FABIAN HANDBUCH: HANDBUCH DER HISTORISCHEN BUCHBESTÄNDE IN DEUTSCHLAND, ÖSTERREICH UND EUROPA SUB Logo
 
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Hradec nad Moravicí [Graetz]

Schloßbibliothek

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Schloß Graetz erwarben 1777 die Fürsten Lichnowsky von Woschütz. Der Grundstock der Bibliothek, der durch einen Brand 1795 dezimiert wurde, stammt aus älteren Besitzungen der Familie im Herzogtum Ratibor (im preußischen Teil Schlesiens). Erhalten ist eine Reihe von Werken des 15. und 16. Jhs, darunter ein Bestand von Aldinen aus den Jahren 1497 bis 1547. In der Zeit um 1800 ergänzten Karl Gottlieb von Lichnowsky (1788) und sein Sohn Karl (1814) die Bibliothek.

1.2 Im 19. Jh sorgte besonders Fürst Eduard Maria von Lichnowsky (1789-1845) für den Bucherwerb. Er war Autor historischer, kunsthistorischer und genealogischer Studien sowie sechs belletristischer Werke. Ein umfangreiches Werk befaßt sich mit dem Haus Habsburg. Nach ihm setzte sein Sohn Felix (1814-1848) den Bucherwerb fort; er war Armeeoffizier, Politiker und Anhänger der Restauration und wurde 1848 in Frankfurt von Aufständischen ermordet. Auch sein Bruder Robert (1822-1879), Dechant des Olmützer Kapitels und päpstlicher Geheimkämmerer, ergänzte die Bibliothek. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts erweiterte Karl Max (1860-1928) den Bestand.

1.3 Die Fürsten von Lichnowsky waren Gastgeber von berühmten Musikern, darunter Ludwig van Beethoven, Franz Liszt und vermutlich Niccolò Paganini. Dies ist auch am Buchbestand erkennbar. Aus dem Jahre 1902 stammt ein Buch mit einer Dedikation von Cosima Wagner an Karl Max von Lichnowsky. Die Bestände sind mit einigen heraldischen Exlibris der Familie versehen. Die Bücherschränke in den drei Bibliotheksräumen des Schlosses stammen aus der späten Empirezeit. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam die Bibliothek unter die Verwaltung des Nationalmuseums in Prag. Heute befindet sie sich im Besitz des Denkmalamtes in Graetz [Památkový ústav v Hradci nad Moravicí].

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

2.1 Die Bibliothek enthält 15.091 Bde, davon 25 Hss., 13 Inkunabeln, 80 Drucke des 16. Jhs, ca. 300 Bde des 17. Jhs, ca. 2400 Bde des 18. Jhs und ca. 9000 Bde des 19. Jhs. Der Rest stammt vom Anfang des 20. Jhs. Etwa 65 Prozent des Bestandes sind deutschsprachig.

2.2 Ein großer Teil der Bestände ist Literatur zur Geschichte, vor allem der europäischen Staaten, Österreichs und der deutschen Staaten mit Schwerpunkt auf Preußen. Viele Werke dokumentieren den Aufstieg Preußens und der Hohenzollern sowie die Entstehung und Entwicklung des deutschen Kaisertums. Die Geschichte der österreichischen und böhmischen Länder wird oft mit der Geschichte des Hauses Habsburg verbunden. Vorhanden sind u. a. Adolf Beer, Die orientalische Politik Österreichs seit 1774 (Prag 1883); Julius Andrássy, Ungarns Ausgleich mit Österreich vom Jahre 1867 (Leipzig 1897) und aus dem 18. Jh von Caspar Sagittarius Gründliche und ausführliche Historia der Graffschafft Gleichen (Frankfurt 1732). Eine Reihe von Schriften gilt Politikern und Staatsmännern, insbesondere Bismarck (einschließlich seiner eigenen Schriften) und Wilhelm I., darunter von Friedrich Adami Das Buch von Kaiser Wilhelm (Bielefeld 1888).

2.3 Ein zweiter Interessenbereich war Schlesien, seine Geschichte, die Genealogie des schlesischen Adels, Landeskunde u. a. Von J. G. Leonhard Dorst besitzt die Bibliothek sein Schlesisches Wappenbuch (Görlitz 1780). Eine Reihe von Schriften betrifft die österreichische Balkanpolitik und die russische und deutsche Politik. Militaria konzentrieren sich auf die deutschen Kriege mit Frankreich und die Folgen des Ersten Weltkriegs.

2.4 Die Jurisprudenz ist überwiegend durch Gesetzessammlungen und einige theoretische Werke vertreten (vorwiegend aus dem 17. Jh). Zur Bildenden Kunst liegen hauptsächlich Kataloge deutscher und anderer europäischer Museen und Galerien sowie kunstgeschichtliche Handbücher des 18. Jhs vor. Von Ivan Lermolieff (i. e. Giovanni Morelli) findet sich Kunstkritische Studien über italienische Malerei (Leipzig 1890). An diesen Bestand knüpft eine Sammlung von monumentalen Kunstpublikationen mit Kupferstichen und von Werken über Architektur an.

2.5 Einen kleineren Bestand bildet deutsche Philosophie vom Ende des 18. Jhs mit einer Reihe von Werken Kants wie z. B. Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können (Riga 1783). Neben Memoiren und gedruckten Korrespondenzen, in der Regel von bedeutenden Adeligen, enthält die Bibliothek auch zahlreiche belletristische Werke, oft mit historischer Thematik, ferner Reisebeschreibungen der ganzen Welt (vom 18. bis zum Ende des 19. Jhs), literarische Almanache, Theateralmanache, Libretti, Wörterbücher und Lehrbücher. Hinzu kommt eine Sammlung von Karten und Plänen der europäischen Länder und Städte aus dem 19. Jh.

Standortkatalog

[erstellt in den fünfziger Jahren des 20. Jhs]

[Lifka, Bohumír]: Zámecká knihovna Hradec u Opavy [Die Schloßbibliothek Graetz]. In: Hradec u Opavy. Státní zámek [Staatsschloß]. Praha 1962, S. 36-37 [In der Publikation wurde aus politischen Gründen als Autor Pravoslav Kneidl angeführt.]

Stand: September 1996

Petr Mašek


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.