2 Ausgaben.

2.6 Predigten, Erbauungsschriften und Katechismen sind mit 277 Bdn (29,9 Prozent; 16. Jh 7, 17. Jh 165, 18. Jh 102, 19. Jh 3) im Bestand, darunter die Predigtsammlungen In Evangelii quod inscribitur secundum Lucam (Frankfurt 1545) von Johann Brenz, die Postilla (Leipzig 1575) von Christoph Vischer und Calvinismus (Leipzig 1596) von Polycarp Leyser, mit der angebundenen Streitschrift Wider die verkehrte Lehre der Carlstader (Neubrandenburg 1594) von Erasmus Alberus. Die Einfeltige Wetterpredigt (Schleusingen 1607) wurde von dem Kühndorfer Pfarrer Johann Ebert gehalten.

2.7 Vorhanden sind weiterhin die Schola pietatis (Jena 1649) von Johann Gerhard, die Biblische Policey (Frankfurt a. M. 1663) von Dieterich Reinking(k), Göttliches Angst-Fügen und Trost-Vergnügen (Nürnberg 1664) von Johann Fabricius mit Noten zum Grab-Gesang von Johann Christoph Arnschwanger, komponiert von Heinrich Schwemmer, und Himmels-Lust und Welt-Unlust (Jena 1670) von Ahasver Fritsch. Der Durchleuchtige Prediger (Weimar 1670) enthält eine Predigt von Herzog Wilhelm Ernst. Hinzu kommen die Prophetische Spruch-Postill (Nürnberg 1684-1685) von Salomon Glass, ...

Licht und Recht (Halle und Leipzig 1732-1743) von Joachim Lange, Unterricht vom Unverletzten Gewissen (Leipzig 1733) von Johann Gottlob Carpzov, eine Sammlung von Predigten sowie zahlreiche Leichenpredigten.

2.8 Die Gruppe " Allgemeine Geschichte und Kirchengeschichte" umfaßt 82 Bde (8,9 Prozent; 16. Jh 4, 17. Jh 35, 18. Jh 43). Die Apologia (Dresden 1583) enthält auch die Warhaffte Christliche Und gegründte Widerlegung der vermeynten Entschüldigung der Prediger zu Bremen (Dresden 1583). Vorhanden sind die Historia unsers lieben Her(r)n und Heilands Jesu Christi (Nürnberg 1585) von Johann Mathesius, die Ecclesiastica historia (Basel 1611), die anonym erschienene Letzte Posaun Uber Deutschlandt ( o. O. 1664) von Friedrich Breckling, die Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie (Frankfurt a. M. 1700-1715) von Gottfried Arnold, Gottfried Dexels Historischer Lust-Garten (Dresden und Leipzig 1702), Christian Junckers Grundlegung zur Kirchenhistorie (Hamburg 1737) und die Historien und Bücher (Straßburg 1587) des Flavius Josephus.

2.9 Philosophische Fragen betreffen 60 Bde (6,4 Prozent; 16. Jh einer, 17. Jh 31, 18. Jh 28), darunter Des Herrn [Jacques] Esprit Falschheit Derer menschlichen Tugenden (Leipzig 1710), die U(e)bung der Gottseligkeit oder Die gantze Pflicht der Menschen (Leipzig 1715), aus dem Englischen des Richard Allestree, der Versuch einer geistlichen Morale oder Sittenlehre (Jena 1719) von Jean La Placette, Glückseligkeit und Gesundheit der Seelen (Magdeburg und Leipzig 1732) von William Benn und Lehren und Ermahnungen über die gute Anwendung der Jünglingsjahre (Bd 1, Erfurt 1794), hrsg. von J. Ch. Wolframm.

2.10 Sprache und Literatur sind 40 Bde zuzuordnen (4,3 Prozent; 16. Jh 2, 17. Jh 6, 18. Jh 28, 19. Jh 4), darunter Erasmus' Adagiorum collectanea (Basel 1520), das Lexicon Graecolatinum novum (Basel 1589) von Johannes Scapula und die OEuvres von Molière (Lyon 1799). Unter den 24 Bdn zu Staat und Recht (2,6 Prozent; 16. Jh 6, 17. Jh 16, 18. Jh 2) befinden sich der von Kilian König herausgegebene Sachsenspiegel (Leipzig 1545) und die angebundene Practica Und Process der Gerichtsleuffte (Frankfurt/O. 1550), der Ehespiegel (Straßburg 1567) von Cyriacus Spangenberg und die Ethographia mundi = Geldt-Klage (Magdeburg 1613).

2.11 Zur Geographie und den Naturwissenschaften sind 27 Bde im Bestand (2,9 Prozent; 16. Jh 4, 17. Jh 7, 18. Jh 14, 19. Jh 2), darunter der Froben-Druck von De ortu & causis subterraneorum Lib. V und weiteren Schriften von Georg Agricola (Basel 1546). Eingelegt ist eine Anzeige von Agricolas De mensuris & ponderibus (bei Froben 1533). Auch die Opera des Giovanni Arcolani (Basel 1540) liegen vor.

2.12 Vorhanden sind Heinrich Büntings Itinerarium sacrae scripturae (Leipzig 1585), Sebastian Münsters Cosmographey, Oder beschreibung Aller Länder herrschafftenn (Basel 1592) und die Romantische Reise von Jena ... nach Frankfurth am Main (Eisenach 1802) von [Christian Friedrich Gottlieb Thon]. Ein Sammelband enthält Ernst Ludwig Rathlefs Akridotheologie (Hannover 1748) historische und theologische Betrachtungen über Heuschrecken - und die anonyme Schrift Die sogenannten Werke des Teufels auf dem Erdboden (Freiburg 1751). Erwähnenswert sind ferner des Herrn Johann Anderson Nachrichten von Island, Grönland und der Strasse Davis (Frankfurt und Leipzig 1747) und das " Wunder-Mägdgen" Beatrix (Erfurt 1748) von Historiographus [Johann Gottfried Schnabel].

2.13 Unter den Zeitschriften (34 Bde, 3,7 Prozent; 17. Jh 4, 18. Jh 30) befinden sich Monats-Gespräche (1688) von Christian Thomasius, Deliciae biblicae (1694, 1696), Gründliche Erleuterung Der Dunckelsten Oerter und Steine des Anstossens Alten und neuen Testaments (Versuch 1-12, Leipzig 1714) von Theophilus Alethaeus [Lorenz Müller], Gründliche Auszüge aus denen Neuesten Theologisch-, Philosophisch- und Philologischen Disputationibus, hrsg. von Abraham Kriegel (Stück 1, 1733) und die Auserlesene theologische Bibliothek (1733), hrsg. von Johann Christoph Colerus.

2.14 Von Hoffmann erworben wurden Der stillen Gesellschafft im Reiche der(er) Todten ... Anmerckungen (Jg. 1-3, 1741-1743) mit den beigefügten Gespräche(n) im Reiche derer Todten (1. und 2. Entrevue, London 1748) und eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges (Frankfurt und Leipzig 1748); ferner das von Christoph Gottlieb Richter herausgegebene Gespräch im Reiche der Todten (Frankfurt und Leipzig, Bd 1-5, 1756-1762).

2.15 Unter den Nachschlagewerken (8 Bde; 17. Jh einer, 18. Jh 7) sind das Lexicon Graeco-Latinum in Novum Domini nostri Jesu Christi Testamentum (Herborn 1648) von Georg Pasor, Jakob Iselins Neu-vermehrtes Historisch-Geographisches Allgemeines Lexicon (Basel 1728-1729), ein Biblisches Real-Lexicon (Chemnitz 1715-1726) von J[ohann] H[unger] und ein Exegetisches Prediger-Lexicon (Chemnitz 1731) von Sebastian Seydel.

3. KATALOGE

Bücherverzeichnis der Gerstunger Ephoralbibliothek. 1924 angefertigt

[Bestandsliste; nach Formaten; 491 Nummern, Nachtrag 35 Nummern]

4. DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

4.1 Archivalien

Pfarrarchiv Gerstungen: Kirchen-Chronik der Parochie zu Gerstungen

Landeskirchenarchiv Eisenach der Evangelisch- Lutherischen Kirche in Thüringen: Kirchenarchivwart, AB 3b (II, 1924)

4.2 Darstellungen

Freiberg, Bernd; Freiberg, Gisela: Unsere Kirche im Wechsel der Zeiten. In: 1250 Jahre Gerstungen, ein Heimatbuch. Ringgau-Datterode 1993, S. 125-156 [enthält S. 127-151 die von Max Hauschild 1934 in der Werra-Zeitung veröffentlichte Artikelserie " Die Baugeschichte der Gerstunger Kirche"]

Stand: Februar 1997

Felicitas Marwinski


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.